Nur wer fällt, lernt fliegen
Roman
Frech, rührend und komisch - Anna Gavalda, wie wir sie lieben!
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Nur wer fällt, lernt fliegen “
Frech, rührend und komisch - Anna Gavalda, wie wir sie lieben!
Klappentext zu „Nur wer fällt, lernt fliegen “
Billie und Franck sind beim Bergwandern in Frankreich in eine Felsspalte gestürzt. Während er bewusstlos in ihren Armen liegt, versucht sie mit aller Kraft wach zu bleiben und erzählt ihre Geschichte: Sie, Billie, wuchs in einer Wohnwagensiedlung auf, er, Franck, lag wegen seiner Homosexualität im ständigen Clinch mit seinem bürgerlich-reaktionären Vater. Nichts scheint die beiden zu verbinden, bis sie zwei Hauptrollen im Schultheater bekommen. Trotzdem spricht alles gegen ein Happy End: Sie bleibt sitzen, er muss ins Internat, es folgen Abstürze und Schicksalsschläge. Aber Billie und Franck geben nicht auf. In Paris finden sie sich wieder - und Billie stellt ihr Leben auf Reset. Dann wird das Glück schon kommen.
Lese-Probe zu „Nur wer fällt, lernt fliegen “
Wir sahen einander böse an. Er, weil er vermutlich dachte, ich sei an allem schuld, und ich, weil das kein Grund war, mich so anzuschauen. Dummheiten hatte ich, seit wir uns kannten, schon dermaßen viele gemacht, und er hatte so dermaßen davon profitiert, hatte sich dermaßen darüber amüsiert, dass es von seiner Seite aus jetzt kleinlich war, mir ausgerechnet die hier vorzuwerfen, nur weil sie vielleicht ein böses Ende nehmen würde…Scheiße, wie hätte ich das auch ahnen können? Ich heulte. »Und? Hast du jetzt wenigstens Schuldgefühle?«, murmelte er und schloss die Augen. »Ach was. Bin ich blöd. Du und Schuldgefühle …«
Er war zu k.o., um mir ernsthaft böse zu sein. Und außerdem nützte das niemandem. In dem Punkt wären wir uns immer einig. Ich und Schuldgefühle, ich weiß nicht mal, wie man das schreibt…
Wir befanden uns in einer Felsspalte oder wie auch immer dieser Mist in Erdkunde hieß. Eine Art … tektonischer Verschiebung im Nationalpark der Cevennen, wo es keinen Handyempfang gab, wo nicht mal der Schwanz eines Schafs zu sehen war – geschweige denn, der eines Schäfers – und wo niemand uns finden würde. Ich hatte mir zwar den Arm demoliert, aber den konnte ich noch bewegen, während er sich, das war klar zu erkennen, komplett zerlegt hatte. Ich wusste schon, dass er einiges einstecken konnte, aber diesmal überraschte er mich echt. Einmal mehr.
Er lag auf dem Rücken. Anfangs hatte ich versucht, ihm aus meinen Schuhen ein Kopfkissen zu basteln, aber kaum hob ich seinen Kopf an, schien er fast ins Nirwana zu sinken, also legte ich ihn sofort wieder ab und fasste ihn nicht mehr an. Das war übrigens das einzige Mal, dass er ausgerastet ist, er dachte, sein Rückenmark hätte was abgekriegt, und
... mehr
die Vorstellung, wie ziemlich beste Freunde zu enden, hat ihn dermaßen entsetzt, dass er mich endlos zugelabert hat, ich sollte ihn doch in diesem Loch zurücklassen oder sein Leben beenden.
Hm. Da ich nichts bei der Hand hatte, um ihn anständig abzumurksen, haben wir lieber Doktorspielchen gemacht. Leider, leider hatten wir zwei uns nicht früh genug kennengelernt, um sie heimlich zu machen, aber wir waren sicher nicht die letzten im Wartezimmer … Als ich das sagte, musste er lachen, und das war gut so, weil, das war alles, was ich mitnehmen wollte, in die Hölle auf dieser oder auf der anderen Seite: ein kleines Lächeln, wenn auch totgeboren und auf die Schnelle mit der Geburtszange herausgezogen, wie dieses hier. Auf den Rest konnte ich gut und gern verzichten…
Ich kniff ihn überall und zunehmend fester. Wenn es ihm wehtat, strahlte ich. Es war der Beweis dafür, dass sein Gehirn noch voll funktionsfähig war und ich ihn nicht im Rollstuhl zum heiligen Petrus schieben musste. Ansonsten, auch kein Problem, ich wäre ganz klar bereit, ihm den Schädel einzuschlagen. Dafür liebte ich ihn genug.
»Na also, geht doch … du quiekst ja ständig, das heißt, es ist noch alles dran, oder? Meiner Meinung nach hast du dir das Bein gebrochen und vielleicht noch die Hüfte oder das Becken. Na ja, irgendwas in der Richtung…«
»Mhmm …«
Er war nicht überzeugt. Etwas bedrückte ihn, ganz klar. Ich war alles andere als glaubwürdig, ohne meinen weißen Kittel und mein Stethosdingsbums um den Hals. Stirnrunzelnd betrachtete er den Himmel und jammerte leise vor sich hin. Die Leier kannte ich, in allen Nuancen, und mir war klar, dass ich ihm noch was schuldig war. Das war das Stichwort…
»Nee, Francky-Boy, nee … ich glaub’s nicht, das kann nicht wahr sein … Du willst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich mir an deinem Ding zu schaffen mache?«
»…«
»Doch?«
Ich merkte ganz genau, wie er mit aller Kraft versuchte, den Sterbenden zu mimen, aber ich, für mich war das kein Problem des Anstands. Eher der Effizienz. Die Situation war ernst, und ich konnte ihn jetzt unmöglich im Stich lassen, nur weil ich nicht sein Fall war…<br> »He. Es ist ja nicht so, dass ich nicht will. Aber alles, was recht ist …«<br> Ich kam mir vor wie Jack Lemmon in der Schlussszene von Manche mögens heiß. Genau wie ihm gingen mir die Argumente aus, und ich musste alles auffahren, was ich an Munition zur Verfügung hatte, damit man aufhörte, mir auf den Wecker zu gehen: »Ich bin ein Mädchen, Franck …« Und wissen Sie was, wenn ich in diesem Moment … genau in diesem Moment einen tiefschürfenden Vortrag über die Freundschaft halten müsste, so einen Aufriss mit sche10 matischen Zeichnungen, Diashow, kleinen Wasserflaschen und dem üblichen Drum und Dran, um zu erklären, woher sie kommt, woraus sie besteht und wie man sich vor Fälschungen schützt, würde ich an dieser Stelle das Bild anhalten und mit meinem Pointer auf seine Antwort zeigen.
Diese drei geflüsterten Worte, superfies und superfreundlich, mit einem irre schlecht imitierten Lächeln für jemand, der nicht mal wusste, ob er leben oder sterben oder weiterhin Schmerzen haben würde, aber ohne je wieder vögeln zu können: »Well … Nobody’s perfect …« Ja, in diesem Moment wäre ich ausnahmsweise mal die Selbstsicherheit in Person, und Pech für den, der den Film nicht gesehen hat, der nichts vom Kino versteht und daher nie einen wahren Freund von einem armseligen Transvestiten wird unterscheiden können, für den kann ich nichts tun. Aber weil er es war, weil ich es war und weil es uns immer noch gelang, gemeinsam zu fliegen und uns in einem derart jämmerlichen Augenblick in der Luft zu treffen, stieg ich mit einem Bein über ihn hinweg und legte meinen gesunden Arm auf seinen Unterleib.
Ich berührte ihn nur ganz leicht. »Hör mal, Alte«, grunzte er nach einer kurzen Pause, »ich verlange ja nicht die ganz große Nummer von dir… Du brauchst ihn nur einmal kurz zu berühren, danach verlieren wir kein Wort mehr darüber.«<br> »Ich trau mich nicht …« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Ich konnte seine Enttäuschung ja verstehen. Wir hatten zusammen Situationen erlebt, die weitaus peinlicher und für mich alles andere als schmeichelhaft gewesen waren, und ich hatte ihn mit so vielen wilden, so vielen heftigen, so vielen brenzligen Geschichten gequält, darum war ich jetzt überhaupt nicht glaubwürdig. Ü-ber-haupt nicht! Aber es war auch keine Show… Ich traute mich nicht. Man kann im Voraus schlicht nicht wissen, was sich als unberührbar herausstellt. Die Hand noch in der Schwebe wurde mir plötzlich klar, dass eine ganze Welt zwischen meinen sexuellen Abenteuern und seinem Strulli lag. Wenn es sein musste, würde ich jeden Schwanz befummeln, nur seinen nicht, nein, seinen nicht, und diese Lektion erteilte ich mir ausnahmsweise ganz allein. Ich hatte schon immer gewusst, dass ich ihn furchtbar gern hatte, aber bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt herauszufinden, wie sehr ich ihn respektierte, tja, und da lag sie nun vor mir, die Antwort: ein paar Millimeter entfernt… Mein unendliches Schamgefühl. Unser Schamgefühl. Ich wusste natürlich, dass ich mich nicht lange von diesen unschuldsengelgleichen Anwandlungen zurückhalten lassen würde, aber erst mal war ich total verblüfft. Im Ernst, ich war vollkommen von den Socken, dass ich so zart besaitet war. Verschüchtert, ängstlich, fast neojungfräulich! Wie Weihnachten. Okay. Weiter geht’s. Schluss mit dem Gelaber. An die Arbeit, du Jungfrau...
Damit er sich entspannte, trommelte ich mit den Fingern in der Nähe seines Nabels herum und sang: »Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh«, aber das hat ihn nicht sonderlich entspannt. Anschließend legte ich mich neben ihn, schloss die Augen, legte meine Lippen auf seinen…Gehörgang, konzentrierte mich und flüsterte ganz leise, nein, noch viel leiser, wobei ich ihm Speichelbläschen ins Ohr blies und nervtötende Quieklaute produzierte, seine schlimmsten oder besten und geheimsten Phantasievorstellungen oder was ich dafür hielt ins Ohr, während ich mit einem geistesabwesenden, faulen, unmotivierten…okay, sagen wir es ruhig, geilen Fingernagel das U seiner Reißverschlussnähte nachfuhr. Die Härchen in seinen Ohren zogen sich entsetzt zusammen, und meine Ehre war wiederhergestellt. Er fluchte. Er lächelte. Er lachte. Er faselte dummes Zeug. Er sagte, hör auf. Er sagte, du bist doof. Er sagte, ist das schön. Er sagte, willst du wohl damit aufhören! Er sagte, ich hasse dich, er sagte, du bist toll. Aber das alles war lange her. Als er noch die Kraft hatte, vollständige Sätze zu sagen, und ich im Traum nicht daran dachte, dass ich noch mit ihm heulen würde. Jetzt wurde es dunkel, mir war kalt, ich hatte Hunger, ich war kurz vorm Verdursten und befand mich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil ich nicht wollte, dass er litt. Und wenn ich nur ein bisschen ehrlich wäre, würde ich noch hinzufügen »und das durch meine Schuld«. Aber ich bin nicht ehrlich.
Ich saß neben ihm, lehnte an einem Felsen und welkte vor mich hin. Vor lauter Gewissensbissen fielen mir die Blätter aus. Unter Aufbietung all seiner Kräfte, was ich kaum noch für möglich gehalten hätte, löste er den Arm von seinem Körper und berührte mit der Hand mein Knie. Ich legte meine Hand auf seine und fühlte mich noch schwächer. Es gefiel mir gar nicht, wenn er mir auf die sentimentale Art kam, der Aasgeier. Das war nicht fair. Nach einer Weile fragte ich: »Was ist das für ein Geräusch?«<br> »…«<br> »Glaubst du, das ist ein Wolf? Glaubst du, es gibt hier Wölfe?« Und als er nicht antwortete, schrie ich: »Mensch, antworte gefälligst! Sag was! Sag ja oder nein, sag mir, ich soll mich verpissen, aber lass mich nicht allein. Nicht jetzt … Bitte nicht …«
Meine Worte richteten sich nicht an ihn, sondern an mich. An meine Dummheit. Meine Schmach. Meine mangelnde Vorstellungskraft. Niemals würde er mich im Stich lassen, und wenn er jetzt schwieg, dann allein deshalb, weil er nicht mehr bei Bewusstsein war.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war sein Gesichtsausdruck nicht mehr nur ein einziger Vorwurf, und der Gedanke, dass er jetzt litt, verlieh mir neuen Mut: Irgendwie, wie auch immer, würde ich uns hier rausholen, keine Frage. Wir hatten nicht den ganzen Weg zurückgelegt, um am Ende in einem gottverlassenen Kaff in der Lozère einen auf Into the Wild zu machen. Verdammt nervig, das durfte nicht sein, das wäre zu peinlich…
Ich dachte nach. Erstens waren es keine Wölfe, sondern Vögel. Eulen oder so was in der Art. Und außerdem starb man nicht an ein paar gebrochenen Knochen. Er hatte kein Fieber, er verlor kein Blut, er hatte Schmerzen, okay, aber er war nicht in Gefahr. Das Beste, was ich jetzt tun konnte, war schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen, und morgen bei Tagesanbruch, sobald ich hier in der Pampa wieder etwas sehen könnte, würde ich mich auf den Weg machen. Ich würde durch diesen gottverdammten Wald stapfen, ich würde dieses gottverdammte Gebirge durchqueren und ich würde in dieser Grube einen blumengeschmückten Hubschrauber landen. So, jetzt war es heraus. Ich würde mich aufraffen und dann wäre in dieser Kalklandschaft hier was geboten. Weil Familienwanderungen, juppheidi, juppheida, mit nervigen Idioten und gestressten Packeseln, davon hatte ich jetzt genug. Tut mir leid, Jungs, aber Jack Wolfskin ist nichts für uns. Hörst du, Baby? Hörst du, was ich sage? Bei deinem Leben, solange ich nicht tot bin, wirst du niemals auf dem Land krepieren. Niemals. Nicht ums Verrecken. Ich legte mich erneut hin, grunzte, richtete mich wieder auf, um meinen Schlafplatz sauberzumachen und die vielen Steinchen rauszuwerfen, die mich in den Rücken piekten, bevor ich mich wieder ablegte und an ihn schmiegte.
Ich konnte nicht einschlafen… Die kleinen Kobolde, die mein Gehirn bevölkerten, hatten zu viel Acid abbekommen… Dort oben spielte ein Dudelsackorchester einen Technobeat. Die Hölle.
Ich grübelte so viel, dass ich meinen Gedanken gar nicht mehr hinterherkam, und außerdem konnte ich mich noch so sehr an ihn schmiegen und mich selbst in die Arme schließen, mir war immer noch kalt. Ich fror, DJ Grumpy zerschoss mir das letzte Fitzelchen Tapferkeit, das mir noch geblieben war, und rasch wagten sich ein paar kleine Tränen vor, die wendiger waren als die anderen. Verdammt. Ich war wirklich aus der Übung. Um ihnen eine Abfuhr zu erteilen, warf ich den Kopf in den Nacken und… Und… Ohooo…
Was mir die Sprache verschlug, waren weniger die Sterne selbst, wir hatten, seit wir hier im Gelände unterwegs waren, schon einige gesehen, es war ihre Choreographie. Klick! Pling!, einer nach dem anderen gingen sie im Takt an. Ich wusste nicht einmal Ding!, dass das ging … Sie funkelten so stark, dass es fast verdächtig war. Als wären es LEDs oder neue Birnen, die man gerade erst reingeschraubt hatte. Als wäre jemand auf den Dimmer gestiegen. Es war…gigantisch…
Plötzlich war ich nicht mehr allein, und ich drehte mich zu Franck, um mir an seiner Schulter die Nase abzuputzen. He, ihr Assis, etwas Anstand bitte… Hier wird nicht rumgerotzt, wenn euch der Herrgott seine Discokugel leiht… Gibt es in Galaxien Springfluten wie im Meer oder sah nur ich sie? Tanzte die Milchstraße durch die Nacht? Eine riesige Raveparty guter Feen, die mir massenhaft Goldstaub auf den Kopf streuten, um meine Batterien wieder aufzuladen? Sie kamen von überall her, und ich hatte das Gefühl, dass sie die Nacht erwärmten. Ich hatte das Gefühl, in der Dunkelheit etwas Sonnenbräune abzukriegen. Ich hatte das Gefühl, die Welt steht Kopf. Ich befand mich nicht mehr in einem tiefen Abgrund, wo das Elend an mir nagte, sondern auf einer Bühne…
Ja, in welchen Tiefen ich auch herumkreuchte (ich auch herumkroch?) (äh, ich mich herumquälte), ich stand über den Dingen. Ich befand mich in einem riesigen Konzertsaal – wie Le Zénith in Paris, nur unter freiem Himmel –, der von einem Ende der Erde zum anderen ging, mitten in einem Lied, das die Menge zum Kochen brachte, und all die Feuerzeuge, all die Leinwände, all die Wunderkerzen, die die Engel in die Luft hielten, forderten von mir, dass ich mich ihrer würdig zeigte. Ich hatte kein Recht, mein Schicksal zu bewei17 nen, und, ach, wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass auch Francky-Boy in den Genuss kam… Er könnte genauso wenig wie ich den Großen Bären vom Kleinen Wagen unterscheiden, aber er wäre überglücklich über so viel Schönheit… Überglücklich… Er, der Künstler von uns beiden. Dank seiner Begabung waren wir unseren Misthaufen entkommen, und für ihn hatte das Universum sein Lameekleid herausgeholt. Um ihm zu danken. Um ihn zu ehren. Um ihm zu sagen: He, Kleiner, dich kennen wir doch… Klar kennen wir dich… Wir haben dich schon eine ganze Weile im Visier, und wir haben uns notiert, dass du von der Schönheit wie besessen bist… Dein ganzes Leben lang hast du nach ihr gesucht, ihr gedient und sie erschaffen. Tja, und jetzt… Zum Lohn für deine Mühe, sieh es dir an… Betrachte dich in diesem Spiegel… Heute Abend fährst du endlich die Zinsen ein… Deine Kameradin, die ist eine ganz Vulgäre, die spuckt überall hin und flucht wie ein Kesselflicker. Ich frage mich wirklich, wer die reingelassen hat… Du hingegen… Du gehörst zur Familie… Komm… Tanz mit uns…
Ich hatte angefangen, laut zu reden… In aller Bescheidenheit und für einen Jungen, der mich nicht hören konnte, hatte ich gerade im Namen des Universums gesprochen! Es war bescheuert, aber auch süß… Es zeigte, wie sehr ich ihn liebte… Äh…eine letzte Sache noch, Mister Universum… (und als ich das sagte, sah ich James Brown vor mir), vielmehr zwei Sachen… Erstens, Sie lassen meinen Freund, wo er ist… Sie brauchen nicht nach ihm zu rufen, er wird nicht kommen. Auch wenn er sich für mich schämt, wird er mich nicht fallenlassen. So ist es, und nicht einmal Sie, nicht einmal Sie können daran etwas ändern, zweitens, ich entschuldige mich für meine Sprache. Es ist ja wahr, manchmal rutscht mir was total Vulgäres raus, aber wenn ich Ihre Ohren beleidige, dann nicht aus mangelndem Respekt, sondern aus Frust, weil ich nicht schnell genug die richtigen Worte finde. It’s a man’s world, you know… I feel good, war die Antwort.
Ich schaute mir die vielen Sterne an und suchte unseren. Denn wir hatten einen, ganz sicher. Nicht jeder einen für sich allein, leider, wir hatten einen für uns beide. Eine kleine Nachtleuchte in unserer WG. Ja, eine schöne kleine Funzel, die uns gefunden hat, als wir uns damals kennenlernten, und die uns all die Jahre gute Dienste geleistet hat. Okay, in den letzten Stunden hatte unser Stern ziemlich viel Mist gebaut, aber allmählich sah ich wieder Licht am Ende des Tunnels… Er hatte sich ordentlich herausgeputzt, der Kleine. Hatte sein Paillettenspray von Sephorus versprüht. He! Ganz klar, er gehört schließlich zu uns! Er wird ja wohl kaum zurückbleiben, wenn sich seine Freunde zum Feuerwerk aufmachen! Ich suchte ihn. Ich ging sie alle durch, um ihn zu finden, weil ich ihm etwas sagen musste… Ihn an etwas erinnern… Ich suchte ihn, um ihn davon zu überzeugen, dass er uns ein letztes Mal helfen musste. Obwohl wir es nicht verdient hatten. Obwohl vor allem ich es nicht verdient hatte… Ja. Ich war schließlich an dem ganzen Schlamassel schuld, also war es meine Aufgabe, ihm an die Zacken zu klopfen, damit er seine Hotline reaktivierte. Die anderen Sterne waren ebenfalls schön, aber sie gingen mir am…, sorry, sie waren mir schnurzpiepegal, während er sich, wenn ich ihn auf den neuesten Stand brächte, sicher erweichen lassen würde…
Hm. Da ich nichts bei der Hand hatte, um ihn anständig abzumurksen, haben wir lieber Doktorspielchen gemacht. Leider, leider hatten wir zwei uns nicht früh genug kennengelernt, um sie heimlich zu machen, aber wir waren sicher nicht die letzten im Wartezimmer … Als ich das sagte, musste er lachen, und das war gut so, weil, das war alles, was ich mitnehmen wollte, in die Hölle auf dieser oder auf der anderen Seite: ein kleines Lächeln, wenn auch totgeboren und auf die Schnelle mit der Geburtszange herausgezogen, wie dieses hier. Auf den Rest konnte ich gut und gern verzichten…
Ich kniff ihn überall und zunehmend fester. Wenn es ihm wehtat, strahlte ich. Es war der Beweis dafür, dass sein Gehirn noch voll funktionsfähig war und ich ihn nicht im Rollstuhl zum heiligen Petrus schieben musste. Ansonsten, auch kein Problem, ich wäre ganz klar bereit, ihm den Schädel einzuschlagen. Dafür liebte ich ihn genug.
»Na also, geht doch … du quiekst ja ständig, das heißt, es ist noch alles dran, oder? Meiner Meinung nach hast du dir das Bein gebrochen und vielleicht noch die Hüfte oder das Becken. Na ja, irgendwas in der Richtung…«
»Mhmm …«
Er war nicht überzeugt. Etwas bedrückte ihn, ganz klar. Ich war alles andere als glaubwürdig, ohne meinen weißen Kittel und mein Stethosdingsbums um den Hals. Stirnrunzelnd betrachtete er den Himmel und jammerte leise vor sich hin. Die Leier kannte ich, in allen Nuancen, und mir war klar, dass ich ihm noch was schuldig war. Das war das Stichwort…
»Nee, Francky-Boy, nee … ich glaub’s nicht, das kann nicht wahr sein … Du willst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich mir an deinem Ding zu schaffen mache?«
»…«
»Doch?«
Ich merkte ganz genau, wie er mit aller Kraft versuchte, den Sterbenden zu mimen, aber ich, für mich war das kein Problem des Anstands. Eher der Effizienz. Die Situation war ernst, und ich konnte ihn jetzt unmöglich im Stich lassen, nur weil ich nicht sein Fall war…<br> »He. Es ist ja nicht so, dass ich nicht will. Aber alles, was recht ist …«<br> Ich kam mir vor wie Jack Lemmon in der Schlussszene von Manche mögens heiß. Genau wie ihm gingen mir die Argumente aus, und ich musste alles auffahren, was ich an Munition zur Verfügung hatte, damit man aufhörte, mir auf den Wecker zu gehen: »Ich bin ein Mädchen, Franck …« Und wissen Sie was, wenn ich in diesem Moment … genau in diesem Moment einen tiefschürfenden Vortrag über die Freundschaft halten müsste, so einen Aufriss mit sche10 matischen Zeichnungen, Diashow, kleinen Wasserflaschen und dem üblichen Drum und Dran, um zu erklären, woher sie kommt, woraus sie besteht und wie man sich vor Fälschungen schützt, würde ich an dieser Stelle das Bild anhalten und mit meinem Pointer auf seine Antwort zeigen.
Diese drei geflüsterten Worte, superfies und superfreundlich, mit einem irre schlecht imitierten Lächeln für jemand, der nicht mal wusste, ob er leben oder sterben oder weiterhin Schmerzen haben würde, aber ohne je wieder vögeln zu können: »Well … Nobody’s perfect …« Ja, in diesem Moment wäre ich ausnahmsweise mal die Selbstsicherheit in Person, und Pech für den, der den Film nicht gesehen hat, der nichts vom Kino versteht und daher nie einen wahren Freund von einem armseligen Transvestiten wird unterscheiden können, für den kann ich nichts tun. Aber weil er es war, weil ich es war und weil es uns immer noch gelang, gemeinsam zu fliegen und uns in einem derart jämmerlichen Augenblick in der Luft zu treffen, stieg ich mit einem Bein über ihn hinweg und legte meinen gesunden Arm auf seinen Unterleib.
Ich berührte ihn nur ganz leicht. »Hör mal, Alte«, grunzte er nach einer kurzen Pause, »ich verlange ja nicht die ganz große Nummer von dir… Du brauchst ihn nur einmal kurz zu berühren, danach verlieren wir kein Wort mehr darüber.«<br> »Ich trau mich nicht …« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Ich konnte seine Enttäuschung ja verstehen. Wir hatten zusammen Situationen erlebt, die weitaus peinlicher und für mich alles andere als schmeichelhaft gewesen waren, und ich hatte ihn mit so vielen wilden, so vielen heftigen, so vielen brenzligen Geschichten gequält, darum war ich jetzt überhaupt nicht glaubwürdig. Ü-ber-haupt nicht! Aber es war auch keine Show… Ich traute mich nicht. Man kann im Voraus schlicht nicht wissen, was sich als unberührbar herausstellt. Die Hand noch in der Schwebe wurde mir plötzlich klar, dass eine ganze Welt zwischen meinen sexuellen Abenteuern und seinem Strulli lag. Wenn es sein musste, würde ich jeden Schwanz befummeln, nur seinen nicht, nein, seinen nicht, und diese Lektion erteilte ich mir ausnahmsweise ganz allein. Ich hatte schon immer gewusst, dass ich ihn furchtbar gern hatte, aber bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt herauszufinden, wie sehr ich ihn respektierte, tja, und da lag sie nun vor mir, die Antwort: ein paar Millimeter entfernt… Mein unendliches Schamgefühl. Unser Schamgefühl. Ich wusste natürlich, dass ich mich nicht lange von diesen unschuldsengelgleichen Anwandlungen zurückhalten lassen würde, aber erst mal war ich total verblüfft. Im Ernst, ich war vollkommen von den Socken, dass ich so zart besaitet war. Verschüchtert, ängstlich, fast neojungfräulich! Wie Weihnachten. Okay. Weiter geht’s. Schluss mit dem Gelaber. An die Arbeit, du Jungfrau...
Damit er sich entspannte, trommelte ich mit den Fingern in der Nähe seines Nabels herum und sang: »Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh«, aber das hat ihn nicht sonderlich entspannt. Anschließend legte ich mich neben ihn, schloss die Augen, legte meine Lippen auf seinen…Gehörgang, konzentrierte mich und flüsterte ganz leise, nein, noch viel leiser, wobei ich ihm Speichelbläschen ins Ohr blies und nervtötende Quieklaute produzierte, seine schlimmsten oder besten und geheimsten Phantasievorstellungen oder was ich dafür hielt ins Ohr, während ich mit einem geistesabwesenden, faulen, unmotivierten…okay, sagen wir es ruhig, geilen Fingernagel das U seiner Reißverschlussnähte nachfuhr. Die Härchen in seinen Ohren zogen sich entsetzt zusammen, und meine Ehre war wiederhergestellt. Er fluchte. Er lächelte. Er lachte. Er faselte dummes Zeug. Er sagte, hör auf. Er sagte, du bist doof. Er sagte, ist das schön. Er sagte, willst du wohl damit aufhören! Er sagte, ich hasse dich, er sagte, du bist toll. Aber das alles war lange her. Als er noch die Kraft hatte, vollständige Sätze zu sagen, und ich im Traum nicht daran dachte, dass ich noch mit ihm heulen würde. Jetzt wurde es dunkel, mir war kalt, ich hatte Hunger, ich war kurz vorm Verdursten und befand mich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil ich nicht wollte, dass er litt. Und wenn ich nur ein bisschen ehrlich wäre, würde ich noch hinzufügen »und das durch meine Schuld«. Aber ich bin nicht ehrlich.
Ich saß neben ihm, lehnte an einem Felsen und welkte vor mich hin. Vor lauter Gewissensbissen fielen mir die Blätter aus. Unter Aufbietung all seiner Kräfte, was ich kaum noch für möglich gehalten hätte, löste er den Arm von seinem Körper und berührte mit der Hand mein Knie. Ich legte meine Hand auf seine und fühlte mich noch schwächer. Es gefiel mir gar nicht, wenn er mir auf die sentimentale Art kam, der Aasgeier. Das war nicht fair. Nach einer Weile fragte ich: »Was ist das für ein Geräusch?«<br> »…«<br> »Glaubst du, das ist ein Wolf? Glaubst du, es gibt hier Wölfe?« Und als er nicht antwortete, schrie ich: »Mensch, antworte gefälligst! Sag was! Sag ja oder nein, sag mir, ich soll mich verpissen, aber lass mich nicht allein. Nicht jetzt … Bitte nicht …«
Meine Worte richteten sich nicht an ihn, sondern an mich. An meine Dummheit. Meine Schmach. Meine mangelnde Vorstellungskraft. Niemals würde er mich im Stich lassen, und wenn er jetzt schwieg, dann allein deshalb, weil er nicht mehr bei Bewusstsein war.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war sein Gesichtsausdruck nicht mehr nur ein einziger Vorwurf, und der Gedanke, dass er jetzt litt, verlieh mir neuen Mut: Irgendwie, wie auch immer, würde ich uns hier rausholen, keine Frage. Wir hatten nicht den ganzen Weg zurückgelegt, um am Ende in einem gottverlassenen Kaff in der Lozère einen auf Into the Wild zu machen. Verdammt nervig, das durfte nicht sein, das wäre zu peinlich…
Ich dachte nach. Erstens waren es keine Wölfe, sondern Vögel. Eulen oder so was in der Art. Und außerdem starb man nicht an ein paar gebrochenen Knochen. Er hatte kein Fieber, er verlor kein Blut, er hatte Schmerzen, okay, aber er war nicht in Gefahr. Das Beste, was ich jetzt tun konnte, war schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen, und morgen bei Tagesanbruch, sobald ich hier in der Pampa wieder etwas sehen könnte, würde ich mich auf den Weg machen. Ich würde durch diesen gottverdammten Wald stapfen, ich würde dieses gottverdammte Gebirge durchqueren und ich würde in dieser Grube einen blumengeschmückten Hubschrauber landen. So, jetzt war es heraus. Ich würde mich aufraffen und dann wäre in dieser Kalklandschaft hier was geboten. Weil Familienwanderungen, juppheidi, juppheida, mit nervigen Idioten und gestressten Packeseln, davon hatte ich jetzt genug. Tut mir leid, Jungs, aber Jack Wolfskin ist nichts für uns. Hörst du, Baby? Hörst du, was ich sage? Bei deinem Leben, solange ich nicht tot bin, wirst du niemals auf dem Land krepieren. Niemals. Nicht ums Verrecken. Ich legte mich erneut hin, grunzte, richtete mich wieder auf, um meinen Schlafplatz sauberzumachen und die vielen Steinchen rauszuwerfen, die mich in den Rücken piekten, bevor ich mich wieder ablegte und an ihn schmiegte.
Ich konnte nicht einschlafen… Die kleinen Kobolde, die mein Gehirn bevölkerten, hatten zu viel Acid abbekommen… Dort oben spielte ein Dudelsackorchester einen Technobeat. Die Hölle.
Ich grübelte so viel, dass ich meinen Gedanken gar nicht mehr hinterherkam, und außerdem konnte ich mich noch so sehr an ihn schmiegen und mich selbst in die Arme schließen, mir war immer noch kalt. Ich fror, DJ Grumpy zerschoss mir das letzte Fitzelchen Tapferkeit, das mir noch geblieben war, und rasch wagten sich ein paar kleine Tränen vor, die wendiger waren als die anderen. Verdammt. Ich war wirklich aus der Übung. Um ihnen eine Abfuhr zu erteilen, warf ich den Kopf in den Nacken und… Und… Ohooo…
Was mir die Sprache verschlug, waren weniger die Sterne selbst, wir hatten, seit wir hier im Gelände unterwegs waren, schon einige gesehen, es war ihre Choreographie. Klick! Pling!, einer nach dem anderen gingen sie im Takt an. Ich wusste nicht einmal Ding!, dass das ging … Sie funkelten so stark, dass es fast verdächtig war. Als wären es LEDs oder neue Birnen, die man gerade erst reingeschraubt hatte. Als wäre jemand auf den Dimmer gestiegen. Es war…gigantisch…
Plötzlich war ich nicht mehr allein, und ich drehte mich zu Franck, um mir an seiner Schulter die Nase abzuputzen. He, ihr Assis, etwas Anstand bitte… Hier wird nicht rumgerotzt, wenn euch der Herrgott seine Discokugel leiht… Gibt es in Galaxien Springfluten wie im Meer oder sah nur ich sie? Tanzte die Milchstraße durch die Nacht? Eine riesige Raveparty guter Feen, die mir massenhaft Goldstaub auf den Kopf streuten, um meine Batterien wieder aufzuladen? Sie kamen von überall her, und ich hatte das Gefühl, dass sie die Nacht erwärmten. Ich hatte das Gefühl, in der Dunkelheit etwas Sonnenbräune abzukriegen. Ich hatte das Gefühl, die Welt steht Kopf. Ich befand mich nicht mehr in einem tiefen Abgrund, wo das Elend an mir nagte, sondern auf einer Bühne…
Ja, in welchen Tiefen ich auch herumkreuchte (ich auch herumkroch?) (äh, ich mich herumquälte), ich stand über den Dingen. Ich befand mich in einem riesigen Konzertsaal – wie Le Zénith in Paris, nur unter freiem Himmel –, der von einem Ende der Erde zum anderen ging, mitten in einem Lied, das die Menge zum Kochen brachte, und all die Feuerzeuge, all die Leinwände, all die Wunderkerzen, die die Engel in die Luft hielten, forderten von mir, dass ich mich ihrer würdig zeigte. Ich hatte kein Recht, mein Schicksal zu bewei17 nen, und, ach, wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass auch Francky-Boy in den Genuss kam… Er könnte genauso wenig wie ich den Großen Bären vom Kleinen Wagen unterscheiden, aber er wäre überglücklich über so viel Schönheit… Überglücklich… Er, der Künstler von uns beiden. Dank seiner Begabung waren wir unseren Misthaufen entkommen, und für ihn hatte das Universum sein Lameekleid herausgeholt. Um ihm zu danken. Um ihn zu ehren. Um ihm zu sagen: He, Kleiner, dich kennen wir doch… Klar kennen wir dich… Wir haben dich schon eine ganze Weile im Visier, und wir haben uns notiert, dass du von der Schönheit wie besessen bist… Dein ganzes Leben lang hast du nach ihr gesucht, ihr gedient und sie erschaffen. Tja, und jetzt… Zum Lohn für deine Mühe, sieh es dir an… Betrachte dich in diesem Spiegel… Heute Abend fährst du endlich die Zinsen ein… Deine Kameradin, die ist eine ganz Vulgäre, die spuckt überall hin und flucht wie ein Kesselflicker. Ich frage mich wirklich, wer die reingelassen hat… Du hingegen… Du gehörst zur Familie… Komm… Tanz mit uns…
Ich hatte angefangen, laut zu reden… In aller Bescheidenheit und für einen Jungen, der mich nicht hören konnte, hatte ich gerade im Namen des Universums gesprochen! Es war bescheuert, aber auch süß… Es zeigte, wie sehr ich ihn liebte… Äh…eine letzte Sache noch, Mister Universum… (und als ich das sagte, sah ich James Brown vor mir), vielmehr zwei Sachen… Erstens, Sie lassen meinen Freund, wo er ist… Sie brauchen nicht nach ihm zu rufen, er wird nicht kommen. Auch wenn er sich für mich schämt, wird er mich nicht fallenlassen. So ist es, und nicht einmal Sie, nicht einmal Sie können daran etwas ändern, zweitens, ich entschuldige mich für meine Sprache. Es ist ja wahr, manchmal rutscht mir was total Vulgäres raus, aber wenn ich Ihre Ohren beleidige, dann nicht aus mangelndem Respekt, sondern aus Frust, weil ich nicht schnell genug die richtigen Worte finde. It’s a man’s world, you know… I feel good, war die Antwort.
Ich schaute mir die vielen Sterne an und suchte unseren. Denn wir hatten einen, ganz sicher. Nicht jeder einen für sich allein, leider, wir hatten einen für uns beide. Eine kleine Nachtleuchte in unserer WG. Ja, eine schöne kleine Funzel, die uns gefunden hat, als wir uns damals kennenlernten, und die uns all die Jahre gute Dienste geleistet hat. Okay, in den letzten Stunden hatte unser Stern ziemlich viel Mist gebaut, aber allmählich sah ich wieder Licht am Ende des Tunnels… Er hatte sich ordentlich herausgeputzt, der Kleine. Hatte sein Paillettenspray von Sephorus versprüht. He! Ganz klar, er gehört schließlich zu uns! Er wird ja wohl kaum zurückbleiben, wenn sich seine Freunde zum Feuerwerk aufmachen! Ich suchte ihn. Ich ging sie alle durch, um ihn zu finden, weil ich ihm etwas sagen musste… Ihn an etwas erinnern… Ich suchte ihn, um ihn davon zu überzeugen, dass er uns ein letztes Mal helfen musste. Obwohl wir es nicht verdient hatten. Obwohl vor allem ich es nicht verdient hatte… Ja. Ich war schließlich an dem ganzen Schlamassel schuld, also war es meine Aufgabe, ihm an die Zacken zu klopfen, damit er seine Hotline reaktivierte. Die anderen Sterne waren ebenfalls schön, aber sie gingen mir am…, sorry, sie waren mir schnurzpiepegal, während er sich, wenn ich ihn auf den neuesten Stand brächte, sicher erweichen lassen würde…
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Autoren-Porträt von Anna Gavalda
Anna Gavalda, 1970 geboren, ist eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie studierte Literatur in Paris und arbeitete als Lehrerin, bis sie mit ihrem ersten Buch schlagartig berühmt wurde. Bei Hanser erschienen Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet (Erzählungen, 2002), Ich habe sie geliebt (Roman, 2003), Zusammen ist man weniger allein (Roman, 2005), der auch als Verfilmung ein großes Publikum in ganz Europa erreichte, Alles Glück kommt nie (Roman, 2008), Ein geschenkter Tag (2010), Nur wer fällt, lernt fliegen (Roman, 2014) und Ab morgen wird alles anders (Erzählungen, 2017).Ina Kronenberger, 1965 geboren, studierte Romanistik und Skandinavistik in Freiburg. Aus dem Französischen übersetzte sie u.a. Anna Gavalda, Thomas Gunzig und Isabelle Minière und aus dem Norwegischen u.a. Frode Grytten, Per Petterson und Linn Ullmann.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anna Gavalda
- 2014, 2. Aufl., 187 Seiten, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung:Kronenberger, Ina
- Übersetzer: Ina Kronenberger
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446245952
- ISBN-13: 9783446245952
- Erscheinungsdatum: 28.07.2014
Rezension zu „Nur wer fällt, lernt fliegen “
"Wer das Älterwerden voller Ironie widerlegen und dadurch geniessen kann, kommt dabei auf seine Kosten - dafür steht Anna Gavalda." Harald Loch, Nürnberger Nachrichten, 29.07.14"Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, ganz "ohne Sätze mit Rüschen":" Büchermagazin, 5/14
Kommentare zu "Nur wer fällt, lernt fliegen"
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