Generation Doof
Dem Bäckerlehrling erscheint die Karriere als Popstar erstrebenswerter als eine solide Ausbildung. Und Niklas hält den Dreisatz für eine olympische Disziplin. Sind das nur Einzelfälle? Mitnichten! Dieses Buch geht der Frage auf den...
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Dem Bäckerlehrling erscheint die Karriere als Popstar erstrebenswerter als eine solide Ausbildung. Und Niklas hält den Dreisatz für eine olympische Disziplin. Sind das nur Einzelfälle? Mitnichten! Dieses Buch geht der Frage auf den Grund, wie es wirklich um Mütter, Väter und Bundeskanzler von morgen steht.
Latoya kennt drei skandinavische Länder: Schweden, Holland und Nordpol.
Und Tamara-Michelle hält den Bundestag für einen Feiertag.Einzelfälle? Mitnichten. Eine ganze Generation scheint zu verblöden. Der Staatsanwalt von nebenan erzieht seine Kinder mit der Spielkonsole. Germanistikstudenten sind der deutschen Sprache nicht mehr mächtig. Eine Karriere als Popstar erscheint dem Bäckerlehrling verlockender als eine solide Ausbildung.
Dieses Buch geht der Frage auf den Grund, wie es wirklich um die Mütter, Väter und Bundeskanzler von morgen steht. Geschrieben haben es zwei Autoren, die mit der Generation Doof per Du sind. Denn es ist ihre eigene.
Im Berliner Europa-Park lief eigentlich alles nach Plan. Wie jedes Jahr im Januar hatte sich die Schickeria zur Kür der Miss Germany versammelt. Mehrere Dutzend junger Mädchen waren mit dem Traum vom schnellen Model-Glück angereist und gaben sich ein Stelldichein vor den Fernsehkameras - ein Schaulaufen der Schönen, das normalerweise für ein paar kurze Berichte im Vorabendprogramm und in der Yellow Press taugt und danach schnell wieder in Vergessenheit gerät.
So sollte es auch an diesem Abend im Jahr 2005 sein. Eigentlich. Doch der Sonderzug aus Pankow hatte besondere Gäste mitgebracht, die der Veranstaltung noch Jahre später zu peinlicher Berühmtheit verhalfen: die Kandidatinnen für den Titel der Miss Ostdeutschland. Vor den laufenden Kameras eines bekannten Boulevardmagazins ließen sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie zu Recht für ihr schönes Aussehen und den aufrechten Gang gekürt wurden, keinesfalls aber für ihre Intelligenz.
Die Angelegenheit hätte wohl auch keine weitere Beachtung gefunden, wenn Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim nicht just einen Monat später die Internetplattform YouTube gegründet hätten. Doch seitdem man hier seine Abende mit lustigen Videos über den Unfug fremder Leute zubringen kann, ist der geistige Totalausfall der Ost-Schönheiten zu einem Lieblingsclip vieler Internetsurfer geworden. Er steht stellvertretend für die Blödheit einer ganzen Generation.
Ein Anfall spontaner Blödheit, der nicht ansteckend ist? Ein Einzelfall mangelnder Allgemeinbildung? Leider nicht. Im selben Jahr trat die ARD anlässlich der Bundestagswahl eine Deutschlandreise an, zwecks Nabelschau der Republik. Auch die Befindlichkeit der jungen Generation schien den Programmmachern am Herzen zu liegen. Hier ein kleiner Auszug aus einem Interview mit einer jungen Dame, schätzungsweise um die achtzehn, blond, hübsch.
„Welche Fächer magst du denn nicht so gern?“, will der Reporter von ihr wissen.
„Geschichte.“ Die junge Dame verzieht angewidert das Gesicht.
„Kann ich nicht leiden.“
„Hat dich Geschichte denn nie interessiert?“
„Nä“, sagt sie mit Schmollmund und Null-Bock-Stimme. „Mich interessiert eher die Zukunft, und nicht, was vor mir war.“„Aha.“
„Die machen ihr Ding, und ich mach mein Ding. Diese komischen Römer und so ...“
Dann holt sie kurz Luft und fasst sich ein Herz: „Am Gymnasium zum Beispiel sind die Streber, die absoluten Streber, die auch ganz anders sind als die Hauptschüler. Haben Sie sich die schon mal angeguckt? Die sind auch viel zickiger. Ohne Witz jetzt. Die Realschüler sind die Normalsten, finde ich. Und die Hauptschüler sind die Allercoolsten.“
Der Reporter stellt lieber die nächste Frage: „Was ist denn dein Traumjob?“
„Arbeitslos. Einfach nur so zu Hause ... nee, doch. Megastar mit so richtig viel Kohle haben, ein riesengroßes Haus haben, Autos ...“
„Na ja, Megastar wird man ja nicht so einfach.“
„Schauspielerin zum Beispiel. Das wär cool.“
Dies ist nur ein Beispiel für die Welt der Hirngespinste, in der wir leben. Weil es immer mehr geistige Totalschäden gibt, ist dieses Buch längst überfällig. Grazile Models, deren Gehirn anscheinend so schlank ist wie ihr Körper, und Schüler, die hart auf eine Hartz- IV-Karriere hinarbeiten, sind nur die Ausläufer einer großen Intelligenzschmelze. Die Dummheit geht um in Deutschland. Und eine ganz bestimmte Generation ist davon betroffen.
Natürlich ist Dummheit nicht grundsätzlich verwerflich. Sie ist eine uralte Erfindung und gehört zum menschlichen Dasein einfach dazu. Man muss hierbei zwischen situationsbezogener und genereller Dummheit unterscheiden, denn selbst ein kluger Mensch verhält sich bisweilen dumm. Und nicht zuletzt ist die Dummheit auch immer mitverantwortlich für eine Weiterentwicklung der Spezies. Denn aus der Dummheit lernen wir. Berühmte Beispiele dafür sind Trial and Error bei der Entwicklung erster Flugmaschinen und die zweite Amtszeit von George W. Bush.
Problematisch wird es dann, wenn man stolz darauf ist, Shakespeare und Goethe nicht zu kennen oder den Bundestag für einen deutschen Feiertag zu halten. Und was Hans nicht lernt oder gar nicht lernen will, das kann er auch seinem Sohn Hänschen nicht beibringen. Dumm sind aber nicht nur diejenigen, denen man schon aus zehn Kilometern Entfernung ansieht, dass sie einen Lattenrost vor dem Kopf haben. Die Blödheit hat viele Facetten.
Sie werden in diesem Buch Menschen begegnen, die intelligent scheinen, aber dennoch ständig dumme Dinge tun. Sie werden Abiturienten mit einem Einser-Abschluss treffen, die den Dax nicht vom Dachs unterscheiden können, und erfolgreiche Topverdiener, denen abends nichts Besseres einfällt, als sich das Gehirn von einfältigen Fernsehsendungen pürieren zu lassen. Und Sie werden dummes Verhalten kennenlernen, das uns nirgendwohin führt: Wenn beispielsweise Werbetexter aus Gründen vermeintlicher Modernität englische Sprüche wie „Drive alive“ entwerfen und der Kunde versteht, dass er seinen Mitsubishi möglichst lebend fahren soll, haben zwei Dumme aneinander vorbeigeredet. Der Klassiker aller dummen Werbe-Missverständnisse, der Douglas-Claim „Come in and find out“, steht im Zusammenhang mit der landläufigen Übersetzung „Kommen Sie rein und finden Sie wieder raus“ inzwischen stellvertretend für Idiotie, bei der das Gegenteil von dem erreicht wird, was eigentlich herauskommen sollte.
Und solche Dummheit finden wir in Deutschland heute in allen Lebensbereichen: Wie wir unsere Kinder erziehen. Wie unser Verhalten in Liebesbeziehungen aussieht. Die Sorte von Unterhaltung, mit der wir unsere karge Freizeit totschlagen. Unser Umgang mit Geld. Unser Job.
Wer wir sind? Ganz einfach: Wir sind die Generation Doof. Wir sind Berufsjugendliche, Schwätzer, Alles-Woller-Nix-Könner. Wir sind besessen von Konsum, lassen uns vom Fernsehen die Welt erklären und lieben die Spaßkultur. Und wir werden immer mehr. Dies berichten zwei, die es wissen müssen. Wir, die beiden Autoren, sind Experten in Sachen Dummheit. Denn wir stammen aus der Mitte der Generation Doof.
Die eigene Unzulänglichkeit verfolgt uns täglich auf Schritt und Tritt. Zum Beispiel, wenn wir Menschen treffen, die die Abfolge der römischen Kaiser mit verbundenen Augen runterbeten können, die griechische Mythologie nicht nur von der Rückseite einer Cornflakes-Packung kennen und sogar noch wissen, wie man ohne Taschenrechner addiert. Wenn wir mit solchen Leuten reden, lächeln wir freundlich wie Japaner, weil wir nach kurzer Zeit den roten Faden verloren haben. In Momenten wie diesen wissen wir, was die moderne Informationstechnologie mit uns angestellt hat. Was uns tröstet, ist die Gewissheit, dass es uns nicht alleine so ergeht. Halbwissen und Dilettantismus sind die Waffen unserer Generation. Und das Wissen darüber, dass wir nicht so richtig viel wissen und das bloß keinen merken lassen dürfen, kennen wir alle.
Generationen werden seit Generationen gerne beschrieben. Zu den bekannteren Titeln in Romanform gehört ohne Zweifel Generation X von Douglas Coupland aus dem Jahr 1991. Er beschrieb ein Gefühl der Desillusionierung gegenüber den Erwartungen früherer Generationen wie Wohlstand und Karriere. Man könnte auch sagen: Die Generation X hatte null Bock auf Spießbürgertum. (…)
© Verlagsgruppe Lübbe
Autorenporträt von Anne Weissund Stefan Bonner
Mit Hirn, Charme und Spielkonsole:Anne Weiss und Stefan Bonner zählen zu einerGeneration, die sich selbst nicht ernst nimmt, von anderen aber immer kritischbeäugt wurde. Stefan Bonner ist Journalist und Fernsehgucker. Er hat für dieWirtschaftsmagazine impulse und BIZZ geschrieben.Anne Weiss ist Kulturwissenschaftlerin undRedakteurin. Sie hat sich lange beruflich mit Jugendkulturen und privat mitJoghurtkulturen beschäftigt.
Die Idee zu diesem Buch entstand im Büro bei einemEspresso - denn obwohl beide zur Generation Doof gehören, haben sie einen Jobgefunden. Sie sind Lektoren in einem großen deutschen Publikumsverlag.
Interviewmit Anne Weiss und Stefan Bonner
"Wirsind alle geübte Nichts-Könner mit gepflegtem Anspruchsdenken"
FrauWeiss, Herr Bonner - wie doof sind Sie?
AnneWeiss: Das klingt gerade so, als wäre Dummheitetwas Schlechtes. Jeder hat mal Ausfälle. Auf einer Skala von eins, für leicht dusselig, bis zehn, für vollkommendurchgeknallt, gebe ich mir selbst gelegentlich die volle Punktzahl, wenn ichmich mal wieder in die Nesseln gesetzt habe. Wie viele in unserem Alter merkeich dann, dass in der Schule an unserer Allgemeinbildung kräftig gespart wurde.Stefan kann auch ein Lied davon singen...
StefanBonner: Kann ich tatsächlich. Als ich sechzehn war, sollteder Familienurlaub nach Florida gehen. Im Atlas habe ich Miami zunächst in derNähe von Nowosibirsk gesucht. Wir gehören beide einer Generation an, die inSachen Wissen und Bildung hinter ihren Vorfahren zurückstecken muss.
Werist denn eigentlich die Generation Doof?
StefanBonner: DieGeneration derjenigen, die zwischen fünfzehn und Ende dreißig sind. Es sindeigentlich alle, die einem im täglichen Leben, also in der Schule, im Büro oderin den Medien durch ihr dummes Verhalten auffallen. Promis zählen genauso dazuwie normale Leute, und ob Hauptschulbildung oder Hochschulabschluss, das machtoft keinen Unterschied.
AnneWeiss: Genau.Das, worüber wir schreiben, kennen wir aus eigener Erfahrung. Viele von uns eckenständig mit ihrem Halbwissen an, wollen einfach nicht erwachsen werden,übernehmen keine Verantwortung und möchten ein Leben im Wohlstand genießen,ohne sich dafür anzustrengen. Wäre doch schön, oder? Also: Herr Bonner und ich sindkeine Ausnahmen. Wir sind alle ein bisschen Generation Doof.
Warumdieses Buch gerade jetzt?
AnneWeiss: Die Zeit ist reif für "Generation Doof".Wenn man heute durch unser Land geht, hat man den Eindruck, dass sich vieleMenschen vom Mitdenken und lebenslangen Lernen verabschieden, vor allem diejüngeren.
Worinstellt sich die Generation Doof denn besonders blöd an?
AnneWeiss: Nehmen Sie das Beispiel Erziehung. EineSendung wie Die Supernanny zeigt es deutlich: Viele junge deutsche Elternwollen an die Hand genommen werden, wenn es darum geht, ihre Kinder zuerziehen. Aus Hilflosigkeit und Überforderung parken etliche den Nachwuchs vordem Fernseher oder überlassen ihn sich selbst.
Stefan Bonner: Fernsehen, gutesStichwort. Das ist eine Suchtquelle für unsere Generation. Freizeit undEntspannung werden für uns immer wichtiger; Anstrengung wollen wir um jedenPreis vermeiden. Viele von uns verbringen täglich zwei bis drei Stunden vor demFernseher oder der Spielkonsole. Und warum? Weil wir unterhalten werden wollen.Ernste Themen oder Hintergründe interessieren viele von uns nicht mehr. Man leistetsich nicht keine eigene Meinung, sondern übernimmt lieber gleich die der Nachrichtenmoderator.Das ist doof.
Mal angenommen, es sind wirklich alle doof...
Anne Weiss: Das sagen wir janicht. Aber ein Trend ist erkennbar. Und es gibt auch faszinierendeGegenbeispiele von Unternehmergeist, Witz und Verstand. Aber machen Sie selbstmal den Test: Jeder, den man auf das Thema anspricht, hat gleich ein paarBeispiele von Situation parat, in denen ihm die Dummheit unserer Generationaufgefallen ist.
Wenn es tatsächlich so viele Doofe gibt, sinddiese dann nicht ein erstes Problem? Etwa für die Wirtschaft: Wenn Ihre Thesestimmt, dann bleiben wohl bald etliche Jobs unbesetzt.
Stefan Bonner: Das ist doch heutebereits der Fall. Fragen Sie mal bei Handwerkern nach, wie viele Lehrlinge sieablehnen müssen, weil es ihnen an der Ausbildungsreifemangelt. Zahlreichen großen Firmen geht es ähnlich.
AnneWeiss: Und denken Sie an die Generation Praktikum- warum brauchen Menschen in unserem Alter denn so lange, um im Beruf Fuß zufassen? Praktika sind wichtig, ohne Zweifel. Aber man kann es auch übertreiben:Viele sind vom Berufsleben noch vor dem Start überfordert und drehenEndlosschleifen als billige Kaffeekocher in den Büros. Auch eine Form von Blödheit.
Ist das nicht ein wenig zu einfach gedacht?
Stefan Bonner: Nein, ist esnicht. Wir haben das alles selbst durchgemacht. Wir haben beide nach demStudium eine Menge Praktika absolviert, bis wir einen festen Job bekamen. Natürlichhat uns das gewurmt. Dennoch gab es einen guten Grund dafür: Wir hatten einfachkeine Ahnung von dem Beruf, den wir ausüben wollten und mussten vor allem daspraktische Wissen von der Pike auf lernen. Die Uni hat uns nicht auf den Berufvorbereitet, und wir waren zu wenig praktisch begabt, um sofort einzusteigen.
Anne Weiss: VieleStudiengänge gehen völlig an der Arbeitsrealität vorbei. Erschwerend kommthinzu, dass vielen Angehörigen unserer Generation jegliche Eigeninitiativeabgeht. Sie glauben, die Welt hätte nur auf sie gewartet. In ihrer Vorstellungfolgt auf die Uni eine steile Karriere, eine Yacht, ein Eigenheim. Und es gibtdurchaus welche, die mit diesen Forderungen durchkommen und dabei beruflich einProjekt nach dem anderen in den Sand setzen. Wir sind geübte Nichts-Könner mitgepflegtem Anspruchsdenken.
Wasist Ihnen zuletzt Doofes passiert?
AnneWeiss: Ich habe davon geträumt, bei Dieter Bohlenvorzusingen. Dabei kann ich gar nicht singen. Die Ernüchterung folgte auf demFuß. Dieter sagte: "Du singst wie ein kaputter Gartenschlauch." Und ich binschon in der Vorrunde rausgeflogen.
StefanBonner:Ich habe den Weihnachtsurlaub in der Sonne verbracht, zehn Tage lang nur amPool gelegen und Cocktails geschlürft. Gut, auf der Insel gabs eh nichts zusehen - aber schön blöd ist das trotzdem, oder?
Wasist denn Ihrer Meinung nach eine Lösung für das Bildungs-Debakel und dielustlose, spaßbesessene Generation Doof?
AnneWeiss & Stefan Bonner: Na, um das zuerfahren, müssen Sie schon das Buch lesen!
- Autoren: Stefan Bonner , Anne Weiss
- 2008, 23. Aufl. 2008, 336 Seiten, Maße: 12,4 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404605969
- ISBN-13: 9783404605965
- Erscheinungsdatum: 05.02.2008
3.5 von 5 Sternen
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