Im Reich der Inseln
Meine Suche nach unentdeckten Arten und andere Abenteuer im Südpazifik
Indiana Jones meets Charles Darwin
Kämpfe mit Schlangen, Geisterbeschwörungen, kulinarische Herausforderungen und unbekannte Tierarten - der große Forscher und Umweltaktivist Tim Flannery blickt zurück und erzählt sehr persönlich von seinen...
Kämpfe mit Schlangen, Geisterbeschwörungen, kulinarische Herausforderungen und unbekannte Tierarten - der große Forscher und Umweltaktivist Tim Flannery blickt zurück und erzählt sehr persönlich von seinen...
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Produktinformationen zu „Im Reich der Inseln “
Klappentext zu „Im Reich der Inseln “
Indiana Jones meets Charles DarwinKämpfe mit Schlangen, Geisterbeschwörungen, kulinarische Herausforderungen und unbekannte Tierarten - der große Forscher und Umweltaktivist Tim Flannery blickt zurück und erzählt sehr persönlich von seinen abenteuerlichen Reisen, die er als junger Wissenschaftler zu den pazifischen Inseln unternommen hat: von den Menschen der Trobriand Inseln, faszinierenden Landschaften sowie von lokalen Sitten und Bräuchen. Eine spannende, amüsante und überraschende Reise durch eines der facettenreichsten und spektakulärsten Gebiete der Erde.
»Tim Flannery spielt in einer Liga mit den ganz großen Forschern wie Dr. David Livingstone.«
Sir David Attenborough
»Ein unwiderstehlicher Autor.«
Jared Diamond
Lese-Probe zu „Im Reich der Inseln “
Im Reich der Inseln von Tim FlanneryDie verschiedenen Inseln vor der Südostküste Neuguineas sind durch eine gemeinsame menschliche Kultur miteinander verbunden. Es ist die Region des Kula-Rings, und seit undenklichen Zeiten fahren Männer in prächtigen Kanus von einer Insel zur anderen, um den als Kula bekannten Muschelschmuck zu tauschen. Es ist eine faszinierende Weltgegend, deren Artenvielfalt zwar begrenzt, aber noch immer nicht gänzlich erforscht ist. Hier begann meine Reise durch das Inselreich Melanesiens.
Es ist ein bisschen merkwürdig, dass die europäischen Entdecker diese Region schon kartierten, bevor das Innere ihrer eigenen Heimatländer auf verlässlichen Karten erfasst worden war. Doch für Seefahrer ist das Meer eine Schnellstraße. Auf ihr besiedelten die Vorfahren der Polynesier zwei Drittel der südlichen Erdhalbkugel von Madagaskar im Westen bis Henderson Island im fernen Ostpazifik und hinterließen unterwegs Kulturen mit einem gemeinsamen linguistischen und kulturellen Ursprung. Rund ein Jahrtausend später folgten ihnen die Europäer, die das Inselreich zunächst vermaßen und kartierten, dann Siedlungen gründeten und schließlich Kolonien errichteten. Die Inseln südöstlich von Papua waren mit die letzten, die sich die Kolonialreiche einverleibten.
Die größten und aus biologischer Sicht interessantesten Inseln im Südosten von Neuguinea sind die D'Entrecasteaux-Inseln. Sie liegen wenige Kilometer vor der Nordostküste Neuguineas und bilden eine 160 Kilometer lange Kette. Der erste Europäer, der sie sichtete, war ein Franzose namens Antoine Raymond Joseph de Bruni d'Entrecasteaux, Kapitän der L'Esperance, der auf der Suche nach der verschollenen Lapérouse-Expedition unterwegs war. Nachdem die L'Esperance Anfang 1789 in der Botany Bay die Segel gesetzt hatte, war sie wie vom
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Meer verschluckt, und es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis bekannt wurde, dass sie vor der Insel Vanikoro gesunken war.
Obwohl die Inselgruppe seinen Namen trägt, ging d'Entrecasteaux nicht an Land und hat nur wenig über die Inseln zu berichten. Der erste Europäer, der hier vor Anker ging, war Kapitän Moresby im Jahr 1874; ihm folgten wenig später Missionare, Händler und Biologen.
Weiter südöstlich von Neuguinea liegt eine Inselkette namens Louisiade-Archipel, das 1768 von einem anderen französischen Seefahrer, Louis Antoine de Bougainville, benannt wurde. Der französische Beitrag zur Erforschung und Kartierung des Pazifiks wird heute oft unterschätzt, doch ein Blick auf die Landkarte genügt, um sich das gallische Erbe vor Augen zu führen. Die französischen Entdecker können durchaus mit ihren britischen Kollegen mithalten, auch wenn sonderbarerweise die großen kolonialen Besitzungen der Franzosen, Tahiti und Neukaledonien, nicht von ihnen selbst entdeckt wurden, sondern von Briten.
Auf unserer Expedition streiften wir lediglich den westlichen Rand des Louisiade-Archipels, und bis heute sind seine Säugetiere nur mangelhaft dokumentiert. Zwischen dieser ausgedehnten Inselregion und dem Festland liegt die China-Straße mit der Insel Samarai. Die China-Straße ist eine wichtige Schifffahrtsroute, die Seeleuten ein Begriff ist, weshalb auch Samarai lange weithin bekannt war, da es mitten in dieser Handelsstraße liegt. Mit ihren 24 Hektar Fläche ist sie ein winziges Eiland, doch im Jahr 1907 wurde sie sogar Sitz der Bezirksregierung. Damals hatte die Insel drei Pubs, einen eigenen Bischof samt Kirche, drei Läden sowie verschiedene Regierungsgebäude, Krankenhäuser und private Wohnhäuser. Im Jahr 1927 kam der elektrische Strom und mit ihm die Straßenbeleuchtung auf die Insel, und Samarai schien auf dem besten Weg, sich in ein blühendes Regionalzentrum zu verwandeln. Doch im Januar 1942 wurde es von seinen eigenen Bewohnern zerstört, die aus Furcht vor einer Invasion durch die Japaner fast die gesamte Infrastruktur unbrauchbar machten.
Jenseits dieser Archipele liegen einige entlegenere Inseln, darunter Kiriwina, eine der Trobriand-Inseln, sowie Woodlark und Alcester.
1
DIE WANDERNDE INSEL
Es war die Verlockung, eine Zeitreise machen zu können, die mich über das Meer nach Melanesien führte. Es war das Jahr 1987, ich war Anfang dreißig, und ich bekenne, dass meine Jugendphantasien von den legendären Liebesinseln, die der polnische Anthropologe Bronislaw Malinowski beschreibt, zum Teil für diese Anziehung verantwortlich waren. Malinowski hatte in den zwanziger Jahren auf Kiriwana auf den Trobriand-Inseln gelebt, und in seinem Buch Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien beschrieb er in schillernden Darstellungen die vermeintliche Promiskuität der jungen Menschen, die er dort antraf. Zum Zeit-punkt meiner ersten Reise war ich Leiter der Säugetierabteilung des Australischen Museums in Sydney; Mädchen in Schilfröcken zählten zwar rein biologisch ebenfalls zu den Säugetieren, doch sie fielen ganz entschieden nicht in mein Forschungsgebiet. Statt-dessen stand die Verbreitung von Possums, Fledermäusen und Ratten auf der Forschungsagenda.
Ich war als Forscher eingestellt worden. Der Bezahlung und dem Rang nach stand ich zwar in der wissenschaftlichen Hack-ordnung des Museums ganz unten, aber das war mir gleichgültig. Für mich zählte nur, dass ich eine große Tradition von Kuratoren fortsetzen und die Säugetiere Neuguineas und Melanesiens erforschen sollte. Das Museum konnte auf eine stolze Geschichte bei der Erforschung des Pazifikraums zurückblicken, und schon bald erkannte ich, dass es in seiner Sammlung zahlreiche wichtige Exemplare gab, die zum Teil noch aus der Zeit der Segelschifffahrt stammten. Während ich mich über die Exemplare der Säugetiersammlungen beugte, bekam ich einen ersten Eindruck von der Verbreitung der verschiedenen Säugetierarten auf den Pazifikinseln. Aber selbst wenn ich das hinzunahm, was ich aus Veröffentlichungen kannte, blieb mein Wissen ausgesprochen lückenhaft - wie ein Puzzle, in dem neun von zehn Teilen fehlen. Erst kürzlich war ein Standardwerk über die Säugetiere Australiens veröffentlicht worden, und ich nahm mir vor, ein ähnliches Buch für Ozeanien zu verfassen. Doch es gab so viele weiße Flecken auf der Landkarte, dass gewaltige Forschungsarbeiten vor Ort nötig waren, ehe ich dieses Projekt angehen konnte.
Das Museum ermunterte mich zwar in meinem Forscher-drang, doch leider konnte es mir über meinen bescheidenen Lohn hinaus keine finanzielle Unterstützung gewähren. Also musste ich andere Geldquellen auftun. Eine war die Australian Museum Society (TAMS). Diese Fördervereinigung wurde von der wunderbaren Susan Bridie geleitet und hatte mehrere hundert betuchte Mitglieder, die das Museum unterstützten, aber auch an der Förderung der Feldforschung interessiert waren.
Und so stand ich an einem sonnigen und windigen Augusttag des Jahres 1987 auf einem Kai im Norden der australischen Provinz Queensland, neben mir einige Menschen, die ich kaum kannte. Um diese Jahreszeit weht der Südost-Passat, die Wellen trugen Schaumkronen, und der Wind blies unerbittlich. Unsere Forschungsausrüstung - Fallen, Netze und Vorräte sowie große silberne Tanks mit Flüssigstickstoff (mit dessen Hilfe wir die DNA-Proben konservieren konnten, die uns Aufschluss darüber geben sollten, auf welchem Weg die gefundenen Tiere auf ihre Inselheimat gekommen waren) - lag aufgetürmt auf einem Steg neben einem Aluminium-Katamaran, auf dessen Bug der Name Sunbird stand. Das Boot gehörte dem Museum und war vom japanischen Whiskey-Hersteller Suntory gestiftet worden. Leider fand ich nie heraus, worin die Beziehung zwischen alkoholischen Getränken und dem Museum bestand. Vielleicht war einer der früheren Direktoren dem Produkt ja besonders zugetan, überlegte ich, während wir unsere Gerätschaften an Bord verstauten.
Im Rückblick wirkt unsere ganze Expedition hoffnungslos romantisch. TAMS hatte sich bereit erklärt, sie zu organisieren und finanzieren, und im Gegenzug sollten fünf Mitglieder der Gesellschaft an der biologischen Entdeckungsfahrt teilnehmen. Unser Ziel war eine der am schwersten zugänglichen großen Inseln Melanesiens: Woodlark, eine der Trobriand-Inseln. Woodlark schien mir aufgrund ihrer Größe, ihrer geringen Bevölkerung und ihrer zahlreichen unberührten Lebensräume besonders attraktiv. Außerdem war die Insel die Heimat eines ungewöhnlichen Kuskus (eines Beuteltiers von der Größe einer Hauskatze), und ich vermutete, dass noch weitere unentdeckte Arten dort auf mich warteten. Leider gab es dort keinen Flugplatz, weshalb wir auf die Sunbird zurückgreifen mussten.
Vor unserer Expedition war Woodlark erst zweimal von Säugetierforschern besucht worden. Im Jahr 1894 hatte Albert Meek, einer von Lord Walter Rothschilds abenteuerlustigsten biologischen Sammlern, versucht, die Insel in einem sieben Meter langen Walfangboot zu erreichen. Später schrieb er über den tollkühnen Versuch: »Ich hatte keine Ahnung von Navigation, und wir hatten nicht einmal einen Kompass an Bord ... Die Erfahrung lehrte mich, dass man die Navigation nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. « Über Tage hinweg wurde Meek von denselben Passatwinden abgetrieben, die uns im Hafen von Cairns durchpusteten. Schließlich wurde er so weit hinaus aufs Meer getrieben, dass er im Mondlicht auf eine unbekannte Küste zusegeln musste. Da ihm Streichhölzer und Essen ausgingen, musste er seinen ersten Versuch der Landung auf der Insel abbrechen.
Monate später unternahm er einen weiteren Anlauf. Diesmal wurde er von einer großen Welle aus dem Boot gespült. Nur die Schmerzen, die er verspürte, als ihm die Korallen die Beine auf-rissen, gaben ihm die Kraft, sich aus der Brandung zu retten, berichtete er später. Doch ein einheimischer Junge, der ihn begleitete, wurde an der zerklüfteten Küste zerschmettert. Meek wurde klar, dass er ein größeres Boot benötigte, und kaufte einen neun Tonnen schweren Kutter. Als er 1895 schließlich in Woodlark an Land ging, war er der erste Biologe, der seinen Fuß auf die Insel setzte. Als ich Meeks Reisebericht A Naturalist in Cannibal Land las, hoffte ich auf eine schillernde Darstellung seiner Erfahrungen und Beobachtungen, doch zu meiner Enttäuschung handelte er die Insel in gerade einmal vier Zeilen ab. Vielleicht war er zu erschöpft und krank, um mehr zu schreiben, vielleicht fand er die Insel auch einfach nur langweilig. Wie dem auch gewesen sein mag, zu seinen Entdeckungen auf der brandungsumtosten Insel gehörte eine sonderbare Possum-Art mit einem verrückten, schwarz, braun, gelb und weiß gescheckten Fell. Jedes Tier schien ein unverwechselbares Muster zu haben, eine Eigenschaft, die man bei Haustieren viel häufiger vorfindet als bei Wildtieren.
Es sollten fast sechzig Jahre vergehen, ehe ein weiterer Biologe in Meeks Fußstapfen trat. Diesmal handelte es sich um Mit-arbeiter des Amerikanischen Naturkundemuseums, die im Rahmen einer gut organisierten und finanziell großzügig ausgestatteten Expedition auf die Insel kamen. Im Jahr 1956 verbrachte die Gruppe drei Wochen im Süden und Westen der Insel und berichtete, sie habe in den dichten Wäldern kaum Säugetiere gefunden. Der ungewöhnliche Kuskus machte sie stutzig. Sie fügten Meeks Liste einige Ratten und Fledermäuse hinzu, doch ich hatte meine Zweifel, ob die Gruppe wirklich alle Mittel ausgeschöpft hatte. Als ich auf dem Kai vor der Sunbird saß, dachte ich über unsere Aussichten nach. Würde mein Team neue Entdeckungen machen, und wenn ja, was würden wir finden?
Während ich noch über unser Projekt nachsann, trat ein weißhaariger Mann in Jeans aus der Kajüte der Sunbird. Aus seinem wettergegerbten Gesicht leuchtete ein Paar von der Sonne getrübter, aber noch immer strahlend blauer Augen. »Ich bin Matt Jumelett, Skipper der Sunbird«, verkündete er in breitem, holländischem Dialekt. Dann trat hinter ihm eine deutlich jüngere Blondine aus der Kajüte. »Und ich bin Mipi, die Mannschaft«, fügte sie hinzu und streckte die Hand zum Gruß aus. »Willkommen an Bord! Wollt ihr eine Tasse Tee? «
Damit gingen wir Expeditionsteilnehmer an Bord, um uns dem Kapitän und der Mannschaft vorzustellen. Unsere Gruppe bestand aus dem iranischstämmigen Unternehmer Aziz Irani, dem abenteuerlustigen Verleger Robert Saunders, der Krankenschwester Tish Ennis, dem Computerexperten und Muschelsammler Des Beechey und dem Umweltschützer und Regierungsbeamten Michael Holics. Auf Woodlark sollte ich mit zwei weiteren Expeditionsteilnehmern zusammentreffen: dem texanischen Biologen Greg Mengden, einem weltbekannten Giftschlangen-Experten, und Lester Seri, einem Biologen des Ministeriums für Umwelt und Artenschutz der Regierung von Papua-Neuguinea. Lester und ich hatten bereits drei Festlands-Expeditionen zusammen unternommen und sollten gute Freunde werden.
Nach einer Tasse Tee verstauten wir unsere Geräte auf der Sunbird. Es war eine enge Angelegenheit, überall stapelten sich Kisten und Gasflaschen. Matt schätzte, dass die Überfahrt über die Korallensee von Cairns nach Samarai vier Tage dauern werde. Wegen der Passatwinde, die uns entgegenbliesen, werde er vermutlich vor allem den Motor einsetzen. Ich war enttäuscht, dass wir nicht segeln würden, aber da der Wind heftigen Seegang versprach, verstand ich die Entscheidung. Bald waren wir mittendrin, Wind im Gesicht, Motorengeknatter im Ohr und durchgeschüttelt von den Wellen, die gegen den Rumpf der Sunbird schlugen. Ich schlief in der Kajüte im Bug, wo mich das Rattern des Motors und das Klatschen der Wellen in den Schlaf wiegten. Aber schon nach wenigen Stunden wurde ich von einem lauten Schlag geweckt, der das gesamte Boot erschütterte. Im Halbschlaf hatte ich das Gefühl, das Schiff würde in ein Wellental stürzen, immer tiefer und tiefer, ohne wieder nach oben zu kommen. Wir hatten das schützende Great Barrier Reef hinter uns gelassen und waren in die Korallensee eingefahren.
Das muss gegen 2 Uhr morgens gewesen sein. Da ich zu aufgeregt war, um wieder einzuschlafen, kletterte ich an Deck. Dort erwartete mich ein Himmel, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Von Horizont zu Horizont glühte er vor Sternen. In unserer Bugwelle schimmerte grüner Phosphor, und hin und wieder schlug ein fliegender Fisch gegen den Aluminiumrumpf. Es war eine dieser Nächte, die herrlicher sind als jeder Tag, und nichts hätte mich im Bett gehalten. Leider hatten nicht alle so viel Glück. Des Beechey hing seekrank in seiner Koje. Als ich ihn am nächsten Morgen besuchte, sah er halbtot aus. Tish gab ihm ein Mittel, das sein Leid ein wenig zu lindern schien, doch während der ganzen Fahrt verließ er seine Kajüte kaum. Es wunderte mich nicht, dass er nach der Expedition von Port Moresby aus nach Australien zurückflog, um keine weitere Bootsfahrt durchmachen zu müssen.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Obwohl die Inselgruppe seinen Namen trägt, ging d'Entrecasteaux nicht an Land und hat nur wenig über die Inseln zu berichten. Der erste Europäer, der hier vor Anker ging, war Kapitän Moresby im Jahr 1874; ihm folgten wenig später Missionare, Händler und Biologen.
Weiter südöstlich von Neuguinea liegt eine Inselkette namens Louisiade-Archipel, das 1768 von einem anderen französischen Seefahrer, Louis Antoine de Bougainville, benannt wurde. Der französische Beitrag zur Erforschung und Kartierung des Pazifiks wird heute oft unterschätzt, doch ein Blick auf die Landkarte genügt, um sich das gallische Erbe vor Augen zu führen. Die französischen Entdecker können durchaus mit ihren britischen Kollegen mithalten, auch wenn sonderbarerweise die großen kolonialen Besitzungen der Franzosen, Tahiti und Neukaledonien, nicht von ihnen selbst entdeckt wurden, sondern von Briten.
Auf unserer Expedition streiften wir lediglich den westlichen Rand des Louisiade-Archipels, und bis heute sind seine Säugetiere nur mangelhaft dokumentiert. Zwischen dieser ausgedehnten Inselregion und dem Festland liegt die China-Straße mit der Insel Samarai. Die China-Straße ist eine wichtige Schifffahrtsroute, die Seeleuten ein Begriff ist, weshalb auch Samarai lange weithin bekannt war, da es mitten in dieser Handelsstraße liegt. Mit ihren 24 Hektar Fläche ist sie ein winziges Eiland, doch im Jahr 1907 wurde sie sogar Sitz der Bezirksregierung. Damals hatte die Insel drei Pubs, einen eigenen Bischof samt Kirche, drei Läden sowie verschiedene Regierungsgebäude, Krankenhäuser und private Wohnhäuser. Im Jahr 1927 kam der elektrische Strom und mit ihm die Straßenbeleuchtung auf die Insel, und Samarai schien auf dem besten Weg, sich in ein blühendes Regionalzentrum zu verwandeln. Doch im Januar 1942 wurde es von seinen eigenen Bewohnern zerstört, die aus Furcht vor einer Invasion durch die Japaner fast die gesamte Infrastruktur unbrauchbar machten.
Jenseits dieser Archipele liegen einige entlegenere Inseln, darunter Kiriwina, eine der Trobriand-Inseln, sowie Woodlark und Alcester.
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DIE WANDERNDE INSEL
Es war die Verlockung, eine Zeitreise machen zu können, die mich über das Meer nach Melanesien führte. Es war das Jahr 1987, ich war Anfang dreißig, und ich bekenne, dass meine Jugendphantasien von den legendären Liebesinseln, die der polnische Anthropologe Bronislaw Malinowski beschreibt, zum Teil für diese Anziehung verantwortlich waren. Malinowski hatte in den zwanziger Jahren auf Kiriwana auf den Trobriand-Inseln gelebt, und in seinem Buch Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien beschrieb er in schillernden Darstellungen die vermeintliche Promiskuität der jungen Menschen, die er dort antraf. Zum Zeit-punkt meiner ersten Reise war ich Leiter der Säugetierabteilung des Australischen Museums in Sydney; Mädchen in Schilfröcken zählten zwar rein biologisch ebenfalls zu den Säugetieren, doch sie fielen ganz entschieden nicht in mein Forschungsgebiet. Statt-dessen stand die Verbreitung von Possums, Fledermäusen und Ratten auf der Forschungsagenda.
Ich war als Forscher eingestellt worden. Der Bezahlung und dem Rang nach stand ich zwar in der wissenschaftlichen Hack-ordnung des Museums ganz unten, aber das war mir gleichgültig. Für mich zählte nur, dass ich eine große Tradition von Kuratoren fortsetzen und die Säugetiere Neuguineas und Melanesiens erforschen sollte. Das Museum konnte auf eine stolze Geschichte bei der Erforschung des Pazifikraums zurückblicken, und schon bald erkannte ich, dass es in seiner Sammlung zahlreiche wichtige Exemplare gab, die zum Teil noch aus der Zeit der Segelschifffahrt stammten. Während ich mich über die Exemplare der Säugetiersammlungen beugte, bekam ich einen ersten Eindruck von der Verbreitung der verschiedenen Säugetierarten auf den Pazifikinseln. Aber selbst wenn ich das hinzunahm, was ich aus Veröffentlichungen kannte, blieb mein Wissen ausgesprochen lückenhaft - wie ein Puzzle, in dem neun von zehn Teilen fehlen. Erst kürzlich war ein Standardwerk über die Säugetiere Australiens veröffentlicht worden, und ich nahm mir vor, ein ähnliches Buch für Ozeanien zu verfassen. Doch es gab so viele weiße Flecken auf der Landkarte, dass gewaltige Forschungsarbeiten vor Ort nötig waren, ehe ich dieses Projekt angehen konnte.
Das Museum ermunterte mich zwar in meinem Forscher-drang, doch leider konnte es mir über meinen bescheidenen Lohn hinaus keine finanzielle Unterstützung gewähren. Also musste ich andere Geldquellen auftun. Eine war die Australian Museum Society (TAMS). Diese Fördervereinigung wurde von der wunderbaren Susan Bridie geleitet und hatte mehrere hundert betuchte Mitglieder, die das Museum unterstützten, aber auch an der Förderung der Feldforschung interessiert waren.
Und so stand ich an einem sonnigen und windigen Augusttag des Jahres 1987 auf einem Kai im Norden der australischen Provinz Queensland, neben mir einige Menschen, die ich kaum kannte. Um diese Jahreszeit weht der Südost-Passat, die Wellen trugen Schaumkronen, und der Wind blies unerbittlich. Unsere Forschungsausrüstung - Fallen, Netze und Vorräte sowie große silberne Tanks mit Flüssigstickstoff (mit dessen Hilfe wir die DNA-Proben konservieren konnten, die uns Aufschluss darüber geben sollten, auf welchem Weg die gefundenen Tiere auf ihre Inselheimat gekommen waren) - lag aufgetürmt auf einem Steg neben einem Aluminium-Katamaran, auf dessen Bug der Name Sunbird stand. Das Boot gehörte dem Museum und war vom japanischen Whiskey-Hersteller Suntory gestiftet worden. Leider fand ich nie heraus, worin die Beziehung zwischen alkoholischen Getränken und dem Museum bestand. Vielleicht war einer der früheren Direktoren dem Produkt ja besonders zugetan, überlegte ich, während wir unsere Gerätschaften an Bord verstauten.
Im Rückblick wirkt unsere ganze Expedition hoffnungslos romantisch. TAMS hatte sich bereit erklärt, sie zu organisieren und finanzieren, und im Gegenzug sollten fünf Mitglieder der Gesellschaft an der biologischen Entdeckungsfahrt teilnehmen. Unser Ziel war eine der am schwersten zugänglichen großen Inseln Melanesiens: Woodlark, eine der Trobriand-Inseln. Woodlark schien mir aufgrund ihrer Größe, ihrer geringen Bevölkerung und ihrer zahlreichen unberührten Lebensräume besonders attraktiv. Außerdem war die Insel die Heimat eines ungewöhnlichen Kuskus (eines Beuteltiers von der Größe einer Hauskatze), und ich vermutete, dass noch weitere unentdeckte Arten dort auf mich warteten. Leider gab es dort keinen Flugplatz, weshalb wir auf die Sunbird zurückgreifen mussten.
Vor unserer Expedition war Woodlark erst zweimal von Säugetierforschern besucht worden. Im Jahr 1894 hatte Albert Meek, einer von Lord Walter Rothschilds abenteuerlustigsten biologischen Sammlern, versucht, die Insel in einem sieben Meter langen Walfangboot zu erreichen. Später schrieb er über den tollkühnen Versuch: »Ich hatte keine Ahnung von Navigation, und wir hatten nicht einmal einen Kompass an Bord ... Die Erfahrung lehrte mich, dass man die Navigation nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. « Über Tage hinweg wurde Meek von denselben Passatwinden abgetrieben, die uns im Hafen von Cairns durchpusteten. Schließlich wurde er so weit hinaus aufs Meer getrieben, dass er im Mondlicht auf eine unbekannte Küste zusegeln musste. Da ihm Streichhölzer und Essen ausgingen, musste er seinen ersten Versuch der Landung auf der Insel abbrechen.
Monate später unternahm er einen weiteren Anlauf. Diesmal wurde er von einer großen Welle aus dem Boot gespült. Nur die Schmerzen, die er verspürte, als ihm die Korallen die Beine auf-rissen, gaben ihm die Kraft, sich aus der Brandung zu retten, berichtete er später. Doch ein einheimischer Junge, der ihn begleitete, wurde an der zerklüfteten Küste zerschmettert. Meek wurde klar, dass er ein größeres Boot benötigte, und kaufte einen neun Tonnen schweren Kutter. Als er 1895 schließlich in Woodlark an Land ging, war er der erste Biologe, der seinen Fuß auf die Insel setzte. Als ich Meeks Reisebericht A Naturalist in Cannibal Land las, hoffte ich auf eine schillernde Darstellung seiner Erfahrungen und Beobachtungen, doch zu meiner Enttäuschung handelte er die Insel in gerade einmal vier Zeilen ab. Vielleicht war er zu erschöpft und krank, um mehr zu schreiben, vielleicht fand er die Insel auch einfach nur langweilig. Wie dem auch gewesen sein mag, zu seinen Entdeckungen auf der brandungsumtosten Insel gehörte eine sonderbare Possum-Art mit einem verrückten, schwarz, braun, gelb und weiß gescheckten Fell. Jedes Tier schien ein unverwechselbares Muster zu haben, eine Eigenschaft, die man bei Haustieren viel häufiger vorfindet als bei Wildtieren.
Es sollten fast sechzig Jahre vergehen, ehe ein weiterer Biologe in Meeks Fußstapfen trat. Diesmal handelte es sich um Mit-arbeiter des Amerikanischen Naturkundemuseums, die im Rahmen einer gut organisierten und finanziell großzügig ausgestatteten Expedition auf die Insel kamen. Im Jahr 1956 verbrachte die Gruppe drei Wochen im Süden und Westen der Insel und berichtete, sie habe in den dichten Wäldern kaum Säugetiere gefunden. Der ungewöhnliche Kuskus machte sie stutzig. Sie fügten Meeks Liste einige Ratten und Fledermäuse hinzu, doch ich hatte meine Zweifel, ob die Gruppe wirklich alle Mittel ausgeschöpft hatte. Als ich auf dem Kai vor der Sunbird saß, dachte ich über unsere Aussichten nach. Würde mein Team neue Entdeckungen machen, und wenn ja, was würden wir finden?
Während ich noch über unser Projekt nachsann, trat ein weißhaariger Mann in Jeans aus der Kajüte der Sunbird. Aus seinem wettergegerbten Gesicht leuchtete ein Paar von der Sonne getrübter, aber noch immer strahlend blauer Augen. »Ich bin Matt Jumelett, Skipper der Sunbird«, verkündete er in breitem, holländischem Dialekt. Dann trat hinter ihm eine deutlich jüngere Blondine aus der Kajüte. »Und ich bin Mipi, die Mannschaft«, fügte sie hinzu und streckte die Hand zum Gruß aus. »Willkommen an Bord! Wollt ihr eine Tasse Tee? «
Damit gingen wir Expeditionsteilnehmer an Bord, um uns dem Kapitän und der Mannschaft vorzustellen. Unsere Gruppe bestand aus dem iranischstämmigen Unternehmer Aziz Irani, dem abenteuerlustigen Verleger Robert Saunders, der Krankenschwester Tish Ennis, dem Computerexperten und Muschelsammler Des Beechey und dem Umweltschützer und Regierungsbeamten Michael Holics. Auf Woodlark sollte ich mit zwei weiteren Expeditionsteilnehmern zusammentreffen: dem texanischen Biologen Greg Mengden, einem weltbekannten Giftschlangen-Experten, und Lester Seri, einem Biologen des Ministeriums für Umwelt und Artenschutz der Regierung von Papua-Neuguinea. Lester und ich hatten bereits drei Festlands-Expeditionen zusammen unternommen und sollten gute Freunde werden.
Nach einer Tasse Tee verstauten wir unsere Geräte auf der Sunbird. Es war eine enge Angelegenheit, überall stapelten sich Kisten und Gasflaschen. Matt schätzte, dass die Überfahrt über die Korallensee von Cairns nach Samarai vier Tage dauern werde. Wegen der Passatwinde, die uns entgegenbliesen, werde er vermutlich vor allem den Motor einsetzen. Ich war enttäuscht, dass wir nicht segeln würden, aber da der Wind heftigen Seegang versprach, verstand ich die Entscheidung. Bald waren wir mittendrin, Wind im Gesicht, Motorengeknatter im Ohr und durchgeschüttelt von den Wellen, die gegen den Rumpf der Sunbird schlugen. Ich schlief in der Kajüte im Bug, wo mich das Rattern des Motors und das Klatschen der Wellen in den Schlaf wiegten. Aber schon nach wenigen Stunden wurde ich von einem lauten Schlag geweckt, der das gesamte Boot erschütterte. Im Halbschlaf hatte ich das Gefühl, das Schiff würde in ein Wellental stürzen, immer tiefer und tiefer, ohne wieder nach oben zu kommen. Wir hatten das schützende Great Barrier Reef hinter uns gelassen und waren in die Korallensee eingefahren.
Das muss gegen 2 Uhr morgens gewesen sein. Da ich zu aufgeregt war, um wieder einzuschlafen, kletterte ich an Deck. Dort erwartete mich ein Himmel, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Von Horizont zu Horizont glühte er vor Sternen. In unserer Bugwelle schimmerte grüner Phosphor, und hin und wieder schlug ein fliegender Fisch gegen den Aluminiumrumpf. Es war eine dieser Nächte, die herrlicher sind als jeder Tag, und nichts hätte mich im Bett gehalten. Leider hatten nicht alle so viel Glück. Des Beechey hing seekrank in seiner Koje. Als ich ihn am nächsten Morgen besuchte, sah er halbtot aus. Tish gab ihm ein Mittel, das sein Leid ein wenig zu lindern schien, doch während der ganzen Fahrt verließ er seine Kajüte kaum. Es wunderte mich nicht, dass er nach der Expedition von Port Moresby aus nach Australien zurückflog, um keine weitere Bootsfahrt durchmachen zu müssen.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Tim Flannery
Flannery, TimTim Flannery, geboren 1956 in Melbourne, lebt als Wissenschaftler, Forscher und Umweltschützer in Australien. Als Zoologe hat er mehr als dreißig neue Säugetierarten entdeckt. Tim Flannery ist Autor zahlreicher Bücher (bei S. Fischer erschienen der Bestseller 'Wir Wettermacher. Wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben bedeutet', 'Auf Gedeih und Verderb. Die Erde und wir: Geschichte und Gegenwart einer besonderen Beziehung' und 'Im Reich der Inseln. Meine Suche nach unentdeckten Arten und andere Abenteuer im Südpazifik' ) und hat viele Dokumentarfilme gedreht. Er war Professor für Zoologie und Direktor des South Australian Museum in Adelaide. Von 2011 bis 2013 war er Head of the Australian Climate Commission.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tim Flannery
- 2013, 272 Seiten, Maße: 15,1 x 22,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Neubauer, Jürgen
- Übersetzer: Jürgen Neubauer
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100211162
- ISBN-13: 9783100211163
- Erscheinungsdatum: 21.02.2013
Rezension zu „Im Reich der Inseln “
'Im Reich der Inseln' ist Forschungsbericht, zoologische Begeisterung, erstaunliche Anekdotensammlung und Protokoll des allmählichen Untergangs der fernen Region zugleich. [...] Lesegenuss pur. Susanne Billig Deutschlandradio (Radiofeuilleton) 20130406
Kommentar zu "Im Reich der Inseln"
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