Göttin der Legenden / Mythica Bd.7
Eine göttliche Zeitreise - und eine gefährliche Begierde
Die Fotografin Isabel stürzt mit ihrem Auto von einer Brücke. Als sie von einer Wassergöttin gerettet wird, muss sie zum Dank zurück in der Zeit reisen.
Auf Camelot soll sie den attraktiven...
Die Fotografin Isabel stürzt mit ihrem Auto von einer Brücke. Als sie von einer Wassergöttin gerettet wird, muss sie zum Dank zurück in der Zeit reisen.
Auf Camelot soll sie den attraktiven...
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Produktinformationen zu „Göttin der Legenden / Mythica Bd.7 “
Klappentext zu „Göttin der Legenden / Mythica Bd.7 “
Eine göttliche Zeitreise - und eine gefährliche BegierdeDie Fotografin Isabel stürzt mit ihrem Auto von einer Brücke. Als sie von einer Wassergöttin gerettet wird, muss sie zum Dank zurück in der Zeit reisen.
Auf Camelot soll sie den attraktiven Ritter Lancelot verführen, damit er aufhört, Königin Guinevere weiter den Hof zu machen. Nichts leichter als das - glaubt sie. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet König Artus sich in die schöne Fremde verliebt?
MYTHICA - P.C. Cast's erotischste Serie!
Lese-Probe zu „Göttin der Legenden / Mythica Bd.7 “
Mythica - Göttin der Legenden von P. C. CastProlog
»Man wird glauben, ich hätte dich verführt und in die Falle gelockt. « Coventina, die große Wassergöttin, wandte den Kopf ab, denn sie konnte ihn nicht ansehen.
»Aber das ist Unsinn, meine Liebste. Ich ruhe mich einfach nur von der Dunkelheit dieser Welt aus«, erwiderte Merlin und berührte ihre glatte Wange, so dass sie sich ihm wieder zuwenden musste. Ihre Blicke begegneten sich. »Und seit wann kümmerst du dich überhaupt um das, was andere sagen, Viviane?«
Nicht einmal die Tatsache, dass er ihren Kosenamen benutzte, den er sich sonst für ihre intimsten Momente vorbehielt, brachte sie zum Lächeln. »Es ist ein Fluch, wenn man in die Zukunft blicken kann«, sagte sie.
»In vielerlei Hinsicht, Liebes.«
»Ja. Aber hast du schon immer gesehen, dass es so kommen wird? Für mich? Für uns? Warum hast du zugelassen, dass ich dich liebe, wenn du das gewusst hast?«
»In ferner Zukunft wird ein Heiler verkünden, dass die Liebe ist, was sie ist. Sie hat keine Zukunft und keine Vergangenheit, sie existiert nur in der Gegenwart.«
»Das beeindruckt mich nicht«, verkündete Viviane. »Schließlich haben wir doch eine Vergangenheit, und wir könnten auch eine Zukunft haben. Warum siehst du das nicht? Du musst nur an sie glauben.«
»Ich kann mir unsere Zukunft nicht ansehen, meine Liebste. Es tut mir viel zu weh, wenn ich das, was ich sehe, nicht verändern kann.« Er seufzte abgrundtief. »Die Zukunft von Arthur und Camelot macht mir schon genug zu schaffen, noch mehr davon ertrage ich nicht.«
... mehr
Sie blickte in sein so wundervoll vertrautes Gesicht und sah dort die Güte, die Stärke und die Freundlichkeit, die sie vom ersten Augenblick zu ihm hingezogen hatten. Aber sie sah auch noch etwas anderes - den Schatten einer Müdigkeit, die ihn ein Jahrzehnt älter erscheinen ließ als noch vor einem Monat.
Wenn es doch eine Möglichkeit gegeben hätte, ihm etwas von seiner Last abzunehmen. Natürlich war Viviane darauf gefasst gewesen, dass es schwierig sein würde, einen Sterblichen zu lieben, und auch, dass sie ihn irgendwann verlieren würde, aber Merlin war ein mächtiger Druide, und die Göttin hatte gehofft, dass ihm dank seiner magischen Kräfte, die so tief in der Erde verwurzelt waren, ein wesentlich längeres Leben vergönnt sein würde als einem gewöhnlichen Sterblichen.
Doch wegen einer seltsamen Ironie des Schicksals war der Grund für seine Probleme keineswegs darin zu finden, dass er eine Göttin liebte. Nein, schuld daran war, dass Arthur Pendragon - der inzwischen erwachsene Menschenjunge, der für den Druiden wie ein Sohn geworden war - immer mehr der Dunkelheit anheimzufallen schien. Der Kummer darüber hatte Merlins Wunsch, der Welt zu entfliehen, so übermächtig werden lassen, dass er sich selbst mit einem Zauberbann belegt und in diese trügerisch schöne Kristallhöhle - sein selbstgemachtes Gefängnis - zurückgezogen hatte.
Dieser verdammte Arthur! Warum hatte er nicht auf Merlin gehört? Warum hatte er gegen dessen Rat ausgerechnet die junge, schöne und absolut geistlose Guinevere zur Frau genommen?
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Merlin: »Meine Liebste, mach Arthur bitte keine Vorwürfe. Es ist nicht seine Schuld, jedenfalls nicht nur. Und es ist auch nicht die Schuld von Guinevere. Keiner von uns kann sich aussuchen, wo die Liebe hinfällt.« Merlin lehnte sich zurück an sein Bett aus Pelzen, das er sich in einer Ecke der Kristallhöhle zurechtgemacht hatte. »Ich weiß, ich bin feige, aber ich habe in die Zukunft geblickt und gesehen, was mit ihm geschehen wird - mit ihnen allen. Und ich kann es nicht ändern. Es ist ...« Er hielt inne, den Tränen nahe. »Es ist, als würde Arthur mit offenen Augen in sein Unglück laufen. Dabei habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, um ihm zu helfen. Ich habe mit ihm gestritten, ihm gute Ratschläge gegeben, ihn angefleht, ihn freundlich gedrängt - nichts hat funktioniert. In jedem zukünftigen Szenario sehe ich, wie das Licht und das Gute, das Arthur verkörpert, von der Dunkelheit, von Eifersucht, Neid, Habgier und Wut zunichtegemacht wird.«
Viviane fühlte Panik in sich aufsteigen, als Merlin die Augen schloss. Wie sollte sie ewig weiterleben, wenn er hierblieb - weder tot noch lebendig -, wenn er in diesem kalten, schönen Grab schlief, wo sie nicht mit ihm sprechen, ihn nicht berühren, nicht umarmen konnte?
»Aber Merlin, es muss doch eine Möglichkeit geben, die Ereignisse zu beeinflussen. Eine Methode, diesen einen Mann zu retten.« Und damit auch dich, fügte sie im Stillen hinzu.
Aber Merlin schüttelte den Kopf. »Das übersteigt meine Fähigkeiten. Und auch deine.«
»Es kann meine Fähigkeiten aber nicht übersteigen!«, rief die Göttin empört.
»Viviane, meine große Liebe, du weißt, dass es nicht einmal den Göttern gestattet ist, sich in das Gleichgewicht von Licht und Schatten einzumischen. Die Sterblichen sind es, die zwischen beidem wählen müssen, und in Camelot herrscht die Dunkelheit.«
»Selbstverständlich weiß ich das! Aber ich bin unsterblich. Ich arbeite mit der Essenz des Lebens und sollte in der Lage sein, deinen Sohn für dich zu retten.«
»Ich fürchte, sein Schicksal ist besiegelt. Er wird mit gebrochenem Herzen sterben, und von der Liebe verraten, wird er willig in den Tod gehen. Aber jetzt lass mich schlafen, meine Göttin, meine Liebe.«
Viviane fiel neben seinem Bett auf die Knie und drückte ihr Gesicht an sein Bein. Immer schwächer werdend, streichelte er ihre goldenen Haare.
»Ich bin so müde ...«, flüsterte er.
Aber als seine Augen sich - vielleicht zum letzten Mal - flatternd wieder schlossen, fuhr Viviane plötzlich auf, und ihr Herz begann hoffnungsvoll zu pochen.
»Warte! Merlin, du hast gesagt, dass es in dieser Zeit und in dieser Wirklichkeit nichts gibt, was Arthur dazu bringen könnte, seine Meinung zu ändern. Aber was ist mit etwas oder vielleicht jemandem aus einer anderen Zeit oder einer anderen Wirklichkeit? Hast du dir diese Zukunft überhaupt angeschaut? Gibt es auch dort keinen Hoffnungsschimmer?«
Seine blauen Augen öffneten sich wieder. »Nein, ich habe mir die Zukunft in einer anderen Realität nicht angeschaut. Du weißt doch, dass ich Zeit und Realität nicht manipulieren kann.« Merlins Stimme war sehr leise, fast unhörbar.
»Du kannst es nicht, aber ich schon!« Viviane rüttelte ihn an den Schultern. »Du musst nachschauen, mein Geliebter, und dieser Zukunft eine Chance geben!«
»Ich kann nicht«, flüsterte er. »Der Zauber ist vollendet. Außerdem kannst du nicht einfach ein Netz im Wasser der Zeit oder in den Wellen der Realität auswerfen. Es muss einen Plan geben ... einen Grund ... eine einzigartige Seele ...«
»Aber ich kann es doch wenigstens versuchen! Ich werde in die Zukunft blicken und sehen, ob ...«
»In der Zukunft kennt man uns ja nicht einmal.« Vor Ärger klang Merlin einen Moment fast wieder wie er selbst. »Du bist nur eine verschwommene Legende, ich ein Mentor, der versagt hat und der deshalb die Schuld für das ganze Debakel in die Schuhe geschoben bekommt.«
Viviane war entsetzt. Wie konnten die Menschen sie vergessen? Sie war die Göttin der Wasserwege, sie war unersetzlich in der Alten Welt! Wenn sie doch nur einen Plan hätte, einen richtig guten Plan, wie es sich für eine Göttin gehörte, dann würde sie nicht nur ihren Geliebten retten, sondern sie könnte sicher sein, dass ihr Name und ihr Vermächtnis für immer weiterleben würde. Oh, und vermutlich war es ja auch ganz in Ordnung, diesen verdammten dummen Arthur zu retten.
Wie konnte die Zukunft Merlin die Schuld für die falschen Entscheidungen des Königs geben? Auch das musste dringend korrigiert werden. Und sie war genau die Richtige für diese Aufgabe. »Ich werde einen Weg finden, mein Liebster. Ganz bestimmt. «
Merlin lachte. »Oh, Viviane, das liebe ich so an dir. Deine Leidenschaft. Deine Sehnsucht, die Dinge in Ordnung zu bringen. Deine Zuneigung zu mir. Wie ist es möglich, dass ein einfacher Zauberer wie ich das Glück hat, von einer Göttin wie dir geliebt zu werden?«
Sie streichelte seinen Arm. »Du bist alles andere als einfach, mein Liebster. Aber über eines bin ich mir ganz sicher. Das Gute existiert. Du strahlst es aus, als hätte die Sonne dich geküsst. Vielleicht ist dieses Gute der Grund, warum wir uns in diesem Dilemma befinden. Aber ich werde eine Lösung finden. Das verspreche ich dir.«
Mit einem Schulterzucken legte Merlin sich erneut zurück und atmete die Energie, die ihn belebt hatte, wieder aus. »Selbst wenn du jemanden finden solltest, der bereit ist, dir zu helfen, darfst du ein Leben nicht einfach so verpflanzen. Das weißt du selbst. Man kann eine Seele nicht irgendwo herausreißen, ohne damit zu riskieren, dass sie daran zerbricht. Balance und Vernunft müssen gewahrt bleiben.«
Viviane beugte sich vor und nahm Merlin in die Arme. »Aber wenn es mir durch eine wundervolle Wendung des Schicksals doch gelingt, schwörst du, dann zu mir zurückzukommen? «
Lange schaute er ihr in die Augen, und Viviane sah, wie in ihm die Liebe mit der Erschöpfung und mit seinem gebrochenen Herzen kämpfte. Schließlich hob er die Hand und begann, sie in der Luft zu drehen, erst langsam, dann immer schneller.
Ich lasse einen Teil von mir
verbunden, Arthur, sein mit dir.
Meine Zukunft mit der deinen,
unser Schicksal zu vereinen.
Wenn du nicht stirbst, wirst du mir geben
den einzigen Grund, um weiterzuleben.
Die Energie, die sich um Merlins Hand gebildet hatte, war als schimmernder Schein in der Luft sichtbar. Mit einer Geste, die eher resigniert als hoffnungsvoll wirkte, warf er die glitzernde Macht von sich, auf die Kristallwände der Höhle, die bebend den Zauber absorbierten.
»So. Es ist vollbracht. Wenn du Arthur rettest, rettest du mich ebenfalls.« Dann küsste Merlin seine Göttin und teilte seinen letzten wachen Atemzug mit ihr.
Unter Tränen trennte Viviane sich von ihrem Geliebten, der stumm und reglos dalag, nun gänzlich im Bann des ewigen Schlafs, der ihn so gründlich vor dem Elend dieses Lebens schützte, dass es ihm sogar gelungen war, der Unterwelt zu entkommen, in der die Erinnerungen seine Seele gequält hätten.
Langsam stand die Göttin auf und deckte ihn mit einem dicken, warmen Pelz zu. Noch einmal küsste sie ihn auf die kühle Stirn, dann wandte sie sich ab und verließ mit entschlossenen Schritten die Kristallhöhle. Mich vergessen? Merlin die Schuld geben? Das wird nicht passieren. Mach dich auf was gefasst, Arthur.
Viviane hüllte sich in Nebel, als sie aus der Höhle trat, von der man über ihren mystischen See blickte. Auf einer magischen Woge ließ sie sich übers Wasser tragen, hinüber zu der üppig grünen Insel, die hinter dem sich öffnenden Nebelvorhang zum Vorschein kam. Rasch ging sie zu dem zierlichen Steinturm, dem einzigen Gebäude der Insel, die die Einheimischen vor langer Zeit Shalott getauft hatten. Umgeben von Ebereschen und eingehüllt in ihre Magie, benötigte sie die Tarnung des Nebels im Grunde gar nicht. Aber die Göttin rief ihn dennoch ganz selbstverständlich zu sich, denn sie wollte um keinen Preis riskieren, dass neugierige Augen sie bei dem, was sie vorhatte, beobachteten.
Sie ging nicht wie sonst in den Turm, sondern wanderte am Ufer entlang, ließ ihr weißes Kleid aus schwerer, golddurchwirkter Seide über die Wildblumen streichen, die diese ganz besondere Insel wie ein Teppich bedeckten. Energie umwirbelte sie, so dass die Vögel, die gerade erst von der Morgendämmerung geweckt worden waren, sich erschrocken von den Ästen des Ebereschenwäldchens erhoben und davonflogen. Tief atmete Viviane den süßen Duft des Mooses ein und ließ sich das würzige Aroma des wilden Thymians in die Nase steigen.
Wie konnte sie es zugelassen haben, dass dies passierte? Schon vom ersten Moment an, als sie Merlin begegnet war, hatte sie gewusst, wie sehr er unter der Welt gelitten hatte. Sicher, er war ein mächtiger Druide, doch er besaß eine ungewöhnliche Sensibilität und ein so sanftes Herz, dass selbst die wilden Kreaturen des Waldes ihm aus der Hand fraßen. Viviane lächelte unter Tränen. Merlin hatte sie von ihrer kleinen Insel mitten in ihrem mystischen See fortgelockt, und sie war bereitwillig seine Geliebte geworden. Aber sie konnte einfach nicht begreifen, warum sie als Göttin nicht fähig sein sollte, das, was die Welt in ihm zerbrochen hatte, wieder zu heilen.
»Wenn dieser elende Arthur nicht gewesen wäre, hätte ich es geschafft!«, rief sie laut. Ihre wütenden Worte brachten den sonst so stillen See in Aufruhr, unheilvolles Dunkel stieg aus seiner kühlen Tiefe, das Morgenlicht verschleierte sich. Stirnrunzelnd hob Viviane die Hand, bändigte ihren Zorn, schnippte mit den Fingern über den See und befahl: »Hebe dich hinfort, Finsternis! Auch wenn mein Zorn entflammt ist, bist du in meinem Reich nicht willkommen!«
Augenblicklich gehorchten ihr die Fluten, beruhigten sich, und die Dunkelheit löste sich auf wie Tau in der Mittagssonne. Viviane blickte hinaus auf das vertraute Wasser. Die Schnelligkeit, mit der es auf ihren Zorn reagiert hatte, beunruhigte sie mehr, als sie zugeben wollte. Dass die Finsternis ihren See tatsächlich berührt hatte, war alarmierend.
»Gleichgewicht von Licht und Dunkelheit? Bah!« Viviane schleuderte die Worte in den Nebel, aber diesmal hatte sie die Reaktion auf ihren Ausbruch unter Kontrolle, und die feuchte Luft um sie wirbelte und schimmerte - eine Erwiderung auf die Macht der Göttin. »Es gibt kein Gleichgewicht, wenn ein Sterblicher so viel Dunkelheit auf sich zieht, dass sogar mein Reich davon erfasst wird.«
Ich sollte ehrlich zu mir sein, dachte sie und begann wieder damit, am moosbewachsenen Ufer hin und her zu gehen. Die Sache ist nicht so simpel, dass ich meinen Zorn einfach auf den König der Briten richten kann. Guinevere spielt auch eine Rolle in dieser Tragödie. Und der ach so perfekte Ritter Lancelot ebenfalls. Die Göttin verzog ihr Gesicht.
Merlin hatte Viviane nicht viele Geheimnisse über Camelot anvertraut. Er hatte ihr gesagt, sie sei seine Zuflucht, seine Erholung von allen Schmerzen, und deshalb wollte er mit ihr nicht über solche schwierigen Themen sprechen. Aber die Herrin vom See hatte Augen und Ohren überall, wo es Wasser gab, und sie hatte ganz gewiss genug gesehen und gehört, um zu wissen, dass Merlins beängstigende Prophezeiungen eintreffen würden.
»Und das hat dir das Herz gebrochen, mein Geliebter«, flüsterte sie in den Nebel.
Nein! Sie würde es nicht zulassen. Sie war eine Göttin, sie hatte Kräfte, die kein Sterblicher auch nur annähernd begreifen konnte, nicht einmal ein so kluger Mann wie Merlin.
Viviane blieb stehen und blickte nachdenklich über ihren See. »Ich brauche jemanden, der nicht aus dieser Zeit stammt und nicht aus dieser Welt. Jemanden, der eine ganz eigene Art hat, Menschen und Situationen zu betrachten, der sich zum Licht bekennt statt zur Dunkelheit, den die Pracht von Camelot nicht einschüchtert und auch nicht so blendet, dass ...« Dass was? Was genau musste sie tun, um die Zukunft so zu ändern, dass sie Arthur vor seinem tragischen Schicksal retten und damit auch ihren Geliebten befreien konnte?
Ihren Geliebten ... Viviane fühlte, wie ihre Schultern nach vorn sackten. Sie legte das Gesicht in die Hände und weinte bitterlich. Schon jetzt vermisste sie ihn und musste mit sich kämpfen, um nicht auf der Stelle in die Kristallhöhle zurückzulaufen und sich neben seinem reglosen Körper niederzulassen. Ihr Atem ging stoßweise, sie schluchzte. Schließlich war sie nicht nur eine Göttin, sondern auch eine Frau, und zwar eine Frau mit gebrochenem Herzen. Sogar ihr Reich - das ihr über Jahrtausende so viel Freude gemacht hatte - schien durch den Verlust von Merlin irgendwie öder geworden zu sein. Nichts war mehr so wie früher ...
Viviane hob den Kopf. »Ich hab's! Vielleicht verliert Arthur alles, aber wenn er seine Liebe, seine Guinevere behalten kann, dann wird sein Herz nicht gebrochen, und dann wird sein Schicksal sich zwangsläufig ändern.« Vor Aufregung begann die Göttin wieder, auf und ab zu wandern. »Jetzt weiß ich, was ich tun muss. Ich muss eine Frau finden - eine hinreißende Frau aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt. Die muss ich hierherbringen, damit sie Lancelot verführt, denn dann kehrt Guinevere zu Arthur zurück und tröstet seine verwundete Seele!«
Dann würde alles gut werden. Merlin würde erwachen und sie lieben wie nie zuvor. Oh, wie sie seine Liebe vermisste! Merlin war wirklich ein Zauberer, und das in Bereichen, die sich diese Dummköpfe in Camelot nicht einmal vorstellen konnten.
Entschlossen trat Viviane ans Wasser und ließ sich die nackten Füße von den Wellen liebkosen, die das Ufer küssten. Dann hob sie die Arme. Augenblicklich verdichtete sich der Nebel und wirbelte magisch um sie herum, wie in Erwartung ihres Zauberspruchs.
Aus der Tiefe rufe ich meine Macht
See und Ozean, Regen, Nebel und Tau - hört mich, habt Acht.
Eine Seele zu finden, das ist mein Begehr,
besonders und eigen und anderswo her.
Die Göttin hielt inne und erinnerte sich daran, dass Merlin gesagt hatte, ein Leben könne nicht einfach so aus seinem Schicksal herausgerissen werden. Kurz überlegte sie, ob sie die Warnung ihres Geliebten in den Wind schlagen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Nein, der Zauber musste perfekt sein, schließlich war dies ihre einzige Chance. Schon jetzt begannen die Ereignisse in Camelot, außer Kontrolle zu geraten - bald würde es zu spät sein, die Zukunft noch zu beeinflussen. Vielleicht war es das jetzt schon.
Nein! So wollte sie nicht denken. Sie war eine Göttin, und durch die Magie ihres Wasserreichs würde sie Arthurs Schicksal wenden und ihren Geliebten retten.
Viviane konzentrierte sich erneut und zog ihre Macht aus den Tiefen des Sees, der sich wie gewelltes Glas vor ihren Füßen erstreckte.
Bring eine Frau, eine Sterbliche mir,
benutze mein göttliches Portal als die Tür.
Vollendet muss ihr Leben sein,
damit ganz frei sie kann herein.
Nun schloss die Göttin die Augen und konzentrierte sich so intensiv, dass Schweißperlen auf ihrer glatten Stirn erschienen.
Ihre größte Sehnsucht soll sie kennen,
soll die Liebe als Herzenswunsch nennen.
Klug soll sie sein, und sie soll es verstehen,
die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Die schleichende Dunkelheit weg sie schafft,
denn Liebe und Leben sind ihre Kraft.
Ihre Seele werde ich finden
und mit meiner Magie sanft an mich binden.
See, Meer, Regen, Nebel und Tau - sucht nun in Eil'
die Frau, die Arthurs Herz macht heil.
Mit einer ausladenden Geste breitete Viviane die Arme aus, warf die Lichtkugel, die sich zwischen ihren Händen gebildet hatte, von sich und schleuderte ihren Willen, ihre Macht, ihre göttliche Magie hinaus in den See. Sofort veränderte sich seine Farbe, und aus dem tiefen Saphirblau wurde ein glänzendes Silber, so hell, dass ein Sterblicher, wenn er auch nur einen Blick auf diese Verwandlung erhascht hätte, für immer blind geworden wäre.
Schön muss sie sein und klug, ohne Frage.
Auf Anhieb muss sie erkennen die missliche Lage.
Fröhlichen Herzens, munter und frei soll sie sein,
ihre Verführungskünste lieber zu groß als zu klein.
Jetzt geht! Tut meinen Willen!
Meinen Befehl sollt ihr erfüllen!
Der schimmernde See brandete auf, und ganz langsam begannen sich Ranken von Licht von ihm zu lösen. Schmale Lichtfinger schlängelten sich suchend übers Wasser.
»Geht!«, rief die Göttin ungeduldig, und die Lichtstränge erhoben sich in die Lüfte, höher und immer höher ... und schossen schließlich hinauf in den Morgenhimmel, wo sie aus dieser Wirklichkeit verschwanden und in unsichtbare Zeiten und Welten entschwebten.
Noch lange, nachdem ihre Magie sich aufgelöst hatte, starrte Viviane in den Himmel. Doch dann wandte sie sich mit einem Seufzen ab und ging weiter, ließ sich von dem tröstenden Wasser umschließen, während sie zu ihrem Perlenpalast hinabglitt, der tief unter den Wellen lag. Jetzt konnte sie nur noch warten und hoffen.
Wenn ich nur die richtige Frau finde, sinnierte die Göttin, als sie ihren Palast betrat. Ungeduldig scheuchte sie ihre Najaden- Dienerinnen weg, die sie singend begrüßten und nach ihren Wünschen fragten. Anscheinend ist das wieder mal der Lauf der Dinge - nur die richtige Frau kann es schaffen, diese götterverdammten Schicksalsgöttinnen abzuwehren ...
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
Sie blickte in sein so wundervoll vertrautes Gesicht und sah dort die Güte, die Stärke und die Freundlichkeit, die sie vom ersten Augenblick zu ihm hingezogen hatten. Aber sie sah auch noch etwas anderes - den Schatten einer Müdigkeit, die ihn ein Jahrzehnt älter erscheinen ließ als noch vor einem Monat.
Wenn es doch eine Möglichkeit gegeben hätte, ihm etwas von seiner Last abzunehmen. Natürlich war Viviane darauf gefasst gewesen, dass es schwierig sein würde, einen Sterblichen zu lieben, und auch, dass sie ihn irgendwann verlieren würde, aber Merlin war ein mächtiger Druide, und die Göttin hatte gehofft, dass ihm dank seiner magischen Kräfte, die so tief in der Erde verwurzelt waren, ein wesentlich längeres Leben vergönnt sein würde als einem gewöhnlichen Sterblichen.
Doch wegen einer seltsamen Ironie des Schicksals war der Grund für seine Probleme keineswegs darin zu finden, dass er eine Göttin liebte. Nein, schuld daran war, dass Arthur Pendragon - der inzwischen erwachsene Menschenjunge, der für den Druiden wie ein Sohn geworden war - immer mehr der Dunkelheit anheimzufallen schien. Der Kummer darüber hatte Merlins Wunsch, der Welt zu entfliehen, so übermächtig werden lassen, dass er sich selbst mit einem Zauberbann belegt und in diese trügerisch schöne Kristallhöhle - sein selbstgemachtes Gefängnis - zurückgezogen hatte.
Dieser verdammte Arthur! Warum hatte er nicht auf Merlin gehört? Warum hatte er gegen dessen Rat ausgerechnet die junge, schöne und absolut geistlose Guinevere zur Frau genommen?
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Merlin: »Meine Liebste, mach Arthur bitte keine Vorwürfe. Es ist nicht seine Schuld, jedenfalls nicht nur. Und es ist auch nicht die Schuld von Guinevere. Keiner von uns kann sich aussuchen, wo die Liebe hinfällt.« Merlin lehnte sich zurück an sein Bett aus Pelzen, das er sich in einer Ecke der Kristallhöhle zurechtgemacht hatte. »Ich weiß, ich bin feige, aber ich habe in die Zukunft geblickt und gesehen, was mit ihm geschehen wird - mit ihnen allen. Und ich kann es nicht ändern. Es ist ...« Er hielt inne, den Tränen nahe. »Es ist, als würde Arthur mit offenen Augen in sein Unglück laufen. Dabei habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, um ihm zu helfen. Ich habe mit ihm gestritten, ihm gute Ratschläge gegeben, ihn angefleht, ihn freundlich gedrängt - nichts hat funktioniert. In jedem zukünftigen Szenario sehe ich, wie das Licht und das Gute, das Arthur verkörpert, von der Dunkelheit, von Eifersucht, Neid, Habgier und Wut zunichtegemacht wird.«
Viviane fühlte Panik in sich aufsteigen, als Merlin die Augen schloss. Wie sollte sie ewig weiterleben, wenn er hierblieb - weder tot noch lebendig -, wenn er in diesem kalten, schönen Grab schlief, wo sie nicht mit ihm sprechen, ihn nicht berühren, nicht umarmen konnte?
»Aber Merlin, es muss doch eine Möglichkeit geben, die Ereignisse zu beeinflussen. Eine Methode, diesen einen Mann zu retten.« Und damit auch dich, fügte sie im Stillen hinzu.
Aber Merlin schüttelte den Kopf. »Das übersteigt meine Fähigkeiten. Und auch deine.«
»Es kann meine Fähigkeiten aber nicht übersteigen!«, rief die Göttin empört.
»Viviane, meine große Liebe, du weißt, dass es nicht einmal den Göttern gestattet ist, sich in das Gleichgewicht von Licht und Schatten einzumischen. Die Sterblichen sind es, die zwischen beidem wählen müssen, und in Camelot herrscht die Dunkelheit.«
»Selbstverständlich weiß ich das! Aber ich bin unsterblich. Ich arbeite mit der Essenz des Lebens und sollte in der Lage sein, deinen Sohn für dich zu retten.«
»Ich fürchte, sein Schicksal ist besiegelt. Er wird mit gebrochenem Herzen sterben, und von der Liebe verraten, wird er willig in den Tod gehen. Aber jetzt lass mich schlafen, meine Göttin, meine Liebe.«
Viviane fiel neben seinem Bett auf die Knie und drückte ihr Gesicht an sein Bein. Immer schwächer werdend, streichelte er ihre goldenen Haare.
»Ich bin so müde ...«, flüsterte er.
Aber als seine Augen sich - vielleicht zum letzten Mal - flatternd wieder schlossen, fuhr Viviane plötzlich auf, und ihr Herz begann hoffnungsvoll zu pochen.
»Warte! Merlin, du hast gesagt, dass es in dieser Zeit und in dieser Wirklichkeit nichts gibt, was Arthur dazu bringen könnte, seine Meinung zu ändern. Aber was ist mit etwas oder vielleicht jemandem aus einer anderen Zeit oder einer anderen Wirklichkeit? Hast du dir diese Zukunft überhaupt angeschaut? Gibt es auch dort keinen Hoffnungsschimmer?«
Seine blauen Augen öffneten sich wieder. »Nein, ich habe mir die Zukunft in einer anderen Realität nicht angeschaut. Du weißt doch, dass ich Zeit und Realität nicht manipulieren kann.« Merlins Stimme war sehr leise, fast unhörbar.
»Du kannst es nicht, aber ich schon!« Viviane rüttelte ihn an den Schultern. »Du musst nachschauen, mein Geliebter, und dieser Zukunft eine Chance geben!«
»Ich kann nicht«, flüsterte er. »Der Zauber ist vollendet. Außerdem kannst du nicht einfach ein Netz im Wasser der Zeit oder in den Wellen der Realität auswerfen. Es muss einen Plan geben ... einen Grund ... eine einzigartige Seele ...«
»Aber ich kann es doch wenigstens versuchen! Ich werde in die Zukunft blicken und sehen, ob ...«
»In der Zukunft kennt man uns ja nicht einmal.« Vor Ärger klang Merlin einen Moment fast wieder wie er selbst. »Du bist nur eine verschwommene Legende, ich ein Mentor, der versagt hat und der deshalb die Schuld für das ganze Debakel in die Schuhe geschoben bekommt.«
Viviane war entsetzt. Wie konnten die Menschen sie vergessen? Sie war die Göttin der Wasserwege, sie war unersetzlich in der Alten Welt! Wenn sie doch nur einen Plan hätte, einen richtig guten Plan, wie es sich für eine Göttin gehörte, dann würde sie nicht nur ihren Geliebten retten, sondern sie könnte sicher sein, dass ihr Name und ihr Vermächtnis für immer weiterleben würde. Oh, und vermutlich war es ja auch ganz in Ordnung, diesen verdammten dummen Arthur zu retten.
Wie konnte die Zukunft Merlin die Schuld für die falschen Entscheidungen des Königs geben? Auch das musste dringend korrigiert werden. Und sie war genau die Richtige für diese Aufgabe. »Ich werde einen Weg finden, mein Liebster. Ganz bestimmt. «
Merlin lachte. »Oh, Viviane, das liebe ich so an dir. Deine Leidenschaft. Deine Sehnsucht, die Dinge in Ordnung zu bringen. Deine Zuneigung zu mir. Wie ist es möglich, dass ein einfacher Zauberer wie ich das Glück hat, von einer Göttin wie dir geliebt zu werden?«
Sie streichelte seinen Arm. »Du bist alles andere als einfach, mein Liebster. Aber über eines bin ich mir ganz sicher. Das Gute existiert. Du strahlst es aus, als hätte die Sonne dich geküsst. Vielleicht ist dieses Gute der Grund, warum wir uns in diesem Dilemma befinden. Aber ich werde eine Lösung finden. Das verspreche ich dir.«
Mit einem Schulterzucken legte Merlin sich erneut zurück und atmete die Energie, die ihn belebt hatte, wieder aus. »Selbst wenn du jemanden finden solltest, der bereit ist, dir zu helfen, darfst du ein Leben nicht einfach so verpflanzen. Das weißt du selbst. Man kann eine Seele nicht irgendwo herausreißen, ohne damit zu riskieren, dass sie daran zerbricht. Balance und Vernunft müssen gewahrt bleiben.«
Viviane beugte sich vor und nahm Merlin in die Arme. »Aber wenn es mir durch eine wundervolle Wendung des Schicksals doch gelingt, schwörst du, dann zu mir zurückzukommen? «
Lange schaute er ihr in die Augen, und Viviane sah, wie in ihm die Liebe mit der Erschöpfung und mit seinem gebrochenen Herzen kämpfte. Schließlich hob er die Hand und begann, sie in der Luft zu drehen, erst langsam, dann immer schneller.
Ich lasse einen Teil von mir
verbunden, Arthur, sein mit dir.
Meine Zukunft mit der deinen,
unser Schicksal zu vereinen.
Wenn du nicht stirbst, wirst du mir geben
den einzigen Grund, um weiterzuleben.
Die Energie, die sich um Merlins Hand gebildet hatte, war als schimmernder Schein in der Luft sichtbar. Mit einer Geste, die eher resigniert als hoffnungsvoll wirkte, warf er die glitzernde Macht von sich, auf die Kristallwände der Höhle, die bebend den Zauber absorbierten.
»So. Es ist vollbracht. Wenn du Arthur rettest, rettest du mich ebenfalls.« Dann küsste Merlin seine Göttin und teilte seinen letzten wachen Atemzug mit ihr.
Unter Tränen trennte Viviane sich von ihrem Geliebten, der stumm und reglos dalag, nun gänzlich im Bann des ewigen Schlafs, der ihn so gründlich vor dem Elend dieses Lebens schützte, dass es ihm sogar gelungen war, der Unterwelt zu entkommen, in der die Erinnerungen seine Seele gequält hätten.
Langsam stand die Göttin auf und deckte ihn mit einem dicken, warmen Pelz zu. Noch einmal küsste sie ihn auf die kühle Stirn, dann wandte sie sich ab und verließ mit entschlossenen Schritten die Kristallhöhle. Mich vergessen? Merlin die Schuld geben? Das wird nicht passieren. Mach dich auf was gefasst, Arthur.
Viviane hüllte sich in Nebel, als sie aus der Höhle trat, von der man über ihren mystischen See blickte. Auf einer magischen Woge ließ sie sich übers Wasser tragen, hinüber zu der üppig grünen Insel, die hinter dem sich öffnenden Nebelvorhang zum Vorschein kam. Rasch ging sie zu dem zierlichen Steinturm, dem einzigen Gebäude der Insel, die die Einheimischen vor langer Zeit Shalott getauft hatten. Umgeben von Ebereschen und eingehüllt in ihre Magie, benötigte sie die Tarnung des Nebels im Grunde gar nicht. Aber die Göttin rief ihn dennoch ganz selbstverständlich zu sich, denn sie wollte um keinen Preis riskieren, dass neugierige Augen sie bei dem, was sie vorhatte, beobachteten.
Sie ging nicht wie sonst in den Turm, sondern wanderte am Ufer entlang, ließ ihr weißes Kleid aus schwerer, golddurchwirkter Seide über die Wildblumen streichen, die diese ganz besondere Insel wie ein Teppich bedeckten. Energie umwirbelte sie, so dass die Vögel, die gerade erst von der Morgendämmerung geweckt worden waren, sich erschrocken von den Ästen des Ebereschenwäldchens erhoben und davonflogen. Tief atmete Viviane den süßen Duft des Mooses ein und ließ sich das würzige Aroma des wilden Thymians in die Nase steigen.
Wie konnte sie es zugelassen haben, dass dies passierte? Schon vom ersten Moment an, als sie Merlin begegnet war, hatte sie gewusst, wie sehr er unter der Welt gelitten hatte. Sicher, er war ein mächtiger Druide, doch er besaß eine ungewöhnliche Sensibilität und ein so sanftes Herz, dass selbst die wilden Kreaturen des Waldes ihm aus der Hand fraßen. Viviane lächelte unter Tränen. Merlin hatte sie von ihrer kleinen Insel mitten in ihrem mystischen See fortgelockt, und sie war bereitwillig seine Geliebte geworden. Aber sie konnte einfach nicht begreifen, warum sie als Göttin nicht fähig sein sollte, das, was die Welt in ihm zerbrochen hatte, wieder zu heilen.
»Wenn dieser elende Arthur nicht gewesen wäre, hätte ich es geschafft!«, rief sie laut. Ihre wütenden Worte brachten den sonst so stillen See in Aufruhr, unheilvolles Dunkel stieg aus seiner kühlen Tiefe, das Morgenlicht verschleierte sich. Stirnrunzelnd hob Viviane die Hand, bändigte ihren Zorn, schnippte mit den Fingern über den See und befahl: »Hebe dich hinfort, Finsternis! Auch wenn mein Zorn entflammt ist, bist du in meinem Reich nicht willkommen!«
Augenblicklich gehorchten ihr die Fluten, beruhigten sich, und die Dunkelheit löste sich auf wie Tau in der Mittagssonne. Viviane blickte hinaus auf das vertraute Wasser. Die Schnelligkeit, mit der es auf ihren Zorn reagiert hatte, beunruhigte sie mehr, als sie zugeben wollte. Dass die Finsternis ihren See tatsächlich berührt hatte, war alarmierend.
»Gleichgewicht von Licht und Dunkelheit? Bah!« Viviane schleuderte die Worte in den Nebel, aber diesmal hatte sie die Reaktion auf ihren Ausbruch unter Kontrolle, und die feuchte Luft um sie wirbelte und schimmerte - eine Erwiderung auf die Macht der Göttin. »Es gibt kein Gleichgewicht, wenn ein Sterblicher so viel Dunkelheit auf sich zieht, dass sogar mein Reich davon erfasst wird.«
Ich sollte ehrlich zu mir sein, dachte sie und begann wieder damit, am moosbewachsenen Ufer hin und her zu gehen. Die Sache ist nicht so simpel, dass ich meinen Zorn einfach auf den König der Briten richten kann. Guinevere spielt auch eine Rolle in dieser Tragödie. Und der ach so perfekte Ritter Lancelot ebenfalls. Die Göttin verzog ihr Gesicht.
Merlin hatte Viviane nicht viele Geheimnisse über Camelot anvertraut. Er hatte ihr gesagt, sie sei seine Zuflucht, seine Erholung von allen Schmerzen, und deshalb wollte er mit ihr nicht über solche schwierigen Themen sprechen. Aber die Herrin vom See hatte Augen und Ohren überall, wo es Wasser gab, und sie hatte ganz gewiss genug gesehen und gehört, um zu wissen, dass Merlins beängstigende Prophezeiungen eintreffen würden.
»Und das hat dir das Herz gebrochen, mein Geliebter«, flüsterte sie in den Nebel.
Nein! Sie würde es nicht zulassen. Sie war eine Göttin, sie hatte Kräfte, die kein Sterblicher auch nur annähernd begreifen konnte, nicht einmal ein so kluger Mann wie Merlin.
Viviane blieb stehen und blickte nachdenklich über ihren See. »Ich brauche jemanden, der nicht aus dieser Zeit stammt und nicht aus dieser Welt. Jemanden, der eine ganz eigene Art hat, Menschen und Situationen zu betrachten, der sich zum Licht bekennt statt zur Dunkelheit, den die Pracht von Camelot nicht einschüchtert und auch nicht so blendet, dass ...« Dass was? Was genau musste sie tun, um die Zukunft so zu ändern, dass sie Arthur vor seinem tragischen Schicksal retten und damit auch ihren Geliebten befreien konnte?
Ihren Geliebten ... Viviane fühlte, wie ihre Schultern nach vorn sackten. Sie legte das Gesicht in die Hände und weinte bitterlich. Schon jetzt vermisste sie ihn und musste mit sich kämpfen, um nicht auf der Stelle in die Kristallhöhle zurückzulaufen und sich neben seinem reglosen Körper niederzulassen. Ihr Atem ging stoßweise, sie schluchzte. Schließlich war sie nicht nur eine Göttin, sondern auch eine Frau, und zwar eine Frau mit gebrochenem Herzen. Sogar ihr Reich - das ihr über Jahrtausende so viel Freude gemacht hatte - schien durch den Verlust von Merlin irgendwie öder geworden zu sein. Nichts war mehr so wie früher ...
Viviane hob den Kopf. »Ich hab's! Vielleicht verliert Arthur alles, aber wenn er seine Liebe, seine Guinevere behalten kann, dann wird sein Herz nicht gebrochen, und dann wird sein Schicksal sich zwangsläufig ändern.« Vor Aufregung begann die Göttin wieder, auf und ab zu wandern. »Jetzt weiß ich, was ich tun muss. Ich muss eine Frau finden - eine hinreißende Frau aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt. Die muss ich hierherbringen, damit sie Lancelot verführt, denn dann kehrt Guinevere zu Arthur zurück und tröstet seine verwundete Seele!«
Dann würde alles gut werden. Merlin würde erwachen und sie lieben wie nie zuvor. Oh, wie sie seine Liebe vermisste! Merlin war wirklich ein Zauberer, und das in Bereichen, die sich diese Dummköpfe in Camelot nicht einmal vorstellen konnten.
Entschlossen trat Viviane ans Wasser und ließ sich die nackten Füße von den Wellen liebkosen, die das Ufer küssten. Dann hob sie die Arme. Augenblicklich verdichtete sich der Nebel und wirbelte magisch um sie herum, wie in Erwartung ihres Zauberspruchs.
Aus der Tiefe rufe ich meine Macht
See und Ozean, Regen, Nebel und Tau - hört mich, habt Acht.
Eine Seele zu finden, das ist mein Begehr,
besonders und eigen und anderswo her.
Die Göttin hielt inne und erinnerte sich daran, dass Merlin gesagt hatte, ein Leben könne nicht einfach so aus seinem Schicksal herausgerissen werden. Kurz überlegte sie, ob sie die Warnung ihres Geliebten in den Wind schlagen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Nein, der Zauber musste perfekt sein, schließlich war dies ihre einzige Chance. Schon jetzt begannen die Ereignisse in Camelot, außer Kontrolle zu geraten - bald würde es zu spät sein, die Zukunft noch zu beeinflussen. Vielleicht war es das jetzt schon.
Nein! So wollte sie nicht denken. Sie war eine Göttin, und durch die Magie ihres Wasserreichs würde sie Arthurs Schicksal wenden und ihren Geliebten retten.
Viviane konzentrierte sich erneut und zog ihre Macht aus den Tiefen des Sees, der sich wie gewelltes Glas vor ihren Füßen erstreckte.
Bring eine Frau, eine Sterbliche mir,
benutze mein göttliches Portal als die Tür.
Vollendet muss ihr Leben sein,
damit ganz frei sie kann herein.
Nun schloss die Göttin die Augen und konzentrierte sich so intensiv, dass Schweißperlen auf ihrer glatten Stirn erschienen.
Ihre größte Sehnsucht soll sie kennen,
soll die Liebe als Herzenswunsch nennen.
Klug soll sie sein, und sie soll es verstehen,
die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Die schleichende Dunkelheit weg sie schafft,
denn Liebe und Leben sind ihre Kraft.
Ihre Seele werde ich finden
und mit meiner Magie sanft an mich binden.
See, Meer, Regen, Nebel und Tau - sucht nun in Eil'
die Frau, die Arthurs Herz macht heil.
Mit einer ausladenden Geste breitete Viviane die Arme aus, warf die Lichtkugel, die sich zwischen ihren Händen gebildet hatte, von sich und schleuderte ihren Willen, ihre Macht, ihre göttliche Magie hinaus in den See. Sofort veränderte sich seine Farbe, und aus dem tiefen Saphirblau wurde ein glänzendes Silber, so hell, dass ein Sterblicher, wenn er auch nur einen Blick auf diese Verwandlung erhascht hätte, für immer blind geworden wäre.
Schön muss sie sein und klug, ohne Frage.
Auf Anhieb muss sie erkennen die missliche Lage.
Fröhlichen Herzens, munter und frei soll sie sein,
ihre Verführungskünste lieber zu groß als zu klein.
Jetzt geht! Tut meinen Willen!
Meinen Befehl sollt ihr erfüllen!
Der schimmernde See brandete auf, und ganz langsam begannen sich Ranken von Licht von ihm zu lösen. Schmale Lichtfinger schlängelten sich suchend übers Wasser.
»Geht!«, rief die Göttin ungeduldig, und die Lichtstränge erhoben sich in die Lüfte, höher und immer höher ... und schossen schließlich hinauf in den Morgenhimmel, wo sie aus dieser Wirklichkeit verschwanden und in unsichtbare Zeiten und Welten entschwebten.
Noch lange, nachdem ihre Magie sich aufgelöst hatte, starrte Viviane in den Himmel. Doch dann wandte sie sich mit einem Seufzen ab und ging weiter, ließ sich von dem tröstenden Wasser umschließen, während sie zu ihrem Perlenpalast hinabglitt, der tief unter den Wellen lag. Jetzt konnte sie nur noch warten und hoffen.
Wenn ich nur die richtige Frau finde, sinnierte die Göttin, als sie ihren Palast betrat. Ungeduldig scheuchte sie ihre Najaden- Dienerinnen weg, die sie singend begrüßten und nach ihren Wünschen fragten. Anscheinend ist das wieder mal der Lauf der Dinge - nur die richtige Frau kann es schaffen, diese götterverdammten Schicksalsgöttinnen abzuwehren ...
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
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Autoren-Porträt von P. C. Cast
Cast, P.C.P.C. Cast ist die Autorin der zwölfbändigen House of Night-Serie. Sie wuchs in Illinois und Oklahoma auf und arbeitete viele Jahre als Lehrerin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Bücher erreichten eine Gesamtauflage von über zwanzig Millionen Exemplaren und erschienen in mehr als vierzig Ländern. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihren geliebten Katzen, Hunden und Pferden in Oregon. Strüh, ChristineChristine Strüh, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist Übersetzerin von Gillian Flynn, Cecelia Ahern, Judy Blume, Pete Hamill, Laini Taylor und anderen.
Bibliographische Angaben
- Autor: P. C. Cast
- 2013, 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Anna Julia Strüh, Christine Strüh
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596193893
- ISBN-13: 9783596193899
- Erscheinungsdatum: 10.12.2013
Rezension zu „Göttin der Legenden / Mythica Bd.7 “
Amüsant durch den Zusammenprall von Historie und Gegenwart. Ilse Nebelung EKZ Bibliotheksservice 20140120
Pressezitat
Amüsant durch den Zusammenprall von Historie und Gegenwart. Ilse Nebelung EKZ Bibliotheksservice 20140120
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