Winterwunder / Jahreszeitenzyklus Bd.4
Bei den vier Freundinnen Emma, Mac, Laurel und Parker läuft es prima. Ihre Hochzeitsagentur läuft wie am Schnürchen und alle haben ihre Liebe fürs Leben gefunden. Bis auf Parker. Sie scheint vor lauter Arbeit keine Zeit für die...
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Bei den vier Freundinnen Emma, Mac, Laurel und Parker läuft es prima. Ihre Hochzeitsagentur läuft wie am Schnürchen und alle haben ihre Liebe fürs Leben gefunden. Bis auf Parker. Sie scheint vor lauter Arbeit keine Zeit für die Liebe zu haben. Bis sie Malcom kennenlernt.
"Aufregend und romantisch"
COSMOPOLITAN
Brief von Nora Roberts an ihre deutschen Leser zum Erscheinen von "Winterwunder«"
(September 2011)
Liebe Leserin,
lieber Leser,
es machte mir selbst großen Spaß, die Jahreszeiten-Saga zu schreiben, aber oft war es auch ein Wagnis, da sie nach all den Büchern mit übernatürlichen Themen meine Rückkehr zu zeitgenössischen Liebesromanen markiert. Aber die Frauen von Vows machten diesen Weg fröhlich und schön, und die Reaktionen der Leser waren überwältigend.
Da eine Tetralogie sich sehr von einer Trilogie unterscheidet, wusste ich, dass die vier Romane auf etwas aufbauen mussten, das mich selbst interessiert. Die Idee zu dieser Saga entstand vor ein paar Jahren, als wir die Hochzeit meines jüngsten Sohnes planten.
Ich habe mich an den Hochzeiten meiner beiden Söhne beteiligt und war immer schon fasziniert von der Planung und der Fülle an Details, die man berücksichtigen muss. Also dachte ich, es wäre schön, vier Frauen zu haben, Freundinnen seit ihrer Kindheit, die eine Hochzeitsagentur gründen, in der jede ein eigenes Fachgebiet vertritt. Ich wollte diese weiblichen Bande der Freundschaft und Familie beschreiben, die sie als Kinder entwickelt hatten, und jede Frau etwas tun lassen, das sie wirklich liebt - und sie in die Lage versetzen, gemeinsam zu arbeiten und zu leben. Diese Bande, die dehnbar und doch fest zugleich sind, bilden eine sehr wichtige Grundlage der Jahreszeiten-Bücher.
Natürlich spielt die Romantik eine große Rolle, die Frage, welcher Mann der Richtige für jede einzelne der Frauen ist, und wie diese Männer einerseits die Dynamik verändern, aber sich gleichzeitig in das Frauen-Quartett einfügen. Zu guter Letzt ist da auch noch der ganze Trubel, den eine Hochzeit mit sich bringt - das Traurige und das Schöne, das nicht nur eine Hochzeit, sondern das ganze Leben prägt. Ich hatte eine großartige Zeit mit all diesen Dingen.
Jetzt, da Mac, Emma und Laurel die große Liebe gefunden haben, ist Winterwunder, der Abschluss des Zyklus, die Geschichte von Parker Brown. Parker und Malcolm Kavanaugh haben sich seit ihrer ersten, ziemlich stürmischen Begegnung in Sommersehnsucht „umtanzt". Wir wissen, dass Parker mit allem fertig wird. Als Malcolm Parker überraschend küsst, nachdem er ihr bei ihrer Autopanne geholfen hat, tut sie den Kuss als eine weitere Drehung in diesem Tanz ab. Aber es zeigt sich, dass der sexy Automechaniker wirklich an Parker interessiert ist. Die ganze Idee einer ernsthaften, romantischen Beziehung zu Malcolm reicht aus, Parker vollkommen aus dem Takt zu bringen. Und sie hat noch viele verschiedene Facetten, die Malcolm entdecken muss.
Ich hoffe, ihr genießt das Lesen von Winterwunder ebenso sehr, wie ich das Schreiben genossen habe. Und für jeden von uns ist ein solches Wunder möglich!
Nora
SPIEGEL Bestseller!
Prolog
Die Trauer kam in Wellen, heftig und stoßweise, erschütternd und herzzerreißend. An anderen Tagen schwappten die Wellen langsam und träge, drohten, die Seele zu ertränken. Gute, liebevolle Menschen behaupteten, die Zeit werde die Wunden heilen. Parker hoffte, dass sie Recht hatten, doch als sie Monate nach dem plötzlichen, schockierenden Tod ihrer Eltern in der Spätsommersonne auf dem Balkon ihres Schlafzimmers stand, rollten die unberechenbaren Wellen immer noch heran.
Sie hatte so viel, rief sie sich in Erinnerung. Ihr Bruder Del, ohne den sie diese Zeit der Trauer vermutlich nicht überlebt hätte, war in dem weiten Meer aus Schock und Kummer ein Fels in der Brandung gewesen. Ihre Freundinnen Mac, Emma und Laurel waren ein Teil ihres Lebens, ein Teil von ihr, und das seit ihrer Kindheit. Sie waren der Klebstoff gewesen, der die Bruchstücke ihrer Welt gekittet und zusammengehalten hatte. Und sie hatte die beständige, rückhaltlose Unterstützung ihrer langjährigen Haushälterin Mrs Grady, ihrer Insel des Trostes.
Sie hatte ihr Zuhause. Die Schönheit und Eleganz des Brownschen Anwesens kamen ihr irgendwie tiefer, klarer vor, seit sie wusste, dass sie ihre Eltern nicht mehr durch die Gärten spazieren sehen würde. Nie wieder würde sie nach unten rennen und ihre Mutter in der Küche finden, wo sie mit Mrs G. lachte, oder hören, wie ihr Vater in seinem Arbeitszimmer ein Geschäft abschloss.
Anstatt zu lernen, auf den Wellen zu reiten, spürte sie, wie sie tiefer und tiefer hinunter ins Dunkel gezogen wurde.
Die Zeit, beschloss sie, musste genutzt, beschleunigt, in Bewegung gebracht werden.
Sie glaubte - hoffte - einen Weg gefunden zu haben, die Zeit nicht nur zu nutzen, sondern in Ehren zu halten, was ihre Eltern ihr geschenkt hatten, und diese Gaben mit der Familie und den Freundinnen zu vereinen.
Produktiv zu sein, dachte sie, als der erste Hauch von würzigem Herbstduft durch die Luft wehte. Die Browns arbeiteten. Sie bauten und produzierten, und sie lehnten sich nie, niemals zurück, um sich auf etwas Erreichtem auszuruhen.
Ihre Eltern hätten von ihr erwartet, dass sie nicht weniger leistete als ihre Vorfahren.
Ihre Freundinnen mochten denken, sie hätte den Verstand verloren, doch sie hatte recherchiert, gerechnet und ein solides Unternehmenskonzept entworfen, ein verlässliches Modell, und mit Dels Hilfe auch einen fairen und vernünftigen Vertrag.
Es war Zeit zu schwimmen, sagte sie sich.
Untergehen würde sie nicht.
Sie ging zurück ins Schlafzimmer und nahm die vier dicken Pakete, die sie auf ihre Frisierkommode gelegt hatte. Bei der Besprechung sollte jede eins bekommen - auch wenn sie ihren Freundinnen nicht gesagt hatte, dass sie zu einer Besprechung kommen würden.
Sie hielt inne und nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihr glänzendes braunes Haar zum Pferdeschwanz zurückzubinden. Dann starrte sie sich so in die Augen, bis durch ihre schiere Willenskraft in dem Tiefblau ein Funke aufblitzte.
Sie konnte dafür sorgen, dass es funktionierte. Nein, sie alle konnten dafür sorgen.
Parker musste die anderen nur davon überzeugen.
Unten traf sie auf Mrs Grady, die letzte Hand ans Essen legte.
Die resolute Frau wandte sich vom Herd ab und zwinkerte ihr zu. »Bereit?«
»Zumindest vorbereitet. Ich bin nervös. Ist das albern? Sie sind meine besten Freundinnen.«
»Es ist ein großer Schritt, den du gehen und zu dem du sie auffordern willst. Du wärst eine Idiotin, wenn du nicht ein bisschen nervös wärst. « Mrs Grady trat auf Parker zu und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. »Ich setze auf dich. Geh nur nach draußen. Ich habe ein bisschen was Exklusives gemacht und serviere euch Horsd'oeuvres und Wein auf der Terrasse. Meine Mädels sind schließlich erwachsen.«
Das wollte Parker sein, aber, o Gott, in ihr war ein Kind, das sich nach Mama und Papa sehnte, nach dem Trost, der Liebe, der Sicherheit.
Draußen legte sie die Päckchen auf einen Tisch und ging zum Weinkühler, um sich ein Glas einzuschenken.
Dann stand sie da, mit dem Glas in der Hand, und ließ in dem sanfter werdenden Licht den Blick über die Gärten schweifen, bis hin zu dem hübschen kleinen Teich und den Weiden, die sich darin spiegelten.
»Gott! Davon brauch ich unbedingt auch was. «
Mit diesen Worten stürzte Laurel aus dem Haus. Sie trug ihr blondes Haar brutal kurz - ein neuer Look, den sie schon bereute - und steckte noch in der Arbeitskleidung ihres Jobs als Dessert-Chefköchin in einem gehobenen Restaurant.
Laurel verdrehte die hellen blauen Augen, während sie sich Wein einschenkte. »Als ich meinen Dienstplan für unseren Mädelsabend geändert habe, konnte kein Mensch ahnen, dass wir in letzter Minute eine Reservierung zum Mittagessen für zwanzig Personen bekommen würden. Den ganzen Nachmittag war die Küche ein Tollhaus. Mrs G.'s Küche dagegen ... « Nachdem sie stundenlang auf den Beinen gewesen war, ließ sie sich aufstöhnend auf einen Stuhl sinken. »Eine Oase der Ruhe, in der es himmlisch duftet. Was gibt's zu essen?«
»Ich habe nicht gefragt.«
»Macht nichts.« Laurel winkte ab. »Aber wenn Emma und Mac zu spät kommen, fange ich ohne sie an.« Ihr Blick fiel auf Parkers Päckchen. »Was ist das?«
»Etwas, womit ich nicht ohne Mac und Emma anfangen kann. Laurel, möchtest du zurück nach New York?«
Über den Rand ihres Glases musterte Laurel die Freundin. »Schmeißt du mich raus?«
»Eigentlich will ich nur wissen, was du willst. Ob du zufrieden bist, so wie es jetzt ist. Du bist meinetwegen wieder hergezogen, nach dem Unfall, und ... «
»Ich lebe von einem Tag zum anderen und entscheide spontan. Im Moment ist es okay für mich, keine Pläne zu haben. Gut? «
»Hm ... « Parker brach ab, da Mac und Emma gemeinsam lachend aus dem Haus kamen.
Emma, dachte sie, so schön mit ihrer wahnsinnigen Lockenpracht und den dunklen, exotischen Augen, die vor Freude strahlten. Und Mac - groß und schlank in Jeans und schwarzer Bluse, leuchtend rotes Haar, das in Büscheln abstand, grüne Augen, in denen der Schalk blitzte.
»Worüber lacht ihr?«, wollte Laurel wissen.
»Männer.« Mac stellte die Teller mit Brie en croûte und Spinat-Torteletts ab, die Mrs Grady ihr auf dem Weg durch die Küche in die Hand gedrückt hatte. »Die beiden, die dachten, sie könnten sich im Armdrücken um Emma messen.«
»Es war irgendwie süß«, meinte Emma. »Zwei Brüder, die in den Laden kamen, um ihrer Mutter zum Geburtstag Blumen zu kaufen. Dann führte eins zum anderen.«
»Ins Fotostudio kommen auch die ganze Zeit Typen.« Mac nahm sich eine gezuckerte blaue Traube aus der Schüssel, die schon auf dem Tisch stand, und ließ sie sich direkt in den Mund fallen. »Aber ich habe noch nie erlebt, dass zwei davon sich für ein Date mit mir im Armdrücken messen.«
»Manches ändert sich nie«, stellte Laurel fest und prostete Emma zu.
»Manches doch«, sagte Parker. Sie musste anfangen, musste die Sache angehen. »Deshalb habe ich euch auch heute Abend hergebeten.«
Emma, die gerade zum Brie greifen wollte, hielt inne. »Ist was passiert?«
»Nein. Aber ich wollte mit euch allen zusammen sprechen.« Entschlossen schenkte Parker auch Mac und Emma Wein ein. »Setzen wir uns.«
»Ah-oh«, murmelte Mac.
»Kein Ah-oh«, versicherte Parker. »Zuerst will ich sagen, dass ich euch alle sehr lieb habe. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Wir haben so viel mitei nander erlebt, Schönes und Schweres. Und als es für mich am schlimmsten war, wusste ich, dass ihr da sein würdet.«
»Wir sind alle füreinander da.« Emma beugte sich vor und legte die Hand auf die von Parker. »Ist doch normal, wenn man befreundet ist. «
»Ja. Trotzdem sollt ihr wissen, wie viel ihr mir bedeutet, und noch was: Wenn eine von euch, aus welchem Grund auch immer, nicht ausprobieren will, was ich euch gleich vorschlage, ändert sich dadurch nichts zwischen uns. «
Sie hob die Hand, bevor jemand etwas sagen konnte. »Lasst mich so anfangen. Emma, du hättest eines Tages gern deinen eigenen Floristikbetrieb, oder?«
»Das war immer mein Traum. Ich meine, ich arbeite gern in dem Laden, und der Chef lässt mir viel Freiraum. Trotzdem hoffe ich, dass ich irgendwann meinen eigenen Betrieb habe. Aber ... «
»Noch kein Aber. Mac, du bist zu begabt und zu kreativ, um jeden Tag nur Passbilder und gestellte Kinderfotos zu machen.«
»Mein Talent kennt keine Grenzen«, flachste Mac, »aber man muss ja was zu beißen haben.«
»Du hättest lieber dein eigenes Fotostudio.«
»Ich hätte auch lieber, dass Justin Timberlake sich meinetwegen mit Ashton Kutcher im Armdrücken anlegt, aber das ist ebenso unwahrscheinlich.«
»Laurel, du hast in Paris und New York gelernt, um Chefkonditorin zu werden.«
»Eine Chefkonditorin, die weltweit ihresgleichen sucht.« »Und du gibst dich damit zufrieden, im Willows zu arbeiten. «
Laurel schluckte ein Stück von ihrem Spinat-Tortelett hinunter. »Na ja ...«
»Zum Teil liegt das daran, dass du für mich da sein wolltest, nachdem Del und ich unsere Eltern verloren hatten. Ich habe studiert«, fuhr Parker fort, »mit dem Ziel, eines Tages einen eigenen Betrieb zu leiten. Ich hatte schon immer eine Idee, was für ein Betrieb das sein sollte, aber es kam mir wie ein Hirngespinst vor. Über das ich nie mit einer von euch gesprochen habe. Doch in den letzten Monaten scheint das Ganze greifbarer und realistischer geworden zu sein.«
»Um Himmels willen, Parker, was ist es?«, wollte Laurel wissen.
»Ich möchte, dass wir gemeinsam ein Geschäft gründen. Wir vier, wobei jede von uns ihren eigenen Bereich leitet - ganz nach ihren Interessen und ihrem Können, aber trotzdem sozusagen unter einem Dach.«
»Ein Geschäft gründen?«
»Wisst ihr noch, wie wir früher Heiraten gespielt haben? Wie wir alle abwechselnd verschiedene Rollen übernommen, Kostüme angezogen und Themenhochzeiten geplant haben? «
»Am liebsten habe ich Harold geheiratet.« Mac lächelte beim Gedanken an den Familienhund der Browns, der schon lange tot war. »Er sah so gut aus und war so treu.«
»Das könnten wir in echt tun - aus dem Heiraten spielen ein Geschäft machen.«
»Kleine Mädchen mit Kostümen, Cupcakes und geduldigen Hunden versorgen?«, erkundigte sich Laurel.
»Nein, aber ein einzigartiges, wundervolles Ambiente bieten. Dieses Haus, dieses Anwesen, fantastische Torten und Gebäck, zum Heulen schöne Blumensträuße und Gestecke, umwerfende, kreative Fotos - und meinerseits jemanden, der sich um jedes Detail kümmert, durch das eine Hochzeit oder sonstige bedeutende Feier zum per fektesten Tag im Leben der Kunden wird.«
Parker holte zwischendurch kaum Luft. »Durch meine Eltern habe ich schon unzählige Kontakte. Zu Caterern, Weinhändlern, Vermietern von Luxuslimousinen, Frisier- und Kosmetiksalons - alles Mögliche. Und was ich nicht habe, bekomme ich noch. Also eine Hochzeits- und Veranstaltungsagentur mit uns vieren als gleichberechtigten Geschäftspartnerinnen.«
»Eine Hochzeitsagentur.« Emma bekam ganz verträumte Augen. »Das klingt wundervoll, aber wie können wir ...«
»Ich habe ein Unternehmenskonzept, ich habe Zahlen und Fakten und Antworten auf juristische Fragen, falls ihr welche habt. Del hat mir geholfen, alles auszuarbeiten.«
»Er ist einverstanden?«, fragte Laurel. »Delaney ist damit einverstanden, dass du aus dem Anwesen, aus eurem Zuhause, ein Geschäft machst?«
»Er steht voll und ganz hinter mir. Und sein Freund Jack ist bereit zu helfen, das Poolhaus in ein Fotostudio mit darüber liegender Wohnung umzubauen und das Gästehaus in einen Blumenladen mit angrenzendem Appartement. Die Behelfsküche hier können wir zu deinem Arbeitsbereich machen, Laurel. «
»Wir würden hier leben, auf dem Anwesen?«
»Ihr hättet die Möglichkeit«, erklärte Parker auf Macs Frage. »Eine Hochzeitsagentur bedeutet viel Arbeit, und es wäre effizienter, wenn wir alle direkt vor Ort wohnen würden. Ich zeige euch die Zahlen, das Konzept, die Umsatzprognosen, die verschiedenen Aufgaben. Aber das alles hat keinen Sinn, wenn einer von euch das Grundkonzept nicht zusagt. Und wenn dem so ist, na ja, dann versuche ich, euch zu überreden«, ergänzte Parker lachend. »Wenn ihr es dann immer noch nicht mögt, gebe ich auf. «
»Das glaubst du doch selbst nicht.« Laurel fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar. »Wie lange hast du schon daran gebastelt?«
»Ernsthaft? Aktiv? Ungefähr drei Monate. Ich musste mit Del sprechen, und mit Mrs G. - ohne ihre Unterstützung würde das Ganze nie funktionieren. Aber ich wollte erst alles fertig haben, bevor ich euch damit bombardiere. Es ist ein Geschäft«, sagte Parker. »Es wäre unser Geschäft, also müsste es auch von Grund auf als solches angelegt werden.«
»Unser Geschäft«, wiederholte Emma. »Hochzeiten. Gibt es was Glücklicheres als eine Hochzeit?«
»Oder was Durchgeknallteres?«, warf Laurel ein.
»Mit Durchgeknalltem kommen wir vier schon klar. Parks?« Macs Grübchen zuckten, als sie die Hand ausstreckte. »Ich bin voll dabei.«
»Du kannst nicht zusagen, ohne das Konzept und die Zahlen zu kennen.«
»Doch, kann ich«, widersprach Mac. »Ich will das.«
»Ich auch.« Emma legte die Hand auf Parkers und Macs.
Laurel atmete tief ein und hielt die Luft an. Atmete wieder aus. »Damit sind wir uns wohl einig.« Und sie legte die Hand auf die der Freundinnen. »Wir schmeißen hammermäßige Hochzeiten.«
1
Die Chaosbraut rief morgens um fünf Uhr achtundzwanzig an.
»Ich hatte einen Traum«, berichtete sie Parker, die mit ihrem BlackBerry im Dunkeln lag.
»Einen Traum?«
»Einen irren Traum. So real, so eindringlich, so bunt und voller Leben! Ich bin sicher, das hat etwas zu bedeuten. Ich rufe gleich meine Hellseherin an, aber ich wollte zuerst mit Ihnen darüber sprechen.«
»Okay.« Mit geübtem Griff dimmte Parker ihre Nachttischlampe herunter. »Worum ging es in dem Traum, Sabina?«, fragte sie, während sie Block und Stift nahm, die neben der Lampe bereitlagen.
»Um Alice im Wunderland.«
»Sie haben von Alice im Wunderland geträumt?« »Genauer gesagt von der Teegesellschaft beim verrückten Hutmacher.«
»Disney oder Tim Burton?«
»Was?«
»Nichts.« Parker schüttelte ihr Haar zurück und notierte sich Stichpunkte. »Erzählen Sie weiter.«
»Also, es gab Musik und ein großes Festmahl. Ich war Alice, aber ich hatte mein Brautkleid an, und Chase einen Stresemann, in dem er einfach umwerfend aussah. Die Blumen, oh, die waren fantastisch, und sie haben alle gesungen und getanzt. Alle waren so glücklich, haben uns zugeprostet und applaudiert. Angelica war als Rote Königin angezogen und hat Flöte gespielt.«
Parker notierte sich EBJ für Angelica, die Erste Brautjungfer, und schrieb dann weitere Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft auf. Den Trauzeugen des Bräutigams als weißes Kaninchen, die Mutter des Bräutigams als Grinsekatze, den Brautvater als Märzhase.
Sie fragte sich, was Sabina vor dem Schlafengehen wohl gegessen, getrunken oder geraucht hatte.
»Ist das nicht faszinierend, Parker?«
»Auf jeden Fall.« Genau wie das Muster der Teeblätter, das über die Farben der Braut entschieden hatte, das Tarot-Orakel, durch welches das Ziel für die Flitterwochen vorausgesagt worden war, die Numerologie, die einen Hinweis auf das einzig mögliche Hochzeitsdatum gegeben hatte.
»Ich denke, vielleicht sagen mir mein Unterbewusstsein und das Schicksal, dass ich eine Hochzeit mit dem Thema Alice im Wunderland feiern sollte. Mit Kostümen.«
Parker schloss die Augen. Zwar hätte sie sofort zugestimmt, dass die Teegesellschaft des verrückten Hutmachers wie die Faust aufs Auge zu Sabina passte, doch bis zur Feier waren es nicht einmal mehr zwei Wochen, und die Deko ration, die Blumen, die Torte und die Desserts, die Speisenfolge - alles nur Denkbare war bereits festgelegt.
»Hm«, sagte Parker, um sich einen Augenblick Zeit zum Überlegen zu verschaffen. »Das ist eine interessante Idee.«
» Der Traum ... «
» ... sagt mir«, fiel Parker der Braut ins Wort, »dass Sie mit der feierlichen, magischen, märchenhaften Atmosphäre, für die Sie sich bereits entschieden haben, vollkommen richtig liegen. «
»Wirklich?«
»Aber ja. Der Traum zeigt mir, dass Sie aufgeregt und glücklich sind und Ihren großen Tag kaum erwarten können. Denken Sie daran, die Teegesellschaft bei dem verrückten Hutmacher fand jeden Tag statt. Der Traum sagt Ihnen, dass jeder Tag Ihres Lebens mit Chase ein Fest sein wird.«
» Oh! Natürlich!«
»Und, Sabina, wenn Sie am Tag Ihrer Hochzeit in der Suite der Braut vor den Spiegeln stehen, sehen Sie darin sich selbst - jung, abenteuerlustig und glücklich wie Alice.«
Mann, ich bin gut, dachte Parker, als die Chaosbraut seufzte.
»Sie haben Recht. Sie haben vollkommen Recht. Ich bin so froh, dass ich Sie angerufen habe. Ich wusste, Sie würden wissen, was das bedeutet.«
»Dafür sind wir da. Es wird eine schöne Hochzeit, Sabina. Ihr perfekter Tag. «
Nachdem sie eingehängt hatte, legte Parker sich für einen Augenblick wieder aufs Bett, doch als sie die Augen schloss, flimmerte vor ihrem inneren Auge wie wahnsinnig die Disney-Version der Teegesellschaft beim verrückten Hutmacher vorüber.
Resigniert stand sie auf und ging quer durch den Raum, der einst das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen war, zu den Fenster türen, die auf den Balkon hinausführten. Sie öffnete sie, um die frische Morgenluft hereinzulassen, und atmete in der frühen Dämmerung tief durch, während die Sonne gerade eben über den Horizont lugte.
Die letzten Sterne verloschen blinzelnd in einer Welt, die so perfekt, so wunderbar still war, als hätte sie den Atem angehalten.
Das Positive an Chaosbräuten und dergleichen war dieses Wachsein schon vor Tagesanbruch, wenn es war, als ob sich außer ihr noch nichts und niemand regte. Nichts und niemand außer ihr genoss diesen Augenblick, in dem die Nacht ihre Fackel an den Tag übergab und das silbrige Licht perlmuttern schimmerte, bevor es sich, wenn die Welt weiter atmete, in zartes, glänzendes Gold verwandelte.
Sie ließ die Türen offen, als sie zurück ins Zimmer ging. Mit einem Band, das sie dem Kästchen aus gehämmertem Silber auf ihrer Frisierkommode entnahm, band sie sich das Haar zum Pferdeschwanz zurück. Dann vertauschte sie das Nachthemd mit halblanger Yogahose und Support-Top und suchte sich im Schuhregal ihres penibel geordneten Ankleidezimmers - Abteilung Freizeitklamotten - ein Paar Laufschuhe aus.
Sie hakte ihren BlackBerry am Hosenbund fest, stöpselte die Kopfhörer ein und begab sich schnurstracks in den hauseigenen Fitnessraum.
Dort knipste sie das Licht an, schaltete auf dem Flachbildschirm die Nachrichten ein und hörte mit halbem Ohr zu, während sie kurz ein paar Dehnübungen machte.
Dann stellte sie den Elliptical Trainer für ihr übliches Fünf-Kilometer-Programm ein.
Als sie fast einen Kilometer geschafft hatte, lächelte sie.
Gott, sie liebte ihre Arbeit. Liebte die Chaosbräute, die sentimentalen Bräute, die pedantischen Bräute, sogar die Monsterbräute.
Sie liebte die Details und die verschiedenen Ansprüche, die Hoffnungen und Träume, liebte es, dass immer wieder Paare zur Bekräftigung ihrer Liebe Ja zueinander sagten und sie ihnen helfen konnte, ihren großen Tag ganz persönlich zu gestalten.
Niemand machte das besser als Vows, die Hochzeitsagentur, die sie zusammen mit ihren Freundinnen Mac, Emma und Laurel führte.
Was sie eines späten Sommerabends in Angriff genommen hatten, war heute alles für sie - mehr, als sie je für möglich gehalten hätten.
Und nun, dachte Parker mit noch breiterem Lächeln, planten sie die Hochzeiten ihrer Freundinnen: Mac würde im Dezember heiraten, Emma im April und Laurel im Juni.
Jetzt waren ihre Freundinnen die Bräute, und sie konnte es kaum erwarten, sich tiefer in die Details zu knien.
Mac und Carter - traditionelle Hochzeit mit künst lerischen Elementen. Emma und Jack - Romantik, Romantik und nochmals Romantik. Laurel und Del (Himmel, ihr Bruder heiratete ihre beste Freundin!) - moderne Eleganz.
Oh, sie hatte Ideen.
Als sie drei Kilometer geschafft hatte, kam Laurel herein.
»Lichterketten. Eine ganze Flut, kilometerweise, ganze Ströme von Lichterketten, überall im Garten, in den Weidenbäumen und Lauben, an der Pergola.«
Laurel blinzelte und gähnte. »Hm?«
»Deine Hochzeit. Romantisch, elegant, überschwänglich, aber nicht überladen.«
»Hm.« Laurel, die ihr blondes Haar mit Clips hochgesteckt hatte, stieg auf das Gerät neben Parkers. »Ich gewöhne mich gerade erst daran, verlobt zu sein.«
»Ich weiß, was dir gefällt. Ich habe eine grobe Übersicht erstellt.«
»Natürlich hast du das.« Doch Laurel lächelte. »Wie weit bist du?« Sie reckte den Hals und las die Anzeige an Parkers Trainingsgerät ab. »Mist! Wer hat angerufen, und wann?«
» Chaosbraut. Kurz vor halb sechs. Sie hatte einen Traum.« »Wenn du mir jetzt sagst, sie hat von einem neuen Design für die Torte geträumt, dann ... «
»Keine Angst. Ich habe alles geregelt.«
»Wie konnte ich daran zweifeln?« Nach ihren lockeren Aufwärmübungen fiel Laurel mit Parker in Gleichschritt. »Del bietet sein Haus zum Verkauf an.«
»Was? Wann?«
»Na ja, nachdem er mit dir darüber gesprochen hat. Aber da du und ich nun einmal hier sind, erzähle ich dir als Erste davon. Wir haben gestern Abend darüber geredet - heute Abend kommt er übrigens aus Chicago zurück. Also ... er würde wieder hier einziehen, wenn es dir recht ist. «
»Erstens gehört das Haus ebenso gut ihm wie mir. Und zweitens bleibst du hier.« Parkers Augen brannten und glänzten verdächtig. »Du bleibst hier«, wiederholte sie. »Ich wollte dich nicht drängen, und ich weiß, dass Del ein großes Haus hat, aber - o Gott, Laurel, ich wollte nicht, dass du ausziehst. Und jetzt tust du es auch nicht.«
»Ich liebe Del so sehr, dass ich vielleicht die nächste Chaosbraut werde, aber ich wollte auch nicht ausziehen. Mein Flügel ist mehr als groß genug, er ist praktisch ein eigenes Haus. Und Del liebt dieses Haus ebenso sehr wie du, wie wir alle.«
»Del kommt nach Hause«, murmelte Parker.
Ihre Familie, dachte sie, alle, die sie liebte und schätzte, würden bald zusammen sein. Und das war es, was ein Zuhause ausmachte.
Um acht Uhr neunundfünfzig war Parker fertig angezogen. Sie trug ein figurbetontes Kostüm von der Farbe reifer Auberginen und eine frische weiße Bluse mit einer kleinen Rüsche. Exakt fünfundfünfzig Minuten verbrachte sie damit, E-Mails, Briefe und Anrufe zu beantworten, die Aufzeichnungen in verschiedenen Kundenakten zu aktualisieren, Lieferungen zu überprüfen und mit den Lieferanten über Aufträge für zukünftige Veranstaltungen zu sprechen.
Um Punkt zehn begab sie sich aus ihrem Büro im zweiten Stock zum ersten Ortstermin des Tages.
Über die potenzielle Kundschaft hatte sie bereits Erkundigungen eingezogen. Die Braut, Deeanne Hagar, war eine regionale Künstlerin, deren Bilder von Fantasy-Traumwelten auf Poster und Grußkarten gedruckt wurden. Der Bräutigam, Wyatt Culpepper, war Landschaftsgestalter. Beide stammten aus altem Geldadel, Finanz- beziehungsweise Immobilienbranche, und beide waren das jeweils jüngste Kind zweimal geschiedener Eltern.
Durch nur minimale Recherche hatte sie herausgefunden, dass das frisch verlobte Paar sich auf einem Umweltfest kennengelernt hatte, dass beide Bluegrass-Musik liebten und gern reisten.
Weitere Informationsnuggets, die sie geschürft hatte, stammten von Internetseiten, von Facebook, aus Interviews in Zeitungen und Magazinen sowie von Freunden von Freunden von Freunden. Aufgrund dieses Vorwissens hatte sie bereits entschieden, wie sie diese Kennenlerntour, an der auch beide Mütter teilnehmen würden, gestalten wollte.
Auf ihrem raschen Gang durch die Hauptetage musterte sie verschiedene Bereiche und war sehr zufrieden mit Emmas romantischem Blumenschmuck.
...
Übersetzung: Katrin Marburger
Copyright © 2011 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne
Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
- Autor: Nora Roberts
- 2011, Deutsche Erstausgabe, 427 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Katrin Marburger
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453407660
- ISBN-13: 9783453407664
- Erscheinungsdatum: 06.09.2011
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