Ich kann's nicht lassen
Rührendes und Gerührtes
Das neue Buch von Österreichs Theaterlegende Otto Schenk
Feinen Humor der Extraklasse beschert uns das Multitalent Otto Schenk mit „Ich kann's nicht lassen". Und weil er es nicht lassen kann, haben seine Fans und Leser mit...
Feinen Humor der Extraklasse beschert uns das Multitalent Otto Schenk mit „Ich kann's nicht lassen". Und weil er es nicht lassen kann, haben seine Fans und Leser mit...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich kann's nicht lassen “
Das neue Buch von Österreichs Theaterlegende Otto Schenk
Feinen Humor der Extraklasse beschert uns das Multitalent Otto Schenk mit „Ich kann's nicht lassen". Und weil er es nicht lassen kann, haben seine Fans und Leser mit diesem spannenden Sachbuch neue interessante Lektüre zum Schmunzeln, Grübeln und Lachen bekommen.
Gefinkelte Pointen und lustige Anekdoten aus seinem bunten Leben auf und hinter den Theaterbühnen dieser Welt erzählt Otto Schenk uns im vorliegenden Buch und begleitet uns durch einen wahren Kosmos seiner Gedanken und Erinnerungen.
Zahlreiche, unvergessliche Bühnenkollegen lässt er Revue passieren vor seinem inneren Auge und lässt den Leser teilhaben an spitzfindigen Bemerkungen über Zeiterscheinungen und vielem mehr.
„Ich kann's nicht lassen" von Otto Schenk ist ein farbenfrohes, facettenreiches Kaleidoskop des Humors und der Gedankenvielfalt und bietet ausgezeichnete Lektüre für eingefleischte Fans und Nicht-Kenner gleichermaßen.
Bestellen Sie dieses amüsante Sachbuch noch heute hier online und begleiten Sie Otto Schenk auf seinem Exkurs in die Vergangenheit.
Feinen Humor der Extraklasse beschert uns das Multitalent Otto Schenk mit „Ich kann's nicht lassen". Und weil er es nicht lassen kann, haben seine Fans und Leser mit diesem spannenden Sachbuch neue interessante Lektüre zum Schmunzeln, Grübeln und Lachen bekommen.
Gefinkelte Pointen und lustige Anekdoten aus seinem bunten Leben auf und hinter den Theaterbühnen dieser Welt erzählt Otto Schenk uns im vorliegenden Buch und begleitet uns durch einen wahren Kosmos seiner Gedanken und Erinnerungen.
Zahlreiche, unvergessliche Bühnenkollegen lässt er Revue passieren vor seinem inneren Auge und lässt den Leser teilhaben an spitzfindigen Bemerkungen über Zeiterscheinungen und vielem mehr.
„Ich kann's nicht lassen" von Otto Schenk ist ein farbenfrohes, facettenreiches Kaleidoskop des Humors und der Gedankenvielfalt und bietet ausgezeichnete Lektüre für eingefleischte Fans und Nicht-Kenner gleichermaßen.
Bestellen Sie dieses amüsante Sachbuch noch heute hier online und begleiten Sie Otto Schenk auf seinem Exkurs in die Vergangenheit.
Klappentext zu „Ich kann's nicht lassen “
Witziges und Weises aus einem reichen Künstlerleben: Publikumsliebling, Theaterlegende, Theater- und Opernregisseur auf den Bühnen der ganzen Welt, Vorleser klassischer und eigener Texte, um die Phantasie der Zuhörer zu beflügeln, und inzwischen auch Bestsellerautor von sechs Büchern, das alles ist Otto Schenk. Gott sei Dank kann er's auch in der literarischen Sparte nicht lassen und "schenkt" seinen Lesern nach zwei Jahren Wartezeit ein neues Buch. Pointiert, humorvoll und gescheit führt er uns durch den Kosmos seiner Gedanken und Erinnerungen, beschreibt, wie Humor entsteht und warum wir über Bühnenereignisse lachen, wie man Musik erleben kann und wie Gedichte beglücken. Er blickt hinter die Kulissen der großen Opern und erinnert sich an unvergessliche Kollegen und Bühnenpartner. Aber auch Pointiertes über Zeiterscheinungen und Biografisches, Gedanken zum Jungsein und Älterwerden fehlen nicht in diesem facettenreichen Kaleidoskop
Lese-Probe zu „Ich kann's nicht lassen “
Otto Schenk - Ich kann's nicht lassenBriefe
... mehr
Die längste Epoche meines Lebens war die, in der ich nicht
geschrieben habe. Dabei wollte ich Dichter werden. Aber als
ich zum Theater ging, hat das Theatertalent wie eine Krake jede
Formulierfreude schriftlicher Art aufgefressen. Ich war plötzlich
eine Art Analphabet, was das Schreiben betrifft. Gelesen
habe ich weiterhin begeistert, aber eklektisch, immer nur hineinfahrend
in ein Werk und es wieder wegschleudernd. Als
ich Direktor der »Josefstadt« wurde, war ich verpflichtet, Briefe
zu schreiben, und da war die Frau Khek diejenige, die mir die
Briefe abverlangt hat. Das heißt, ich musste widerwillig - wie
ich alles tue - dem Direktor von Sowieso erklären, warum er
schlechte Sitze bekommen hat. Und dabei entdeckte ich in mir
eine Sucht, Briefe nicht direkt zu schreiben, sondern in jeden
Brief etwas Besonderes einzupacken. Wenn ich einer Polizeidirektion
eine Strafe bestätigt habe, dann habe ich mich bemüht,
es nicht im Polizeijargon zu schreiben, sondern: »Ich
armer Tölpel bin wieder einmal in eine Falle getappt und bitte
um Entschuldigung.« Ich bin drauf gekommen, dass mit einem
persönlichen Satz ein offizielles Schreiben nicht gerade im Herzen,
aber wenigstens in der Erinnerung dessen landet, der sonst
die hunderttausend Briefe, die er jeden Tag bekommt, sofort
weitergibt. »Das ist der, der geschrieben hat«, sagt er dann
meistens im Dialekt oder in Hochdeutsch, je nachdem.
Und daraus sind sieben Bände von Briefen, eine Uransammlung
von Briefen, entstanden, die mir die Frau Khek und
meine Mitarbeiter haben binden lassen. Mein Agent Herbert
Fechter hat dann gefunden: »Das muss man veröffentlichen!«,
und so wurde die Erinnerung an meine Epoche im Theater in
der Josefstadt satirisch festgehalten. Wenn man diese Briefe
liest, weiß man, wie unüblich ich dieses Theater geführt habe
und wie ich versucht habe, nicht Direktor zu sein, sondern mit
allen Menschen auf gleicher Höhe zu stehen.
Das geht vom Dank für die Vanillekipferl bis zu den traurigen
Briefen, wenn zum Beispiel mein Freund Kurt Sowinetz
gestorben ist. Die Briefe spielen alle Farben.
Dann ist die Frau Sinhuber gekommen und hat gemeint, ich
habe ein Talent zu formulieren. Zu schreiben weiß ich ja gar
nicht, geschrieben habe ich ja keine Zeile. Ich habe ja alles
anfallsmäßig vor mich hin diktiert, so wie heute. Und mit dem
Abschied vom Theater, der ja bevorsteht oder in meiner heutigen
Epoche schon schwelt, ist eine Schreiberepoche aufgebrochen,
eine spärliche - bis jetzt ein Buch pro Jahr -, wahrscheinlich
wird das aber auch aufhören. Ich habe immer die größten Sorgen,
dass mir nichts mehr einfällt, was ja auch der Fall ist.
Man muss mir so alles entlocken, und wenn nichts mehr da
ist, kann man nichts mehr entlocken.
Ich habe mich immer geweigert, eine Biografie zu schreiben,
weil ich mein Leben als Ganzes als langweilig empfinde und
nur Momente, sporadische Explosionen, gerne schildere und
nicht das Fade, das dazwischen liegt. Jahreszahlen waren mir
schon im Geschichtsunterricht ein Gräuel. Ich bin da sehr
großzügig mit Epochen herumgesprungen, manchmal auch
mit großem Erfolg. Es gibt große Schriftsteller oder Philosophen,
Oswald Spengler zum Beispiel, die das auch tun. Der ist
plötzlich in China und plötzlich in Indien und vergleicht
Mohammed mit weiß Gott wem, und die sind tausend Jahre
auseinander, und er hupft herum, wenn auch sehr gebildet.
Das kann ich nicht, aber ich bin unbedenklich mit Jahreszahlen
umgegangen. Für mich ist manches neulich, das zwanzig
Jahre zurückliegt, und manches, das ich vorgestern gesehen
habe, ist bereits vergessen. Ich bin jetzt nicht mehr fähig, mir
Theaterabende zu merken. Das kann aber auch an den Theaterabenden
liegen und nicht nur an mir, denn ich habe mir ein
paar neue Theaterabende in der Oper und auch im Theater
sehr wohl gemerkt. Zum Beispiel von Patrice Chéreau »Aus
einem Totenhaus« von Leoš Janáček, was ich für eine großartige
Operninszenierung halte.
Kindergarten
Ich kann mich noch an meinen ersten Besuch im Kindergarten
erinnern. Mir war alles am Kindergarten peinlich. Schon die
Art, wie die Teta, so hieß die »Tante« damals, mit mir sprach.
Sie sprach wie zu einem Kind, und das wollte ich wirklich
nicht mehr sein. Die Spiele waren von unendlicher Läppischkeit.
Ich war ja schon mit der Sehnsucht nach Märklin-Eisenbahnen
ausgestattet, zu der es finanziell bei uns aber nicht
reichte. Auch eine Dampfmaschine hätte mich eventuell fasziniert.
Aber die von Urpädagogen konstruierten Holzpflöcke,
Staberln, vertrottelten Eisenbahnen, denen meist ein Radl
fehlte, Ringerln zum Werfen oder zu sonst was haben meine
Fantasie nicht belebt. Dass wir uns an der Hand fassen mussten
und im Kreis herumgeführt wurden und dazu auf besonders
unnatürliche Art unsinnige Verserln herunterratschen
sollten, war für mein frühes Theaterempfinden zu konventionell
und einfach nur idiotisch. Das einzige interessante Gespräch
mit einem mir sympathischen Burschen konnte nicht
zu Ende geführt werden, weil immer wieder ein Vorschlag zu
einer sinnlosen Beschäftigung unser vernünftiges Blödeln
unterbrach.
Auf mein Flehen, mich nie wieder in so einen Zirkus zu
schicken, sind meine Eltern Gott sei Dank eingegangen, und
ich konnte mich wieder gemeinsam mit meiner geliebten
Nonna ernsteren Spielen widmen.
Verluste
Der Osterhase war der Erste, der dran glauben musste, schon
weil mir als vierjähriger Bub die Sucherei furchtbar auf die
Nerven gegangen ist und ich auch nicht wusste, was ich mit
den vielen gekochten Eiern anfangen sollte. Spielzeug ist ja
damals noch wenig versteckt worden und wenn, dann auch fast
nie das richtige. Ich kann mich auch nicht an andere Verstecke
als unter Polstern erinnern und fand es eigentlich unzumutbar,
dass ich so lange gewisse Zimmer nicht betreten durfte, und
unhöflich vom Osterhasen, der ja nichts Heiliges hatte wie das
Christkind, dass man ihn nie zu Gesicht bekommen hat. Auch
seine Größe konnte ich mir nicht vorstellen. Und gewohnt,
dass Hendln Eier legen, denen ich manchmal sogar dabei
zuschauen konnte durch meine Großmutter, die eine Hendlfreundin
war, konnte ich mir das Produzieren von Eiern bei
einem Hasen nicht vorstellen. Und auch nicht, wie so ein Hase
in die Wohnung kommt und Eier versteckt und wie er unter
die Polster greifen kann. Das Technische des Osterhasen-Mythos
war mir sehr früh dubios und als ich endlich meinen
Vater beim Eierlegen erwischte, wusste ich, wo der Hase läuft.
Ostern war auch ein geschenkarmes Fest und wurde feiermäßig
relativ bald geschwänzt. Ich kann mich nur an ein paar
Auferstehungsritualmessen erinnern, die damals noch nachmittags
stattfanden.
Mein Glaube an das Christkind hielt sich etwas länger, und der
Abschied vom Christkind war wehmütig. Ich war eigentlich
froh, dass ich den Osterhasen los war, aber an das Christkind
glaubte ich lieber, vor allem wegen des Weihnachtsbaums. Der
Weihnachtsbaum ist für mich heute noch unerlässlich. Er ist ja
nicht einmal ein christliches Symbol, sondern kommt von
heidnischen Bräuchen. Das war mir aber nie bewusst. Der
Christbaum, so glaubte ich, war immer vom Christkind durchs
Fenster hereingebracht worden, und ich habe lange an das
Christkind glauben wollen, es sogar irgendwie persönlich gern
gehabt, und als es sich aus meinem Glauben verabschiedet
hatte, stand ich ein bisschen blöd da.
Das blödeste Symbol ist wohl der Klapperstorch. Da fällt mir
ein Witz ein:
In einem jüdischen Haushalt erwartet die Familie Nachwuchs.
Als es fast so weit ist, fragt der Vater den kleinen Moritz:
»Der Klapperstorch wird dir bald a Geschwisterchen bringen.
Was wünschst du dir? A Buberl oder a Mäderl?«
Drauf Moritzl: »Wenn's die Mama nicht zu sehr strapaziert,
hätte ich lieber ein Schaukelpferd.«
Der kleine Moritz konnte nicht mehr daran glauben, dass der
Klapperstorch irgendwas zu bringen hat, wenn er das Baucherl
der Mutter wachsen sah.
Dass der Klapperstorch die Kinder aus Afrika bringen soll,
hat einen wahren Kern, denn die Menschheit stammt ja
ursprünglich aus Afrika, wie man heute zu wissen glaubt.
Nikolaus und Krampus wurde ich Gott sei Dank bald los, vor
allem den Krampus. Meine Nonna hat mir sehr früh meine
Angst genommen, indem sie mir die Krampus-Lüge erklärt hat.
Wie ich, glaube ich, schon erzählt habe, bin ich das Gespenst
des Todes deshalb nicht losgeworden, weil meine Mutter mir
auf die Fragen »Gibt's das Christkind?«, »Gibt's den Osterhasen?
«, »Gibt's den Nikolaus?«, »Gibt's den Krampus?« immer
gesagt hat:
»Nein, keine Angst, die gibt's alle nicht.«
Aber auf meine Frage:
»Und gibt's den Tod?«, meinte sie:
»Ja natürlich, den gibt's.«
Darauf hatte ich beim Arzt oder im Museum vor dem
Skelett, das ich mit dem Tod identisch fühlte, ständig Angst.
Bei jedem leuchtenden Kürbis ging es mir eiskalt über den
Rücken. Und die Angst vor diesem Gespenst ist mir eigentlich
nie ganz vergangen.
Ich verstehe den Tod einfach nicht. Der Mensch ist nicht
zum Sterben konzipiert. Der Mensch hat etwas Ewiges in sich.
Schon das Kind will ewig leben. Und so schrecklich ewiges
Leben wäre, wir kokettieren alle ein bisschen mit der Ewigkeit.
Und das Ende bewältigen wir nicht, vor allem das Ende der
Anderen, der Umgebung nicht, der Freunde, der Eltern.
Das eigene Ende ist noch ein Honiglecken dagegen. Und
wie schon Rilke sagt: Wenn es wenigstens ein eigener Tod wäre,
den man stirbt, aber die vielen aufgezwungenen Tode, die vielen
läppischen Tode, die vielen Unglücke, sind gefühlsmäßig
nicht zu bewältigen. Da hat der Mensch dann die Begriffe
Schicksal und Jenseits erfunden und versucht etwas linkisch
mit diesen Begriffen umzugehen.
Aufklärung
Nach dem Krieg, als die Schule sich sehr bemühte, wieder
offen und modern zu sein, hielt unsere Schule es für wichtig,
uns eine Aufklärungsstunde sexueller oder erotischer Art zu
bieten. Es war ein bisschen verspätet für uns, denn mein
Freund Rudolf Melichar hatte schon eine uneheliche Tochter,
und in unsere Hosentaschen hatten sich schon die ersten Präservative
eingeschlichen. Aber höflich wie wir waren, wohlerzogene
Buben, saßen wir alle bereit. Es kam ein soignierter Herr
in einem schlichten grauen Anzug und begann, etwas speichelarm
möchte ich fast sagen, nicht unverlegen, aufs Natürliche
Wert legend, zu sprechen:
»Meine lieben jungen Freunde, es gibt«, da stockte er ein
bisschen, »den Hahn und die Henne, den Bock und die Geiß,
die Kuh und den Stier, die Hündin und den Rüden«, kleine
Pause, »und es gibt den Mann und die Frau.«
Darauf rief mein Freund Rudi Melichar ganz laut: »Und es
gibt das Pudern!«
Damit war der Reiz der Aufklärung dahin.
Bei uns in der Familie ging das so vonstatten. Ich nahm meinen
vierjährigen Sohn Konstantin beiseite, was schon schwierig
war, denn er ließ sich nicht gerne beiseite nehmen, und begann
stockend:
»Koki, ich will dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen
bist. Der Papa und die Mama waren nebeneinander ...
Der Papa hatte, also nahm, wie soll ich sagen, hat versucht, die
Mama von, weißt du, wir waren zusammen und weil wir
zusammen waren, da, das heißt ganz zusammen ... Verstehst
du? Ich hatte in der Hand, nein, von selber also ...«
Darauf unterbrach mich Konstantin:
»Papa, darf ich wieder spielen gehen?«
Ich ließ ein paar Jahre verstreichen. Vier war vielleicht zu früh.
Und das war der zweite Anlauf meiner Aufklärung.
»Konstantin«, begann ich, als wir einmal allein waren, »ich
möchte dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen bist.«
»Warum?«, fragte er.
»Ich finde, du solltest es wissen.«
»Wenn du glaubst.«
»Dein Vater und deine Mutter«, ich vermied absichtlich
»Papa und Mama«, um den Erwachsenen herauszukehren,
»haben sich vereint. Er nahm das, was also zwischen den Beinen
ist bei einem Mann ...«
Sagt er:
»Ja ich weiß, der Penis! Und dann habt ihr geschnackselt.«
Da wurde ich etwas rot und begann von etwas anderem zu
reden.
Wer ihn wirklich aufgeklärt hat, möchte ich bis heute gerne
wissen.
Mandel-OP
In einer Zeit, als es Mode war, allen Kindern die Mandeln
wegzuoperieren, bin ich auch unters Messer geraten. Es wurde
damals ohne Narkose operiert, weil man der Ansicht war, dass
der Patient zu viel Blut schlucken könnte. Die Lokalanästhesie
war noch nicht am Höhepunkt ihrer Meisterschaft angelangt,
und so spürte man erstaunlich viel von den Klammern, die
man einem in den Hals zwickte. Mit langen Stielen waren die
und ragten aus dem Mund. Der war aufgesperrt durch eine
seltsame Vorrichtung, und nur durch ständiges Recken konnte
man ein paar Sekunden der Ruhe erzielen.
Die Sache ging dann irgendwie vorüber, und ich wurde in
ein Solozimmer zur Beruhigung gelegt. Das war in der Nachkriegszeit,
wo jedes Essen ein kleines Fest war und man sich
von Buttersemmel zu Buttersemmel, wenn es überhaupt Butter
gab, gesehnt hat. Ich lag also ziemlich benebelt in meinem
Bett, es öffnete sich die Tür, und eine Schwester schwebte
herein,
die mich nicht stören wollte, und stellte ein Tablett mit
einer Schinkensemmel auf mein Krankenhausnachttischchen.
Ich sah auf diese Semmel mit zwiespältigem Gefühl. Nach
einer Operation so eine Semmel zu bewältigen, war schier
unmöglich. Aber Schinkensemmel! Schinkensemmel! Es war
ein Traum. Es konnte gar nicht Wirklichkeit sein. Ich tappte
nach dieser Schinkensemmel und quälte sie mir über die blutigen
Mandeln hinweg. Fast hätte ich geschrien bei jedem Bissen
herunter.
Dann kam die aufgeregte Schwester herein und fragte:
»Bitte, wo ist die Schinkensemmel, die ich hereingebracht
habe?«
Ich lallte nur mit Tränen in den Augen:
»Gegessen.«
»Um Gottes willen, die war doch nicht für Sie bestimmt«,
sagte sie.
Ich konnte nicht mehr antworten, weil ich einer Ohnmacht
nahe war.
Dieselbe Schwester sagte dann:
»Sie müssen unbedingt Stuhl haben, weil Sie Blut geschluckt
haben.« - Ich war nicht fähig zu antworten. - Sie legte mir ein
in Stanniol gewickeltes Zäpfchen hin. »Dieses Zäpfchen müssen
Sie einschieben, möglichst lange durchhalten und wenn es
gar nicht mehr geht, gehen Sie aufs Klo und entleeren sich.«
Ich nickte stumm vor mich hin. Als ich mich etwas beruhigt
hatte, schob ich das Zäpfchen ein. Ich wartete. Der Drang wurde
immer stärker, fast unerträglich. Und obwohl ich schwach war,
dachte ich: Jetzt muss es sein. Ich schleppte mich, mit letzter
Kraft zurückhaltend, was sich herausdrängte, ging aufs Klo, es
machte »Blubb« und das Zäpfchen lag in der Muschel. Allerdings
noch in Stanniol gewickelt.
© Amalthea Signum Verlag
Die längste Epoche meines Lebens war die, in der ich nicht
geschrieben habe. Dabei wollte ich Dichter werden. Aber als
ich zum Theater ging, hat das Theatertalent wie eine Krake jede
Formulierfreude schriftlicher Art aufgefressen. Ich war plötzlich
eine Art Analphabet, was das Schreiben betrifft. Gelesen
habe ich weiterhin begeistert, aber eklektisch, immer nur hineinfahrend
in ein Werk und es wieder wegschleudernd. Als
ich Direktor der »Josefstadt« wurde, war ich verpflichtet, Briefe
zu schreiben, und da war die Frau Khek diejenige, die mir die
Briefe abverlangt hat. Das heißt, ich musste widerwillig - wie
ich alles tue - dem Direktor von Sowieso erklären, warum er
schlechte Sitze bekommen hat. Und dabei entdeckte ich in mir
eine Sucht, Briefe nicht direkt zu schreiben, sondern in jeden
Brief etwas Besonderes einzupacken. Wenn ich einer Polizeidirektion
eine Strafe bestätigt habe, dann habe ich mich bemüht,
es nicht im Polizeijargon zu schreiben, sondern: »Ich
armer Tölpel bin wieder einmal in eine Falle getappt und bitte
um Entschuldigung.« Ich bin drauf gekommen, dass mit einem
persönlichen Satz ein offizielles Schreiben nicht gerade im Herzen,
aber wenigstens in der Erinnerung dessen landet, der sonst
die hunderttausend Briefe, die er jeden Tag bekommt, sofort
weitergibt. »Das ist der, der geschrieben hat«, sagt er dann
meistens im Dialekt oder in Hochdeutsch, je nachdem.
Und daraus sind sieben Bände von Briefen, eine Uransammlung
von Briefen, entstanden, die mir die Frau Khek und
meine Mitarbeiter haben binden lassen. Mein Agent Herbert
Fechter hat dann gefunden: »Das muss man veröffentlichen!«,
und so wurde die Erinnerung an meine Epoche im Theater in
der Josefstadt satirisch festgehalten. Wenn man diese Briefe
liest, weiß man, wie unüblich ich dieses Theater geführt habe
und wie ich versucht habe, nicht Direktor zu sein, sondern mit
allen Menschen auf gleicher Höhe zu stehen.
Das geht vom Dank für die Vanillekipferl bis zu den traurigen
Briefen, wenn zum Beispiel mein Freund Kurt Sowinetz
gestorben ist. Die Briefe spielen alle Farben.
Dann ist die Frau Sinhuber gekommen und hat gemeint, ich
habe ein Talent zu formulieren. Zu schreiben weiß ich ja gar
nicht, geschrieben habe ich ja keine Zeile. Ich habe ja alles
anfallsmäßig vor mich hin diktiert, so wie heute. Und mit dem
Abschied vom Theater, der ja bevorsteht oder in meiner heutigen
Epoche schon schwelt, ist eine Schreiberepoche aufgebrochen,
eine spärliche - bis jetzt ein Buch pro Jahr -, wahrscheinlich
wird das aber auch aufhören. Ich habe immer die größten Sorgen,
dass mir nichts mehr einfällt, was ja auch der Fall ist.
Man muss mir so alles entlocken, und wenn nichts mehr da
ist, kann man nichts mehr entlocken.
Ich habe mich immer geweigert, eine Biografie zu schreiben,
weil ich mein Leben als Ganzes als langweilig empfinde und
nur Momente, sporadische Explosionen, gerne schildere und
nicht das Fade, das dazwischen liegt. Jahreszahlen waren mir
schon im Geschichtsunterricht ein Gräuel. Ich bin da sehr
großzügig mit Epochen herumgesprungen, manchmal auch
mit großem Erfolg. Es gibt große Schriftsteller oder Philosophen,
Oswald Spengler zum Beispiel, die das auch tun. Der ist
plötzlich in China und plötzlich in Indien und vergleicht
Mohammed mit weiß Gott wem, und die sind tausend Jahre
auseinander, und er hupft herum, wenn auch sehr gebildet.
Das kann ich nicht, aber ich bin unbedenklich mit Jahreszahlen
umgegangen. Für mich ist manches neulich, das zwanzig
Jahre zurückliegt, und manches, das ich vorgestern gesehen
habe, ist bereits vergessen. Ich bin jetzt nicht mehr fähig, mir
Theaterabende zu merken. Das kann aber auch an den Theaterabenden
liegen und nicht nur an mir, denn ich habe mir ein
paar neue Theaterabende in der Oper und auch im Theater
sehr wohl gemerkt. Zum Beispiel von Patrice Chéreau »Aus
einem Totenhaus« von Leoš Janáček, was ich für eine großartige
Operninszenierung halte.
Kindergarten
Ich kann mich noch an meinen ersten Besuch im Kindergarten
erinnern. Mir war alles am Kindergarten peinlich. Schon die
Art, wie die Teta, so hieß die »Tante« damals, mit mir sprach.
Sie sprach wie zu einem Kind, und das wollte ich wirklich
nicht mehr sein. Die Spiele waren von unendlicher Läppischkeit.
Ich war ja schon mit der Sehnsucht nach Märklin-Eisenbahnen
ausgestattet, zu der es finanziell bei uns aber nicht
reichte. Auch eine Dampfmaschine hätte mich eventuell fasziniert.
Aber die von Urpädagogen konstruierten Holzpflöcke,
Staberln, vertrottelten Eisenbahnen, denen meist ein Radl
fehlte, Ringerln zum Werfen oder zu sonst was haben meine
Fantasie nicht belebt. Dass wir uns an der Hand fassen mussten
und im Kreis herumgeführt wurden und dazu auf besonders
unnatürliche Art unsinnige Verserln herunterratschen
sollten, war für mein frühes Theaterempfinden zu konventionell
und einfach nur idiotisch. Das einzige interessante Gespräch
mit einem mir sympathischen Burschen konnte nicht
zu Ende geführt werden, weil immer wieder ein Vorschlag zu
einer sinnlosen Beschäftigung unser vernünftiges Blödeln
unterbrach.
Auf mein Flehen, mich nie wieder in so einen Zirkus zu
schicken, sind meine Eltern Gott sei Dank eingegangen, und
ich konnte mich wieder gemeinsam mit meiner geliebten
Nonna ernsteren Spielen widmen.
Verluste
Der Osterhase war der Erste, der dran glauben musste, schon
weil mir als vierjähriger Bub die Sucherei furchtbar auf die
Nerven gegangen ist und ich auch nicht wusste, was ich mit
den vielen gekochten Eiern anfangen sollte. Spielzeug ist ja
damals noch wenig versteckt worden und wenn, dann auch fast
nie das richtige. Ich kann mich auch nicht an andere Verstecke
als unter Polstern erinnern und fand es eigentlich unzumutbar,
dass ich so lange gewisse Zimmer nicht betreten durfte, und
unhöflich vom Osterhasen, der ja nichts Heiliges hatte wie das
Christkind, dass man ihn nie zu Gesicht bekommen hat. Auch
seine Größe konnte ich mir nicht vorstellen. Und gewohnt,
dass Hendln Eier legen, denen ich manchmal sogar dabei
zuschauen konnte durch meine Großmutter, die eine Hendlfreundin
war, konnte ich mir das Produzieren von Eiern bei
einem Hasen nicht vorstellen. Und auch nicht, wie so ein Hase
in die Wohnung kommt und Eier versteckt und wie er unter
die Polster greifen kann. Das Technische des Osterhasen-Mythos
war mir sehr früh dubios und als ich endlich meinen
Vater beim Eierlegen erwischte, wusste ich, wo der Hase läuft.
Ostern war auch ein geschenkarmes Fest und wurde feiermäßig
relativ bald geschwänzt. Ich kann mich nur an ein paar
Auferstehungsritualmessen erinnern, die damals noch nachmittags
stattfanden.
Mein Glaube an das Christkind hielt sich etwas länger, und der
Abschied vom Christkind war wehmütig. Ich war eigentlich
froh, dass ich den Osterhasen los war, aber an das Christkind
glaubte ich lieber, vor allem wegen des Weihnachtsbaums. Der
Weihnachtsbaum ist für mich heute noch unerlässlich. Er ist ja
nicht einmal ein christliches Symbol, sondern kommt von
heidnischen Bräuchen. Das war mir aber nie bewusst. Der
Christbaum, so glaubte ich, war immer vom Christkind durchs
Fenster hereingebracht worden, und ich habe lange an das
Christkind glauben wollen, es sogar irgendwie persönlich gern
gehabt, und als es sich aus meinem Glauben verabschiedet
hatte, stand ich ein bisschen blöd da.
Das blödeste Symbol ist wohl der Klapperstorch. Da fällt mir
ein Witz ein:
In einem jüdischen Haushalt erwartet die Familie Nachwuchs.
Als es fast so weit ist, fragt der Vater den kleinen Moritz:
»Der Klapperstorch wird dir bald a Geschwisterchen bringen.
Was wünschst du dir? A Buberl oder a Mäderl?«
Drauf Moritzl: »Wenn's die Mama nicht zu sehr strapaziert,
hätte ich lieber ein Schaukelpferd.«
Der kleine Moritz konnte nicht mehr daran glauben, dass der
Klapperstorch irgendwas zu bringen hat, wenn er das Baucherl
der Mutter wachsen sah.
Dass der Klapperstorch die Kinder aus Afrika bringen soll,
hat einen wahren Kern, denn die Menschheit stammt ja
ursprünglich aus Afrika, wie man heute zu wissen glaubt.
Nikolaus und Krampus wurde ich Gott sei Dank bald los, vor
allem den Krampus. Meine Nonna hat mir sehr früh meine
Angst genommen, indem sie mir die Krampus-Lüge erklärt hat.
Wie ich, glaube ich, schon erzählt habe, bin ich das Gespenst
des Todes deshalb nicht losgeworden, weil meine Mutter mir
auf die Fragen »Gibt's das Christkind?«, »Gibt's den Osterhasen?
«, »Gibt's den Nikolaus?«, »Gibt's den Krampus?« immer
gesagt hat:
»Nein, keine Angst, die gibt's alle nicht.«
Aber auf meine Frage:
»Und gibt's den Tod?«, meinte sie:
»Ja natürlich, den gibt's.«
Darauf hatte ich beim Arzt oder im Museum vor dem
Skelett, das ich mit dem Tod identisch fühlte, ständig Angst.
Bei jedem leuchtenden Kürbis ging es mir eiskalt über den
Rücken. Und die Angst vor diesem Gespenst ist mir eigentlich
nie ganz vergangen.
Ich verstehe den Tod einfach nicht. Der Mensch ist nicht
zum Sterben konzipiert. Der Mensch hat etwas Ewiges in sich.
Schon das Kind will ewig leben. Und so schrecklich ewiges
Leben wäre, wir kokettieren alle ein bisschen mit der Ewigkeit.
Und das Ende bewältigen wir nicht, vor allem das Ende der
Anderen, der Umgebung nicht, der Freunde, der Eltern.
Das eigene Ende ist noch ein Honiglecken dagegen. Und
wie schon Rilke sagt: Wenn es wenigstens ein eigener Tod wäre,
den man stirbt, aber die vielen aufgezwungenen Tode, die vielen
läppischen Tode, die vielen Unglücke, sind gefühlsmäßig
nicht zu bewältigen. Da hat der Mensch dann die Begriffe
Schicksal und Jenseits erfunden und versucht etwas linkisch
mit diesen Begriffen umzugehen.
Aufklärung
Nach dem Krieg, als die Schule sich sehr bemühte, wieder
offen und modern zu sein, hielt unsere Schule es für wichtig,
uns eine Aufklärungsstunde sexueller oder erotischer Art zu
bieten. Es war ein bisschen verspätet für uns, denn mein
Freund Rudolf Melichar hatte schon eine uneheliche Tochter,
und in unsere Hosentaschen hatten sich schon die ersten Präservative
eingeschlichen. Aber höflich wie wir waren, wohlerzogene
Buben, saßen wir alle bereit. Es kam ein soignierter Herr
in einem schlichten grauen Anzug und begann, etwas speichelarm
möchte ich fast sagen, nicht unverlegen, aufs Natürliche
Wert legend, zu sprechen:
»Meine lieben jungen Freunde, es gibt«, da stockte er ein
bisschen, »den Hahn und die Henne, den Bock und die Geiß,
die Kuh und den Stier, die Hündin und den Rüden«, kleine
Pause, »und es gibt den Mann und die Frau.«
Darauf rief mein Freund Rudi Melichar ganz laut: »Und es
gibt das Pudern!«
Damit war der Reiz der Aufklärung dahin.
Bei uns in der Familie ging das so vonstatten. Ich nahm meinen
vierjährigen Sohn Konstantin beiseite, was schon schwierig
war, denn er ließ sich nicht gerne beiseite nehmen, und begann
stockend:
»Koki, ich will dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen
bist. Der Papa und die Mama waren nebeneinander ...
Der Papa hatte, also nahm, wie soll ich sagen, hat versucht, die
Mama von, weißt du, wir waren zusammen und weil wir
zusammen waren, da, das heißt ganz zusammen ... Verstehst
du? Ich hatte in der Hand, nein, von selber also ...«
Darauf unterbrach mich Konstantin:
»Papa, darf ich wieder spielen gehen?«
Ich ließ ein paar Jahre verstreichen. Vier war vielleicht zu früh.
Und das war der zweite Anlauf meiner Aufklärung.
»Konstantin«, begann ich, als wir einmal allein waren, »ich
möchte dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen bist.«
»Warum?«, fragte er.
»Ich finde, du solltest es wissen.«
»Wenn du glaubst.«
»Dein Vater und deine Mutter«, ich vermied absichtlich
»Papa und Mama«, um den Erwachsenen herauszukehren,
»haben sich vereint. Er nahm das, was also zwischen den Beinen
ist bei einem Mann ...«
Sagt er:
»Ja ich weiß, der Penis! Und dann habt ihr geschnackselt.«
Da wurde ich etwas rot und begann von etwas anderem zu
reden.
Wer ihn wirklich aufgeklärt hat, möchte ich bis heute gerne
wissen.
Mandel-OP
In einer Zeit, als es Mode war, allen Kindern die Mandeln
wegzuoperieren, bin ich auch unters Messer geraten. Es wurde
damals ohne Narkose operiert, weil man der Ansicht war, dass
der Patient zu viel Blut schlucken könnte. Die Lokalanästhesie
war noch nicht am Höhepunkt ihrer Meisterschaft angelangt,
und so spürte man erstaunlich viel von den Klammern, die
man einem in den Hals zwickte. Mit langen Stielen waren die
und ragten aus dem Mund. Der war aufgesperrt durch eine
seltsame Vorrichtung, und nur durch ständiges Recken konnte
man ein paar Sekunden der Ruhe erzielen.
Die Sache ging dann irgendwie vorüber, und ich wurde in
ein Solozimmer zur Beruhigung gelegt. Das war in der Nachkriegszeit,
wo jedes Essen ein kleines Fest war und man sich
von Buttersemmel zu Buttersemmel, wenn es überhaupt Butter
gab, gesehnt hat. Ich lag also ziemlich benebelt in meinem
Bett, es öffnete sich die Tür, und eine Schwester schwebte
herein,
die mich nicht stören wollte, und stellte ein Tablett mit
einer Schinkensemmel auf mein Krankenhausnachttischchen.
Ich sah auf diese Semmel mit zwiespältigem Gefühl. Nach
einer Operation so eine Semmel zu bewältigen, war schier
unmöglich. Aber Schinkensemmel! Schinkensemmel! Es war
ein Traum. Es konnte gar nicht Wirklichkeit sein. Ich tappte
nach dieser Schinkensemmel und quälte sie mir über die blutigen
Mandeln hinweg. Fast hätte ich geschrien bei jedem Bissen
herunter.
Dann kam die aufgeregte Schwester herein und fragte:
»Bitte, wo ist die Schinkensemmel, die ich hereingebracht
habe?«
Ich lallte nur mit Tränen in den Augen:
»Gegessen.«
»Um Gottes willen, die war doch nicht für Sie bestimmt«,
sagte sie.
Ich konnte nicht mehr antworten, weil ich einer Ohnmacht
nahe war.
Dieselbe Schwester sagte dann:
»Sie müssen unbedingt Stuhl haben, weil Sie Blut geschluckt
haben.« - Ich war nicht fähig zu antworten. - Sie legte mir ein
in Stanniol gewickeltes Zäpfchen hin. »Dieses Zäpfchen müssen
Sie einschieben, möglichst lange durchhalten und wenn es
gar nicht mehr geht, gehen Sie aufs Klo und entleeren sich.«
Ich nickte stumm vor mich hin. Als ich mich etwas beruhigt
hatte, schob ich das Zäpfchen ein. Ich wartete. Der Drang wurde
immer stärker, fast unerträglich. Und obwohl ich schwach war,
dachte ich: Jetzt muss es sein. Ich schleppte mich, mit letzter
Kraft zurückhaltend, was sich herausdrängte, ging aufs Klo, es
machte »Blubb« und das Zäpfchen lag in der Muschel. Allerdings
noch in Stanniol gewickelt.
© Amalthea Signum Verlag
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Autoren-Porträt von Otto Schenk
Otto Schenk wurde 1930 in Wien geboren und erlebte eine von den Schrecken des Naziregimes geprägte Kindheit. Nach der Ausbildung am Max Reinhardt Seminar debütierte er in Wien als Schauspieler und wirkte als Regisseur am Theater und an führenden Opernhäusern sowie als Direktor am Theater in der Josefstadt. Auch war er in zahlreichen Fernsehspielen zu erleben. Zahllose Auszeichnungen, Preise und Orden zeugen von der Anerkennung durch Politik, Medien und vor allem durch sein Publikum.
Bibliographische Angaben
- Autor: Otto Schenk
- 1. Auflage 2016, 256 Seiten, Maße: 14,9 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Amalthea
- ISBN-10: 3990500554
- ISBN-13: 9783990500552
- Erscheinungsdatum: 14.10.2016
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