Jauche und Levkojen. Nirgendwo ist Poenichen. Die Quints
Ironisch-pointiert, empfindsam, und doch erfrischend unsentimental erzählt Christine Brückner hier die bewegende Geschichte der Maximiliane von Quindt, geboren 1918 auf Gut Poenichen in Hinterpommern:
Ihr Weg vom behüteten Einzelkind bis zur Ehefrau und...
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Ironisch-pointiert, empfindsam, und doch erfrischend unsentimental erzählt Christine Brückner hier die bewegende Geschichte der Maximiliane von Quindt, geboren 1918 auf Gut Poenichen in Hinterpommern:
Ihr Weg vom behüteten Einzelkind bis zur Ehefrau und vierfachen Mutter, sowie ihre abenteuerliche Flucht in den Westen während der letzten Kriegstage.
Christine Brückners große ''Poenichen'' - Trilogie jetzt in einem Band zum Sparpreis.
Jaucheund Levkojen vonChristine Brückner
LESEPROBE
Derjunge Quindt kehrte nach viertägiger Hotel-Ehe zu seinem Regiment an dieWestfront zurück, und die alten Quindts nahmen seine junge Frau mit nachPoenichen. Schnellzug Berlin-Stettin-Stargard, dann Lokalbahn und schließlichRiepe, der die drei mit dem geschlossenen Coupé - nach dem Innenpolster>Der Karierte< genannt - an der Bahnstation abholte. Die junge Frauführte nicht mehr als eine Reihe von Schließkörben und Reisetaschen mit sich.Fürs erste blieb ihre Aussteuer in Berlin, Möbel, Wäsche, Porzellan und Silberfür die spätere Berliner Stadtwohnung. Sie würde fürs erste zwei derGästezimmer im Herrenhaus bewohnen, die sogenannten >grünen Zimmer<. Fürserste, das hieß: bis der junge Baron heimkehrte, bis der Krieg zu Ende war.
Alsdie Pferde in die kahle Lindenallee einbogen, dämmerte es bereits. Vera sagte,als sie das Herrenhaus am Ende der Allee auftauchen sah: »Das sieht ja direktantik aus! War denn mal einer von euch Quindts in Griechenland?« Der alte Quindtbestätigte es. »Ja, aber nicht lange genug. Pommersche Antike. «
Wodieses Poenichen liegt?
WennSie sich die Mühe machen wollen, schlagen Sie im Atlas die Deutschlandkarteauf. Je nach Erscheinungsjahr finden Sie das Gebiet von. Hinterpommern rotoder schwarz überdruckt mit >z. Z. poln. Besatzungsgebiet< oder >unterpoln. Verwaltung<, die Ortsnamen ausschließlich in deutscher Sprache oderdie polnischen Namen in Klammern unter den deutschen oder auch nur polnisch.Daraus sollten Sie kein Politikum machen; im Augenblick steht zwar schon fest,daß der Erste Weltkrieg im günstigsten Falle noch durch einen ehrenvollenWaffenstillstand beendet werden kann, aber: Noch ist Pommern nicht verloren!
SuchenSie Dramburg, immerhin eine Kreisstadt (poln. Drawsko), an der Drage gelegen,die Einwohnerzahl unter zehntausend. Etwa 30 Kilometer südwestlich von Dramburg
liegtArnswalde (poln. Choszczno), kaum größer als Dramburg, ebenfalls eineKreisstadt; südöstlich in etwa derselben Entfernung dann Deutsch Krone (poln.Walcz), nicht mehr Hinterpommern, sondern bereits Westpreußen, Teil des ehemaligenKönigreiches Polen, gleichfalls eine Kreisstadt. Wenn Sie nun diese dreiStädtchen durch drei Geraden miteinander verbinden, entsteht ein leidlichrechtwinkliges Dreieck. Wenn Sie die geometrische Mitte dieses Städte-Dreiecksausmachen, stoßen Sie auf Poenichen. Gut Poenichen und gleichnamiges DorfPoenichen, 187 Seelen, davon 22 zur Zeit im Krieg. Die beiden Seen, von einemeinfallslosen Vorfahren >großer Poenichen< und >Blaupfuhl<genannt, nördlich davon die Poenicher Heide. Ein Areal von reichlichzehntausend Morgen. >Pommersche Streubüchse< von den einen,>Pommersche Seenplatte< von den anderen genannt, beides zutreffend; seit fastdreihundert Jahren im Besitz der Quindts.
DieGeburt des Kindes war, wie bei allen diesen Fronturlauberkindern, nahezu aufden Tag genau festgelegt. Man starrte der jungen Baronin vom ersten Tage anungeniert auf den Bauch, sobald sie das Haus verließ. Wenn sie ausreiten wollte,sagte Riepe: »Die Frau Baronin sollten aber vorsichtig sein und nur einenleichten Trab einschlagen.« Daraufhin warf sie ihm einen ihrer hellen, zornigenBlicke zu und gab dem Pferd die Sporen.
Zumzweiten Frühstück kochte ihr Anna Riepe eine große Tasse Bouillon. »Das wirdder Frau Baronin in ihrem Zustand guttun! « Jede Suppe kostete einer Taube dasLeben. Der Taubenschlag leerte sich zusehends. Es wurde Frühling, dannFrühsommer: Im Schafstall blökten die neugeborenen Lämmer, auf dem Dorfangerführten die Gänse ihre Gösseln aus, auf dem Gutshof suhlten sich neben derdampfenden Dungstätte die Sauen in der Sonne, an ihren Zitzen hingen schmatzenddie Ferkel in Zweierreihen, auf der Koppel standen die Fohlen am Euter derStuten, und auf dem Rondell vorm Haus lag Dinah, die Hündin, und säugte ihrefünf Jungen. Vera kam sich in ihrem Zustand wie ein Muttertier vor. Sieverbrachte den größten Teil des Tages in einem Schaukelstuhl, den sie sich indie Vorhalle hatte bringen lassen. Im Schatten der Kübelpalmen blätterte sie inder >Berliner Illustrirten<, die ihre Mutter von Zeit zu Zeit schickte.Sie las in den Briefen der Freundinnen von Bahnhofsdienst, Truppenbetreuungund Lazarettzügen. Hin und wieder kam auch ein Kartengruß von der Front, nichtan sie persönlich adressiert, sondern an die Quindts auf Poenichen. KnappeMitteilungen, kurze Fragen. Im Vergleich zu dem eintönigen Leben in Pommernerschien ihr das Leben in Berlin abwechslungsreich und verlockend. Mit derTaubenbrühe in der Hand, verblaßte die Erinnerung an die Steckrübengerichte;den warmen Kachelofen im Rücken, vergaß sie die schlechtgeheizten Zimmer der CharlottenburgerEtage; von Riepe und seiner Frau sowie zwei Hausmädchen bedient, verlor derRote-Kreuz-Dienst seine Anstrengungen. Sie neigte, wie die meisten Frauen,dazu, das zu entbehren, was sie nicht besaß, anstatt zu genießen, was siehatte. Sie träumte von staubfreien Reitwegen im Grunewald, flankiert vonjungen Leutnants.
Siestieß sich mit dem Absatz ihrer kleinen Stiefel ab und schaukelte ohneUnterlaß. Bis der alte Quindt schließlich sagte: »Na, der Junge wird wohlseekrank werden, falls er sich nicht jetzt bereits entschließt, zur Marine zugehen. «
Frauenmußten sein, er ließ es ihnen gegenüber auch nicht an Höflichkeit fehlen;Kinder mußten ebenfalls sein, aber er machte sich weder viel aus Kindern noch ausFrauen, im Gegensatz zu seiner Frau übrigens auch nichts aus Tieren. Er trugsich seit Jahren mit dem Gedanken, aus Poenichen ein Waldgut zu machen. Erhielt es mit den Bäumen. »Bäume haben immer recht«, sagte er zuweilen. Vorerstwurden allerdings die Wälder abgeholzt wegen des erhöhten Holzbedarfs imKriege. Von Aufforstung konnte keine Rede sein, es fehlte an Arbeitskräften. Ergedachte, aus den Kahlschlägen >Wälder des Friedens< zu machen, keineHolzfabriken mit rasch wachsenden, minderwertigen Nadelhölzern, sondern Mischwaldmit gutem Unterholz. Deutscher Wald! Sein Nationalismus und sein Patriotismussprachen sich am deutlichsten aus, wenn es um den Wald ging, um Grund undBoden. Dann wurde der sonst eher nüchterne, der Ironie nicht abgeneigte Quindtfeierlich.
©Ullstein Verlag
- Autor: Christine Brückner
- 2012, 12. Aufl., 960 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548256635
- ISBN-13: 9783548256634
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