Inés meines Herzens
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Mit viel Hingabe und Einfühlungsvermögen verleiht Isabel Allende in ihrem Weltbestseller der historischen Gestalt der Ines Sußrez ein Gesicht und eine Stimme und nimmt ihre Leser mit auf eine packende Reise durch ein bewegtes und bewegendes Leben.
Mit viel Hingabe und Einfühlungsvermögen verleiht Isabel Allende in ihrem Weltbestseller der historischen Gestalt der Inés Suárez ein Gesicht und eine Stimme und nimmt ihre Leser mit auf eine packende Reise durch ein bewegtes und bewegendes Leben.
Inés meines Herzens von Isabel Allende
Erstes Kapitel
Europa, 1500-1537
Siebzig Jahre habe ich also mindestens gelebt, ich habe das Leben ausgeschöpft, ich weiß, aber meine Seele und mein Herz, die noch im Zutrauen der Jugend befangen sind, fragen sich dennoch, was um alles in der Welt mit meinem Körper geschehen ist. Wenn ich mich in dem silbernen Spiegel betrachte, Rodrigos erstem Geschenk nach unserer Hochzeit, erkenne ich diese alte, von weißem Haar umkränzte Frau nicht, die zurückschaut. Wer ist die? Wie kommt sie dazu, die wahre Inés zu verspotten? Ich betrachte sie aus der Nähe, weil ich hoffe, auf dem Grund des Spiegels das Mädchen mit den Zöpfen und den aufgeschrammten Knien zu finden, das ich einst war, die junge Frau, die sich für ein heimliches Stelldichein in die Obstgärten davonstahl, die reife und leidenschaftliche Frau, die in den Armen von Rodrigo de Quiroga schlief. Sie kauern dort, sind da, ich weiß es, doch vermag ich sie nicht zu erspähen. Ich reite meine Stute nicht mehr, trage weder Harnisch noch Schwert, aber nicht, weil es mir an Mut gebricht, der immer überreich vorhanden war, sondern weil mein Körper mich im Stich läßt. Die Kraft ist dahin, meine Gelenke schmerzen, meine Knochen sind eisig, mein Blick ist getrübt. Ohne die Augengläser, die ich mir aus Peru habe bringen lassen, könnte ich diese Seiten nicht schreiben.
Ich wollte Rodrigo, Gott hab ihn selig, zu seiner letzten Schlacht gegen die Mapuchehorden begleiten, aber er erlaubte es nicht. »Du bist etwas betagt für ein solches Unternehmen«, lachte er. »Nicht betagter als du«, hielt ich ihm entgegen, obwohl es nicht stimmte, denn er war etliche Jahre jünger. Wir glaubten beide, wir würden uns nicht wiedersehen, nahmen jedoch Abschied ohne eine Träne, weil wir uns sicher waren, im Jenseits erneut zueinanderzufinden. Ich wußte längst, daß Rodrigos Tage gezählt waren, auch wenn er das nach Kräften zu verbergen suchte. Nie hörte ich eine Klage von ihm, er biß die Zähne zusammen, und nur der kalte Schweiß auf seiner Stirn verriet seine Schmerzen. Fiebrig und abgezehrt brach er in den Süden auf, am Bein ein eiterndes Geschwür, gegen das all meine Heilsalben und Gebete nichts vermochten; er wünschte, als Soldat im Getümmel der Schlacht zu sterben, nicht als Greis zwischen den Laken seiner Bettstatt. Ich wünschte, bei ihm zu sein, wenn das Ende käme, um seinen Kopf zu halten und ihm für all die Liebe zu danken, die er mir in unserem langen Leben geschenkt hat. »Sieh dich um, Inés«, sagte er und wies mit der Hand auf unsere Ländereien, die sich bis an den Fuß der Berge erstrecken. »All das und die Seelen Hunderter Indios hat Gott unserem Schutz anempfohlen. Wie es meine Pflicht ist, gegen die Wilden in Araukanien ins Feld zu ziehen, ist es deine, den Gütern und unseren Schutzbefohlenen beizustehen.«
In Wahrheit brach er allein auf, weil er mir den traurigen Anblick seiner Krankheit ersparen wollte, ich sollte ihn zu Pferd in Erinnerung behalten, wie er seine Tapferen in den Kampf gegen die ungezähmten Heerscharen der Mapuche führte, die sich in ihrer heiligen Region südlich des Flusses Bío Bío verschanzt haben. Als Hauptmann war das sein gutes Recht, und so gehorchte ich seinem Befehl wie die folgsame Ehefrau, die ich nie war. In einer Hängematte trug man ihn aufs Schlachtfeld, und dort band ihn sein Schwiegersohn auf dem Pferd fest, wie man es einst mit dem großen Cid getan hatte, um den Feind durch seine bloße Anwesenheit in Schrecken zu versetzen. Der Gefahr nicht achtend und mit meinem Namen auf den Lippen, stürmte er wie außer sich seinen Mannen voran, doch fand er nicht den ersehnten Tod. Sterbenskrank brachten sie ihn mir in einer notdürftig gezimmerten Sänfte zurück – das Gift des Geschwürs hatte seinen Leib befallen. Jeder andere wäre längst den Verheerungen der Krankheit und der Mühsal des Krieges erlegen, aber Rodrigo war stark. »Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt und werde dich bis in alle Ewigkeit lieben, Inés«, sagte er mir mit ersterbender Stimme und auch, man solle ihn in aller Stille begraben und dreißig Messen lesen für den Frieden seiner Seele. Ich sah den Engel des Todes, ein wenig verschwommen wie die Buchstaben hier auf dem Papier, aber doch unverkennbar. Da schickte ich nach Dir, Isabel, damit Du mir zur Hand gingst, denn Rodrigo war zu stolz, seine Vernichtung durch die Krankheit vor den Dienstmädchen zu zeigen. Nur Dir, seiner Tochter, und mir gestattete er, ihm die vollständige Rüstung anzulegen und dazu die eisenbeschlagenen Stiefel, und dann halfen wir ihm in den Sessel, der ihm der liebste gewesen war, und legten ihm Helm und Degen auf die Knie, damit er die Sakramente der Kirche in ungebrochener Würde empfangen konnte, so, wie er gelebt hatte. Der Engel des Todes, der nicht von seiner Seite gewichen war und still darauf wartete, daß wir ihn für die Reise bereitmachten, nahm ihn in seine schützenden Arme, und dann nickte er mir zu, damit ich herantrat und den letzten Atemhauch meines Mannes empfing. Ich beugte mich über Rodrigo und küßte ihn auf den Mund, küßte ihn, wie Liebende küssen. Er starb in diesem Haus, in meinen Armen, an einem warmen Sommerabend.
Ich konnte Rodrigos Wunsch nach einem stillen Begräbnis nicht erfüllen, denn er war der am meisten geliebte und geachtete Mann Chiles. Ganz Santiago war auf den Beinen, um ihn zu betrauern, und aus den anderen Städten des Landes erreichten uns ungezählte Beileidsbekundungen. Jahre zuvor waren die Bewohner der Stadt auf die Straßen geströmt und hatten mit Blumen und Salutschüssen seine Ernennung zum Gouverneur gefeiert. Nun trugen wir ihn mit der ihm gebührenden Ehre in der Kirche unserer Señora de las Mercedes zu Grabe, die er und ich zum Ruhme unserer heiligsten Jungfrau hatten errichten lassen und in der sehr bald auch meine Knochen ihre letzte Ruhe finden werden. Ich habe den Barmherzigen Brüdern ausreichend Geld vermacht, damit sie dreihundert Jahre hindurch allwöchentlich eine Messe lesen für den Frieden der Seele des edlen Ritters Don Rodrigo de Quiroga, der ein tapferer Soldat Spaniens war, Adelantado, Konquistador und zweimaliger Gouverneur Chiles, Ritter des Santiagoordens, mein Ehemann. Diese Monate ohne ihn sind mir eine Ewigkeit geworden.
Ich sollte nicht vorgreifen. Wenn ich die Ereignisse meines Lebens ohne Strenge und Ordnung schildere, werde ich mich auf dem Weg verlieren; eine Chronik hat dem natürlichen Verlauf der Geschehnisse zu folgen, auch wenn die Erinnerung ein Wirrsal ohne Logik ist. Ich schreibe nachts an Rodrigos Pult, eingehüllt in seine Alpakadecke. Der vierte Baltasar wacht bei mir, der Urenkel des Hundes, der mit mir nach Chile kam und mich vierzehn Jahre hindurch begleitet hat. Dieser erste Baltasar starb 1553, im selben Jahr, in dem Valdivia getötet wurde, aber er hat mir seine Nachkommen hinterlassen, die alle groß sind wie Kälber, mit tolpatschigen Pfoten und drahtigem Fell. Es ist kalt in diesem Haus, trotz der Teppiche, Vorhänge und Tapisserien und obwohl die Dienerschaft die Kohlebecken stets mit Glut füllt. Wie oft hast Du Dich beklagt, Isabel, man könne in diesen Wänden vor Hitze nicht atmen; die Kälte muß wohl in mir selbst sein. Daß ich meine Erinnerungen und Gedanken mit Tinte zu Papier bringen kann, verdanke ich dem Gottesmann González de Marmolejo, der neben seiner Arbeit, den Wilden das Evangelium zu bringen und den Christen Trost, die Zeit fand, mich lesen und schreiben zu lehren. Damals war er Feldkaplan, doch sollte er der erste Bischof von Chile werden und obendrein der reichste Mann im Land. Auch sein letztes Hemd hatte keine Taschen, jedoch ist die Spur seiner guten Taten geblieben, die ihm die Liebe der Menschen eintrugen. Am Ende besitzt man nur, was man gegeben hat, sagte Rodrigo, der weitherzigste Mensch, den es je gab.
© Suhrkamp
Übersetzung: Svenja Becker
- Autor: Isabel Allende
- 2008, 2. Aufl., 394 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Svenja Becker
- Verlag: Suhrkamp
- ISBN-10: 3518460358
- ISBN-13: 9783518460351
- Erscheinungsdatum: 14.11.2008
2.5 von 5 Sternen
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