Frau Thomas Mann
War die kluge und schöne Tochter aus...
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War die kluge und schöne Tochter aus reichem Münchener Hause nach ihrer Heirat wirklich nur noch ''Frau Thomas Mann''?
FrauThomas Mann von Inge und Walter Jens
LESEPROBEEine großbürgerliche Familie
DieHochzeitsreise war standesgemäß. Das Zürcher Hotel Baur au Lac zählte zu jenengroßen und komfortablen Etablissements, die Thomas Mann ein Leben langschätzte: Smoking-Toilette, livrierte Kellner, eine prächtige Halle, von deraus man die Gäste beobachten konnte, Konversation im Salon, Liftboys inUniform ... das Flair der Reichen und Verwöhnten, zu denen sich das junge Paardank väterlicher Großzügigkeit rechnen durfte, war stets dazu angetan, dasLebensgefühl des Romanciers zu erhöhen. Dass es einen gleichen Einfluss aufdie Befindlichkeit seiner jungen Frau ausübte, ist zu bezweifeln. SpätereÄußerungen lassen erkennen, dass ihr Luxus und prätentiöse Herausgehobenheiteher Unbehagen als Glück bereiteten.
Außerdem:Zürich im Februar dürfte trotz des komfortablen Logis und eines Ausflugs nachLuzern keine großen Attraktionen geboten haben; die wehmutsvollen Briefe derjungen Frau, die von Haus aus gewohnt war, viel Leben um sich zu sehen, sindsicherlich keine Erfindung der Mutter. Dennoch bot die AbgeschiedenheitMöglichkeiten, sich an das neue Dasein zu gewöhnen. Eine penible philologischeForschung hat im Notizbuch des Ehemannes Adressen von Ärzten gefunden, diesich wahrscheinlich nicht nur auf die Behandlung von nervösen Magenleidenverstanden, sondern auch in diskreteren Regionen Bescheid wussten.
Von Frauenwusste Thomas Mann - trotz der nebulösen Begegnung mit einer Engländerin namensMary Smith in Florenz - zur Zeit der Hochzeit nicht eben viel. Wusste er spätermehr? Noch nach der Geburt von Tochter Erika hoffte er, das Mädchen brächte ihnvielleicht in ein «näheres Verhältnis zum <anderen> Geschlecht», von demer «eigentlich, obgleich nun Ehemann, noch immer nichts» wisse. Aber hatteKatia anderes erwartet? Auf jeden Fall: Pünktlich neun Monate nach denFlitterwochen, im November 1905, wurde das erste Kind geboren. Vielleicht hatteeine Zürcher Gynäkologin die junge Frau verständig beraten, so, wie es im Falldes Partners zwei Nervenärzte oder der Hypnotiseur Dr. med. Ringier getan habenmögen.
DerAufenthalt in Zürich dauerte gut vierzehn Tage - eine Zeit, die beide Partneroffenbar als ausreichend für eine Hochzeitsreise ansahen. Thomas Mann zog es anden Schreibtisch: Urlaub ohne Arbeit gab es für ihn sein Leben lang nicht, ander See so wenig wie in den Bergen, und auch Katia hatte Sehnsucht nachMünchen. Die doppelte Fremde: Ohne Eltern oder Brüder mit einem nochunvertrauten Mann in einer Stadt, die ihr erst Jahrzehnte später Heimat werdensollte (hier würde man leben, mehr als drei Dezennien lang, und hier würde manschließlich sterben) ... all das ließ keine ungetrübte Freude aufkommen.
Und sokehrte man zurück ins Vertraute. Die Wohnung in der Franz-Joseph-Straße wargerüstet, das junge Paar zu empfangen. Während der Ehemann sich am Schreibtischin Brief und poetischer Verkleidung bemühte, die Skrupel zu bewältigen, dieihn angesichts der Frage überfielen, ob er sein Künstlertum zugunsten der Eheverraten habe, suchte die junge Frau, ihren neuen privaten undgesellschaftlichen Aufgaben gerecht zu werden: als Mitglied im Trägervereindes Münchener Gisela-Kinderspitals zum Beispiel. Im Damenausschuss dieserVereinigung wird «Frau Thomas Mann» - wie es in den Akten heißt - durchausmitgesprochen haben, wenn es um das Wohl einer Klinik ging, dieLiteraturkennern als jenes Dorotheen-Kinderkrankenhaus vertraut ist, das (inThomas Manns Roman Königliche Hoheit) nach einem Besuch des PrinzenKlaus Heinrich und Fräulein Imma Spoelmanns mit einer großzügigen Spende desMillionär-Papas bedacht wird.
Briefe undDokumente späterer Zeiten machen immer wieder deutlich, dass Katia Mann vomBeginn ihrer Ehe an einen sicheren Instinkt für Details und Konstellationen entwickelte,die der Arbeit ihres Mannes förderlich sein mochten, und dass sie ihn durchlebhafte und plastische Erzählungen von Geschehnissen aus ihrem Umkreis mitEpisoden <versorgte>, die ihm für das jeweils im Entstehen begriffeneWerk von Nutzen waren. Auch der für die späteren Jahre bezeugte Brauch, Katiaam Abend das in den Vormittagsstunden Geschriebene vorzulesen und ihrenkritischen Rat ernst zu nehmen, scheint von Anfang an bestanden zu haben.
Was denhäuslichen Teil der ehelichen Pflichten betraf, so hatte Hedwig Pringsheim einZimmermädchen und eine Köchin engagiert und stand im Übrigen bereit, um ihrerTochter die ersten Schritte in die Selbständigkeit zu erleichtern. Schließlichbetrug die Entfernung zwischen der Arcis- und der Franz-Joseph-Straße nurwenige Gehminuten. Der Verkehr zwischen dem Haus Pringsheim und dem Haus Mannblieb eng, Besuche hinüber und herüber waren an der Tagesordnung, man bewegtesich im vertrauten Ambiente. Und doch war in einem entscheidenden Punkt allesanders: Katia würde im November ihr erstes Kind bekommen.
© Rowohlt Verlag GmbH
- Autoren: Inge Jens , Walter Jens
- 2014, 15. Aufl., 384 Seiten, 58 Abbildungen, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499236648
- ISBN-13: 9783499236648
- Erscheinungsdatum: 02.08.2004
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