Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1
Roman
Alyss ist der ganze Stolz ihrer Mutter - der Begine Almut. Von der hat sie nämlich nicht nur ihre Scharfzüngigkeit, sondern auch ihren Spürsinn geerbt. Und den kann sie auch gebrauchen: Denn Köln wird von einem Raubmord...
Jetzt vorbestellen
versandkostenfrei
Taschenbuch
10.30 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1 “
Alyss ist der ganze Stolz ihrer Mutter - der Begine Almut. Von der hat sie nämlich nicht nur ihre Scharfzüngigkeit, sondern auch ihren Spürsinn geerbt. Und den kann sie auch gebrauchen: Denn Köln wird von einem Raubmord erschüttert. Die junge Alyss beginnt zu ermitteln, und was sie in Erfahrung bringt, ist schockierend.
Spannend und gewitzt, lässt Alyss nicht locker, bis sie den Mörder endlich stellen und überführen kann.
Der neue Beginen-Roman!
Klappentext zu „Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1 “
Start einer neuen Mittelaltersaga um Alyss, die Tochter der Begine AlmutEin Raubmord in Köln! Die junge Alyss tritt in die Fußstapfen ihrer Mutter Almut und beginnt zu ermitteln, und was sie in Erfahrung bringt, erschüttert sie in ihren Grundfesten ...
Begine Almut hat ihren Spürsinn und ihre Scharfzüngigkeit an ihre Tochter Alyss vererbt.
Spannend und gewitzt, lässt Alyss nicht locker, bis sie den Mörder eines Tuchhändlers gestellt und überführt hat.
"Ein wunderbar atmosphärisch dichter Mittelalterkrimi mit einer hinreißenden Heldin!" -- MDR
"Spannend, hinreißend, liebevoll geschrieben." -- BILD Köln
"Unwiderstehlich!" -- Echo der Frau
"Spannend, hinreißend, liebevoll geschrieben." -- BILD Köln
"Unwiderstehlich!" -- Echo der Frau
Lese-Probe zu „Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1 “
Gebiete sanfte Herrin mir von Andrea Schacht1. Kapitel
Die rettenden Feuer in der sturmschwarzen Nacht erwiesen sich als bösartige Falle. Mit einem durchdringenden Knirschen lief die Kogge auf Sand. Menschen, Fässer, Tauwerk und zerberstendes Holz wurden durcheinandergeworfen, Schreie übertönten das Tosen des eisigen Windes.
Nicht nur Schreie des Entsetzens, sondern auch das Gebrüll des Triumphes.
Mit lodernden Fackeln kamen sie von Land, raue, hochgewachsene Gestalten, in deren Händen das Eisen der Äxte blutrot aufblitzte.
Die Besatzung ergab sich nicht kampflos. Ein Gemetzel begann, und mit bebenden Gliedern drückte die junge Frau sich an ihren Gatten, der versuchte, sie mit seinem eigenen Leib zu schützen. Schon war der Lagerraum im Schiffsbauch erobert, Ballen Tuch, Fässchen, Säcke und Packen warfen sich die Strandräuber zu, stapelten die Ware des Kauffahrers auf dem feuchten Watt. Andere aber setzten ihr Werk der Vernichtung fort. Schon war das Segel gefallen, krachten die Rahen auf Deck, brach der Mast. Verwundete stöhnten, blutüberströmte Leichen hingen über der zersplitterten Reling.
Sie wollte schreien vor Entsetzen, aber ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Angstvoll klammerte sie sich an die seewassergetränkte Heuke ihres Mannes, der sie die Stiege zum Kastell hinaufdrängte.
In der Hand hielt er einen langen Dolch.
Eine jämmerliche Waffe angesichts der Übermacht, die das Schiff erstürmt hatte. Wie Höllendämonen wüteten die Wilden im flackerndroten Schein der Kienspäne. Es war eine Frage von wenigen Augenblicken, bis sie entdeckt würden. Kein Ausgang blieb; mit dem Rücken zur Wand, oben auf den hohen Aufbauten konnten sie nicht entkommen. Der Sprung in die Tiefe wäre ihr Tod – so oder so. Aus dem rauchigen Dunkel kam eine Gestalt auf sie zu, groß, barbarisch,
... mehr
drohend.
»Laurenz«, wisperte sie. »Laurenz.«
Ein Schluchzen nur.
Ihr Gatte hob den Dolch, bereit ihr Leben zu verteidigen, doch in dem Augenblick schwang der Riese seinen Hammer. Er traf auf den Schädel des Kaufmanns und zertrümmerte ihn. Sein Körper sackte vor ihren Füßen zusammen. Doch bevor sie sich regen konnte, hatte der Wilde sie schon an der Hand gefasst und zu sich gezerrt. Sie wurde auf die blutigen Bohlen geworfen, ihre Kleider zerrissen. Mit einem Grunzen nahm sich der Strandräuber seine Beute.
2. Kapitel
Alyss hob die linke Augenbraue, die sich wie ein schwarzes, samtiges Räupchen anmutig über die helle Stirn schwang. »Nicht das Handelsgeschäft?«
»Nein, nicht das Handelsgeschäft«, erwiderte ihr Zwillingsbruder energisch.
Verständnisvoll betrachtete Alyss die magere, blasse Gestalt Marians, dessen Stimme derzeit das einzig Energische an ihm war. Er saß zwischen Polstern und Kissen in einem breiten Scherenstuhl, eine Pelzdecke über seinen Knien, obwohl der Mai schon recht warm geworden war. Im Kamin brannte zusätzlich ein Feuer, warmer Würzwein stand in Marians Griffnähe.
Und zwei Krücken lehnten in Reichweite seiner Arme an einem Tisch.
Seit zwei Monaten war er wieder daheim – im Haus ihres Vaters, dem Stammsitz derer vom Spiegel am Alter Markt. Zwei lange Monate hatten sie alle um sein Leben gebangt, doch nun ging es ihm zumindest wieder so gut, dass er sich Gedanken um seine Zukunft gemacht hatte. Alyss verbarg ihre Erleichterung darüber hinter der strengen Frage: »Und was willst du stattdessen mit deinem Leben anfangen? Durch die Tavernen bummeln? Hasen auf den Gütern jagen? Den Mägden nachsteigen? Hat dich der Müßiggang der letzten Wochen zum Weichling werden lassen?«
»War ich nicht schon immer ein Schwächling?«
Unvermutet bitter kam das aus dem Mund des jungen Mannes, und Alyss schnaubte.
»Natürlich. Jeder Schwächling reist mit gebrochenen Gliedern und Wundfieber von Spanien nach Köln. Du bemitleidest dich selbst, seit wir es nicht mehr in gebührender Form tun.«
»Ich will kein Mitleid!«
»Kriegst du von mir auch nicht«, beschied ihn seine Schwester und zog die Pelzdecke, die bei Marians heftiger Geste nach unten gerutscht war, sanft wieder hoch. Dann lächelte sie ihn an, und ihr ernstes Gesicht erblühte in strahlendem Liebreiz.
Alyss lächelte selten.
Marian lächelte prompt zurück.
»Hast recht, Schwester mein. Ich bemitleide mich selbst, denn eigentlich habe ich Angst.«
»Weil du glaubst, dass unser Vater deinen Entschluss nicht gutheißen wird?«
Er nickte.
Die Samträupchen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen und glitten dann rasch wieder an ihre angestammte Position zurück.
»Er hat dich als seinen Erben erzogen, Marian. Und du hast getan, was er wünschte. Du hast den Handel mit Spezereien gelernt, dich mehrmals auf lange Reisen begeben. Ich hatte den Eindruck, es gefiele dir. Täuschte ich mich so arg?«
»Nein, es gefiel mir. Bis …«
Sacht strich Alyss ihrem Bruder die rotbraunen Locken aus der Stirn, und er hob wieder seinen Kopf. Sie sah ihm in die Augen.
»Was willst du werden, Marian?«
»Ein Heiler!«, flüsterte er.
»Ich verstehe. Ja, ich glaube, ich verstehe dich. Hast du mit Mutter darüber schon gesprochen?«
»Nein, du bist die Erste. Alyss, ich muss es tun, auch wenn er mich dafür verachtet.«
»Wenn er das tut, bekommt er es mit mir zu tun!«
Marian lachte leise auf.
»Du bist ihm schon immer viel mutiger entgegengetreten als ich.«
»Ich bin ja auch nur ein Weib, Marian. In mich hat er lediglich seine Hoffnung auf Enkel gesetzt.«
Nun war es Alyss’ Miene, die sich verdunkelte.
»Nein, Schwester mein, das darfst du dir nicht zum Vorwurf machen. Und ich glaube auch nicht, dass er es tut.«
»Gleichwie, ich will an deiner Seite stehen, wenn du ihm von deinen Plänen berichtest. Aber tu es bald, Marian.«
»Heute. Ich habe um deinen Besuch gebeten, weil ich es ihm heute sagen will. Du weißt, er kommt vor dem Vesperläuten immer auf eine Weile zu mir.«
»Dann wollen wir uns wappnen, denn schon beginnt die Sonne hinter die Dächer zu sinken.«
Alyss erhob sich, strich ihren Surkot aus feinstem blauem Tuch glatt und warf einen Blick in den gewölbten Silberspiegel, um ihren gekräuselten Schleier zurechtzuzupfen. Er bedeckte ihre schwarzen Zöpfe zwar, wie es sich für eine verheiratete Frau geziemte, doch ihr Haaransatz und die sich daraus kringelnden Löckchen verhüllte er nicht. Ein kleiner Anflug von Eitelkeit, sicher, aber entschuldbar, fand sie.
»Du wappnest dich mit deiner Schönheit, Schwesterlieb, und womit soll ich es tun?«
»Mit deinem scharfen Geist, mein Bruder. Der hat trotz aller Fährnisse nicht gelitten.«
Marians Augen funkelten.
»Dann wollen wir gemeinsam in die Schranken treten. Ich höre Fußtritte vor der Tür.«
Schon öffnete sich diese, und in den weitläufigen Saal, den besten Raum des Patrizierhauses, trat der Herr ein und füllte ihn mit seiner Präsenz.
Ivo vom Spiegel trug seine neunundsechzig Jahre mit Würde; die Aura von Macht und Autorität umgab ihn wie die Falten seines silbergrauen Gewandes. Sein Haupthaar war weiß geworden, doch die Brauen hatten noch ihre Schwärze erhalten, wie auch die zwei Strähnen in seinem kurz geschnittenen Bart, die sich an den Mundwinkeln entlangzogen.
»Herr Vater, ich grüße Euch!«, sagte Alyss und deutete eine Reverenz an.
»Du lässt dein Hauswesen im Stich, um deinen Bruder mit müßigem Geschwätz zu unterhalten, Tochter?«
»Mein Hauswesen hat die Eigenart, für sich selbst zu sorgen, wenn ich es für eine Weile verlasse, um der Nächstenliebe zu frönen.«
»Nächstenliebe nennst du es, wenn du deinem Bruder den närrischen Klatsch aus den Gassen vorbeibringst?«
Alyss reckte ihr Kinn. »›Würden keine Narren leben, würd’ es keine Weisen geben‹, sagt Freigedank, der bescheidene Dichter. «
Der Blick unter den schwarzen Brauen, der Alyss durchbohrte, hätte manch schwächeres Weib zum Zittern und Zagen gebracht.
Doch sie erwiderte ihres Vaters Blick, und mit großer Genugtuung bemerkte sie das feine Gekräusel in seinen Augenwinkeln. »Du hast dich meiner Bibliothek bedient!«
»Ja, Herr Vater. Mit großem Nutzen für meine unsterbliche Seele.«
»Und du, Sohn? Hat sie auch deine Seele mit frommen Sinnsprüchen erquickt?«
»So weit lasse ich es nicht kommen, Herr Vater. Aber sie war mir alle Tage ein Halt.«
»So ernst, Junge?«
Alyss bemerkte, dass ihr Vater sehr genau zwischen den Zeilen lesen konnte. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich zu Marian.
»Ein wenig, Herr Vater. Ich möchte etwas mit Euch besprechen.«
»Wie es scheint, ein Thema von Wichtigkeit.«
Alyss schob einen Schemel näher an Marian und ließ sich darauf nieder.
»Ah, von großer Wichtigkeit«, kommentierte ihr Vater diese Geste. »Und eines, was mich nicht besonders erfreuen wird.«
»Ja, Herr Vater.«
»Sprich!«
»Es ist … Ich enttäusche Euch wieder einmal … Verzeiht, Herr Vater. Aber ich kann nicht anders.«
Marian rang die blassen Hände im Schoß und suchte nach Worten, stammelte und konnte nicht formulieren, was ihm am Herzen lag. Alyss räusperte sich leise, und er sah hilfesuchend zu ihr hin.
»Herr Vater, mein Bruder möchte nicht weiter als Kaufmann tätig sein, sondern als Heiler wirken.«
»Und das traust du dich nicht, mir ins Gesicht zu sagen, Sohn?«, grollte Ivo vom Spiegel.
Marian senkte die Lider.
»Ich weiß, dass es Euer größter Wunsch ist, dass ich das Geschäft übernehme. Ich bin Euer Erbe.«
»Und euer Vater ist ein Gelehrter, der selbst die großen Universitäten besucht hat«, sagte eine klare Stimme von der Tür her. Almut vom Spiegel trat ein und betrachtete die kleine Gruppe, die ihre Familie darstellte.
»Ivo, Ihr seht aus wie das personifizierte Gewitter. Entladet Donner und Blitz, aber dann wollen wir über diesen bemerkenswerten Sinneswandel unseres Sohnes in Ruhe sprechen.«
»Ich donnere und blitze nicht, Weib!«, donnerte Ivo vom Spiegel und sah seine Tochter mit blitzenden Augen an. »Oder?«
»Allmächtiger Vater. Nein, nie!«
Alyss fiel auf, dass ihre Mutter sich auf die Unterlippe biss, aber sehr schnell wieder Würde annahm. Ihr Vater hingegen nickte wohlwollend ob dieser Antwort. Dann stand er auf und wanderte zum Fenster, betrachtete eine Weile das Treiben auf dem Alter Markt und kehrte dann zu seinem Sohn zurück.
»Die medizinische Fakultät unserer Universität lässt noch ein wenig zu wünschen übrig«, grummelte er. »Ich denke, Salerno oder Paris sind geeignetere Orte, die ärztliche Kunst zu studieren.«
Marian zupfte an der Pelzdecke. Dann aber faltete er seine unruhigen Hände und erklärte mit fester Stimme: »Danke, Herr Vater. Aber ich möchte die Heilkunst nicht an den Universitäten studieren, sondern in der Praxis. Und dann, vielleicht später, will ich die Lektionen hören.«
»Wie stellst du dir diese Praxis vor?«
»Der Mann, der mir … geholfen hat, der meine Knochen wieder gerichtet und eingerenkt hat, er wusste mehr als all die Doctores, die nachher spitzfindig über mein Befinden philosophiert haben.«
»Ich habe ihnen gutes Geld für diese Spitzfindigkeiten gezahlt. «
»›Dem Kranken tut es selten wohl, wenn ihn der Doctor erben soll‹«, flötete Alyss.
»Tochter!«
»Was erwartet Ihr, Ivo? Sie ist mein Kind.«
Almut war zu Alyss getreten und hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt.
»Wie wahr. Nun, du willst also bei den Barbieren und Knocheneinrenkern lernen?«
»Bei den Wundärzten, Zahnbrechern und Kräuterweiblein, oder auch bei einem Infirmarius oder Alchimisten. Sie waren es, die mir wirklich geholfen haben.«
»Und wer wird mein Geschäft weiterführen?«
Marian verzog qualvoll sein mageres Gesicht.
»Alyss könnte es, Herr Vater. Weit besser als ich!«
»Meine Tochter ist verheiratet und führt das Geschäft ihres Gatten und ihr eigenes.«
»Darf ich, mein Herr Gemahl, daran erinnern, dass eine ganze Schar von Vettern, Neffen und Schwägern in Eurem Handelshaus tätig sind, die recht ordentliche Fähigkeiten als Kaufleute
besitzen.«
»Sind aber nicht meine Söhne«, murmelte der Herr vom Spiegel. »Also werde ich mir den Kopf zerbrechen müssen, wie ich mein Heim bestelle. Wenn du deinem Ruf folgen musst, Marian, dann bemühe dich, das so gut zu machen wie möglich. Wenn du Unterstützung brauchst, sag es mir. Ich kenne den einen oder anderen, der dir helfen könnte.«
Ivo vom Spiegel erhob sich. Hoch überragte er seinen Sohn, dessen zierliche Gestalt durch die lange Krankheit noch schmächtiger wirkte. In den strengen Zügen ihres Vaters gewahrte Alyss tiefe Sorge und – unendliche Zärtlichkeit. Der Herr des Hauses verließ den Raum, und die Herrin nahm seinen Platz im Sessel ein.
»Er versteht es manchmal prächtig, einem ein schlechtes Gewissen zu bereiten. Aber Marian, er ist so glücklich, dass es dir wieder besser geht. Ich glaube, er hat gar nicht erwartet, dass du noch einmal im Fernhandel tätig wirst.«
»Ich bin eben nicht gerade sein Wunschbild von Sohn.«
»Womit, Marian, du mir die Schuld zuschiebst, denn schließlich hätte ich mir mit dir ja wohl etwas mehr Mühe geben sollen. Oder wenigstens noch fünf weiteren strammen Söhnen das Leben schenken müssen.«
»Aber Frau Mutter …«
© 2009 by Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
»Laurenz«, wisperte sie. »Laurenz.«
Ein Schluchzen nur.
Ihr Gatte hob den Dolch, bereit ihr Leben zu verteidigen, doch in dem Augenblick schwang der Riese seinen Hammer. Er traf auf den Schädel des Kaufmanns und zertrümmerte ihn. Sein Körper sackte vor ihren Füßen zusammen. Doch bevor sie sich regen konnte, hatte der Wilde sie schon an der Hand gefasst und zu sich gezerrt. Sie wurde auf die blutigen Bohlen geworfen, ihre Kleider zerrissen. Mit einem Grunzen nahm sich der Strandräuber seine Beute.
2. Kapitel
Alyss hob die linke Augenbraue, die sich wie ein schwarzes, samtiges Räupchen anmutig über die helle Stirn schwang. »Nicht das Handelsgeschäft?«
»Nein, nicht das Handelsgeschäft«, erwiderte ihr Zwillingsbruder energisch.
Verständnisvoll betrachtete Alyss die magere, blasse Gestalt Marians, dessen Stimme derzeit das einzig Energische an ihm war. Er saß zwischen Polstern und Kissen in einem breiten Scherenstuhl, eine Pelzdecke über seinen Knien, obwohl der Mai schon recht warm geworden war. Im Kamin brannte zusätzlich ein Feuer, warmer Würzwein stand in Marians Griffnähe.
Und zwei Krücken lehnten in Reichweite seiner Arme an einem Tisch.
Seit zwei Monaten war er wieder daheim – im Haus ihres Vaters, dem Stammsitz derer vom Spiegel am Alter Markt. Zwei lange Monate hatten sie alle um sein Leben gebangt, doch nun ging es ihm zumindest wieder so gut, dass er sich Gedanken um seine Zukunft gemacht hatte. Alyss verbarg ihre Erleichterung darüber hinter der strengen Frage: »Und was willst du stattdessen mit deinem Leben anfangen? Durch die Tavernen bummeln? Hasen auf den Gütern jagen? Den Mägden nachsteigen? Hat dich der Müßiggang der letzten Wochen zum Weichling werden lassen?«
»War ich nicht schon immer ein Schwächling?«
Unvermutet bitter kam das aus dem Mund des jungen Mannes, und Alyss schnaubte.
»Natürlich. Jeder Schwächling reist mit gebrochenen Gliedern und Wundfieber von Spanien nach Köln. Du bemitleidest dich selbst, seit wir es nicht mehr in gebührender Form tun.«
»Ich will kein Mitleid!«
»Kriegst du von mir auch nicht«, beschied ihn seine Schwester und zog die Pelzdecke, die bei Marians heftiger Geste nach unten gerutscht war, sanft wieder hoch. Dann lächelte sie ihn an, und ihr ernstes Gesicht erblühte in strahlendem Liebreiz.
Alyss lächelte selten.
Marian lächelte prompt zurück.
»Hast recht, Schwester mein. Ich bemitleide mich selbst, denn eigentlich habe ich Angst.«
»Weil du glaubst, dass unser Vater deinen Entschluss nicht gutheißen wird?«
Er nickte.
Die Samträupchen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen und glitten dann rasch wieder an ihre angestammte Position zurück.
»Er hat dich als seinen Erben erzogen, Marian. Und du hast getan, was er wünschte. Du hast den Handel mit Spezereien gelernt, dich mehrmals auf lange Reisen begeben. Ich hatte den Eindruck, es gefiele dir. Täuschte ich mich so arg?«
»Nein, es gefiel mir. Bis …«
Sacht strich Alyss ihrem Bruder die rotbraunen Locken aus der Stirn, und er hob wieder seinen Kopf. Sie sah ihm in die Augen.
»Was willst du werden, Marian?«
»Ein Heiler!«, flüsterte er.
»Ich verstehe. Ja, ich glaube, ich verstehe dich. Hast du mit Mutter darüber schon gesprochen?«
»Nein, du bist die Erste. Alyss, ich muss es tun, auch wenn er mich dafür verachtet.«
»Wenn er das tut, bekommt er es mit mir zu tun!«
Marian lachte leise auf.
»Du bist ihm schon immer viel mutiger entgegengetreten als ich.«
»Ich bin ja auch nur ein Weib, Marian. In mich hat er lediglich seine Hoffnung auf Enkel gesetzt.«
Nun war es Alyss’ Miene, die sich verdunkelte.
»Nein, Schwester mein, das darfst du dir nicht zum Vorwurf machen. Und ich glaube auch nicht, dass er es tut.«
»Gleichwie, ich will an deiner Seite stehen, wenn du ihm von deinen Plänen berichtest. Aber tu es bald, Marian.«
»Heute. Ich habe um deinen Besuch gebeten, weil ich es ihm heute sagen will. Du weißt, er kommt vor dem Vesperläuten immer auf eine Weile zu mir.«
»Dann wollen wir uns wappnen, denn schon beginnt die Sonne hinter die Dächer zu sinken.«
Alyss erhob sich, strich ihren Surkot aus feinstem blauem Tuch glatt und warf einen Blick in den gewölbten Silberspiegel, um ihren gekräuselten Schleier zurechtzuzupfen. Er bedeckte ihre schwarzen Zöpfe zwar, wie es sich für eine verheiratete Frau geziemte, doch ihr Haaransatz und die sich daraus kringelnden Löckchen verhüllte er nicht. Ein kleiner Anflug von Eitelkeit, sicher, aber entschuldbar, fand sie.
»Du wappnest dich mit deiner Schönheit, Schwesterlieb, und womit soll ich es tun?«
»Mit deinem scharfen Geist, mein Bruder. Der hat trotz aller Fährnisse nicht gelitten.«
Marians Augen funkelten.
»Dann wollen wir gemeinsam in die Schranken treten. Ich höre Fußtritte vor der Tür.«
Schon öffnete sich diese, und in den weitläufigen Saal, den besten Raum des Patrizierhauses, trat der Herr ein und füllte ihn mit seiner Präsenz.
Ivo vom Spiegel trug seine neunundsechzig Jahre mit Würde; die Aura von Macht und Autorität umgab ihn wie die Falten seines silbergrauen Gewandes. Sein Haupthaar war weiß geworden, doch die Brauen hatten noch ihre Schwärze erhalten, wie auch die zwei Strähnen in seinem kurz geschnittenen Bart, die sich an den Mundwinkeln entlangzogen.
»Herr Vater, ich grüße Euch!«, sagte Alyss und deutete eine Reverenz an.
»Du lässt dein Hauswesen im Stich, um deinen Bruder mit müßigem Geschwätz zu unterhalten, Tochter?«
»Mein Hauswesen hat die Eigenart, für sich selbst zu sorgen, wenn ich es für eine Weile verlasse, um der Nächstenliebe zu frönen.«
»Nächstenliebe nennst du es, wenn du deinem Bruder den närrischen Klatsch aus den Gassen vorbeibringst?«
Alyss reckte ihr Kinn. »›Würden keine Narren leben, würd’ es keine Weisen geben‹, sagt Freigedank, der bescheidene Dichter. «
Der Blick unter den schwarzen Brauen, der Alyss durchbohrte, hätte manch schwächeres Weib zum Zittern und Zagen gebracht.
Doch sie erwiderte ihres Vaters Blick, und mit großer Genugtuung bemerkte sie das feine Gekräusel in seinen Augenwinkeln. »Du hast dich meiner Bibliothek bedient!«
»Ja, Herr Vater. Mit großem Nutzen für meine unsterbliche Seele.«
»Und du, Sohn? Hat sie auch deine Seele mit frommen Sinnsprüchen erquickt?«
»So weit lasse ich es nicht kommen, Herr Vater. Aber sie war mir alle Tage ein Halt.«
»So ernst, Junge?«
Alyss bemerkte, dass ihr Vater sehr genau zwischen den Zeilen lesen konnte. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich zu Marian.
»Ein wenig, Herr Vater. Ich möchte etwas mit Euch besprechen.«
»Wie es scheint, ein Thema von Wichtigkeit.«
Alyss schob einen Schemel näher an Marian und ließ sich darauf nieder.
»Ah, von großer Wichtigkeit«, kommentierte ihr Vater diese Geste. »Und eines, was mich nicht besonders erfreuen wird.«
»Ja, Herr Vater.«
»Sprich!«
»Es ist … Ich enttäusche Euch wieder einmal … Verzeiht, Herr Vater. Aber ich kann nicht anders.«
Marian rang die blassen Hände im Schoß und suchte nach Worten, stammelte und konnte nicht formulieren, was ihm am Herzen lag. Alyss räusperte sich leise, und er sah hilfesuchend zu ihr hin.
»Herr Vater, mein Bruder möchte nicht weiter als Kaufmann tätig sein, sondern als Heiler wirken.«
»Und das traust du dich nicht, mir ins Gesicht zu sagen, Sohn?«, grollte Ivo vom Spiegel.
Marian senkte die Lider.
»Ich weiß, dass es Euer größter Wunsch ist, dass ich das Geschäft übernehme. Ich bin Euer Erbe.«
»Und euer Vater ist ein Gelehrter, der selbst die großen Universitäten besucht hat«, sagte eine klare Stimme von der Tür her. Almut vom Spiegel trat ein und betrachtete die kleine Gruppe, die ihre Familie darstellte.
»Ivo, Ihr seht aus wie das personifizierte Gewitter. Entladet Donner und Blitz, aber dann wollen wir über diesen bemerkenswerten Sinneswandel unseres Sohnes in Ruhe sprechen.«
»Ich donnere und blitze nicht, Weib!«, donnerte Ivo vom Spiegel und sah seine Tochter mit blitzenden Augen an. »Oder?«
»Allmächtiger Vater. Nein, nie!«
Alyss fiel auf, dass ihre Mutter sich auf die Unterlippe biss, aber sehr schnell wieder Würde annahm. Ihr Vater hingegen nickte wohlwollend ob dieser Antwort. Dann stand er auf und wanderte zum Fenster, betrachtete eine Weile das Treiben auf dem Alter Markt und kehrte dann zu seinem Sohn zurück.
»Die medizinische Fakultät unserer Universität lässt noch ein wenig zu wünschen übrig«, grummelte er. »Ich denke, Salerno oder Paris sind geeignetere Orte, die ärztliche Kunst zu studieren.«
Marian zupfte an der Pelzdecke. Dann aber faltete er seine unruhigen Hände und erklärte mit fester Stimme: »Danke, Herr Vater. Aber ich möchte die Heilkunst nicht an den Universitäten studieren, sondern in der Praxis. Und dann, vielleicht später, will ich die Lektionen hören.«
»Wie stellst du dir diese Praxis vor?«
»Der Mann, der mir … geholfen hat, der meine Knochen wieder gerichtet und eingerenkt hat, er wusste mehr als all die Doctores, die nachher spitzfindig über mein Befinden philosophiert haben.«
»Ich habe ihnen gutes Geld für diese Spitzfindigkeiten gezahlt. «
»›Dem Kranken tut es selten wohl, wenn ihn der Doctor erben soll‹«, flötete Alyss.
»Tochter!«
»Was erwartet Ihr, Ivo? Sie ist mein Kind.«
Almut war zu Alyss getreten und hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt.
»Wie wahr. Nun, du willst also bei den Barbieren und Knocheneinrenkern lernen?«
»Bei den Wundärzten, Zahnbrechern und Kräuterweiblein, oder auch bei einem Infirmarius oder Alchimisten. Sie waren es, die mir wirklich geholfen haben.«
»Und wer wird mein Geschäft weiterführen?«
Marian verzog qualvoll sein mageres Gesicht.
»Alyss könnte es, Herr Vater. Weit besser als ich!«
»Meine Tochter ist verheiratet und führt das Geschäft ihres Gatten und ihr eigenes.«
»Darf ich, mein Herr Gemahl, daran erinnern, dass eine ganze Schar von Vettern, Neffen und Schwägern in Eurem Handelshaus tätig sind, die recht ordentliche Fähigkeiten als Kaufleute
besitzen.«
»Sind aber nicht meine Söhne«, murmelte der Herr vom Spiegel. »Also werde ich mir den Kopf zerbrechen müssen, wie ich mein Heim bestelle. Wenn du deinem Ruf folgen musst, Marian, dann bemühe dich, das so gut zu machen wie möglich. Wenn du Unterstützung brauchst, sag es mir. Ich kenne den einen oder anderen, der dir helfen könnte.«
Ivo vom Spiegel erhob sich. Hoch überragte er seinen Sohn, dessen zierliche Gestalt durch die lange Krankheit noch schmächtiger wirkte. In den strengen Zügen ihres Vaters gewahrte Alyss tiefe Sorge und – unendliche Zärtlichkeit. Der Herr des Hauses verließ den Raum, und die Herrin nahm seinen Platz im Sessel ein.
»Er versteht es manchmal prächtig, einem ein schlechtes Gewissen zu bereiten. Aber Marian, er ist so glücklich, dass es dir wieder besser geht. Ich glaube, er hat gar nicht erwartet, dass du noch einmal im Fernhandel tätig wirst.«
»Ich bin eben nicht gerade sein Wunschbild von Sohn.«
»Womit, Marian, du mir die Schuld zuschiebst, denn schließlich hätte ich mir mit dir ja wohl etwas mehr Mühe geben sollen. Oder wenigstens noch fünf weiteren strammen Söhnen das Leben schenken müssen.«
»Aber Frau Mutter …«
© 2009 by Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Andrea Schacht
Andrea Schacht (1956 - 2017) war lange Jahre als Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin tätig, hat dann jedoch ihren seit Jugendtagen gehegten Traum verwirklicht, Schriftstellerin zu werden. Ihre historischen Romane um die scharfzüngige Kölner Begine Almut Bossart gewannen auf Anhieb die Herzen von Lesern und Buchhändlern. Mit »Die elfte Jungfrau« kletterte Andrea Schacht erstmals auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, die sie auch danach mit vielen weiteren Romanen eroberte.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andrea Schacht
- 2009, Originalausgabe, 413 Seiten, Maße: 12,5 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442371236
- ISBN-13: 9783442371235
- Erscheinungsdatum: 10.06.2009
Rezension zu „Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1 “
"Nach den vorangegangenen Beginen-Romanen eine interessante, bewegende und aufregende Geschichte. Man wünscht sich eigentlich, dass die Serie um diese Personen eine weitere Fortsetzung erfährt."
Kommentare zu "Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1"
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 5Schreiben Sie einen Kommentar zu "Gebiete sanfte Herrin mir / Alyss, die Tochter der Begine Almut Bd.1".
Kommentar verfassen