Harry Potter und der Gefangene von Askaban / Harry Potter Bd.3
In den Ferien ist Magie ja strengstens untersagt, aber gegen Harrys Tante hilft nur ein Schwebezauber! Doch die Aufregung in Harrys drittem Jahr in Hogwarts hat gerade erst begonnen: Anstatt für die verbotene Zauberei einen Schulverweis zu bekommen,...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
In den Ferien ist Magie ja strengstens untersagt, aber gegen Harrys Tante hilft nur ein Schwebezauber! Doch die Aufregung in Harrys drittem Jahr in Hogwarts hat gerade erst begonnen: Anstatt für die verbotene Zauberei einen Schulverweis zu bekommen, sind plötzlich alle so freundlich zu Harry.
Joanne K. Rowling: Ihre Geschichte klingt wie ein modernes Märchen: 31 Jahre jung, mittellos, alleinerziehende Mutter - so steht die arbeitslose Lehrerin J.K. Rowling am Anfang da. Nur ein paar Jahre später ist sie eine erfolgreiche Kinderbuchautorin, deren Romane sogar die Bestseller-Listen der "Erwachsenen" stürmen!
1999 "Autorin des Jahres" Buchmarkt
2000 "Autorin des Jahres" British Book Award
Dies ist der dritte Band der international erfolgreichen Harry-Potter-Serie, die Generationen geprägt hat.
Alle Bände der Serie:
Harry Potter und der Stein der Weisen
Harry Potter und die Kammer des Schreckens
Harry Potter und der Gefangene von Askaban
Harry Potter und der Feuerkelch
Harry Potter und der Orden des Phönix
Harry Potter und der Halbblutprinz
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Die Harry-Potter-Serie ist abgeschlossen.
Harry Potter und der Gefangene vonAskaban von Joanne K. Rowling
LESEPROBETante Magdas großer Fehler
Als Harryam nächsten Morgen zum Frühstück hinunterging, saßen die drei Dursleys schon amKüchentisch. Sie starrten auf die Mattscheibe eines brandneuen Fernsehers,eines Willkommen-in-den-Ferien-Geschenks für Dudley, der sich fortwährendlauthals über den langen Weg zwischen dem Kühlschrank und dem Fernseher imWohnzimmer beschwert hatte. Dudley hatte den größten Teil des Sommers in derKüche verbracht, die kleinen Schweinchenaugen geradezu auf die Mattscheibegeklebt und mit wabbelndem fünflagigem Kinn ununterbrochen kauend.
Harrysetzte sich zwischen Dudley und Onkel Vernon, einen großen, fleischigen Mannmit sehr wenig Hals und einer Menge Schnauzbart. Keiner der Dursleys nahm Notizdavon, dass Harry in die Küche gekommen war, geschweige denn, dass ihm einerzum Geburtstag gratuliert hätte. Er nahm sich eine Scheibe Toast und sah hochzum Fernseher, wo der Nachrichtensprecher gerade von einem Ausbrecherberichtete
» diePolizei warnt die Bevölkerung. Black ist bewaffnet und äußerst gefährlich. Eineeigene Notrufnummer wurde eingerichtet und jeder Hinweis auf Black sollteumgehend gemeldet werden.«
»Dass derein Verbrecher ist, brauchen sie uns nicht erst zu sagen«, schnarrte OnkelVernon und starrte über seine Zeitung hinweg auf das Bild des Flüchtigen. »Sehteuch mal an, wie der aussieht, ein dreckiger Rumtreiber! Und diese Haare!«
Er warfHarry einen gehässigen Seitenblick zu, dessen strubbeliges Haar ihn immer vonneuem ärgerte. Verglichen mit dem Mann im Fernsehen jedoch, dessenausgemergeltes Gesicht umwuchert war von verfilztem, ellbogenlangem Gestrüpp,kam sich Harry durchaus gepflegt vor.
Wiedererschien der Nachrichtensprecher.
»DasLandwirtschafts- und Fischereiministerium gibt heute bekannt, dass -«
»Ist dochnicht zu fassen!«, bellte Onkel Vernon und starrte den Sprecher wütend an, »duhast uns nicht gesagt, wo dieser Verrückte ausgebrochen ist! Was soll das? DerWahnsinnige könnte doch jeden Augenblick die Straße entlangkommen! «
TantePetunia, knochig und pferdegesichtig, wirbelte herum und schaute wachsam ausdem Küchenfenster. Harry wusste, dass Tante Petunia nichts lieber tun würde,als den Notruf anzuläuten. Sie war die neugierigste Frau der Welt undverbrachte den größten Teil ihres Lebens damit, die langweiligen,gesetzestreuen Nachbarn auszukundschaften.
»Wannwerden die es endlich kapieren«, sagte Onkel Vernon und schlug mit seinergroßen purpurroten Faust auf den Tisch, »dass Aufknüpfen das einzige Rezeptgegen solches Pack ist?«
»Wie wahr«,sagte Tante Petunia, die immer noch die Bohnenstangen nebenan taxierte.
OnkelVernon nahm den letzten Schluck aus seiner Teetasse, warf einen Blick auf dieUhr und fügte hinzu: »Am besten, ich geh gleich, Petunia, Magdas Zug kommt umzehn an.«
Harry, inGedanken eben noch oben bei seinem Besenpflege- Set, fiel schmerzhaft aus allenWolken.
»TanteMagda?«, sprudelte es aus ihm heraus. »D-die - die kommt doch nicht etwa zuuns?«
Tante Magdawar Onkel Vernons Schwester. Zwar war sie keine Blutsverwandte von Harry(dessen Mutter Tante Petunias Schwester gewesen war), doch man hatte ihngezwungen, sie die ganze Zeit »Tante« zu nennen. Tante Magda lebte auf demLand, in einem Haus mit großem Garten, wo sie Bulldoggen züchtete. Sie kam nurselten in den Ligusterweg, weil sie es nicht übers Herz brachte, ihrewertvollen Hunde allein zu lassen, doch jeden ihrer Besuche hatte Harry inschrecklich lebendiger Erinnerung.
Beim Festzu Dudleys fünftem Geburtstag hatte Tante Magda Harry mit ihrem Gehstock aufdie Schienbeine gehauen, damit er Dudley nicht mehr beim Bäumchen-wechsel-dich-Spiel schlug. Ein paar Jahre später war sie zu Weihnachten mit einemfunkgesteuerten Senkrechtstarter für Dudley und einem Karton Hundekuchen fürHarry aufgetaucht. Bei ihrem letzten Besuch war Harry versehentlich ihremLieblingshund auf die Pfote getreten. Ripper hatte Harry hinaus in den Gartenund einen Baum hochgejagt und Tante Magda hatte sich bis nach Mitternachtgeweigert, ihn zurückzupfeifen. Wenn Dudley sich daran erinnerte, brach er vorLachen immer noch in Tränen aus.
»Magda wirdeine Woche bleiben«, schnarrte Onkel Vernon, »und wenn wir schon beim Themasind« - er deutete mit einem fetten Finger drohend auf Harry - »sollten wireiniges klarstellen, bevor ich sie abholen gehe.«
Dudleygrinste hämisch und wandte den Blick von der Mattscheibe ab. Sein liebsterZeitvertreib war, zu beobachten, wie Harry von Onkel Vernon schikaniert wurde.
»Erstens«,knurrte Onkel Vernon, »hältst du deine Zunge im Zaum, wenn du mit Magdasprichst.«
»Gut«,sagte Harry bitter, »wenn sie es auch tut.«
»Zweitens«,sagte Onkel Vernon und tat so, als hätte er Harrys Antwort nicht gehört, »daMagda nichts von deiner Abnormalität weiß, will ich nicht, dass irgendwasKomisches passiert, während sie hier ist. Du benimmst dich, verstanden? «
»Wenn siees auch tut«, sagte Harry zähneknirschend.
»Unddrittens«, sagte Onkel Vernon, die gemeinen kleinen Augen waren jetzt Schlitzein seinem großen purpurnen Gesicht, »haben wir Magda gesagt, du würdest dasSt.-Brutus-Sicherheitszentrum für unheilbar kriminelle Jungen besuchen. «
»Was?«,schrie Harry.
»Und dubleibst bei dieser Geschichte, Bursche, oder du kriegst Schwierigkeiten«,fauchte Onkel Vernon.
Zornig undmit bleichem Gesicht starrte Harry Onkel Vernon an. Er konnte es nicht fassen.Tante Magda kam für eine Woche zu Besuch - das war das furchtbarsteGeburtstagsgeschenk, das er je von den Dursleys bekommen hatte, verglichenselbst mit Onkel Vernons alten Socken.
»Nun,Petunia«, sagte Onkel Vernon und erhob sich schnaufend, »ich fahre jetzt zumBahnhof. Kleine Ausfahrt gefällig, Dudders?«
»Nein«,sagte Dudley, der seine Aufmerksamkeit jetzt, da Onkel Vernon aufgehört hatte,Harry zu tyrannisieren, wieder dem Fernseher zugewandt hatte.
»Diddy musssich für Tantchen fein herausputzen«, sagte Tante Petunia und strich überDudleys dichtes Blondhaar.
»Mamchenhat ihm eine wunderschöne neue Fliege gekauft. «
OnkelVernon klopfte Dudley auf die fette Schulter.
»Also bisgleich«, sagte er und ging hinaus.
Harry, derin eine Art grauenerfüllte Trance versunken war, fiel plötzlich etwas ein. Erließ seinen Toast liegen, stand rasch auf und folgte Onkel Vernon zur Haustür.Onkel Vernon zog seinen Mantel an.
»Dich nehmich nicht mit«, schnarrte er, als er sich umwandte und Harry erblickte.
»Will ichauch nicht«, sagte Harry kühl. »Ich möchte dich was fragen.«
OnkelVernon beäugte ihn misstrauisch.
»Drittklässlerin Hog, auf meiner Schule dürfen hin und wieder ins Dorf«, sagte Harry.
»Ach?«,blaffte Onkel Vernon und nahm die Wagenschlüssel vom Haken neben der Tür. Raschsetzte Harry nach.
»Du musstdie Einverständniserklärung für mich unterschreiben«, sagte er.
»Und warumsollte ich das tun?«, höhnte Onkel Vernon.
»Nun ja«,sagte Harry und wog sorgfältig seine Worte ab, »es wird ein hartes Stück Arbeitsein, gegenüber Tante Magda so zu tun, als ob ich in dieses St. Wasweißichginge -«
»St.-Brutus-Sicherheitszentrumfür unheilbar kriminelle Jungen!«, bellte Onkel Vernon, und Harry freute sich,einen deutlichen Anflug von Panik in seiner Stimme zu hören.
»Genau«,sagte Harry und sah gelassen hoch in Onkel Vernons großes, rotes Gesicht. »Ichmuss mir eine Menge merken. Außerdem soll es sich ja überzeugend anhören, oder?Was, wenn mir aus Versehen etwas rausrutscht?«
»Dannprügle ich dir die Innereien raus!«, polterte Onkel Vernon und trat miterhobener Faust auf Harry zu. Doch Harry ließ nicht locker.
»DieInnereien aus mir herauszuprügeln wird Tante Magda auch nicht vergessen lassen,was ich ihr gesagt haben könnte«, sagte er verbissen.
OnkelVernon, die Faust immer noch erhoben, erstarrte. Sein Gesicht hatte einhässliches Braunrot angenommen.
»Aber wenndu meine Einverständniserklärung unterschreibst «, fuhr Harry rasch fort,»schwöre ich, dass ich nicht vergesse, wo ich angeblich zur Schule gehe, undich führe mich auf wie ein Mug, als ob ich normal und alles wäre.«
Harryentging nicht, dass Onkel Vernon noch einmal über die Sache nachdachte, auchwenn er die Zähne gefletscht hatte und eine Vene auf seiner Schläfe pochte.
»Schön«,blaffte er endlich. »Ich werde dein Verhalten während Tante Magdas Besuchscharf überwachen. Wenn du am Ende nicht die Grenze überschritten hast und beider Geschichte geblieben bist, unterschreibe ich dein beklopptes Formular.«
Abruptdrehte er sich um, öffnete die Haustür und schlug sie mit solcher Wucht hintersich zu, dass eine der kleinen Glasscheiben am oberen Türrand herausfiel. Harrykehrte nicht in die Küche zurück. Er ging nach oben in sein Zimmer. Wenn ersich wie ein echter Muggel aufführen musste, dann fing er am besten gleichdamit an. Widerwillig und traurig sammelte er all seine Geschenke undGeburtstagskarten ein und versteckte sie unter dem losen Dielenbrett, zusammenmit seinen Hausaufgaben. Dann ging er hinüber zu Hedwigs Käfig. Errol hattesich offenbar erholt; er und Hedwig schliefen mit den Köpfen unter den Flügeln.Harry seufzte und stupste sie beide wach.
»Hedwig«,sagte er niedergeschlagen, »du musst für eine Woche verschwinden. Flieg mitErrol, Ron wird sich um dich kümmern. Ich geb dir eine Nachricht für ihn mit.Und schau mich nicht so an« - Hedwigs große bernsteinfarbene Augen blicktenvorwurfsvoll - »es ist nicht meine Schuld. Das ist die einzige Möglichkeit, dieErlaubnis zu kriegen, mit Ron und Hermine nach Hogsmeade zu gehen.«
ZehnMinuten später flatterten Errol und Hedwig (der Harry einen Zettel für Ron ansBein gebunden hatte) aus dem Fenster und waren bald auf und davon. Harry, demnun ganz und gar elend war, räumte den leeren Käfig in den Schrank. Doch erhatte nicht lange Zeit zum Grübeln. Schon kreischte Tante Petunia unten am Fußder Treppe, Harry solle herunterkommen und sich bereitmachen, den Gast zubegrüßen.
»Mach wasmit deinen Haaren«, schnappte Tante Petunia, als er im Flur ankam. Harry sahnicht ein, warum er versuchen sollte, sein Haar glatt zu kämmen. Tante Magdakrittelte doch liebend gern an ihm herum, und je zerzauster er aussah, destoglücklicher war sie.
Doch schonwar draußen das Knirschen von Kies zu hören, als Onkel Vernon den Wagen in dieEinfahrt zurücksetzte, dann das »Klonk« der Wagentüren und schließlich Schritteauf dem Gartenweg.
»An dieTür!«, zischte Tante Petunia.
Mit einemGefühl im Magen, als würde die Welt untergehen, öffnete Harry die Tür. Auf derSchwelle stand Tante Magda. Sie war Onkel Vernon sehr ähnlich mit ihrem großen,fleischigen, purpurroten Gesicht. Sie hatte sogar einen Schnurrbart, auch wenner nicht so buschig war wie seiner. Unter dem einen Arm trug sie einen riesigenKoffer, unter dem anderen saß mit eingezogenem Schwanz eine alte undmissgelaunte Bulldogge.
»Wo istdenn mein Dudders?«, röhrte Tante Magda. »Wo ist mein Neffilein?«
Dudley kamden Flur entlanggewatschelt, das Blondhaar flach auf den fetten Schädel geklebt,und unter seinen vielen Kinnen lugte gerade noch der Zipfel einer Fliegehervor. Tante Magda wuchtete ihren Koffer in Harrys Magen, dass er nach Luftschnappen musste, drückte Dudley mit einem Arm schraubstockfest an ihr Herz undpflanzte ihm einen Kuss auf die Wange. Harry wusste genau, dass Dudley TanteMagdas Umarmungen nur ertrug, weil er dafür gut bezahlt wurde. Beim Abschiedwürde er eine knisternde Zwanzig-Pfund-Note in seiner fetten Faust finden.
»Petunia!«,rief Tante Magda und schritt an Harry vorbei, als wäre er ein Hutständer. TanteMagda und Tante Petunia küssten sich, besser gesagt ließ Tante Magda ihrenmassigen Kiefer gegen Tante Petunias hervorstehende Wangenknochen krachen.Onkel Vernon kam jetzt herein und schloss die Tür mit einem leutseligenLächeln.
»Tee,Magda?«, fragte er. »Und was dürfen wir Ripper anbieten?«
»Ripperkann ein wenig Tee aus meiner Untertasse haben «, sagte Tante Magda, währendsie sich in die Küche begaben und Harry im Flur mit dem Koffer allein ließen.Doch Harry beklagte sich nicht; jede Ausrede, nicht mit Tante Magda zusammensein zu müssen, war ihm recht, und als hätte er alle Zeit der Welt, hievte erden Koffer die Treppe empor ins freie Schlafzimmer. Als er in die Küchezurückkam, war Tante Magda schon mit Tee und Obstkuchen versorgt und Ripperschlabberte geräuschvoll in der Ecke. Harry bemerkte, wie Tante Petunia leichtdie Mundwinkel verzog, weil Ripper ihren sauberen Boden mit Tee und Sabberbespritzte. Tante Petunia konnte Tiere nicht ausstehen.
»Wer kümmertsich denn um die anderen Hunde, Magda?«, fragte Onkel Vernon.
»Ach, ichhab sie in die Obhut von Oberst Stumper gegeben «, strahlte Tante Magda. »Erist jetzt pensioniert. Ein kleiner Zeitvertreib kann ihm nicht schaden. Aberden armen alten Ripper hab ich nicht dalassen können. Er leidet ja so, wenn ernicht bei mir ist.« Als Harry sich setzte, begann Ripper zu knurren.
Das lenkteTante Magdas Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf Harry.
»So!«,bellte sie, »immer noch hier?«
»Ja«, sagteHarry.
»Sag nichtin diesem unhöflichen Ton ja, hörst du«, knurrte Tante Magda. »Verdammt gutvon Vernon und Petunia, dich hier zu behalten. Ich hätte das nicht getan.Hätten sie dich vor meiner Tür ausgesetzt, wärst du sofort ins Waisenhausgekommen.«
Harry wardrauf und dran zu antworten, er würde lieber in einem Waisenhaus als bei denDursleys leben, doch der Gedanke an die Erlaubnis für Hogsmeade hielt ihn davonab. Er zwang sein Gesicht zu einem schmerzhaften Lächeln.
»Grins michnicht so an!«, donnerte Tante Magda. »Ich sehe, du hast dich seit unsererletzten Begegnung nicht gebessert. Ich hatte gehofft, in der Schule würden siedir ein paar Manieren einprügeln.«
Sie nahmeinen kräftigen Schluck Tee, wischte sich den Schnurrbart und sagte: »Woschickst du ihn noch mal hin, Vernon?«
»Nach St.Brutus«, antwortete Onkel Vernon prompt. »Erstklassige Anstalt fürhoffnungslose Fälle.«
»Verstehe«,sagte Tante Magda. »Machen sie in St. Brutus auch vom Rohrstock Gebrauch,Bursche?«, blaffte sie über den Tisch.
»Ähm -«Onkel Vernon nickte hinter Tante Magdas Rücken.
»Ja«, sagteHarry. Wenn schon, denn schon, überlegte er dann und fügte hinzu: »Tagein,tagaus.«
»Vortrefflich«,sagte Tante Magda. »Dieses windelweiche Wischiwaschi, dass man Leute nichtschlagen soll, die es doch verdienen, kann ich nicht vertragen. Inneunundneunzig von hundert Fällen hilft eine gute Tracht Prügel. Hat man dichoft geschlagen?«
»O ja«,sagte Harry, »viele Male.«
Tante Magdaverengte die Augen zu Schlitzen. »Dein Ton gefällt mir immer noch nicht,Bürschchen«, sagte sie. »Wenn du so lässig von deinen Hieben reden kannst, dannschlagen sie offenbar nicht hart genug zu. Petunia, wenn ich du wäre, würde ichdort hinschreiben. Mach ihnen klar, dass du im Falle dieses Jungen den Einsatzäußerster Gewalt gutheißt.«
Vielleichtmachte sich Onkel Vernon Sorgen, Harry könnte die Abmachung vergessen haben;jedenfalls wechselte er abrupt das Thema.
»Schon dieNachrichten gehört heute Morgen, Magda? Was sagst du zu der Geschichte mitdiesem Ausbrecher?«
Währendsich Tante Magda allmählich häuslich einrichtete, erwischte sich Harry bei fastsehnsüchtigen Gedanken an das Leben in Nummer vier ohne sie. Onkel Vernon undTante Petunia gaben sich meist damit zufrieden, wenn Harry ihnen aus dem Wegging, und Harry war das nur recht. Tante Magda jedoch wollte Harry ständig imAuge behalten, so dass sie Vorschläge für die Besserung seines Betragens zumBesten geben konnte. Vorzugsweise verglich sie Harry mit Dudley und kaufteDudley teure Geschenke, während sie Harry tückisch anstarrte, als wollte sieihn herausfordern zu fragen, warum er nicht auch ein Geschenk bekomme. Auchließ sie ständig Mutmaßungen fallen, aus welchem Grund wohl Harry zu einerdermaßen unzulänglichen Person geworden sei.
»Du musstdir keinen Vorwurf machen, dass der Junge so geworden ist, Vernon«, sagte sieam dritten Tag beim Mittagessen. »Wenn im Innern etwas Verdorbenes steckt, kannkein Mensch etwas dagegen machen.«
Harryversuchte sich auf das Essen zu konzentrieren, doch seine Hände zitterten undsein Gesicht fing an vor Zorn zu brennen. Denk an die Erlaubnis, mahnte er sichselbst. Denk an Hogsmeade. Sag nichts. Steh nicht auf -
Tante Magdagriff nach ihrem Weinglas.
»Das isteine Grundregel der Zucht«, sagte sie. »Bei Hunden kann man es immer wieder beobachten.Wenn etwas mit der Hündin nicht stimmt, wird auch mit den Welp-« In diesemAugenblick explodierte das Weinglas in Tante Magdas Hand. Scherben stoben inalle Richtungen davon und Tante Magda prustete und blinzelte und von ihremgroßen geröteten Gesicht tropfte der Wein.
»Magda!«,kreischte Tante Petunia.
»Magda,hast du dir was getan?«
»KeineSorge«, grunzte Tante Magda und wischte sich mit der Serviette das Gesicht.
»Muss eswohl zu fest gedrückt haben. Ist mir letztens auch bei Oberst Stumper passiert.Kein Grund zur Aufregung, Petunia, ich hab einen ziemlich festen Griff -«
Doch TantePetunia und Onkel Vernon sahen Harry misstrauisch an, und so beschloss er denNachtisch lieber wegzulassen und der Tischrunde so bald wie möglich zuentfliehen. Draußen im Flur lehnte er sich gegen die Wand und atmete tiefdurch. Es war schon lange her, dass er die Beherrschung verloren und etwashatte explodieren lassen. Das durfte ihm auf keinen Fall noch mal passieren.Die Erlaubnis für Hogsmeade war nicht das Einzige, was auf dem Spiel stand -wenn er so weitermachte, würde er auch noch Schwierigkeiten mit demZaubereiministerium kriegen.
Harry warimmer noch ein minderjähriger Zauberer und es war ihm nach dem Zauberergesetzverboten, außerhalb der Schule zu zaubern. Er hatte zudem keine ganz weißeWeste. Erst letzten Sommer hatte er eine offizielle Verwarnung bekommen, in deres klar und deutlich hieß, falls das Ministerium noch einmal von Zauberei imLigusterweg Wind bekäme, würde ihm der Schulverweis von Hogwarts drohen.
Er hörtedie Dursleys aufstehen und verschwand rasch nach oben.
Dienächsten Tage überstand Harry, indem er sich zwang, an seinDo-it-yourself-Handbuch zur Besenpflege zu denken, wann immer Tante Magda esauf ihn anlegte. Das klappte ganz gut, auch wenn sein Blick dabei offenbaretwas glasig wurde, denn Tante Magda begann die Meinung zu äußern, er seigeistig unterbelichtet.
Endlich,nach einer Ewigkeit, brach der letzte Abend von Tante Magdas Aufenthalt an.Tante Petunia kochte ein schickes Essen und Onkel Vernon entkorkte mehrereFlaschen Wein. Sie schafften es durch die Suppe und den Lachs, ohne HarrysCharaktermängel auch nur mit einem Wort zu erwähnen; bei derZitronen-Meringe-Torte langweilte Onkel Vernon alle mit einem Vortrag überGrunnings, seine Bohrerfirma. Dann kochte Tante Petunia Kaffee und Onkel Vernonstellte eine Flasche Kognak auf den Tisch.
»EinSchlückchen, Magda?«
Tante Magdahatte dem Wein bereits ausgiebig zugesprochen. Ihr riesiges Gesicht warputerrot.
»Aber nurein winziges, bitte«, kicherte sie. »Noch ein wenig - und noch ein bisschen -so ist es fein.«
Dudleyverspeiste sein viertes Stück Torte. Tante Petunia schlürfte mit abgespreiztemkleinem Finger an ihrem Kaffee. Harry wollte sich eigentlich in sein Zimmerverziehen, doch als er in Onkel Vernons zornige kleine Augen blickte, wussteer, dass er es aussitzen musste.
»Aah«,sagte Tante Magda, stellte das leere Glas auf den Tisch und leckte sich dieLippen. »Ausgezeichneter Schmaus, Petunia. Normalerweise wärm ich mir abendsnur was auf, wo ich mich doch um zwölf Hunde kümmern muss «
Sie rülpsteherzhaft und tätschelte ihren runden tweedbedeckten Bauch. »Verzeihung. Aberich für meinen Teil sehe gern einen Jungen, der gut beieinander ist«, fuhr siefort und zwinkerte Dudley zu. »Du wirst sicher mal ein stattlicher Mann,Dudders, wie dein Vater. Ja, danke, Vernon, noch ein winziges SchlückchenKognak «
»Aber derda -« Sie ruckte mit dem Kopf in Richtung Harry, dessen Magen sich verkrampfte.
DasHandbuch, dachte er rasch.
»Der da hatein fieses, zwergenhaftes Aussehen. Das sieht man auch bei Hunden. Letztes Jahrhab ich Oberst Stumper einen ertränken lassen. Rattiges kleines Ding. Schwach.Unterzüchtet. «
Harryversuchte sich Seite zwölf seines Buches in Erinnerung zu rufen: Ein Zauberzur Kur renitenter Rückwärtsgänger.
»Alles eine Frage des Blutes, sag ich immer. Schlechtes Blutzeigt sich einfach. Nun, ich will nichts gegen eure Familie sagen, Petunia -«,sie tätschelte Tante Petunias Hand mit ihrer eigenen schaufelgroßen, »- aberdeine Schwester war ein faules Ei. Kommt in den besten Familien vor. Dann istsie mit diesem Taugenichts abgehauen und was dabei herauskam, sitzt hier voruns.«
Harrystarrte auf seinen Teller, ein merkwürdiges Klingeln in den Ohren. Packen Sie IhrenBesen fest am Schweif, dachte er. Doch er wusste nicht mehr, was dann kam.Tante Magda schien in ihn hineinzubohren wie einer von Onkel Vernons Bohrern.
»DieserPotter«, sagte Tante Magda laut, griff sich die Flasche und schüttete Kognak inihr Glas und auf das Tischtuch, »ihr habt mir nie gesagt, was er beruflichgemacht hat!«
OnkelVernon und Tante Petunia schienen auf glühenden Kohlen zu sitzen. Sogar Dudleyhatte den Blick von der Torte erhoben und starrte seine Eltern an.
»Er - erhat nicht gearbeitet«, sagte Onkel Vernon und warf Harry einen kurzen Blick zu.»War arbeitslos.«
»Das habich mir gedacht!«, sagte Tante Magda, nahm einen gewaltigen Schluck Kognak undwischte sich mit dem Ärmel das Kinn. »Ein fauler Rumtreiber, der -«
»War ernicht«, sagte Harry plötzlich.
Am Tischtrat jähe Stille ein. Harry zitterte am ganzen Körper. Noch nie war er sozornig gewesen.
»NochKognak!«, schrie Onkel Vernon, der käseweiß geworden war. Er schüttete den Restder Flasche in Tante Magdas Glas.
»Und du,Bursche«, fauchte er Harry an, »du gehst zu Bett, verschwinde -«
»Nein,Vernon«, hickste Tante Magda mit erhobener Hand, während sie ihre kleinen,blutunterlaufenen Augen fest auf Harry richtete. »Sprich weiter, Bürschchen,nur weiter. Stolz auf deine Eltern, nicht wahr? Da gehen die doch einfach hinund fahren sich zu Tode - betrunken, nehm ich an -«
»Sie sindnicht bei einem Autounfall gestorben!«, sagte Harry, der plötzlich auf denFüßen stand.
»Sind siesehr wohl, du frecher kleiner Lügner, und sie haben dich zurückgelassen alsLast für ihre anständigen, hart arbeitenden Verwandten!«, schrie Tante Magdaund schwoll vor Zorn an. »Du bist ein unverschämter, undankbarer kleiner -«
Doch TanteMagda verstummte plötzlich. Einen Moment lang sah es so aus, als fehlten ihrdie Worte. Sie schien vor unsäglicher Wut anzuschwellen - doch es nahm keinEnde. Ihr großes rotes Gesicht dehnte sich aus, die winzigen Augen tratenhervor und der Mund war so fest gespannt, dass sie nicht mehr sprechen konnte -und jetzt rissen einige Knöpfe von ihrer Tweedjacke und flogen gegen die Wände- sie schwoll an wie ein monströser Ballon, ihr Bauch platzte jetzt durch ihrenTweedbund, jeder einzelne Finger blähte sich zu Salamigröße auf -
»Magda«,schrien Onkel Vernon und Tante Petunia wie aus einem Munde, als Tante Magdasganzer Körper vom Stuhl abhob. Sie war jetzt kugelrund wie ein riesigerWasserball mit Schweinchenaugen, Hände und Füße stachen merkwürdig ab, währendsie unter Würgen und Puffen in die Höhe schwebte. Ripper kam ins Zimmer gewatscheltund fing an wie verrückt zu bellen.
»Neeeeeeeiiin!«
OnkelVernon packte Magda an einem Fuß und versuchte sie herunterzuziehen, doch erselbst hob beinahe vom Boden ab. Im nächsten Augenblick machte Ripper einenSatz und versenkte die Zähne in Onkel Vernons Bein.
Harryverschwand aus dem Esszimmer, bevor ihn jemand aufhalten konnte, und rannte zumSchrank unter der Treppe. Die Schranktür sprang von Zauberhand auf, als er sichnäherte. Im Handumdrehen hatte er seinen großen Reisekoffer zur Haustürgeschleift. Er sprintete die Treppe hoch, hechtete unter das Bett, riss daslose Dielenbrett heraus und griff sich den Kissenüberzug mit seinen Büchern undGeschenken. Er kroch unter dem Bett hervor, packte Hedwigs leeren Käfig undstürzte die Treppe hinunter zu seinem Koffer, gerade als Onkel Vernon, die Hosein blutige Fetzen gerissen, aus dem Esszimmer platzte.
»Komm zurück!«, bellte er, »komm rein undbring sie wieder in Ordnung!«
Doch Harryhatte ein rücksichtsloser Zorn überwältigt. Er stieß den Kofferdeckel auf, zogseinen Zauberstab heraus und richtete ihn auf Onkel Vernon.
»Sie hat esverdient«, sagte er nach Atem ringend, »sie hat verdient, was sie bekommen hat.Und du bleibst mir vom Hals.«
Er langtehinter sich und fummelte an der Türkette.
»Ich gehe«,sagte Harry. »Mir reichts.«
Und schonwar er draußen auf der dunklen, stillen Straße, den Koffer hinter sichherziehend und Hedwigs Käfig unter dem Arm.
© CarlsenVerlag
Übersetzung:Klaus Fritz
Autoren-Porträt von Joanne K. Rowling
Joanne K. Rowling begann bereits mit sechs Jahren, ihre ersten kleinen Geschichten zu schreiben. Sie las mit neun Jahren alle Romane von Ian Fleming, dem Erfinder von James Bond. Rowling kam 1990 während einer Zugfahrt auf die Idee zu den Geschichten von Harry Potter. Fünf Jahre verbrachte sie damit, sich die Zaubererwelt und die sieben Teile der Geschichte auszudenken. "Ich weiß noch unglaublich viele, teils lächerliche Details über Harrys Welt, die der Leser gar nicht wissen muss", sagt sie. Eigentlich hatte die Schottin gar nicht vorgehabt, Bücher für Kinder zu schreiben, aber dann bemerkte sie, wie gut sie sich in ihre eigene Kindheit zurückversetzen konnte. "Ich kann mich ohne Schwierigkeiten an alles ab meinem 11. Lebensjahr erinnern", erzählt sie. "Als Kind ist man sehr machtlos und deshalb hat man diese eigene Welt, zu der Erwachsene keinen Zugang haben." Auch wenn in Harrys Internat Erwachsene vorkommen, so können Harry und seine Freunde immer wieder ganz alleine ihre Erfahrungen machen – und genau dieses Gefühl, etwas alleine entscheiden zu können, lieben die jungen Leser und finden es in Harry Potters Geschichten wieder.
Joanne K. Rowling studierte zunächst Französisch und arbeitete u.a. für Amnesty International in London. Nach einem längeren Portugal-Aufenthalt kehrte sie zusammen mit ihrer Tochter nach England zurück. Als 31-jährige arbeitslose, allein erziehende Mutter schrieb sie den ersten Band der Harry-Potter-Geschichten. Bis der internationale Durchbruch kam, dauerte es noch ein paar Jahre. Der Rest ist Geschichte, in doppelter Hinsicht. Zum einen stieg das "Potter-Fieber" weltweit von Band zu Band, zum anderen hat Rowling mit dem siebten Buch "Harry Potter und die Heiligtümer des
- Autor: J.K. Rowling
- Altersempfehlung: 10 - 99 Jahre
- 2013, Nachdr., 448 Seiten, Maße: 14,9 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Fritz, Klaus
- Übersetzer: Klaus Fritz
- Verlag: Carlsen
- ISBN-10: 3551551693
- ISBN-13: 9783551551696
5 von 5 Sternen
5 Sterne 54Schreiben Sie einen Kommentar zu "Harry Potter und der Gefangene von Askaban / Harry Potter Bd.3".
Kommentar verfassen