Ich bin für Dich da
Die Kunst der Freundschaft
Woran entscheidet sich, ob ein Leben als glücklich bezeichnet werden kann oder nicht? Auch wenn man es vielleicht nicht für möglich hält, sind es weder ein Haus im Grünen, noch Geld oder beruflicher Erfolg, die uns tatsächlich...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich bin für Dich da “
Woran entscheidet sich, ob ein Leben als glücklich bezeichnet werden kann oder nicht? Auch wenn man es vielleicht nicht für möglich hält, sind es weder ein Haus im Grünen, noch Geld oder beruflicher Erfolg, die uns tatsächlich glücklich machen. Damir wir ein langes, zufriedenes und gesundes Leben führen können, brauchen wir etwas anderes: Freunde. Denn sie sind es, die uns stützen, wenn alles andere um uns herum nachgibt. Von ihnen können wir uns Verlässlichkeit, Vertrauen und emotionale Zusammengehörigkeit erwarten. Aber wer sind eigentlich unsere wahren Freunde? Wie können wir sie als solche erkennen? Und mindestens genauso wichtig: Schaffen auch wir es, ihnen selbst ein guter Freund bzw. eine gute Freundin zu sein?
Ein interessanter Ratgeber von Andreas Salcher über das wahre Glück im Leben.
Bestellen Sie „Ich bin für Dich da" noch heute online bei Weltbild.at und finden Sie mehr heraus über die Kunst der Freundschaft.
Klappentext zu „Ich bin für Dich da “
Es sind unsere wahren Freunde, die dafür sorgen, dass wir länger, gesünder und zufriedener leben. Sie geben uns Halt, wenn alles andere zerbricht. Doch woran erkennen wir sie? Und was sind wir selbst bereit für sie zu tun? Die Mühlen des Alltags rauben uns viel von der Zeit, die Freundschaft bräuchte, um zu gedeihen. Freunde sind wertvolle Geschenke, mit denen wir achtsam umgehen müssen, damit wir sie nicht wieder verlieren. Dieses Buch versteht sich als Einladung das Verhältnis zu unseren Freunden zu reflektieren und dabei mehr über uns selbst zu erfahren. Andreas Salcher formuliert klare, zum Teil provozierende Gebote für bereichernde Freundschaften. Er zeigt konkrete Wege, wie wir den Zauber in alten Freundschaften wieder entdecken und neue Freunde finden können. Denn die "Kunst der Freundschaft" ist schönsten Aufgaben im Leben. Sie beginnt damit, sich selbst ein guter Freund zu sein. "Das mit Abstand beste Buch, das seit Erich Fromm und Dale Carnegie zum Thema Freundschaft und Liebe geschrieben wurde!" Klaus Altepost, Verleger von Autoren wie Markus Lanz und Hannes Jaenicke
Lese-Probe zu „Ich bin für Dich da “
Andreas Sahler - Ich bin für dich daProlog: Meine Freunde
In dem Augenblick, wenn ein Mensch seine erste schwere Niederlage
erleidet, wird er ein anderer. Mit 26 Jahren konnte ich alle
Ziele abhaken, die ich mir gesetzt hatte. Ich war jüngster Landtagsabgeordneter
in Wien, Geschäftsführer einer Organisation mit
80 Mitarbeitern und glücklich verliebt. Vier Jahre später, mit 30,
war alles weg. Meine Partei hatte sich bei der Wahl halbiert, ich
verlor mein Mandat und damit fast zwei Drittel meines Einkommens.
Meine Liebesbeziehung zerbrach genau zu diesem Zeitpunkt.
Zwei attraktive Angebote aus der Privatwirtschaft zerschlugen
sich und damit die beruflichen Perspektiven für mein
Leben.
In den rasanten Jahren davor war ich ständig unter Menschen:
jüngeren, die durch mich Karriere machen wollten, und älteren,
die sich erhofften, ihre Position mit meiner Hilfe abzusichern.
Viele davon hätte ich damals als Freunde bezeichnet. Dem gegenüber
standen meine Konkurrenten, die mir offen oder verdeckt
nach dem politischen Leben trachteten oder mich einfach nicht
mochten. Damals konnte ich noch über den Witz »Wenn du in
der Politik einen Freund willst, dann kaufe dir einen Hund«
lachen.
An dem Tag, als ich meine Funktionen verlor, waren sie auf
einmal fast alle weg, die Freunde wie die Feinde. Mein Kalender
zeigte immer mehr »Null-Tage«. Das waren solche ohne einen
einzigen Termin und ohne Nachricht auf der Mailbox. Immerhin
hatte ich noch einen Job und arbeitete zusätzlich wieder als Wirtschaftstrainer.
Aber an den Abenden und den Wochenenden
tauchte auf einmal ein Gefühl auf, an das ich mich nur dunkel aus
meiner Zeit als Einzelkind vor dem Eintritt in die Schule erinnern
konnte: Einsamkeit. Ich hatte keine Freunde mehr.
Wenn fast der gesamte Freundeskreis aus dem engen beruflichen
Umfeld stammt, dann löst sich jener sofort auf, sobald
... mehr
dieses
Band durchschnitten wird. Hat man alle menschlichen Beziehungen
vor allem dem Kriterium der Nützlichkeit unterworfen,
ohne böse Absicht - einfach aus Gedankenlosigkeit -, so sollte
man sich nicht wundern, wie schnell man allein dasteht, sofern
man selbst niemandem mehr nützlich ist. Dann fällt man auf die
wenigen Menschen zurück, die verblieben sind. Das sind oft Menschen,
denen man vielleicht bis dahin nicht viel Aufmerksamkeit
und vor allem Zeit geschenkt hat. Hat man jedoch Glück, sind sie
auf einmal da.
Bei mir war es Florian. Wir kannten uns oberflächlich durch
gemeinsame Seminare, später schlug er den Weg des Journalisten
und ich jenen der Politik ein und wir verloren uns aus den Augen.
Eines Tages trafen wir uns zufällig auf der Straße, plauderten kurz
und er fragte mich, ob ich denn nicht am Abend Zeit für ein Treffen
mit seinen Freunden hätte. Noch wenige Wochen davor hätte
ich freundlich abgelehnt, erstens, weil ich verplant gewesen wäre,
und zweitens, weil ich überhaupt keine Notwendigkeit gesehen
hätte, mich mit wildfremden Menschen zu treffen. Da ich jetzt
wie fast immer keine Pläne hatte, sagte ich zu. Der Abend war
gemütlich, ich verstand mich mit der Gastgeberin, die mich ab
sofort regelmäßig einlud, und innerhalb kürzester Zeit erschloss
sich mir ein völlig neuer Kreis von Menschen, der sich schnell
ausweitete. Mit André fand ich in dieser Gruppe einen meiner
besten Freunde, mit dem mich bis heute ein im Jahr 1995 gemeinsam
überlebter Flugzeugabsturz verbindet. Seit damals machen
wir jedes Jahr eine »Überlebensreise«, um unseren zweiten Geburtstag
zu feiern. Das hat eine andere Qualität als ein gelegentlicher
Städtetrip. Die Frage am Beginn jedes Jahres lautet nicht:
»Machen wir heuer eine Reise?«, sondern nur: »Wohin fahren wir
dieses Jahr?« Unabhängig davon, ob einer von uns beiden gerade
verheiratet, in einer Beziehung oder Single war, fand unsere Reise
statt - im Jahr 2015 zum 20. Mal.
Die wichtigsten Lektionen im Leben lernt man immer dann,
wenn es einem nicht gut geht, wenn man eine Krise erlebt, wenn
etwas zerbricht. Das sagt sich ganz leicht und ich kann es ehrlich
gesagt nicht mehr hören. Der einzige Grund, warum ich es trotzdem
wage, das an dieser Stelle zu schreiben, ist, dass es leider
stimmt. Wir wollen es nur nicht wahrhaben, wenn wir selbst gerade
im Loch sind und nicht aufhören können, weiter zu graben.
Umso wichtiger sind die Wahrheiten, auf die wir dann stoßen. Bei
mir war es ein einfacher Glaubenssatz: Nie wieder würde ich berufliche
Freunde mit wahren Freunden verwechseln, nie wieder
würde ich es verabsäumen, tiefe Freundschaften zu pflegen, auch
wenn ich beruflich ausgelastet und privat glücklich war. Nie wieder
würde ich wahre Freunde verlieren, ohne es zu merken.
Vorsätze, die mit »nie wieder« beginnen, sind wie wunderschöne
Schuhe, in denen man nicht gehen kann. Es sei denn, das
»nie wieder« wird zum Teil des eigenen Wertesystems, das sich
wie in einem Flugzeug immer dann mit einem Alarmsignal meldet,
sobald man Gefahr läuft, vom Kurs abzukommen. Das kann
hilfreich sein, um die vielen Prüfungen im Alltag zu bestehen. Für
mich heißt das zum Beispiel, Freunde so schnell wie möglich zurückzurufen,
sie gelegentlich mit einem Geschenk ohne Anlass zu
überraschen, mich von mir aus zu melden, wenn ich lange nichts
gehört habe, ihre Bitten um Unterstützung selbst dann mit maximalem
Einsatz zu erfüllen zu versuchen, wenn ich gerade null
Zeit habe oder das zumindest glaube. Diese hohen Ansprüche
kann man nur für einen begrenzten Kreis von Menschen erfüllen,
für seinen Partner, seine engen Familienmitglieder und seine
wahren Freunde.
Wer sind meine Freunde? Den letzten Test habe ich vor fünf
Jahren an meinem 50. Geburtstag gemacht. Dort war ich gezwungen,
jene zwölf auszuwählen, die mit mir an einem Tisch sitzen
würden. So lautete die Vorgabe meines Freundes Ernst, der der
Gastgeber war. Ein zweiter Tisch würde zwei Kategorien von
Freunden schaffen.
Zwölf ist eine gute Zahl, um mehr über sich und seine Freunde
zu lernen. Um nicht missverstanden zu werden, natürlich hatte
ich keine zwölf engen Freunde. Aber mit diesem Trick, alle an einen
Tisch zu setzen, zwang Ernst mich, genau über alle Menschen
nachzudenken, die mir aus unterschiedlichen Gründen wichtig
waren. Die ersten zehn Namen flossen mir ohne langes Nachdenken
aus der Feder. Als ich merkte, dass ich mich dem Ende der
Liste näherte, eröffnete ich eine zweite Spalte. Auch diese wurde
immer länger, jeder war mir aus anderen Gründen lieb und wertvoll,
doch es blieben nur mehr zwei Namen für die zwölf Einzuladenden.
Nun von meinen Freunden zu den Ihren. Wen zählen Sie zu
Ihren Freunden? Wenn Sie sich auf dieses Gedankenspiel mit den
zwölf Freunden einlassen, dann werden auch Sie irgendwann
ins Stocken geraten. Die meisten Menschen haben zwei bis vier
engste Freunde oder glauben das zumindest. Doch darüber
hinaus gibt es meist einen weiteren Kreis. Dazu können alle Ihnen
wichtigen Menschen wie Ihr Partner und Familienmitglieder genauso
zählen wie solche, zu denen Sie eine intensivere Beziehung
wünschen würden. Versuchen Sie es einfach einmal mit zwölf,
dieser biblischen Zahl des Letzten Abendmahls. Sie werden
schnell merken, dass sich Fragen auftun:
Sollen Sie dem Freund, den Sie seit Ihrer Jugend kennen, aber
nur mehr selten sehen, den Vorzug vor jenem geben, der Ihnen in
kürzester Zeit sehr vertraut geworden ist, dessen Freundschaft
aber noch nie einer Belastungsprobe unterzogen wurde?
Sollen Sie es wagen, jemanden einzuladen, der aufgrund seiner
Bedeutung Ihre Runde adeln würde und die noch lose Beziehung
festigen könnte, oder überwiegt die Angst, sich eine verwunderte
Absage einzuholen?
Denken Sie darüber nach, mit Ihrer Auswahl einen Versuch
der Versöhnung mit einem Ihnen wichtigen, aber verlorenen
Freund zu wagen?
Welche Familienmitglieder zählen Sie wirklich zu Ihren Freunden
oder trennen Sie streng zwischen Freunden und Familie?
Lassen Sie sich bei der Auswahl von Ihrem Partner beeinflussen
oder wollen Sie diese Entscheidung allein treffen? Und umgekehrt,
wie antworten Sie einem Menschen, den Sie unbedingt dabei
haben wollen, der aber nur mit seinem Partner kommen will
oder kann?
Irgendwann wird die Liste mit den zwölf Namen fertig sein.
Wie und warum Sie sich gerade für diese entschieden haben, sagt
wohl mindestens so viel über Sie wie über die von Ihnen ausgewählten
Menschen aus.
Heute sind mehr als fünf Jahre vergangen seit dem einzigartigen
Fest zu meinem 50. Geburtstag. Einzigartig deshalb, weil es
nie wieder mit diesen Menschen wiederholbar ist. Mein Freund
Ernst, der Gastgeber, ist vor mehr als zwei Jahren an Krebs gestorben.
Müsste ich mich heute wieder auf zwölf Menschen beschränken,
bliebe der Kreis ziemlich unverändert. Zerbrochen ist keine
der Freundschaften, zwei sind lockerer, die meisten sogar enger
geworden. Von Günter habe ich gelernt, wie sehr ein Geschenk
eine Freundschaft vertiefen kann. Er hat mir eines der wertvollsten
Geschenke zu meinem 50. Geburtstag gemacht. Gemeinsam
mit seiner Frau Manuela überreichte er mir einen handschriftlichen
Kalender mit einer Überraschung für jeden Monat. Das
begann im Jänner täglich mit einer persönlichen Geschichte, einem
besonderen Zitat oder einem weisen Spruch als liebevoller Geste
der Aufmerksamkeit und fand im Dezember seinen Abschluss
mit vier CDs mit ihrer Lieblingsmusik aus allen Erdteilen, die sie
bereist hatten. Dazwischen gab es Karten für »Ariadne auf Naxos«
in der Wiener Staatsoper, eine Jahreskarte des Kunsthistorischen
Museums, einen privaten Abend mit einem von mir ausgewählten
Dichter oder Philosophen, die Erfüllung eines persönlichen Wunsches,
den Besuch des schrägsten Kellertheaters der Stadt. Jeder
Monat des Kalenders war mit viel Liebe und Aufwand gestaltet.
Günter und ich haben die regelmäßigen Gelegenheiten, uns zu
treffen, genossen und nach diesem Jahr beschlossen, einmal im
Monat einen Tag gemeinsam wandern zu gehen.
Natürlich sind seit meinem 50. Geburtstag neue Menschen in
mein Leben getreten. Diese Tatsache verlangt von mir die Entscheidung,
wem von ihnen ich einen wichtigen Platz einräumen
will. Ehrlicherweise müsste ich dafür die Kontaktzeit mit anderen
reduzieren. Gerade in menschlichen Beziehungen ist keine Entscheidung
auch eine Entscheidung - nicht immer die beste. Zusätzlich
zu meinen drei besten Freunden würde ich heute das Prädikat
»Freund« 23 Mal an einen erweiterten Kreis vergeben. Diese
Zahl mag Ihnen hoch erscheinen. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass ich ein Einzelkind bin, bisher nie verheiratet
war und keine Kinder habe, daher haben Freunde für mich einen
besonders hohen Stellenwert. Doch ich glaube, nicht nur für mich,
deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.
Freundschaft ist kein leerer Wahn. In Gegenwart von Freunden
erscheinen Probleme kleiner - und Berge buchstäblich flacher:
In Experimenten schätzen Menschen die Steigung eines Hügels
tatsächlich geringer ein, wenn ein Freund neben ihnen steht. Je
länger sie ihn kennen, desto stärker ist der Effekt. Oft reicht sogar
der Gedanke an ihn, damit der Berg schrumpft. »Wir verbuchen
unsere Freunde als potenzielle Unterstützung«, sagt Psychologieprofessor
Jaap Denissen von der Humboldt-Universität zu Berlin.
»Wer solche Ressourcen hat, stuft ein Problem als weniger bedrohlich
ein.«1 Der englische Philosoph Francis Bacon brauchte im Jahr
1625 keine Studien, sondern nur einen einzigen Satz, um die Macht
der Freundschaft auszudrücken: »Sie verdoppelt die Freude und
halbiert das Leid.« Gerade in Zeiten der Verunsicherung und Vereinzelung
zählt Freundschaft zu den unmittelbarsten Werten. Geht
es uns schlecht, schämen wir uns und wollen uns zurückziehen,
damit uns andere nicht in diesem Zustand sehen, sind es vertraute
Freunde, die uns davor bewahren, allein zu leiden. Freunde sind
Verbündete, die für uns da sind, wenn wir sie brauchen - im besten
Fall, ohne dass wir sie darum bitten müssen.
Freundschaft ist etwas zutiefst Intimes. Ich würde es nicht wagen,
hier die Liste meiner Freunde zu veröffentlichen, wissend,
dass einige enttäuscht darüber wären, sich nicht darin wiederzufinden,
und andere überrascht, wie wichtig sie mir sind. Folgende
Eigenschaften zeichnen jene Menschen aus, die ich zu meinem
Freundeskreis zähle:
Sie sind positive Menschen, die Energie geben und nicht
rauben, ich freue mich, sie zu treffen und genieße die Zeit mit
ihnen.
Wir vertrauen einander zu hundert Prozent. Sie geben mir
ehrliches, auch kritisches Feedback direkt ins Gesicht und reden
hinter meinem Rücken gut über mich.
Sie waren in schwierigen Situationen meines Lebens für
mich da.
Ganz wichtig ist, dass wir uns über die Erfolge des anderen
freuen können, ohne Neid zu empfinden.
Was verbindet mich mit meinen Freunden? Ich kenne fast alle
seit mindestens zehn Jahren, die meisten mehr als 20 Jahre.
Am längsten währt meine Freundschaft mit Thomas. Als damals
16-Jähriger gewann er an seiner Schule als Siegespreis für einen
Rednerwettbewerb ein Rhetorikseminar, dessen Trainer ich war.
Aus dieser ersten Begegnung entstand eine lose Freundschaft, die
fester wurde, als er mich Jahre später damit beauftragte, Präsentationstechnikseminare
für die Mitarbeiter einer großen Werbeagentur
in Osteuropa zu machen, deren Chef er war. Obwohl lange
Zeit mein wichtigster Kunde, hat er mich das nie merken lassen
und über meine Schwächen hinweggesehen, zumindest so lange
wie möglich. Ich entwickelte das ursprünglich sehr populäre Seminarkonzept
zwar ständig weiter, aber irgendwann begann sich
bei mir eine Unachtsamkeit gegenüber den Teilnehmern einzuschleichen,
die sich darüber beschwerten. Zartfühlend brachte
mir Thomas das bei. Ich nahm mir das Feedback zu Herzen, ließ
die Teilnehmer Theater spielen und Kontakt mit der ländlichen
Bevölkerung von Payerbach suchen. Aber die legendären Zeiten,
als Teilnehmer erzählten, das Seminar hätte ihr Leben verändert,
kamen nicht mehr wieder.
Unsere Freundschaft überstand Thomas' Ausscheiden aus der
Werbeagentur und aus einer ursprünglichen Nutzenfreundschaft
entwickelte sich eine wahre Freundschaft. Mit Thomas kann ich
stundenlang lachen, vor allem über Geschichten, die ich ihm
selbst vor zwei Wochen erzählt habe und die er dann mit großer
Begeisterung als eigene wiedergibt. Wenn man ihn darauf aufmerksam
macht, motiviert ihn das nur zusätzlich, dieselbe Geschichte
jahrelang immer wieder in großen Runden zu verbreiten.
Ich freue mich immer, Thomas zu treffen und wenn, dann bin nur
ich ihm manchmal auf die Nerven gegangen. Gute Freunde dürfen
das. Sollte ich jemals unschuldig im Ausland festgenommen
werden und dürfte nur ein Telefonat machen, so würde ich, ohne
zu zögern, Thomas anrufen. »Okay, ich kümmere mich darum«,
würde er antworten und alle Hebel in Bewegung setzen, um mich
herauszuholen. Das nenne ich Verlässlichkeit.
Die meisten meiner Freunde sind in fixen Beziehungen und
haben Kinder. Vier meiner Freunde sind noch immer mit derselben
Frau verheiratet, alle anderen sind geschieden oder wiederverheiratet.
In meinem kleinen persönlichen Kosmos halten
Freundschaften offenbar länger als Ehen.
Der Begriff Freundschaft ist mindestens so überladen wie Liebe.
Persönlich tendiere ich sowohl bei Freunden als auch in der Liebe
zur Idealisierung, erhoffe mir das, was mir fehlt, in Freunden und
in der Liebespartnerin zu finden. Das ist natürlich eine Illusion,
die einer genaueren Betrachtung nicht standhält. Die Illusionen,
die man sich über menschliche Beziehungen machen kann, sind
grenzenlos. Daher werden in diesem Buch zehn Gebote wahrer
Freundschaft aufgestellt.
Gebote sind in Stein gemeißelt. Das reale Leben ist aus Fleisch
und Blut. Deswegen verstoßen Menschen immer wieder gegen
Gebote. Die zehn Gebote in diesem Buch sind nicht von Gott
gegeben, sondern von menschlichen Erfahrungen geprägt. Sie
sollen helfen, darüber nachzudenken, ob wir unsere Freundschaften
nicht mit unerfüllbaren Erwartungen belasten. Bei zwei Geboten
war ich mir ursprünglich sicher, dass sie für mich keine
Geltung hätten, bis ich nach genauerer Prüfung draufgekommen
bin, dass sie mich mehr betreffen, als mir lieb ist. Dabei ist
mir bewusst geworden, dass es der Schatten meiner eigenen
Persönlichkeit ist, der meine Freundschaften am gefährlichsten
bedroht.
Dieses Buch versteht sich als Einladung an Sie, das Verhältnis
zu Ihren Freunden zu reflektieren und dabei mehr über sich selbst
zu erfahren. Dazu ist es notwendig, sich auch mit den dunklen
Seiten der Freundschaft auseinanderzusetzen, statt diese nur zu
idealisieren. Eine im März dieses Jahres publizierte Studie der
Universität von Tel Aviv und des Massachusetts Institute of Technology
(MIT) sollte uns zu denken geben. Sie deckt einen blinden
Fleck auf, den es offenbar in vielen Freundschaften gibt. Nur
50 Prozent jener Menschen, die man selbst zu seinen Freunden
zählt, sehen das umgekehrt so. Das würde bedeuten, dass jeder
zweite unserer Freunde unsere Gefühle nicht in ähnlicher Weise
erwidert und wir für ihn eher Bekannte sind.2
Die besten Geschichten schreibt das Leben. Alle Geschichten
in diesem Buch sind wahr. Sie sind aus dem Leben von Menschen
gegriffen, gerade deshalb mögen manche unglaublich, unwahrscheinlich
oder gar seltsam klingen. Einige Geschichten werden
Sie berühren, andere werden Sie vielleicht als uninteressant empfinden.
Manche Geschichten stehen für sich selbst, andere bedürfen
einer tieferen psychologischen Interpretation. Wir sind
besonders empfänglich für »gute« Geschichten, also solche, die
unserem Leben Sinn, Orientierung und Bedeutung geben. Was
eine »gute« Geschichte ist, kann nur jeder für sich selbst beurteilen.
Ihre Beurteilung einzelner Geschichten könnte davon abhängen,
ob Sie das Buch aus der männlichen oder weiblichen Perspektive
lesen. Die Gespräche zu diesem Buch haben mir gezeigt,
dass es viele allgemeingültige Thesen und Erfahrungen über
Freundschaft gibt, Männer- und Frauenfreundschaften sich in einigen
Aspekten aber wesentlich unterscheiden. Neuere Forschungen
gehen davon aus, dass es bereits bei Kindern ab dem zweiten
Lebensjahr eine Tendenz zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen
gibt, im Alter von sechs Jahren verbringen Kinder elfmal mehr
Zeit mit gleichgeschlechtlichen Freunden. Die Unterschiede zwischen
Männer- und Frauenfreundschaften werden in einigen Kapiteln
dezidiert angesprochen und können hilfreich sein, den
Charakter dieser Freundschaften besser zu verstehen.
Mehr als Gedanken kann ein Buch nicht inspirieren, das ist
schon sehr viel. Ein Gedanke erscheint mir besonders wichtig:
Freunde sind nichts Selbstverständliches. Das wissen wahrscheinlich
jene von Ihnen am besten, die zu wenige, die falschen oder
gar keine Freunde haben. Dafür gibt es sicher gute Gründe, es
reicht aber nicht, seine Muster zu verstehen. Wer Freunde gewinnen
will, muss lernen, die Dinge in seinem Leben so zu sehen, wie
sie wirklich sind - aber nicht schlechter. Dieses Buch kann Ihnen
dabei helfen, die Möglichkeiten für wahre Freundschaften klarer
zu erkennen. Die Beispiele gelungener Freundschaft werden zeigen,
dass es vielleicht nicht immer in unserer Macht liegt, alle
drängenden Probleme in unserem Leben zu lösen, wir aber sehr
wohl die Chance haben, es in unseren persönlichen Beziehungen
ein bisschen besser zu machen, vor allem in der Beziehung zu uns
selbst. Spätestens im Kapitel über das zehnte Gebot sollten Sie
»Ihre« Sätze finden. Das sind besonders jene, bei denen eine Frage
auftaucht: »Bin ich selbst ein guter Freund?«
© Ecowin Verlag
Band durchschnitten wird. Hat man alle menschlichen Beziehungen
vor allem dem Kriterium der Nützlichkeit unterworfen,
ohne böse Absicht - einfach aus Gedankenlosigkeit -, so sollte
man sich nicht wundern, wie schnell man allein dasteht, sofern
man selbst niemandem mehr nützlich ist. Dann fällt man auf die
wenigen Menschen zurück, die verblieben sind. Das sind oft Menschen,
denen man vielleicht bis dahin nicht viel Aufmerksamkeit
und vor allem Zeit geschenkt hat. Hat man jedoch Glück, sind sie
auf einmal da.
Bei mir war es Florian. Wir kannten uns oberflächlich durch
gemeinsame Seminare, später schlug er den Weg des Journalisten
und ich jenen der Politik ein und wir verloren uns aus den Augen.
Eines Tages trafen wir uns zufällig auf der Straße, plauderten kurz
und er fragte mich, ob ich denn nicht am Abend Zeit für ein Treffen
mit seinen Freunden hätte. Noch wenige Wochen davor hätte
ich freundlich abgelehnt, erstens, weil ich verplant gewesen wäre,
und zweitens, weil ich überhaupt keine Notwendigkeit gesehen
hätte, mich mit wildfremden Menschen zu treffen. Da ich jetzt
wie fast immer keine Pläne hatte, sagte ich zu. Der Abend war
gemütlich, ich verstand mich mit der Gastgeberin, die mich ab
sofort regelmäßig einlud, und innerhalb kürzester Zeit erschloss
sich mir ein völlig neuer Kreis von Menschen, der sich schnell
ausweitete. Mit André fand ich in dieser Gruppe einen meiner
besten Freunde, mit dem mich bis heute ein im Jahr 1995 gemeinsam
überlebter Flugzeugabsturz verbindet. Seit damals machen
wir jedes Jahr eine »Überlebensreise«, um unseren zweiten Geburtstag
zu feiern. Das hat eine andere Qualität als ein gelegentlicher
Städtetrip. Die Frage am Beginn jedes Jahres lautet nicht:
»Machen wir heuer eine Reise?«, sondern nur: »Wohin fahren wir
dieses Jahr?« Unabhängig davon, ob einer von uns beiden gerade
verheiratet, in einer Beziehung oder Single war, fand unsere Reise
statt - im Jahr 2015 zum 20. Mal.
Die wichtigsten Lektionen im Leben lernt man immer dann,
wenn es einem nicht gut geht, wenn man eine Krise erlebt, wenn
etwas zerbricht. Das sagt sich ganz leicht und ich kann es ehrlich
gesagt nicht mehr hören. Der einzige Grund, warum ich es trotzdem
wage, das an dieser Stelle zu schreiben, ist, dass es leider
stimmt. Wir wollen es nur nicht wahrhaben, wenn wir selbst gerade
im Loch sind und nicht aufhören können, weiter zu graben.
Umso wichtiger sind die Wahrheiten, auf die wir dann stoßen. Bei
mir war es ein einfacher Glaubenssatz: Nie wieder würde ich berufliche
Freunde mit wahren Freunden verwechseln, nie wieder
würde ich es verabsäumen, tiefe Freundschaften zu pflegen, auch
wenn ich beruflich ausgelastet und privat glücklich war. Nie wieder
würde ich wahre Freunde verlieren, ohne es zu merken.
Vorsätze, die mit »nie wieder« beginnen, sind wie wunderschöne
Schuhe, in denen man nicht gehen kann. Es sei denn, das
»nie wieder« wird zum Teil des eigenen Wertesystems, das sich
wie in einem Flugzeug immer dann mit einem Alarmsignal meldet,
sobald man Gefahr läuft, vom Kurs abzukommen. Das kann
hilfreich sein, um die vielen Prüfungen im Alltag zu bestehen. Für
mich heißt das zum Beispiel, Freunde so schnell wie möglich zurückzurufen,
sie gelegentlich mit einem Geschenk ohne Anlass zu
überraschen, mich von mir aus zu melden, wenn ich lange nichts
gehört habe, ihre Bitten um Unterstützung selbst dann mit maximalem
Einsatz zu erfüllen zu versuchen, wenn ich gerade null
Zeit habe oder das zumindest glaube. Diese hohen Ansprüche
kann man nur für einen begrenzten Kreis von Menschen erfüllen,
für seinen Partner, seine engen Familienmitglieder und seine
wahren Freunde.
Wer sind meine Freunde? Den letzten Test habe ich vor fünf
Jahren an meinem 50. Geburtstag gemacht. Dort war ich gezwungen,
jene zwölf auszuwählen, die mit mir an einem Tisch sitzen
würden. So lautete die Vorgabe meines Freundes Ernst, der der
Gastgeber war. Ein zweiter Tisch würde zwei Kategorien von
Freunden schaffen.
Zwölf ist eine gute Zahl, um mehr über sich und seine Freunde
zu lernen. Um nicht missverstanden zu werden, natürlich hatte
ich keine zwölf engen Freunde. Aber mit diesem Trick, alle an einen
Tisch zu setzen, zwang Ernst mich, genau über alle Menschen
nachzudenken, die mir aus unterschiedlichen Gründen wichtig
waren. Die ersten zehn Namen flossen mir ohne langes Nachdenken
aus der Feder. Als ich merkte, dass ich mich dem Ende der
Liste näherte, eröffnete ich eine zweite Spalte. Auch diese wurde
immer länger, jeder war mir aus anderen Gründen lieb und wertvoll,
doch es blieben nur mehr zwei Namen für die zwölf Einzuladenden.
Nun von meinen Freunden zu den Ihren. Wen zählen Sie zu
Ihren Freunden? Wenn Sie sich auf dieses Gedankenspiel mit den
zwölf Freunden einlassen, dann werden auch Sie irgendwann
ins Stocken geraten. Die meisten Menschen haben zwei bis vier
engste Freunde oder glauben das zumindest. Doch darüber
hinaus gibt es meist einen weiteren Kreis. Dazu können alle Ihnen
wichtigen Menschen wie Ihr Partner und Familienmitglieder genauso
zählen wie solche, zu denen Sie eine intensivere Beziehung
wünschen würden. Versuchen Sie es einfach einmal mit zwölf,
dieser biblischen Zahl des Letzten Abendmahls. Sie werden
schnell merken, dass sich Fragen auftun:
Sollen Sie dem Freund, den Sie seit Ihrer Jugend kennen, aber
nur mehr selten sehen, den Vorzug vor jenem geben, der Ihnen in
kürzester Zeit sehr vertraut geworden ist, dessen Freundschaft
aber noch nie einer Belastungsprobe unterzogen wurde?
Sollen Sie es wagen, jemanden einzuladen, der aufgrund seiner
Bedeutung Ihre Runde adeln würde und die noch lose Beziehung
festigen könnte, oder überwiegt die Angst, sich eine verwunderte
Absage einzuholen?
Denken Sie darüber nach, mit Ihrer Auswahl einen Versuch
der Versöhnung mit einem Ihnen wichtigen, aber verlorenen
Freund zu wagen?
Welche Familienmitglieder zählen Sie wirklich zu Ihren Freunden
oder trennen Sie streng zwischen Freunden und Familie?
Lassen Sie sich bei der Auswahl von Ihrem Partner beeinflussen
oder wollen Sie diese Entscheidung allein treffen? Und umgekehrt,
wie antworten Sie einem Menschen, den Sie unbedingt dabei
haben wollen, der aber nur mit seinem Partner kommen will
oder kann?
Irgendwann wird die Liste mit den zwölf Namen fertig sein.
Wie und warum Sie sich gerade für diese entschieden haben, sagt
wohl mindestens so viel über Sie wie über die von Ihnen ausgewählten
Menschen aus.
Heute sind mehr als fünf Jahre vergangen seit dem einzigartigen
Fest zu meinem 50. Geburtstag. Einzigartig deshalb, weil es
nie wieder mit diesen Menschen wiederholbar ist. Mein Freund
Ernst, der Gastgeber, ist vor mehr als zwei Jahren an Krebs gestorben.
Müsste ich mich heute wieder auf zwölf Menschen beschränken,
bliebe der Kreis ziemlich unverändert. Zerbrochen ist keine
der Freundschaften, zwei sind lockerer, die meisten sogar enger
geworden. Von Günter habe ich gelernt, wie sehr ein Geschenk
eine Freundschaft vertiefen kann. Er hat mir eines der wertvollsten
Geschenke zu meinem 50. Geburtstag gemacht. Gemeinsam
mit seiner Frau Manuela überreichte er mir einen handschriftlichen
Kalender mit einer Überraschung für jeden Monat. Das
begann im Jänner täglich mit einer persönlichen Geschichte, einem
besonderen Zitat oder einem weisen Spruch als liebevoller Geste
der Aufmerksamkeit und fand im Dezember seinen Abschluss
mit vier CDs mit ihrer Lieblingsmusik aus allen Erdteilen, die sie
bereist hatten. Dazwischen gab es Karten für »Ariadne auf Naxos«
in der Wiener Staatsoper, eine Jahreskarte des Kunsthistorischen
Museums, einen privaten Abend mit einem von mir ausgewählten
Dichter oder Philosophen, die Erfüllung eines persönlichen Wunsches,
den Besuch des schrägsten Kellertheaters der Stadt. Jeder
Monat des Kalenders war mit viel Liebe und Aufwand gestaltet.
Günter und ich haben die regelmäßigen Gelegenheiten, uns zu
treffen, genossen und nach diesem Jahr beschlossen, einmal im
Monat einen Tag gemeinsam wandern zu gehen.
Natürlich sind seit meinem 50. Geburtstag neue Menschen in
mein Leben getreten. Diese Tatsache verlangt von mir die Entscheidung,
wem von ihnen ich einen wichtigen Platz einräumen
will. Ehrlicherweise müsste ich dafür die Kontaktzeit mit anderen
reduzieren. Gerade in menschlichen Beziehungen ist keine Entscheidung
auch eine Entscheidung - nicht immer die beste. Zusätzlich
zu meinen drei besten Freunden würde ich heute das Prädikat
»Freund« 23 Mal an einen erweiterten Kreis vergeben. Diese
Zahl mag Ihnen hoch erscheinen. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass ich ein Einzelkind bin, bisher nie verheiratet
war und keine Kinder habe, daher haben Freunde für mich einen
besonders hohen Stellenwert. Doch ich glaube, nicht nur für mich,
deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.
Freundschaft ist kein leerer Wahn. In Gegenwart von Freunden
erscheinen Probleme kleiner - und Berge buchstäblich flacher:
In Experimenten schätzen Menschen die Steigung eines Hügels
tatsächlich geringer ein, wenn ein Freund neben ihnen steht. Je
länger sie ihn kennen, desto stärker ist der Effekt. Oft reicht sogar
der Gedanke an ihn, damit der Berg schrumpft. »Wir verbuchen
unsere Freunde als potenzielle Unterstützung«, sagt Psychologieprofessor
Jaap Denissen von der Humboldt-Universität zu Berlin.
»Wer solche Ressourcen hat, stuft ein Problem als weniger bedrohlich
ein.«1 Der englische Philosoph Francis Bacon brauchte im Jahr
1625 keine Studien, sondern nur einen einzigen Satz, um die Macht
der Freundschaft auszudrücken: »Sie verdoppelt die Freude und
halbiert das Leid.« Gerade in Zeiten der Verunsicherung und Vereinzelung
zählt Freundschaft zu den unmittelbarsten Werten. Geht
es uns schlecht, schämen wir uns und wollen uns zurückziehen,
damit uns andere nicht in diesem Zustand sehen, sind es vertraute
Freunde, die uns davor bewahren, allein zu leiden. Freunde sind
Verbündete, die für uns da sind, wenn wir sie brauchen - im besten
Fall, ohne dass wir sie darum bitten müssen.
Freundschaft ist etwas zutiefst Intimes. Ich würde es nicht wagen,
hier die Liste meiner Freunde zu veröffentlichen, wissend,
dass einige enttäuscht darüber wären, sich nicht darin wiederzufinden,
und andere überrascht, wie wichtig sie mir sind. Folgende
Eigenschaften zeichnen jene Menschen aus, die ich zu meinem
Freundeskreis zähle:
Sie sind positive Menschen, die Energie geben und nicht
rauben, ich freue mich, sie zu treffen und genieße die Zeit mit
ihnen.
Wir vertrauen einander zu hundert Prozent. Sie geben mir
ehrliches, auch kritisches Feedback direkt ins Gesicht und reden
hinter meinem Rücken gut über mich.
Sie waren in schwierigen Situationen meines Lebens für
mich da.
Ganz wichtig ist, dass wir uns über die Erfolge des anderen
freuen können, ohne Neid zu empfinden.
Was verbindet mich mit meinen Freunden? Ich kenne fast alle
seit mindestens zehn Jahren, die meisten mehr als 20 Jahre.
Am längsten währt meine Freundschaft mit Thomas. Als damals
16-Jähriger gewann er an seiner Schule als Siegespreis für einen
Rednerwettbewerb ein Rhetorikseminar, dessen Trainer ich war.
Aus dieser ersten Begegnung entstand eine lose Freundschaft, die
fester wurde, als er mich Jahre später damit beauftragte, Präsentationstechnikseminare
für die Mitarbeiter einer großen Werbeagentur
in Osteuropa zu machen, deren Chef er war. Obwohl lange
Zeit mein wichtigster Kunde, hat er mich das nie merken lassen
und über meine Schwächen hinweggesehen, zumindest so lange
wie möglich. Ich entwickelte das ursprünglich sehr populäre Seminarkonzept
zwar ständig weiter, aber irgendwann begann sich
bei mir eine Unachtsamkeit gegenüber den Teilnehmern einzuschleichen,
die sich darüber beschwerten. Zartfühlend brachte
mir Thomas das bei. Ich nahm mir das Feedback zu Herzen, ließ
die Teilnehmer Theater spielen und Kontakt mit der ländlichen
Bevölkerung von Payerbach suchen. Aber die legendären Zeiten,
als Teilnehmer erzählten, das Seminar hätte ihr Leben verändert,
kamen nicht mehr wieder.
Unsere Freundschaft überstand Thomas' Ausscheiden aus der
Werbeagentur und aus einer ursprünglichen Nutzenfreundschaft
entwickelte sich eine wahre Freundschaft. Mit Thomas kann ich
stundenlang lachen, vor allem über Geschichten, die ich ihm
selbst vor zwei Wochen erzählt habe und die er dann mit großer
Begeisterung als eigene wiedergibt. Wenn man ihn darauf aufmerksam
macht, motiviert ihn das nur zusätzlich, dieselbe Geschichte
jahrelang immer wieder in großen Runden zu verbreiten.
Ich freue mich immer, Thomas zu treffen und wenn, dann bin nur
ich ihm manchmal auf die Nerven gegangen. Gute Freunde dürfen
das. Sollte ich jemals unschuldig im Ausland festgenommen
werden und dürfte nur ein Telefonat machen, so würde ich, ohne
zu zögern, Thomas anrufen. »Okay, ich kümmere mich darum«,
würde er antworten und alle Hebel in Bewegung setzen, um mich
herauszuholen. Das nenne ich Verlässlichkeit.
Die meisten meiner Freunde sind in fixen Beziehungen und
haben Kinder. Vier meiner Freunde sind noch immer mit derselben
Frau verheiratet, alle anderen sind geschieden oder wiederverheiratet.
In meinem kleinen persönlichen Kosmos halten
Freundschaften offenbar länger als Ehen.
Der Begriff Freundschaft ist mindestens so überladen wie Liebe.
Persönlich tendiere ich sowohl bei Freunden als auch in der Liebe
zur Idealisierung, erhoffe mir das, was mir fehlt, in Freunden und
in der Liebespartnerin zu finden. Das ist natürlich eine Illusion,
die einer genaueren Betrachtung nicht standhält. Die Illusionen,
die man sich über menschliche Beziehungen machen kann, sind
grenzenlos. Daher werden in diesem Buch zehn Gebote wahrer
Freundschaft aufgestellt.
Gebote sind in Stein gemeißelt. Das reale Leben ist aus Fleisch
und Blut. Deswegen verstoßen Menschen immer wieder gegen
Gebote. Die zehn Gebote in diesem Buch sind nicht von Gott
gegeben, sondern von menschlichen Erfahrungen geprägt. Sie
sollen helfen, darüber nachzudenken, ob wir unsere Freundschaften
nicht mit unerfüllbaren Erwartungen belasten. Bei zwei Geboten
war ich mir ursprünglich sicher, dass sie für mich keine
Geltung hätten, bis ich nach genauerer Prüfung draufgekommen
bin, dass sie mich mehr betreffen, als mir lieb ist. Dabei ist
mir bewusst geworden, dass es der Schatten meiner eigenen
Persönlichkeit ist, der meine Freundschaften am gefährlichsten
bedroht.
Dieses Buch versteht sich als Einladung an Sie, das Verhältnis
zu Ihren Freunden zu reflektieren und dabei mehr über sich selbst
zu erfahren. Dazu ist es notwendig, sich auch mit den dunklen
Seiten der Freundschaft auseinanderzusetzen, statt diese nur zu
idealisieren. Eine im März dieses Jahres publizierte Studie der
Universität von Tel Aviv und des Massachusetts Institute of Technology
(MIT) sollte uns zu denken geben. Sie deckt einen blinden
Fleck auf, den es offenbar in vielen Freundschaften gibt. Nur
50 Prozent jener Menschen, die man selbst zu seinen Freunden
zählt, sehen das umgekehrt so. Das würde bedeuten, dass jeder
zweite unserer Freunde unsere Gefühle nicht in ähnlicher Weise
erwidert und wir für ihn eher Bekannte sind.2
Die besten Geschichten schreibt das Leben. Alle Geschichten
in diesem Buch sind wahr. Sie sind aus dem Leben von Menschen
gegriffen, gerade deshalb mögen manche unglaublich, unwahrscheinlich
oder gar seltsam klingen. Einige Geschichten werden
Sie berühren, andere werden Sie vielleicht als uninteressant empfinden.
Manche Geschichten stehen für sich selbst, andere bedürfen
einer tieferen psychologischen Interpretation. Wir sind
besonders empfänglich für »gute« Geschichten, also solche, die
unserem Leben Sinn, Orientierung und Bedeutung geben. Was
eine »gute« Geschichte ist, kann nur jeder für sich selbst beurteilen.
Ihre Beurteilung einzelner Geschichten könnte davon abhängen,
ob Sie das Buch aus der männlichen oder weiblichen Perspektive
lesen. Die Gespräche zu diesem Buch haben mir gezeigt,
dass es viele allgemeingültige Thesen und Erfahrungen über
Freundschaft gibt, Männer- und Frauenfreundschaften sich in einigen
Aspekten aber wesentlich unterscheiden. Neuere Forschungen
gehen davon aus, dass es bereits bei Kindern ab dem zweiten
Lebensjahr eine Tendenz zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen
gibt, im Alter von sechs Jahren verbringen Kinder elfmal mehr
Zeit mit gleichgeschlechtlichen Freunden. Die Unterschiede zwischen
Männer- und Frauenfreundschaften werden in einigen Kapiteln
dezidiert angesprochen und können hilfreich sein, den
Charakter dieser Freundschaften besser zu verstehen.
Mehr als Gedanken kann ein Buch nicht inspirieren, das ist
schon sehr viel. Ein Gedanke erscheint mir besonders wichtig:
Freunde sind nichts Selbstverständliches. Das wissen wahrscheinlich
jene von Ihnen am besten, die zu wenige, die falschen oder
gar keine Freunde haben. Dafür gibt es sicher gute Gründe, es
reicht aber nicht, seine Muster zu verstehen. Wer Freunde gewinnen
will, muss lernen, die Dinge in seinem Leben so zu sehen, wie
sie wirklich sind - aber nicht schlechter. Dieses Buch kann Ihnen
dabei helfen, die Möglichkeiten für wahre Freundschaften klarer
zu erkennen. Die Beispiele gelungener Freundschaft werden zeigen,
dass es vielleicht nicht immer in unserer Macht liegt, alle
drängenden Probleme in unserem Leben zu lösen, wir aber sehr
wohl die Chance haben, es in unseren persönlichen Beziehungen
ein bisschen besser zu machen, vor allem in der Beziehung zu uns
selbst. Spätestens im Kapitel über das zehnte Gebot sollten Sie
»Ihre« Sätze finden. Das sind besonders jene, bei denen eine Frage
auftaucht: »Bin ich selbst ein guter Freund?«
© Ecowin Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Andreas Salcher
Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Autor von acht Nummer-1-Bestseller und Mitbegründer der Sir Karl Popper Schule. Er gilt als Österreichs härtester Bildungskritiker. Mit »Der talentierte Schüler und seine ewigen Feinde« bietet er Schülern, Eltern und Lehrern Unterstützung im Kampf gegen ein mittelmäßiges Schulsystem an. »Andreas Salcher ist ein kühner Innovator, der Neues erschafft und Bestehendes neu zusammenfügt. Er ist furchtlos, wenn es um die Visionen für die Zukunft geht. Er ist umsichtig, wenn es darum geht, Menschen zusammen zu bringen. Er ist rastlos in seinem Bestreben, die Welt zu verbessern.« Alan M. Webber, langjähriger Chefredakteur der Harvard Business Review
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Salcher
- 2017, 2. Aufl., 240 Seiten, Maße: 14,9 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ecoWing
- ISBN-10: 371100105X
- ISBN-13: 9783711001054
- Erscheinungsdatum: 26.10.2016
Pressezitat
"Das mit Abstand beste Buch, das seit Erich Fromm und Dale Carnegie zum Thema Freundschaft und Liebe geschrieben wurde!"Klaus Altepost, Verleger von Autoren wie Markus Lanz und Hannes Jaenicke
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