Italiens Fahrt in die Moderne
Seekriegsführung und Staatsbildung im Kontext des Risorgimento
Die nationalstaatliche Einigung Italiens vollzog sich Mitte des 19. Jahrhunderts - wie in Deutschland - im Gefolge dreier Kriege. Anders als nördlich der Alpen erwies sich dabei allerdings das Militär nicht als ein modernes und effizientes Werkzeug der...
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Produktinformationen zu „Italiens Fahrt in die Moderne “
Klappentext zu „Italiens Fahrt in die Moderne “
Die nationalstaatliche Einigung Italiens vollzog sich Mitte des 19. Jahrhunderts - wie in Deutschland - im Gefolge dreier Kriege. Anders als nördlich der Alpen erwies sich dabei allerdings das Militär nicht als ein modernes und effizientes Werkzeug der Politik. Im letzten dieser Kriege, 1866 gegen das Kaiserreich Österreich, erlitt die italienische Armee trotz deutlicher Überlegenheit schwere Niederlagen. Besonders die Seeschlacht vor der kroatischen Adria-Insel Lissa am 20. Juli 1866 wurde in Italien als katastrophale Demütigung empfunden. Arne Karsten untersucht Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des nationalen Traumas "Lissa", und zeigt dabei, auf welche Weise eine heute weitgehende vergessene Seeschlacht zu den verborgenen Hintergründen der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs zählte.
Lese-Probe zu „Italiens Fahrt in die Moderne “
Einleitung »Leicht gesagt: verkehrte Politik. Wann verkehrt? Heute? Nach zehn Jahren? Nach einem Jahrhundert?« Gottfried Benn Zu Beginn des Jahres 1873 berichtete der Italienkorrespondent der »Times« von der parlamentarischen Antrittsrede des neuen italienischen Marineministers Simone Pacoret di Saint-Bon im römischen Palazzo Montecitorio. Schon nach wenigen Sätzen erinnert der Artikel mit ein-dringlichen Worten an ein erst wenige Jahre zurückliegendes historisches Geschehen: »Es gibt kein anderes Ereignis in den kurzen Annalen des noch jungen italienischen Königreichs, das dem Herzen seiner Einwohner eine tiefere Demütigung zufügt als das Desaster von Lissa; die Italiener würden kein Opfer scheuen, um durch ihre Seerüstungen künftig die Voraussetzung zu schaffen, die Schande dieses unglückseligen Treffens auszulöschen; und doch gibt es nichts, in das sie weniger Vertrauen hätten, als in die gegenwärtige Leistungsfähigkeit ihrer Kriegsmarine bzw. in die Möglichkeit, sie in eine bessere Verfassung zu bringen.« Wie präsent die Erinnerung an die Niederlage war, welche die italienische Flotte am 20. Juli 1866 vor den Küsten der kleinen dalmatinischen Insel Lissa, dem heutigen Vis, erlitten hatte, tritt wenige Zeilen später noch deutlicher zu Tage, wenn es heißt: »Seit Lissa sind die Italiener ebenso überzeugt von der Notwendigkeit, so etwas wie Ordnung in ihr Marineministerium zu bringen, wie von der nahezu vollständigen Unmöglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Die häufigen politischen Krisen las sen selten genug fähige Minister an die Spitze der Ressorts gelangen, in der Marine jedoch niemals. Die Dinge in der Marine verschlechtern sich kontinuierlich, und die Hoffnung, die italienischen Seeleute könnten irgendwann einmal die Ehre wiedererlangen, die sie bei Lissa verloren haben, sinkt von Tag zu Tag.« Die langfristig traumatisierende Wirkung, die der britische Journalist der Seeschlacht bei Lissa zuschreibt, könnte insofern erstaunen, als sich die materiellen
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Ergebnisse des Treffens im Juli 1866 auf dem Papier so marginal ausnahmen, dass italienische Stimmen immer wieder dafür plädierten, »Lissa« gar nicht den Rang einer Schlacht zuzuerkennen, sondern lediglich als ein Scharmützel zu bezeichnen. Rein formal gesehen lassen sich dafür auch gute Gründe anführen. Denn der Kampf zwischen dem italienischen Adria-Geschwader, das vier Tage vor der Schlacht zur Eroberung der kleinen Insel aufgebrochen war, und der österreichischen Kriegsflotte war kurz. In einem Gefecht, dessen entscheidende Phase keine zwei Stunden dauerte, verlor die italienische Flotte lediglich zwei ihrer 34 Schiffe, der österreichische Gegner kein einziges. Und auch wenn die Menschenverluste der Italiener mit 620 Toten und 181 Verwundeten deutlich höher waren als diejenigen der Österreicher, die 138 Tote und Verwundete zu beklagen hatten, wird man dennoch feststellen müssen, dass die Zahlen als solche nicht erkennen lassen, weshalb die Seeschlacht bei Lissa ein epochales Ereignis darstellte. Der Aufbau der Arbeit Dennoch war sie es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Dabei sollen die militärischen Ereignisse des 20. Juli 1866 eingebettet werden in einen größeren zeitlichen Rahmen einerseits, in allgemeine politische und gesellschaftliche Kontexte andererseits. Die Chronologie von Vorgeschichte, Verlauf und Folgen der Schlacht prägt die Struktur der vorliegenden Studie, deren erster Hauptteil untersucht, welche Entwicklungsumstände dazu führten, dass sich die italienische Kriegsflotte vor Lissa einem auf dem Papier weit unterlegenen Gegner geschlagen geben musste. Im zweiten Teil wird es dann darum gehen, die Folgen der Schlacht sowohl im engeren, militärischen Sinn als auch und vor allem ihre politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen für die Entwicklung Italiens in den Blick zu nehmen. Die Flotte, auf der bei Beginn des »Dritten Italienischen Unabhängigkeitskriegs« am 20. Juni 1866 die Hoffnungen der italienischen Patrioten ruhten, konnte auf keine lange
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Inhaltsverzeichnis zu „Italiens Fahrt in die Moderne “
Einleitung 9 Erster Teil: Die Geschichte einer Schlacht I. Prolog im Süden 43 Schiffe vor Marsala 43 Cavours Kalküle 54 Die Finanzen des Risorgimento 59 Carlo Pellion, Conte di Persano 68 Persanos Probleme 87 II. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg: Die Entwicklung der italienischen Flotte in den Jahren von 1861 bis 1866 101 Trübe Erinnerungen: Der Süden nach der Einigung 101 Zukunftsträume: Eine große Flotte für eine große Nation 107 Dampf und Eisen: Die industrielle Revolution zur See 112 Kontinuitätsprobleme: Das Ministerkarussell 115 Logistikprobleme: Von Häfen und Höfen 121 III. »Muß Sieg von Lissa werden« 127 Wilhelm von Tegetthoff und die österreichische Flotte 127 Ancona 136 Die »Adria-Kreuzfahrt« 146 Der Angriff auf Lissa 158 Die Schlacht 166 Zweiter Teil: Die Folgen der Schlacht 183 I. Lissa und die Presse 185 Das Schicksal von Kaiser und Kiffer 185 Die Stimmung kippt 196 Gerichtstag 207 Die Sicht der Anderen 218 Der inneritalienische Pressekrieg 227 II. Der Prozess Persano 235 Die Suche nach den Verantwortlichen 235 Die Recherchen des Staatsanwalts 245 Der Prozess für die Öffentlichkeit 256 Die Konfetti-Kanonen 267 III. Lissas Nachleben 273 Persano als Symbol und Sündenbock 273 Wer ist schuld? 279 Rache für Lissa 286 Der Löwe von Lissa 302 Epilog - Eine Schlacht und ihre Folgen 311 Danksagung 327 Bibliografie 329 Bildnachweis 351 Personenregister 353
Autoren-Porträt von Arne Karsten
Arne Karsten, Dr. phil., ist Akademischer Oberrat und Dozent für Geschichte der Neuzeit am Historischen Seminar der Universität Wuppertal.
Bibliographische Angaben
- Autor: Arne Karsten
- 2019, 356 Seiten, Maße: 14,9 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593511185
- ISBN-13: 9783593511184
- Erscheinungsdatum: 14.12.2019
Pressezitat
»In gut lesbarer Weise beschreibt der Autor an einem Beispiel, wie schwierig der italienische Weg in die Moderne, vor allem aber wie kompliziert das Verhältnis von Politik und Parlament, Öffentlichkeit und Marine im Zuge des Staatsbildungsprozesses war.« Michael Epkenhans, Historische Zeitschrift, Band 312 / 2021»Insgesamt eine faszinierende Untersuchung, v.a. mit der Fülle von Quellenzitaten aus italienischen Dokumenten und Medien und als Einblick in die inneren Befindlichkeiten und Strukturen einer durch die 'Altlasten' der Staatswerdung belasteten Flotte von großem Anspruch und damals nur unzureichenden Fähigkeiten im personellen Bereich.« ÖMZ, 06.12.2022
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