Inselgschicht'n

Die Abensonne meinte es mal wieder gut mit dem Chiemsee und der Fraueninsel. Wie gemalt liegt sie da, und am Nordsteg, da sammeln sich die letzten Tagestouristen und warten auf die MS Edeltraud. Hoch über ihnen, unter dem weiß-blauen Bayernhimmel, da fliegen zwei Möwen: der Bertl, hinter seinem Federrücken auch "der steife Bertl" genannt, weil er seit dem letzten harten Winter doch ein bisserl die Gicht im linken Flügel spürt. Drei oder vier Längen vor ihm schwebt sein Möwenweib, die Anna. Wenn es der Bertl nicht hört, wird sie in Jungmöwenkreisen auch gern "die scharfe Anna" genannt. "Hast noch Lust auf einen Absacker?" kreischt die Anna im Flug nach hinten zum Bertl."Ja", schreit er, "aber wo willst denn noch hin, in Dreiteufelsnamen?" "Da unten, schau doch einmal, da ist die MS Edeltraud, die haben wieder so eine Tanzfahrt, weißt schon, mit Musik und lustigen Sachen und so." Da geht doch immer was. Seufzend dreht der Bertl im Flug den Kopf nach unten, und tatsächlich, da ist sie, die "Edeltraud". Hell erleuchtet, Musikfetzen schwappen hoch in die laue Luft, zusammen mit Lachen und Gläserklirren. "Weiber" denkt der Bertl und geht in den Sinkflug.

Heinz von Wilk, 1949 geboren, ist in Rosenheim aufgewachsen und als Musiker viele Male um die Welt gereist. Er betrieb eine Künstleragentur in Osnabrück, anschließend eine Immobilienfirma im spanischen Dénia, heute lebt er mit Frau und Dackel im Chiemgau.