Headhunter
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Roger Brown geniesst als Headhunter in Wirtschaftskreisen einen exzellenten Ruf. Was niemand weiss: Er raubt seine Klienten aus, bringt sie um ihre Kunstwerke.
Auf einer Vernissage lernt Brown den Holländer Clas Greve kennen. Greve scheint ihm die...
Auf einer Vernissage lernt Brown den Holländer Clas Greve kennen. Greve scheint ihm die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Headhunter “
Roger Brown geniesst als Headhunter in Wirtschaftskreisen einen exzellenten Ruf. Was niemand weiss: Er raubt seine Klienten aus, bringt sie um ihre Kunstwerke.
Auf einer Vernissage lernt Brown den Holländer Clas Greve kennen. Greve scheint ihm die perfekte Besetzung als Geschäftsführer eines GPS Unternehmens. Die Männer kommen ins Geschäft, und so erfährt Brown, dass Greve einen lange verloren geglaubten Rubens besitzt. Am nächsten Tag stiehlt Brown das wertvolle Gemälde. Doch Greve erweist sich als hartnäckiger Gegner - Eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt.
Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er ist der erfolgreichste Autor Norwegens, in 17 Ländern mit seinen Büchern vertreten, darunter in den USA und in England.
Auf einer Vernissage lernt Brown den Holländer Clas Greve kennen. Greve scheint ihm die perfekte Besetzung als Geschäftsführer eines GPS Unternehmens. Die Männer kommen ins Geschäft, und so erfährt Brown, dass Greve einen lange verloren geglaubten Rubens besitzt. Am nächsten Tag stiehlt Brown das wertvolle Gemälde. Doch Greve erweist sich als hartnäckiger Gegner - Eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt.
Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er ist der erfolgreichste Autor Norwegens, in 17 Ländern mit seinen Büchern vertreten, darunter in den USA und in England.
Klappentext zu „Headhunter “
'Auf einer Vernissage lernt Brown den Holländer Clas Greve kennen. Greve scheint ihm die perfekte Besetzung als Geschäftsführer eines GPSUnternehmens. Die Männer kommen ins Geschäft, und so erfährt Brown, dass Greve einen lange verloren geglaubten Rubens besitzt. Am nächsten Tag stiehlt Brown das wertvolle Gemälde. Doch Greve erweist sich als hartnäckiger Gegner. Eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt.
Lese-Probe zu „Headhunter “
Headhunter von Jo Nesbø[...]
Um zwölf Uhr fuhr ich auf den Parkplatz eines Supermarktes, der laut meinem GPS exakt dreihundert Meter von Landers Adresse entfernt lag. Das Navigationssystem war ein Geschenk von Pathfinder, vermutlich eine Art Trostprämie, sollten wir bei diesem Auftrag das Rennen doch nicht machen. Sie hatten mir auch eine kurze Einführung zuteilwerden lassen, woraus das GPS – das Global Positioning System – bestand, und mir erklärt, wie es mit Hilfe eines Netzes aus vierundzwanzig Satelliten auf der Erdumlaufbahn in Kombination mit Funksignalen und Atomuhren möglich war, die Position eines Menschen mit einem GPS-Sender an jedem Ort der Welt auf drei Meter genau zu bestimmen. Wurde das Signal von vier oder mehr Satelliten aufgefangen, war es sogar möglich, die Höhe der jeweiligen Person aus - zumachen, also ob sie auf dem Boden stand oder in einem Baum saß. Das Ganze war – ähnlich wie das Internet – vom amerikanischen Militär entwickelt worden, unter anderem, um damit die Tomahawk-Raketen oder Pawelow-Bomben zu dirigieren, neben all dem anderen Fallobst, das man den Leuten irgendwann an den Kopf werfen wollte. Pathfinder hatte überdies durchblicken lassen, dass sie Sender entwickelt hatten, die mit landbasierten GPS-Stationen in Verbindung standen, von denen niemand wusste. Ein Netz, das bei jedem Wetter funktionierte und mit seinen Strahlen sogar dicke Hauswände durchdrang. Der Vorstandsvorsitzende der Firma hatte mir erklärt, was man für das exakte Funktionieren eines GPS berücksichtigen musste, dass eine Sekunde auf der Erde nicht gleich einer Sekunde für einen Satelliten war, der mit Hochgeschwindigkeit durch das Weltall rauschte – die Zeit werde gebeugt, so dass man da draußen langsamer alterte. Die Satelliten bewiesen ganz einfach Einsteins Relativitätstheorie.
Mein Volvo
... mehr
glitt in eine Reihe Autos vergleichbarer Preisklasse, dann schaltete ich den Motor aus. Niemand würde sich an dieses Auto erinnern. Ich nahm die schwarze Mappe aus dem Wagen und ging bergauf zu Landers Haus. Meine Anzugjacke hatte ich auf den Rücksitz gelegt und stattdessen einen blauen Overall ohne Logo oder besondere Kennzeichen angezogen. Die Mütze verbarg meine Haare, und auch die Sonnenbrille war stimmig, da es einer dieser sonnigen Herbsttage war, mit denen Oslo so gesegnet war. Trotzdem blickte ich zu Boden, als mir eines der philippinischen Mädchen entgegenkam, die hier im Viertel als Babysitter so beliebt waren. In der Sackgasse, in der Lander wohnte, war niemand. Die Sonne spiegelte sich in den Panoramafenstern. Ich blickte auf die Breitling-Airwolf-Uhr, die Diana mir zum 35. Geburtstag geschenkt hatte. Sechs nach zwölf. Vor sechs Minuten war der Alarm in Jeremias Landers Haus mit Hilfe eines kleinen Zusatzprogramms auf einem PC in der Steuerungszentrale der Wachgesellschaft deaktiviert worden, so dass die Unterbrechung in dem Kontrolljournal, das Stromausfälle oder sonstige Störungen dokumentierte, nicht verzeichnet wurde. Der Tag, an dem ich den Wachleiter für Tripolis ausgesucht hatte, war wirklich ein gesegneter Tag gewesen.
Ich stieg die Stufen zur Haustür hoch und lauschte dem Vogelgezwitscher und dem entfernten Hundegebell. Bei unserem Gespräch hatte Lander behauptet, keine Haushaltshilfe zu haben, keine Frau, die das Haus hütete, keine erwachsenen Kinder, die daheim wohnten, und auch keinen Hund. Aber 100 Prozent sicher konnte man sich nie sein. Ich ging immer von 99,5 Prozent Sicherheit aus und davon, dass das verbleibende halbe Prozent vom Adrenalinschub ausgeglichen wurde: Ich sah, hörte und roch besser.
Ich holte den Schlüssel hervor, den Ove mir im Sushi & Coffee gegeben hatte. Alle Tripolis-Kunden mussten einen Reserveschlüssel hinterlegen, sollte es in ihrer Abwesenheit einen Einbruch, eine Störung oder ein Feuer geben. Er glitt ins Schloss und ließ sich mit einem geschmeidigen Geräusch drehen.
Ich war im Haus. Die diskret an der Wand montierte Alarmanlage schlief mit geschlossenen Plastikaugen. Ich zog Handschuhe an und klebte sie an den Ärmeln des Overalls fest, damit keine losen Körperhaare auf den Boden fallen konnten. Dann zog ich die Badekappe, die ich unter der Mütze trug, über die Ohren nach unten. Ich durfte keine DNA-Spuren hinterlassen. Ove hatte mich einmal gefragt, warum ich mir nicht gleich den Schädel rasierte.
Ich hatte ihm gar nicht erst zu erklären versucht, wie wichtig mir meine Haare waren. Von ihnen würde ich mich fast genauso ungern trennen wie von Diana.
Obwohl ich reichlich Zeit hatte, beeilte ich mich. Über der Treppe, die nach oben ins Wohnzimmer führte, hingen Porträts von Landers Kindern. Ich verstehe nicht, was erwachsene Menschen dazu treibt, irgendwelchen sich selbst prostituierenden Künstlern Geld für diese peinlichen, überemotionalen Abbilder ihrer Lieblinge zu zahlen. Haben sie wirklich Freude daran, ihren Gästen die Schamesröte auf die Wangen zu treiben? Das Wohnzimmer war teuer, aber langweilig eingerichtet. Abgesehen von dem signalroten Pesce-Sessel, der wie eine mollige, breitbeinig hockende Frau aussah, die gerade ein Kind geboren hatte, nämlich den Ball, der vor dem Sessel lag und auf dem man wunderbar die Füße hochlegen konnte. Sicher nicht Jeremias Landers Idee.
Über dem Sessel hing das Bild. »Eva Mudocci«, die britische Violinistin, die Munch Anfang des letzten Jahrhunderts kennengelernt hatte und deren Porträt er direkt auf eine Steinplatte gezeichnet hatte. Ich hatte schon andere Exemplare des Drucks gesehen, aber erst jetzt, hier, in diesem Licht, fiel mir auf, an wen Eva Mudocci mich erinnerte. Sie sah aus wie Lotte. Lotte Madsen. Ihr Gesicht hatte die gleiche Blässe, und ihr Blick strahlte eben jene Melancholie aus, die ich so nachdrücklich aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte.
Ich nahm das Bild von der Wand und legte es mit der Rückseite nach oben auf den Tisch. Zum Auftrennen nutzte ich das Teppichmesser. Die auf beiges Papier gedruckte Lithografie hing in einem neuen Rahmen, so dass ich keine Stifte oder alte nelkenförmige Nägel entfernen musste. Kurz gesagt, ein einfacher Job.
Ohne jede Vorwarnung wurde die Stille von einem heulenden Alarm zerrissen. Ein durchdringendes Pulsieren, dessen Frequenz von weniger als 1000 bis auf 8000 Hertz schwang, ein Laut, der so effektiv durch die Luft und alle anderen Geräusche schnitt, dass man ihn noch mehrere Hundert Meter entfernt hörte. Ich erstarrte. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann verstummte der Alarm draußen auf der Straße wieder. Sicher nur ein unvorsichtiger Wagenbesitzer.
Ich fuhr mit meiner Arbeit fort. Öffnete die Mappe, legte die Lithografie hinein und nahm das Blatt mit dem Ausdruck von Fräulein Mudocci heraus. Vier Minuten später hing es wieder gerahmt an der Wand. Ich legte den Kopf zur Seite und betrachtete das Bild. Es konnte Wochen dauern, bis die Opfer etwas bemerkten. Sogar bei den seltsamsten Fälschungen. Im Frühling hatte ich das Ölgemälde »Horse with little rider« von Knut Rose durch ein aus einem Kunstbuch gescanntes und anschließend vergrößertes Bild ersetzt. Erst vier Wochen später wurde dieses Gemälde gestohlen gemeldet.
Fräulein Mudocci würde vermutlich wegen des Weißtons des Papiers entlarvt werden, aber auch das konnte so lange dauern, dass der Diebstahl zeitlich nicht mehr eingeordnet werden konnte. Außerdem würde das Haus bis dahin so oft geputzt werden, dass keine DNA-Spuren mehr zu finden sein würden. Denn nach DNA suchten sie immer. Im letzten Jahr, als Kjikerud und ich vier Einbrüche in weniger als vier Monaten unternommen hatten, hatte sich der mediengeile, blonde Musterbulle Brede Sperre in der Zeitung Aftenposten zu Wort gemeldet und lauthals verkündet, es handele sich um eine Bande professioneller Kunstdiebe. Obwohl es nicht um wirklich große Werte gehe, wolle das Raubdezernat allen Anfängen wehren und auf Ermittlungsmethoden zurückgreifen, die sonst Mord- oder wichtigen Drogenfällen vorbehalten waren. Darauf könne sich die ganze Bevölkerung Oslos verlassen, sagte Sperre, ließ seinen jugendlichen Pony im Wind flattern und schaute mit festem stahlgrauen Blick in die Kameralinse des Fotografen. Natürlich hatte er die wirklichen Beweggründe verschwiegen. Diese Diebstähle hatten nämlich nur deshalb Priorität bekommen, weil die vermögenden Bewohner dieser Villenviertel ihren Einfluss geltend gemacht hatten. Ich muss zugeben, dass ich zusammenzuckte, als Diana mir Anfang des Herbstes berichtete, dieser hübsche Polizist sei bei ihr gewesen. Er hatte von ihr wissen wollen, ob jemand sie über ihre Kunden ausgefragt und sich erkundigt habe, wer welche Bilder gekauft habe. Die Kunsträuber schienen nämlich genau Bescheid zu wissen, wo welche Bilder hingen. Als Diana mich fragte, warum ich ein so besorgtes Gesicht machte, antwortete ich, die Vorstellung, dass ein Rivale näher als zwei Meter an sie herangekommen sei, gefiele mir gar nicht. Zu meiner Überraschung war Diana rot geworden, bevor sie anfing zu lachen.
Ich ging schnell zurück zur Haustür, nahm vorsichtig Badekappe und Handschuhe ab und wischte auf beiden Seiten die Klinke ab, bevor ich die Tür zuzog. Die Straße war noch immer morgendlich verwaist und glänzte unverändert bunt in der Herbstsonne.
Auf dem Weg zum Auto sah ich auf die Uhr. 1 2.14 Uhr. Das war ein neuer Rekord. Mein Puls war hoch, aber ich hatte die Lage unter Kontrolle. In sechsundvierzig Minuten würde Ove den Alarm in der Zentrale wieder einschalten. Vermutlich erhob Lander sich zur gleichen Zeit in einem unserer Besprechungszimmer, gab dem Vorstandsvorsitzenden die Hand und verließ mit einem letzten Bedauern unsere Räumlichkeiten und damit auch meinen Kontrollbereich. Aber er blieb ja im Stall meiner Kandidaten. Ferdinand würde – wie ich ihn instruiert hatte – den Kunden erklären, wie bedauerlich es sei, dass dieser Kandidat nicht zur Verfügung stehe, und dass sie, wollten sie Persönlichkeiten wie Lander für sich gewinnen, eventuell darüber nachdenken müssten, ihr Lohnangebot um 20 Prozent aufzustocken. Ein Drittel von mehr war bekanntlich mehr.
Aber das war nur der Anfang. In zwei Stunden und sechsundvierzig Minuten wollte ich auf Großwildjagd gehen. Auf Grevejagd. Ich war unterbezahlt, na und? Scheiß doch auf Stockholm und scheiß auf Brede Sperre, hier war ich der König.
Ich pfiff, und das Laub raschelte unter meinen Schuhsohlen.
© Ullstein TB (Verlag)
Ich stieg die Stufen zur Haustür hoch und lauschte dem Vogelgezwitscher und dem entfernten Hundegebell. Bei unserem Gespräch hatte Lander behauptet, keine Haushaltshilfe zu haben, keine Frau, die das Haus hütete, keine erwachsenen Kinder, die daheim wohnten, und auch keinen Hund. Aber 100 Prozent sicher konnte man sich nie sein. Ich ging immer von 99,5 Prozent Sicherheit aus und davon, dass das verbleibende halbe Prozent vom Adrenalinschub ausgeglichen wurde: Ich sah, hörte und roch besser.
Ich holte den Schlüssel hervor, den Ove mir im Sushi & Coffee gegeben hatte. Alle Tripolis-Kunden mussten einen Reserveschlüssel hinterlegen, sollte es in ihrer Abwesenheit einen Einbruch, eine Störung oder ein Feuer geben. Er glitt ins Schloss und ließ sich mit einem geschmeidigen Geräusch drehen.
Ich war im Haus. Die diskret an der Wand montierte Alarmanlage schlief mit geschlossenen Plastikaugen. Ich zog Handschuhe an und klebte sie an den Ärmeln des Overalls fest, damit keine losen Körperhaare auf den Boden fallen konnten. Dann zog ich die Badekappe, die ich unter der Mütze trug, über die Ohren nach unten. Ich durfte keine DNA-Spuren hinterlassen. Ove hatte mich einmal gefragt, warum ich mir nicht gleich den Schädel rasierte.
Ich hatte ihm gar nicht erst zu erklären versucht, wie wichtig mir meine Haare waren. Von ihnen würde ich mich fast genauso ungern trennen wie von Diana.
Obwohl ich reichlich Zeit hatte, beeilte ich mich. Über der Treppe, die nach oben ins Wohnzimmer führte, hingen Porträts von Landers Kindern. Ich verstehe nicht, was erwachsene Menschen dazu treibt, irgendwelchen sich selbst prostituierenden Künstlern Geld für diese peinlichen, überemotionalen Abbilder ihrer Lieblinge zu zahlen. Haben sie wirklich Freude daran, ihren Gästen die Schamesröte auf die Wangen zu treiben? Das Wohnzimmer war teuer, aber langweilig eingerichtet. Abgesehen von dem signalroten Pesce-Sessel, der wie eine mollige, breitbeinig hockende Frau aussah, die gerade ein Kind geboren hatte, nämlich den Ball, der vor dem Sessel lag und auf dem man wunderbar die Füße hochlegen konnte. Sicher nicht Jeremias Landers Idee.
Über dem Sessel hing das Bild. »Eva Mudocci«, die britische Violinistin, die Munch Anfang des letzten Jahrhunderts kennengelernt hatte und deren Porträt er direkt auf eine Steinplatte gezeichnet hatte. Ich hatte schon andere Exemplare des Drucks gesehen, aber erst jetzt, hier, in diesem Licht, fiel mir auf, an wen Eva Mudocci mich erinnerte. Sie sah aus wie Lotte. Lotte Madsen. Ihr Gesicht hatte die gleiche Blässe, und ihr Blick strahlte eben jene Melancholie aus, die ich so nachdrücklich aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte.
Ich nahm das Bild von der Wand und legte es mit der Rückseite nach oben auf den Tisch. Zum Auftrennen nutzte ich das Teppichmesser. Die auf beiges Papier gedruckte Lithografie hing in einem neuen Rahmen, so dass ich keine Stifte oder alte nelkenförmige Nägel entfernen musste. Kurz gesagt, ein einfacher Job.
Ohne jede Vorwarnung wurde die Stille von einem heulenden Alarm zerrissen. Ein durchdringendes Pulsieren, dessen Frequenz von weniger als 1000 bis auf 8000 Hertz schwang, ein Laut, der so effektiv durch die Luft und alle anderen Geräusche schnitt, dass man ihn noch mehrere Hundert Meter entfernt hörte. Ich erstarrte. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann verstummte der Alarm draußen auf der Straße wieder. Sicher nur ein unvorsichtiger Wagenbesitzer.
Ich fuhr mit meiner Arbeit fort. Öffnete die Mappe, legte die Lithografie hinein und nahm das Blatt mit dem Ausdruck von Fräulein Mudocci heraus. Vier Minuten später hing es wieder gerahmt an der Wand. Ich legte den Kopf zur Seite und betrachtete das Bild. Es konnte Wochen dauern, bis die Opfer etwas bemerkten. Sogar bei den seltsamsten Fälschungen. Im Frühling hatte ich das Ölgemälde »Horse with little rider« von Knut Rose durch ein aus einem Kunstbuch gescanntes und anschließend vergrößertes Bild ersetzt. Erst vier Wochen später wurde dieses Gemälde gestohlen gemeldet.
Fräulein Mudocci würde vermutlich wegen des Weißtons des Papiers entlarvt werden, aber auch das konnte so lange dauern, dass der Diebstahl zeitlich nicht mehr eingeordnet werden konnte. Außerdem würde das Haus bis dahin so oft geputzt werden, dass keine DNA-Spuren mehr zu finden sein würden. Denn nach DNA suchten sie immer. Im letzten Jahr, als Kjikerud und ich vier Einbrüche in weniger als vier Monaten unternommen hatten, hatte sich der mediengeile, blonde Musterbulle Brede Sperre in der Zeitung Aftenposten zu Wort gemeldet und lauthals verkündet, es handele sich um eine Bande professioneller Kunstdiebe. Obwohl es nicht um wirklich große Werte gehe, wolle das Raubdezernat allen Anfängen wehren und auf Ermittlungsmethoden zurückgreifen, die sonst Mord- oder wichtigen Drogenfällen vorbehalten waren. Darauf könne sich die ganze Bevölkerung Oslos verlassen, sagte Sperre, ließ seinen jugendlichen Pony im Wind flattern und schaute mit festem stahlgrauen Blick in die Kameralinse des Fotografen. Natürlich hatte er die wirklichen Beweggründe verschwiegen. Diese Diebstähle hatten nämlich nur deshalb Priorität bekommen, weil die vermögenden Bewohner dieser Villenviertel ihren Einfluss geltend gemacht hatten. Ich muss zugeben, dass ich zusammenzuckte, als Diana mir Anfang des Herbstes berichtete, dieser hübsche Polizist sei bei ihr gewesen. Er hatte von ihr wissen wollen, ob jemand sie über ihre Kunden ausgefragt und sich erkundigt habe, wer welche Bilder gekauft habe. Die Kunsträuber schienen nämlich genau Bescheid zu wissen, wo welche Bilder hingen. Als Diana mich fragte, warum ich ein so besorgtes Gesicht machte, antwortete ich, die Vorstellung, dass ein Rivale näher als zwei Meter an sie herangekommen sei, gefiele mir gar nicht. Zu meiner Überraschung war Diana rot geworden, bevor sie anfing zu lachen.
Ich ging schnell zurück zur Haustür, nahm vorsichtig Badekappe und Handschuhe ab und wischte auf beiden Seiten die Klinke ab, bevor ich die Tür zuzog. Die Straße war noch immer morgendlich verwaist und glänzte unverändert bunt in der Herbstsonne.
Auf dem Weg zum Auto sah ich auf die Uhr. 1 2.14 Uhr. Das war ein neuer Rekord. Mein Puls war hoch, aber ich hatte die Lage unter Kontrolle. In sechsundvierzig Minuten würde Ove den Alarm in der Zentrale wieder einschalten. Vermutlich erhob Lander sich zur gleichen Zeit in einem unserer Besprechungszimmer, gab dem Vorstandsvorsitzenden die Hand und verließ mit einem letzten Bedauern unsere Räumlichkeiten und damit auch meinen Kontrollbereich. Aber er blieb ja im Stall meiner Kandidaten. Ferdinand würde – wie ich ihn instruiert hatte – den Kunden erklären, wie bedauerlich es sei, dass dieser Kandidat nicht zur Verfügung stehe, und dass sie, wollten sie Persönlichkeiten wie Lander für sich gewinnen, eventuell darüber nachdenken müssten, ihr Lohnangebot um 20 Prozent aufzustocken. Ein Drittel von mehr war bekanntlich mehr.
Aber das war nur der Anfang. In zwei Stunden und sechsundvierzig Minuten wollte ich auf Großwildjagd gehen. Auf Grevejagd. Ich war unterbezahlt, na und? Scheiß doch auf Stockholm und scheiß auf Brede Sperre, hier war ich der König.
Ich pfiff, und das Laub raschelte unter meinen Schuhsohlen.
© Ullstein TB (Verlag)
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Autoren-Porträt von Jo Nesbø
Jo Nesbø, geb. 1960, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er ist der erfolgreichste Autor Norwegens, in 17 Ländern mit seinen Büchern vertreten, darunter die USA und England.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jo Nesbø
- 2010, 256 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Frauenlob, Günther
- Übersetzer: Günther Frauenlob
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548280455
- ISBN-13: 9783548280455
Rezension zu „Headhunter “
»Ein erstklassiger Thriller, eine Wahnsinnsgeschichte - die alles toppt.« Dagbladet »Headhunter ist so perfekt gebaut und geschmeidig erzählt, dass es sinnlos ist, sich dem Strudel widersetzen zu wollen.« Frankfurter Rundschau, Sylvia Staude, 24.07.10 »Schnelle, böse Geschichte um einen präpotenten Headhunter, der an seine Grenzen stößt.« KrimiWelt-Bestenliste, Juli 2010
Kommentare zu "Headhunter"
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