Home Run
Roman
Einer der weltweit erfolgreichsten Krimi-Autoren führt uns in die schillernde Welt des US-Profi-Sports Baseball.
Joe Castle gilt als Jahrhundert-Talent des Baseball-Sports. Schon in seiner ersten Saison für Chicago...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Home Run “
Einer der weltweit erfolgreichsten Krimi-Autoren führt uns in die schillernde Welt des US-Profi-Sports Baseball.
Joe Castle gilt als Jahrhundert-Talent des Baseball-Sports. Schon in seiner ersten Saison für Chicago schlägt er einen Home Run nach dem anderen. Das ruft Neider auf den Plan. Auch Warren Tracey, Werfer bei den New York Mets, will Joe stoppen. Mit allen Mitteln.
Klappentext zu „Home Run “
Die Sekunde, die dein Leben verändertJoe Castle ist ein Ausnahmetalent. Bereits in seinen ersten Spielen für die Chicago Cubs schlägt er einen Home Run nach dem anderen. Die Fans sind begeistert, und es dauert nicht lange, bis das ganze Land den jungen Spieler frenetisch feiert. Joes Weg an die Spitze scheint vorgezeichnet zu sein, bis er eines Tages auf dem Spielfeld Warren Tracey gegenübersteht, einem mittelmäßigen Werfer der New Yorker Mets, der Joes Erfolg nicht ertragen kann.
Es beginnt ganz unspektakulär mit einer Zerrung im Oberschenkel. Der First Baseman der Chicago Cubs stürzt, und die Mannschaft braucht plötzlich einen freien Spieler, der die Position übernehmen kann. Damit kommt Joe Castle ins Spiel, ein einundzwanzigjähriger College-Spieler, der eine vielversprechende Saison hinter sich hat. Es dauert nicht lange, bis Castle seinen ersten Rekord für die Cubs aufstellt: drei Home Runs in einem Spiel. Noch glaubt jeder an Anfängerglück, doch Castle beweist brillant das Gegenteil. Er erzielt einen Home Run nach dem anderen und wird bald im ganzen Land als Jahrhunderttalent umjubelt. Bis er während eines Spiels gegen die New Yorker Mets auf Warren Tracey triff t, der einen Ball wirft, der Joe Castles Leben für immer verändern wird. Dreißig Jahre später macht sich Traceys Sohn auf den Weg, um Joe Castle um Vergebung für seinen Vater zu bitten. Eine schicksalhafte Reise, deren Ausgang ungewiss ist.
Lese-Probe zu „Home Run “
Home Run von John Grisham Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter
Der Tumor in der Bauchspeicheldrüse meines Vaters wurde letzte Woche entfernt, in einer Operation, die fünf Stunden dauerte und schwieriger war, als die Ärzte erwartet hatten. Anschließend eröffneten sie ihm, dass die meisten Menschen in seinem Zustand nicht länger als neunzig Tage überlebten. Da ich weder von der Operation noch von dem Tumor etwas gewusst hatte, war ich nicht bei ihm, als er sein Todesurteil erhielt. Kommunikation ist für meinen Vater Nebensache. Vor zehn Jahren ließ er sich von seiner damaligen frau scheiden und war bereits mit der nächsten zusammen, bevor ich etwas davon erfuhr.
Irgendwann rief seine jetzige Ehefrau - sie ist Nummer fünf oder Nummer sechs - bei mir an, erinnerte mich daran, wer sie war, und teilte mir die nötigsten Details über den Tumor und die damit verbundenen Umstände mit. Agnes erklärte, mein Vater fühle sich nicht wohl und wolle nicht reden. Ich erwiderte, er habe nie reden wollen, egal, ob es ihm gut oder schlecht gegangen sei. sie bat mich, dem Rest der Familie Bescheid zu geben. fast hätte ich »Warum? « gefragt, doch ich wollte mich mit der armen frau nicht streiten.
Der »Rest der Familie« besteht aus meiner jüngeren Schwester Jill und meiner Mutter. Jill lebt in Seattle, und soweit ich weiß, hat sie seit zehn Jahren nicht mehr mit unserem Vater gesprochen. sie hat zwei kleine Kinder, die ihn nicht kennen und auch nie kennenlernen werden. Meine Mutter hat zwölf Jahre Ehe mit ihm überstanden und sich dann zum Glück scheiden lassen. Jill und mich hat sie damals mitgenommen. Ich habe so eine Ahnung, dass ihr die Nachricht von seinem bevorstehenden Tod schlichtweg egal sein wird.
... mehr
Es versteht sich von selbst, dass wir Weihnachten nicht zusammen verbringen und auch keine Geschenke unterm Baum austauschen.
Nach dem Anruf von Agnes sitze ich an meinem Schreibtisch und denke darüber nach, wie das Leben ohne Warren, meinen Vater, sein wird. »Warren« nenne ich ihn seit dem College, weil er immer eher eine Person, ein fremder, war als mein Vater. Er hat nicht protestiert. Ihm ist es immer egal gewesen, wie ich ihn anrede, und ich bin stets davon ausgegangen, dass es ihm am liebsten ist, wenn ich überhaupt nicht mit ihm rede. Gelegentlich versuchte ich es trotzdem; er nicht.
Nach ein paar Minuten gestehe ich es mir ein. Das Leben ohne Warren wird genauso sein wie das Leben mit ihm.
Ich rufe Jill an und berichte ihr von den Neuigkeiten. Ihre erste Frage ist, ob ich vorhätte, zur Beerdigung zu gehen, was ich für etwas verfrüht halte. Sie will wissen, ob sie versuchen soll, ihn zu besuchen, um Hallo zu sagen und sich von ihm zu verabschieden und so zu tun, als würde ihr etwas an ihm liegen, obwohl dem nicht so ist. Mir liegt auch nichts an ihm, und schließlich geben wir es beide zu. Wir haben nichts für Warren übrig, weil wir ihm immer egal waren. Er verließ die Familie, als wir Kinder waren, und hat die letzten dreißig Jahre damit verbracht, so zu tun, als gäbe es uns nicht. Jill und ich haben beide selbst Kinder, und für uns ist es unvorstellbar, dass ein Vater nichts mit seinen eigenen Sprösslingen anfangen kann.
»Ich werde ihn nicht besuchen«, verkündet sie schließlich. »Jetzt nicht und später auch nicht. Was ist mit dir?«
»Ich weiß es nicht«, erwidere ich. »Ich muss darüber nachdenken.«
In Wirklichkeit ist mir schon klar, dass ich ihn besuchen werde. Er hat zwar fast alle Brücken hinter sich abgebrochen, doch es gibt eine wichtige, unerledigte Sache, mit der er sich vor seinem Tod noch beschäftigen muss.
Meine Mutter lebt mit ihrem zweiten Mann in Tulsa. In der Highschool war Warren die absolute Sportskanone und sie die Homecoming Queen, das beliebteste Mädchen der Schule. Als die beiden heirateten, jubelte die ganze Stadt mit ihnen, doch nach ein paar Jahren mit Warren war es vorbei mit dem Jubel. Ich weiß, dass sie seit Jahrzehnten nicht mehr miteinander gesprochen haben. Warum auch?
»Mom, ich habe schlechte Nachrichten«, sage ich ins Telefon, während ich versuche, angemessen verhalten zu klingen.
»Was gibt es?«, fragt sie schnell. Vermutlich hat sie Angst, dass einem ihrer Enkelkinder etwas passiert ist.
»Warren ist krank. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er hat keine drei Monate mehr zu leben.«
Eine Pause, Erleichterung, und dann: »Ich dachte, er wäre schon tot.«
Da haben wir's. Bei Warrens Beerdigung werden sich die trauernden Familienangehörigen nicht auf die Füße treten.
»Tut mir leid«, sagt sie, obwohl das nicht stimmt. »Du wirst dich wohl allein darum kümmern müssen.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
»Paul, ich möchte nicht damit behelligt werden. Ruf mich an, wenn es vorbei ist. Nein, lass es. Es ist mir egal, was mit Warren geschieht.«
»Verstehe, Mom.«
Ich weiß, dass er sie ein paarmal geschlagen hat, vermutlich viel öfter, als mir bewusst gewesen war. Außerdem trank er, war hinter anderen Frauen her und führte das ausschweifende Leben eines Profibaseballspielers. Er war arrogant und eingebildet und ab dem Alter von fünfzehn daran gewöhnt, alles zu bekommen, was er wollte, denn er, Warren Tracey, konnte mit einem Baseball eine Mauer durchbrechen.
Es gelingt uns, das Gespräch auf die Kinder zu bringen und darauf, wann meine Mutter sie das nächste Mal besuchen kommt. Da sie nicht nur schön, sondern auch intelligent war, fiel sie nach Warren auf die Füße. sie heiratete einen etwas älteren Mann, der als leitender Angestellter bei einer Ölbohrfirma arbeitete und Jill und mir ein schönes Zuhause bieten konnte. Er liebt Mom, und das ist alles, was zählt.
Ich bezweifle, dass Warren sie je geliebt hat.
Im Sommer 1973 erwachte das Land langsam aus dem Trauma des Vietnamkriegs. Vizepräsident Spiro Agnew steckte in Schwierigkeiten, was ihn später das Amt kosten sollte. Die Watergate-Affäre kochte hoch, doch das war erst der Anfang. Ich war elf Jahre alt und wusste so ungefähr, was in der realen Welt da draußen vor sich ging, ließ mich aber nicht im Mindesten davon beeinflussen. Meine Welt war Baseball, und sonst war eigentlich nichts wichtig. Mein Vater war Pitcher bei den New York Mets, und ich fieberte bei jedem Spiel mit. Ich spielte ebenfalls als Pitcher, für die Scrappers in der Little League von White Plains, und bei einem Vater wie meinem erwartete man Großes von mir. Diese Erwartungen erfüllte ich nur selten, doch es gab Momente, die durchaus vielversprechend waren.
Anfang Juli war aus dem Kampf um die Meisterschaft in der National League East ein langweiliger Wettstreit geworden. Alle sechs Mannschaften - New York Mets, Pittsburgh Pirates, St. Louis Cardinals, Philadelphia Phillies, Chicago Cubs und Montreal Expos - hatten eine Winning Percentage um die .500, und bislang gab es wenig Anzeichen für den Durchmarsch eines Teams. In der Western Division setzten sich die Cincinnati Reds und die Los Angeles Dodgers von den anderen Teams ab. In der American League sah alles danach aus, als würden die Oakland Athletics - mit ihrem großspurigen Auftreten, den bunten Trikots und den langen Haaren - wie im Vorjahr die Meisterschaft erreichen können.
Meine Freunde und ich verfolgten gewissenhaft jedes Spiel. Wir kannten jeden Spieler und alle Statistiken. Wir sahen uns sämtliche Box Scores in den Zeitungen an und spielten die Partien in White Plains nach, wo gerade Platz war. Das Leben bei mir zu Hause war nicht immer schön, und auf dem Baseballplatz konnte ich ihm entkommen. Baseball war mein bester Freund, und Mitte Juli 1973 sollte es so spannend werden wie noch nie zuvor.
Es begann ganz unspektakulär, mit einer Zerrung im Oberschenkel. Der First Baseman des AAA-Affiliate der Cubs in Wichita stürzte, als er bei einem Home Run an der dritten Base vorbeikam. Am nächsten Tag verletzte sich Jim Hickman, der First Baseman der Cubs, am Rücken. Die Mannschaft brauchte plötzlich jemanden, der auf der Position des First Baseman spielen konnte, daher wandte sich das Management an das AA-Team der Cubs in Midland, Texas, und holte sich einen Einundzwanzigjährigen namens Joe Castle. Zu der Zeit konnte Castle einen Trefferdurch- schnitt von .395 vorweisen, mit zwanzig Home Runs, fünfzig Runs Batted In, vierzig gestohlenen Bases und nur einem Error an der ersten Base. Er war der vielversprechendste AA-spieler und bereits für einen Wechsel im Gespräch.
Angeblich schlief Castle gerade in dem billigen Apartment, das er sich mit vier Spielern anderer Minor-League-Mannschaften teilte, als der Anruf aus Chicago kam. Ein Assistenz-coach fuhr ihn zum Flugplatz von Midland, wo Castle gerade noch einen Flug nach Houston erwischte. Dort wartete er zwei Stunden auf den Anschluss nach Philadelphia. Währenddessen rief er seine Familie in Arkansas an und teilte ihr die aufregenden Neuigkeiten mit. Als er in Philadelphia ankam, brachte ihn ein Taxi ins Veterans Stadium, wo man ihm seine Spielerkleidung in die Hand drückte, die Nummer 42 verpasste und aufs Feld schickte. Die Cubs waren bereits beim Schlagtraining. Castle war natürlich nervös und aufgeregt, sogar etwas verwirrt. Als Whitey Lockman, der Manager, sagte: »Ganz locker. Du spielst an der ersten Base und schlägst als siebter«, hatte Castle Mühe, seinen brandneuen Schläger festzuhalten. Bei seinem ersten Schlagtraining in der Major League ging er die ersten beiden Pitches an und verfehlte sie.
Das sollte ihm jedoch dann lange Zeit nicht mehr passieren.
Vor dem Spiel beriet sich Joe mit Don Kessinger, dem erfahrenen Shortstop der Cubs, und einem anderen Spieler, der ebenfalls aus Arkansas stammte. Kessinger war an der University of Mississippi ein All-American1 in Baseball und Basketball gewesen und schaffte es, den Rookie zu beruhigen. Sein einziger Ratschlag war: »Geh raus und triff den Ball.« Der Center fiel der der Cubs war Rick Monday, auch er ein erfahrener Spieler, der in Batesville, Arkansas, geboren worden war, nicht weit von Joes Heimatstadt entfernt, nur ein Stück den White River hinunter. Mithilfe von Kessinger und Monday gelang es Joe, einen heftigen Anfall von Lampenfieber zu überstehen.
Es war Donnerstag, der 12. Juli, ein denkwürdiger Tag für den Baseball.
Der Pitcher der Phillies, Benny Humphries, war Linkshänder mit einer Präferenz für Fastballs, der genauso viele Walks abgab wie er strikeouts warf. Als Joe im zweiten Inning zur Home Plate ging, biss er die Zähne zusammen und schwor sich, beim ersten Pitch zu schwingen, egal, wie der Ball kam. Humphries wollte dem Neuen zeigen, woher in der Major League der Wind wehte, und warf so hart und schnell, wie er nur konnte.
Copyright © 2013 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Es versteht sich von selbst, dass wir Weihnachten nicht zusammen verbringen und auch keine Geschenke unterm Baum austauschen.
Nach dem Anruf von Agnes sitze ich an meinem Schreibtisch und denke darüber nach, wie das Leben ohne Warren, meinen Vater, sein wird. »Warren« nenne ich ihn seit dem College, weil er immer eher eine Person, ein fremder, war als mein Vater. Er hat nicht protestiert. Ihm ist es immer egal gewesen, wie ich ihn anrede, und ich bin stets davon ausgegangen, dass es ihm am liebsten ist, wenn ich überhaupt nicht mit ihm rede. Gelegentlich versuchte ich es trotzdem; er nicht.
Nach ein paar Minuten gestehe ich es mir ein. Das Leben ohne Warren wird genauso sein wie das Leben mit ihm.
Ich rufe Jill an und berichte ihr von den Neuigkeiten. Ihre erste Frage ist, ob ich vorhätte, zur Beerdigung zu gehen, was ich für etwas verfrüht halte. Sie will wissen, ob sie versuchen soll, ihn zu besuchen, um Hallo zu sagen und sich von ihm zu verabschieden und so zu tun, als würde ihr etwas an ihm liegen, obwohl dem nicht so ist. Mir liegt auch nichts an ihm, und schließlich geben wir es beide zu. Wir haben nichts für Warren übrig, weil wir ihm immer egal waren. Er verließ die Familie, als wir Kinder waren, und hat die letzten dreißig Jahre damit verbracht, so zu tun, als gäbe es uns nicht. Jill und ich haben beide selbst Kinder, und für uns ist es unvorstellbar, dass ein Vater nichts mit seinen eigenen Sprösslingen anfangen kann.
»Ich werde ihn nicht besuchen«, verkündet sie schließlich. »Jetzt nicht und später auch nicht. Was ist mit dir?«
»Ich weiß es nicht«, erwidere ich. »Ich muss darüber nachdenken.«
In Wirklichkeit ist mir schon klar, dass ich ihn besuchen werde. Er hat zwar fast alle Brücken hinter sich abgebrochen, doch es gibt eine wichtige, unerledigte Sache, mit der er sich vor seinem Tod noch beschäftigen muss.
Meine Mutter lebt mit ihrem zweiten Mann in Tulsa. In der Highschool war Warren die absolute Sportskanone und sie die Homecoming Queen, das beliebteste Mädchen der Schule. Als die beiden heirateten, jubelte die ganze Stadt mit ihnen, doch nach ein paar Jahren mit Warren war es vorbei mit dem Jubel. Ich weiß, dass sie seit Jahrzehnten nicht mehr miteinander gesprochen haben. Warum auch?
»Mom, ich habe schlechte Nachrichten«, sage ich ins Telefon, während ich versuche, angemessen verhalten zu klingen.
»Was gibt es?«, fragt sie schnell. Vermutlich hat sie Angst, dass einem ihrer Enkelkinder etwas passiert ist.
»Warren ist krank. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er hat keine drei Monate mehr zu leben.«
Eine Pause, Erleichterung, und dann: »Ich dachte, er wäre schon tot.«
Da haben wir's. Bei Warrens Beerdigung werden sich die trauernden Familienangehörigen nicht auf die Füße treten.
»Tut mir leid«, sagt sie, obwohl das nicht stimmt. »Du wirst dich wohl allein darum kümmern müssen.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
»Paul, ich möchte nicht damit behelligt werden. Ruf mich an, wenn es vorbei ist. Nein, lass es. Es ist mir egal, was mit Warren geschieht.«
»Verstehe, Mom.«
Ich weiß, dass er sie ein paarmal geschlagen hat, vermutlich viel öfter, als mir bewusst gewesen war. Außerdem trank er, war hinter anderen Frauen her und führte das ausschweifende Leben eines Profibaseballspielers. Er war arrogant und eingebildet und ab dem Alter von fünfzehn daran gewöhnt, alles zu bekommen, was er wollte, denn er, Warren Tracey, konnte mit einem Baseball eine Mauer durchbrechen.
Es gelingt uns, das Gespräch auf die Kinder zu bringen und darauf, wann meine Mutter sie das nächste Mal besuchen kommt. Da sie nicht nur schön, sondern auch intelligent war, fiel sie nach Warren auf die Füße. sie heiratete einen etwas älteren Mann, der als leitender Angestellter bei einer Ölbohrfirma arbeitete und Jill und mir ein schönes Zuhause bieten konnte. Er liebt Mom, und das ist alles, was zählt.
Ich bezweifle, dass Warren sie je geliebt hat.
Im Sommer 1973 erwachte das Land langsam aus dem Trauma des Vietnamkriegs. Vizepräsident Spiro Agnew steckte in Schwierigkeiten, was ihn später das Amt kosten sollte. Die Watergate-Affäre kochte hoch, doch das war erst der Anfang. Ich war elf Jahre alt und wusste so ungefähr, was in der realen Welt da draußen vor sich ging, ließ mich aber nicht im Mindesten davon beeinflussen. Meine Welt war Baseball, und sonst war eigentlich nichts wichtig. Mein Vater war Pitcher bei den New York Mets, und ich fieberte bei jedem Spiel mit. Ich spielte ebenfalls als Pitcher, für die Scrappers in der Little League von White Plains, und bei einem Vater wie meinem erwartete man Großes von mir. Diese Erwartungen erfüllte ich nur selten, doch es gab Momente, die durchaus vielversprechend waren.
Anfang Juli war aus dem Kampf um die Meisterschaft in der National League East ein langweiliger Wettstreit geworden. Alle sechs Mannschaften - New York Mets, Pittsburgh Pirates, St. Louis Cardinals, Philadelphia Phillies, Chicago Cubs und Montreal Expos - hatten eine Winning Percentage um die .500, und bislang gab es wenig Anzeichen für den Durchmarsch eines Teams. In der Western Division setzten sich die Cincinnati Reds und die Los Angeles Dodgers von den anderen Teams ab. In der American League sah alles danach aus, als würden die Oakland Athletics - mit ihrem großspurigen Auftreten, den bunten Trikots und den langen Haaren - wie im Vorjahr die Meisterschaft erreichen können.
Meine Freunde und ich verfolgten gewissenhaft jedes Spiel. Wir kannten jeden Spieler und alle Statistiken. Wir sahen uns sämtliche Box Scores in den Zeitungen an und spielten die Partien in White Plains nach, wo gerade Platz war. Das Leben bei mir zu Hause war nicht immer schön, und auf dem Baseballplatz konnte ich ihm entkommen. Baseball war mein bester Freund, und Mitte Juli 1973 sollte es so spannend werden wie noch nie zuvor.
Es begann ganz unspektakulär, mit einer Zerrung im Oberschenkel. Der First Baseman des AAA-Affiliate der Cubs in Wichita stürzte, als er bei einem Home Run an der dritten Base vorbeikam. Am nächsten Tag verletzte sich Jim Hickman, der First Baseman der Cubs, am Rücken. Die Mannschaft brauchte plötzlich jemanden, der auf der Position des First Baseman spielen konnte, daher wandte sich das Management an das AA-Team der Cubs in Midland, Texas, und holte sich einen Einundzwanzigjährigen namens Joe Castle. Zu der Zeit konnte Castle einen Trefferdurch- schnitt von .395 vorweisen, mit zwanzig Home Runs, fünfzig Runs Batted In, vierzig gestohlenen Bases und nur einem Error an der ersten Base. Er war der vielversprechendste AA-spieler und bereits für einen Wechsel im Gespräch.
Angeblich schlief Castle gerade in dem billigen Apartment, das er sich mit vier Spielern anderer Minor-League-Mannschaften teilte, als der Anruf aus Chicago kam. Ein Assistenz-coach fuhr ihn zum Flugplatz von Midland, wo Castle gerade noch einen Flug nach Houston erwischte. Dort wartete er zwei Stunden auf den Anschluss nach Philadelphia. Währenddessen rief er seine Familie in Arkansas an und teilte ihr die aufregenden Neuigkeiten mit. Als er in Philadelphia ankam, brachte ihn ein Taxi ins Veterans Stadium, wo man ihm seine Spielerkleidung in die Hand drückte, die Nummer 42 verpasste und aufs Feld schickte. Die Cubs waren bereits beim Schlagtraining. Castle war natürlich nervös und aufgeregt, sogar etwas verwirrt. Als Whitey Lockman, der Manager, sagte: »Ganz locker. Du spielst an der ersten Base und schlägst als siebter«, hatte Castle Mühe, seinen brandneuen Schläger festzuhalten. Bei seinem ersten Schlagtraining in der Major League ging er die ersten beiden Pitches an und verfehlte sie.
Das sollte ihm jedoch dann lange Zeit nicht mehr passieren.
Vor dem Spiel beriet sich Joe mit Don Kessinger, dem erfahrenen Shortstop der Cubs, und einem anderen Spieler, der ebenfalls aus Arkansas stammte. Kessinger war an der University of Mississippi ein All-American1 in Baseball und Basketball gewesen und schaffte es, den Rookie zu beruhigen. Sein einziger Ratschlag war: »Geh raus und triff den Ball.« Der Center fiel der der Cubs war Rick Monday, auch er ein erfahrener Spieler, der in Batesville, Arkansas, geboren worden war, nicht weit von Joes Heimatstadt entfernt, nur ein Stück den White River hinunter. Mithilfe von Kessinger und Monday gelang es Joe, einen heftigen Anfall von Lampenfieber zu überstehen.
Es war Donnerstag, der 12. Juli, ein denkwürdiger Tag für den Baseball.
Der Pitcher der Phillies, Benny Humphries, war Linkshänder mit einer Präferenz für Fastballs, der genauso viele Walks abgab wie er strikeouts warf. Als Joe im zweiten Inning zur Home Plate ging, biss er die Zähne zusammen und schwor sich, beim ersten Pitch zu schwingen, egal, wie der Ball kam. Humphries wollte dem Neuen zeigen, woher in der Major League der Wind wehte, und warf so hart und schnell, wie er nur konnte.
Copyright © 2013 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von John Grisham
John Grisham wurde am 8. Februar 1955 in Jonesboro, Arkansas, geboren, studierte in Mississippi und ließ sich 1981 als Anwalt nieder. Der aufsehenerregende Fall einer vergewaltigten Minderjährigen brachte ihm zum Schreiben. In Früh- und Nachtschichten wurde daraus sein erster Thriller, 'Die Jury', der in einem kleinen, unabhängigen Verlag erschien, der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Bibliographische Angaben
- Autor: John Grisham
- 2013, 272 Seiten, Maße: 13,3 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Reiter, Bea
- Übersetzer: Bea Reiter
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453268350
- ISBN-13: 9783453268357
Kommentare zu "Home Run"
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