Geheime Melodie
"Eine große, vielstimmige Symphonie des Verrats."
DER SPIEGEL
Eine harmlose Jobanfrage. Eine zufällige Begegnung. Ein kleines Geheimnis: Bruno Salvador ahnt nicht, daß der nächste Termin als...
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"Eine große, vielstimmige Symphonie des Verrats."
DER SPIEGEL
Eine harmlose Jobanfrage. Eine zufällige Begegnung. Ein kleines Geheimnis: Bruno Salvador ahnt nicht, daß der nächste Termin als Dolmetscher im Dienste des britischen Geheimdiensts sein Leben in Gefahr bringen wird. Er muß sich entscheiden, auf welcher Seite er steht...
Bruno Salvador führt in London ein ruhiges Leben als Dolmetscher. Bis er einen Auftrag vom Britischen Geheimdienst erhält. Für zwei Tage wird er an einen geheimen Ort gebracht. Er dolmetscht eine inoffizielle Konferenz, an der auch afrikanische Politiker teilnehmen. Auf dem Spiel steht die Zukunft des Kongo. Doch die krisengeschüttelte und an Rohstoffen reiche Region ist Brunos Heimat. Bahnt sich in dem fernen Land eine Katastrophe an? Gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Hannah sucht Bruno Verbündete, die mit ihm für eine demokratische Zukunft des Kongo streiten. Doch plötzlich werden Hannah und er zu Gejagten, denn in Brunos Besitz befinden sich wertvolle Dokumente -
Große TV-Doku "Der Taubentunnel" ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+
Geheime Melodie von John Le Carré
LESEPROBE
»Penelope,ich bin da! Ich habs geschafft!« rief ich, ohne ihnzu beachten. »Megakrise im Krankenhaus. Tut mir wahnsinnig leid!«
Was tat mirleid? Die Megakrise? Ein paar Köpfe drehten sich nach mir um. Ach, der. Salvo. Penelopes Lanzenträger. Ich versuchte es lauter,diesmal unter Einsatz von Ironie.
»He,Penelope! Kennst du mich noch nach der langen Zeit? Ich bins, dein Mann!« - und ich wollte mich schon hineinstürzen in eineausgefeilte Geschichte darüber, wie mich eines meiner Krankenhäuser (welches,das würde ich aus Sicherheitsgründen nicht dazusagen) an das Bett eines sterbenden,immer wieder das Bewußtsein verlierenden Ruandersgerufen hatte, der mehrfach vorbestraft war, so daßich nicht nur für das Pflegepersonal hatte dolmetschen müssen, sondern auch fürzwei Beamte von Scotland Yard, eine Zwangslage, vonder ich hoffte, daß sie ihr Herz rühren würde: armer Salvo. Über ihr Gesicht breitete sich ein perlmattesLächeln, und ich glaubte mich schon durchgedrungen zu ihr, als mir klar wurde, daß es in die Höhe gerichtet war, hinauf zu einemstiernackigen Mann, ebenfalls im Smoking, der auf einem Stuhl stand und inbreitem Schottisch schrie: »Ruhe da unten, verdammt! Maul halten, allemiteinander!«
Augenblicklichverstummte seine ungebärdige Zuhörerschaft und scharte sich lammfromm um ihn.Denn dies war kein anderer als Penelopes großmächtiger Chefredakteur Fergus Thorne, in Pressekreisenbekannt als Thorne the Horn,der ankündigte, daß er eine launige Rede auf meine Frauzu halten gedachte. Ich hüpfte auf und ab und tat mein Möglichstes, um ihrenBlick einzufangen, aber das Antlitz, von dem ich mir die Absolution ersehnte,war zu ihrem Chef emporgehoben wie eine Blüte zu den lebensspendendenStrahlen der Sonne.
»Nun, wiralle kennen Penelope«, begann Thorne the Horn zu Salven beifälligen Gelächters, die michärgerten, »und wir alle lieben Penelope« - bedeutsame Pause - »aus unsererjeweiligen Position heraus.«
Ichversuchte mich zu ihr durchzudrängeln, aber die Reihen hatten sich geschlossen,und Penelope wurde nach vorn durchgereicht wie eine errötende Braut, bis sieschließlich sittsam zu Mr. Thornes Füßen stand, wasihm ganz nebenbei einen ausgezeichneten Blick in ihr äußerst freizügiges Dekolletébescherte. Und mir begann zu schwanen, daß sie meinEintreffen womöglich ebenso wenig zur Kenntnis genommen hatte wie zuvor meinAusbleiben, als meine Aufmerksamkeit durch etwas abgelenkt wurde, das ich im erstenMoment als die Strafe Gottes in Form eines Herzinfarkts der Stärke zwölfdiagnostizierte. Mein Brustkasten erbebte, eine Taubheit breitete sich inrhythmischen Wellen von der linken Brustwarze aus, und ich dachte, das wars,und recht geschieht dir. Erst als ich die Hand an die befallene Stelle drückte,begriff ich, daß sich mein Mobiltelefon in demunvertrauten Vibrationsmodus bemerkbar zu machen versuchte, den ich bei meinemAufbruch aus dem Krankenhaus eine Stunde und fünfunddreißig Minuten zuvoreingeschaltet hatte.
MeineAußenseiterrolle wendete sich nun zum Vorteil.
Während Mr.Thorne seine doppelbödigen Bemerkungen über meineFrau ausbaute, konnte ich dankbar zu einer Tür schleichen, über der WC stand.Bevor ich mich hinausschob, zeigte mir ein letzter Blick zurück Penelope, dieden von Meisterhand frisierten Kopf zu ihrem Chef aufhob, die Lippen leichtgeöffnet in froher Überraschtheit, die Brüste großzügig zur Schau gestellt indem knappen Oberteil ihres Hosenanzugs. Ich ließ mein Telefon weiterbeben, bis ichdrei Schritte hinaus in den stillen Korridor gemacht hatte, drückte dann diegrüne Taste und hielt den Atem an. Aber statt der Stimme, die ich vor allenanderen fürchtete und herbeisehnte, vernahm ich die onkelhaft-gutturalen nordenglischenRs von Mr. Anderson aus demVerteidigungsministerium, der zu wissen verlangte, ob ich kurzfristig für einenrelativ brisanten kleinen Dolmetscherauftrag zum Besten des Vaterlandesverfügbar sei, was er stark hoffe. Daß Mr. Andersoneine bloße Aushilfskraft wie mich persönlich anrief, ließ die Ausmaße dergegenwärtigen Krise ahnen. Normalerweise war mein Ansprechpartner Barney, sein fescher Abteilungsleiter. Zweimal in denletzten zehn Tagen hatte Barney mich gebeten, michfür eine, wie er sagte, »heiße Sache« bereitzuhalten, nur um mich dann wissenzu lassen, daß man mich doch nicht benötigte.
»Jetztgleich, Mr. Anderson?«
»Auf derStelle. Wenn Sie es einrichten können, auch früher. Tut mir aufrichtig leid,Sie bei Ihrem Empfang zu stören, Salvo, aber dieSache ist dringend«, fuhr er fort, und ich hätte vermutlich verblüfft seinmüssen, daß er über den Empfang für Penelope Bescheidwußte, aber ich war es nicht. Von Mr. Anderson konnteman Einblicke erwarten, die gewöhnlichen Sterblichen verwehrt blieben. »Es istIhr ureigenes Terrain, Salvo, Ihr Herzland.«
»Aber, Mr.Anderson «
»Wasgibts, mein Junge?«
»Es ist janicht nur die Cocktailparty jetzt. Danach kommt das Essen bei dem neuen Eigner.Smokingzwang«, schob ich nach, um Eindruck zu schinden. »Das ist eine nie dagewesene Sache. Bei einem Eigner, meine ich.Chefredakteur, ja. Aber Eigner « Nennen Sie es Schuldbewußtsein,nennen Sie es Sentimentalität, ich schuldete es Penelope, mich zumindest etwaszu zieren.
EinSchweigen folgte, als hätte ich ihn auf dem falschen Fuß erwischt, aber dasschafft bei Mr. Anderson keiner so leicht, er ist der Fels, auf dem seineeigene Kirche gebaut ist.
»Das tragenSie also gerade? Einen Smoking?«
»Genausoist es, Mr. Anderson.«
»Jetzt?Während wir beide telefonieren? Sie haben ihn an?«
»Ja.« Wasdachte er denn? Daß ich an einem Bacchanal teilnahm?»Wie lange würde es denn gehen?« fragte ich in demnachfolgenden Schweigen, dessen Tiefe, so mein Verdacht, auch daher rührte, daß er seine schwere Hand auf die Sprechmuschel gelegthatte.
»Wie langewürde was gehen?« - als ob er den Faden verloren hätte.
»DerAuftrag, Sir. Die dringende Angelegenheit, in der Sie mich brauchen. Wie langesoll sie dauern?«
»Zwei Tage.Sagen wir sicherheitshalber drei. Sie zahlen gut, davon können Sie ausgehen.Fünftausend Dollar wären sicherlich durchaus im Rahmen.«Und nach weiteren Beratungen im Hintergrund, hörbar erleichtert: »Kleidung müßte sich auftreiben lassen, Salvo.Kleidung ist kein Problem, sagt man mir.«
Hellhöriggemacht durch den Pronomenwechsel, hätte ich mich gern erkundigt, wer die dennwaren, die mir hier diesen noch nie dagewesenen Bonuszahlen wollten, wo es doch üblicherweise für den Dienst am Vaterland nicht mehrals eine bescheidene Pauschale plus Aufwandsentschädigung gab - aber die Ehrerbietunghielt mich zurück, wie meistens bei Mr. Anderson.
»Montagfrüh muß ich beim High Court dolmetschen. In einemsehr wichtigen Fall«,wandte ich schwächlich ein. Undindem ich ein drittes und letztes Mal meine Gattenpflichten ins Spiel brachte:»Ich meine, was soll ich denn meiner Frau sagen?«
»Ein Ersatzfür Sie ist bereits gefunden, Salvo, und der HighCourt hat keine Einwände gegen die neue Lösung, vielen Dank.«Er schwieg, und wenn Mr. Anderson schweigt, schweigt man auch.»Was Ihre Frauangeht, so sagen Sie ihr am besten, ein langjähriger Klient aus der Wirtschaft benötigtdringend Ihre Dienste und Sie können es sich nicht leisten, den Auftragabzulehnen.«
»InOrdnung, Sir. Verstanden.«
»Durchweitere Erklärungen verwickeln Sie sich nur in Widersprüche, deshalb lassen Sieauf alle Fälle die Finger davon. Und Sie sind also so richtig piekfein?Gewichste Schuhe, Frackhemd, der ganze Schamott?«
Durch diewirbelnden Nebel meiner Verblüffung bekannte ich, daßich in der Tat so richtig piekfein war.
»Warum höreich kein Partygeschnatter im Hintergrund?«
Icherklärte, daß ich mich in einen Korridor verfügthatte, um seinen Anruf entgegenzunehmen.
»Haben Sieeinen separaten Ausgang in Reichweite?«
Eine Treppeführte vor mir ins Erdgeschoß hinunter, und in meiner Verwirrung sagte ich daswohl auch.
»Dann gehenSie gar nicht erst wieder hinein. Wenn Sie auf die Straße herauskommen, schauenSie nach links, dann sehen Sie einen blauen Mondeo,der vor einem Wettbüro parkt. Kennzeichen endet mit LTU, weißer Fahrer namens Fred.Welche Schuhgröße haben Sie?«
Kein Menschauf der Welt vergißt seine eigene Schuhgröße, dennochmußte ich tief in meinem Gedächtnis kramen, um siezutage zu fördern. Zweiundvierzig.
»Undsprechen wir von breiten Zweiundvierzig oder schmalen?«
Breiten,Sir, sagte ich. Ich hätte hinzufügen können, daß PaterMichael meine Füße immer als Afrikanerfüße bezeichnet hatte, aber ich schenktees mir. In meinen Gedanken war gerade kein Platz für Pater Michael oder meine Füße,afrikanisch oder nicht. Und eigentlich auch nicht für Mr. Andersons Mission vonhöchster nationaler Wichtigkeit, sosehr ich wie stets darauf brannte, meinerKönigin und meinem Lande zu Diensten zu sein. Ich konnte nur eines denken - daß sich mir hier aus heiterem Himmel ein Fluchtweg bot,eine dringend benötigte Dekompressionskammer:
zwei Tageeinträglicher Arbeit sowie zwei Nächte einsamen Meditierens in einemLuxushotel, in denen ich mein aus den Fugen geratenes Universum wieder zusammensetzenkönnte. Denn während ich mein Telefon aus der Innentasche meiner Smokingjackeherausgenestelt und an mein Ohr gebracht hatte, hatte ich den noch an mirhaftenden Geruch Hannahs eingeatmet, der schwarzafrikanischen Krankenschwester,mit der ich mich von gestern kurz nach dreiundzwanzig Uhr britischer Sommerzeitbis zur Sekunde meines Aufbruchs vor einer Stunde und fünfunddreißig Minutenstürmisch geliebt hatte, weshalb mir in meiner Eile, rechtzeitig zu PenelopesEmpfang zu kommen, keine Zeit mehr zum Waschen geblieben war.
© UllsteinBuchverlage
Übersetzung:Sabine Roth und Regina Rawlinson
- Autor: John le Carré
- 2007, 6. Aufl., 416 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Regina Rawlinson
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 354860756X
- ISBN-13: 9783548607566
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