Jesus von Nazareth, Band 2
Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung
Im 2. Band seines großen Jesus-Werkes beleuchtet der Papst die Zeit vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung.
In beeindruckender Art und Weise lässt uns Papst Benedikt XVI. wiederum Anteil nehmen an seiner ganz persönlichen "Suche...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Jesus von Nazareth, Band 2 “
Im 2. Band seines großen Jesus-Werkes beleuchtet der Papst die Zeit vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung.
In beeindruckender Art und Weise lässt uns Papst Benedikt XVI. wiederum Anteil nehmen an seiner ganz persönlichen "Suche nach dem Angesicht des Herrn". Das Herzstück des christlichen Glaubens rückt dabei in den Mittelpunkt der päpstlichen Reflexionen: Warum musste Jesus sterben? Was bedeutet Auferstehung? Und was heißt das konkret für unsere Welt heute?
Nachdenklich und klug, spirituell und ungemein anregend für die eigene Auseinandersetzung mit Glaubensfragen so begegnen uns die Gedanken und Worte des Papstes.
"Nur wenn Jesus auferstanden ist, ist wirklich Neues geschehen, das die Welt und die Situation des Menschen verändert. Dann wird er der Maßstab, auf den wir uns verlassen können. Denn dann hat Gott sich wirklich gezeigt."
Benedikt XVI
Klappentext zu „Jesus von Nazareth, Band 2 “
* Das Buch erscheint weltweit gleichzeitig in mehreren Sprachen: Buchvorstellung und Pressekonferenz in Rom zum Erscheinen * Große Pressekampagne in allen wichtigen Medien in Vorbereitung * Großformatige Streifenanzeigen in den führenden Tages- und Wochenzeitungen: . Die ZEIT . Frankfurter Allgemeine Zeitung . Süddeutsche Zeitung . DIE WELT * Anzeigen in allen relevanten Special-Interest-Zeitschriften Mit dem ersten Band seines Jesus-Buchs hat Papst Benedikt XVI. die Grundsatzfragen gestellt: Ist die Darstellung Jesu in der Bibel wahr? Ist Jesus Gottes Sohn? Ist der Glaube vernünftig? Im lange erwarteten zweiten Band geht es nun um das Herzstück des Christentums: Warum musste Jesus sterben? Was heißt Auferstehung? Und was heißt das für uns? In beeindruckender Weise lässt der Papst Anteil nehmen an seiner ganz persönlichen »Suche nach dem Angesicht des Herrn« - nachdenklich, klug, spirituell, ungemein anregend für die eigene Auseinandersetzung mit den existentiellen Fragen des Glaubens.
Leseband
Lese-Probe zu „Jesus von Nazareth, Band 2 “
Jesus von Nazareth - Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung von Joseph Ratzinger Benedikt XVI Vorwort
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Endlich kann ich den zweiten Teil meines Buches über Jesus von Nazareth der Öffentlichkeit vorlegen. Angesichts der zu erwartenden Vielstimmigkeit der Reaktionen auf den ersten Teil war es für mich eine wertvolle Ermutigung, dass große Meister der Exegese wie der inzwischen leider heimgegangene Martin Hengel, wie Peter Stuhlmacher und Franz Mußner mich nachdrücklich darin bestärkt haben, meinen Versuch fortzuführen und das begonnene Werk zu Ende zu bringen. Ohne sich mit allen Einzelheiten meines Buches zu identifizieren, hielten sie es vom Inhalt wie von der Methode her für einen wichtigen Beitrag, der zu seiner ganzen Gestalt kommen sollte.
Eine Freude ist es für mich auch, dass das Buch inzwischen sozusagen einen ökumenischen Bruder bekommen hat in dem umfänglichen Werk Jesus (2008) des evangelischen Theologen Joachim Ringleben. Wer die beiden Bücher liest, wird einerseits den großen Unterschied der Denkformen und der prägenden theologischen Ansätze sehen, in denen sich die unterschiedliche konfessionelle Herkunft der beiden Autoren konkret ausdrückt. Aber zugleich erscheint die tiefe Einheit im wesentlichen Verständnis der Person Jesu und seiner Botschaft. In unterschiedlichen theologischen Ansätzen wirkt der gleiche Glaube, findet Begegnung mit demselben Herrn Jesus statt. Ich hoffe, dass beide Bücher in ihrer Unterschiedlichkeit und in ihrer wesentlichen Gemeinsamkeit ein ökumenisches Zeugnis sein können, das in dieser Stunde auf seine Weise dem grundlegenden gemeinsamen Auftrag der Christen dient.
Dankbar nehme ich auch zur Kenntnis, dass die Diskussion über Methode und Hermeneutik der Exegese, über Exegese als historische und zugleich auch theologische Disziplin trotz mancher Sperren neuen Schritten gegenüber an Lebhaftigkeit zunimmt. Besonders wichtig scheint mir das Buch Bibelkritik und Auslegung der Heiligen Schrift (2007) von Marius Reiser, das eine Reihe von vorher veröffentlichten Aufsätzen aufnimmt, zu einem Ganzen formt und wichtige Orientierungen für neue Wege der Exegese bietet, ohne das bleibend Bedeutende der historisch-kritischen Methode aufzugeben.
Eines scheint mir klar: Die historisch-kritische Auslegung hat in 200 Jahren exegetischer Arbeit ihr Wesentliches gegeben. Wenn die wissenschaftliche Schriftauslegung sich nicht in immer neuen Hypothesen erschöpfen und theologisch belanglos werden soll, muss sie einen methodisch neuen Schritt tun und sich neu als theologische Disziplin erkennen, ohne auf ihren historischen Charakter zu verzichten. Sie muss lernen, dass die positivistische Hermeneutik, von der sie ausgeht, nicht Ausdruck der allein gültigen und endgültig zu sich selbst gekommenen Vernunft ist, sondern eine bestimmte und historisch bedingte Art von Vernünftigkeit darstellt, die der Korrektur und der Ergänzungen fähig und bedürftig ist. Sie muss erkennen, dass eine recht entfaltete Hermeneutik des Glaubens dem Text gemäß ist und sich mit einer ihrer Grenzen bewussten historischen Hermeneutik zu einem methodischen Ganzen verbinden kann.
Natürlich ist diese Verbindung zweier ganz unterschiedlicher Weisen von Hermeneutik eine immer neu zu bewältigende Aufgabe. Aber sie ist möglich, und durch sie werden in einem neuen Kontext die großen Einsichten der Väter-Exegese wieder zur Wirkung kommen können, wie gerade das Buch von Reiser zeigt. Ich maße mir nicht an zu behaupten, in meinem Buch sei diese Verbindung zweier Hermeneutiken bereits fertig vollzogen. Aber ich hoffe doch, einen guten Schritt in diese Richtung getan zu haben. Im Grunde geht es darum, endlich die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (in Dei Verbum 12) für die Exegese formulierten methodischen Grundsätze aufzugreifen, was bisher leider kaum in Angriff genommen worden ist.
Vielleicht ist es an dieser Stelle nützlich, noch einmal die bestimmende Intention meines Buches zu verdeutlichen.
Es braucht wohl nicht eigens gesagt zu werden, dass ich kein „Leben Jesu" schreiben wollte. Für die chronologischen und topographischen Fragen des Lebens Jesu liegen ausgezeichnete Werke vor; ich verweise besonders auf Jesus von Nazareth. Botschaft und Geschichte von Joachim Gnilka und auf das gründliche Werk A Marginal Jew von John P. Meier (drei Bände, New York 1991, 1994, 2001).
Ein katholischer Theologe hat mein Buch zusammen mit Romano Guardinis Meisterwerk Der Herr als „Christologie von oben" eingestuft, nicht ohne vor deren Gefahren zu warnen. Nun, eine Christologie zu schreiben, habe ich nicht versucht. Im deutschen Sprachraum verfügen wir über eine Reihe bedeutender Christologien, von Wolfhart Pannenberg über Walter Kasper zu Christoph Schönborn, denen nun das große Opus Jesus ist Gott der Sohn (2008) von Karl-Heinz Menke an die Seite zu stellen ist.
Schon näher an meiner Absicht liegt der Vergleich mit dem theologischen Traktat über die Geheimnisse des Lebens Jesu, dem Thomas von Aquin in seiner Summe der Theologie klassische Gestalt gegeben hat (S. theol. III q. 27-59) . Wenn sich mein Buch auch in vielem mit diesem Traktat berührt, so steht es doch in einem anderen geistesgeschichtlichen Kontext und hat von da aus auch eine andere innere Zielrichtung, die die Struktur des Textes wesentlich bestimmt.
Im Vorwort zum ersten Teil hatte ich gesagt, dass es mir darum gehe, „Gestalt und Botschaft Jesu" darzustellen. Vielleicht wäre es gut gewesen, diese beiden Wörter - Gestalt und Botschaft - dem Buch als Untertitel beizugeben, um seine wesentliche Absicht zu klären. Ein wenig übertreibend könnte man sagen, ich wollte den realen Jesus finden, von dem aus so etwas wie eine „Christologie von unten" überhaupt möglich wird. Der „historische Jesus", wie er im Hauptstrom der kritischen Exegese aufgrund ihrer hermeneutischen Voraussetzungen erscheint, ist inhaltlich zu dürftig, als dass von ihm große geschichtliche Wirkungen hätten ausgehen können; er ist zu sehr in der Vergangenheit eingehaust, als dass persönliche Beziehung zu ihm möglich wäre. In der Verbindung der zwei Hermeneutiken, von der ich oben gesprochen habe, habe ich versucht, ein Hinschauen und Hinhören auf den Jesus der Evangelien zu entwickeln, das zur Begegnung werden kann und sich im Mithören mit den Jüngern Jesu aller Zeiten doch gerade der wirklich historischen Gestalt vergewissert.
Diese Aufgabe war im zweiten Teil noch schwieriger als im ersten, weil erst hier die entscheidenden Worte und Ereignisse des Lebens Jesu begegnen. Ich habe versucht, mich aus dem Streit um viele mögliche Einzelelemente herauszuhalten und nur die wesentlichen Worte und Taten Jesu zu bedenken - von der Hermeneutik des Glaubens geführt, aber zugleich in der Verantwortung vor der historischen Vernunft, die in diesem Glauben selbst notwendig enthalten ist.
Auch wenn natürlich Details immer zu diskutieren bleiben, so hoffe ich doch, dass mir eine Annäherung an die Gestalt unseres Herrn geschenkt worden ist, die allen Leserinnen und Lesern hilfreich sein kann, die Jesus begegnen und ihm glauben wollen.
Von der damit erläuterten Grundabsicht des Buches her, die Gestalt Jesu, sein Wort und sein Tun zu verstehen, ist klar, dass die Kindheitsgeschichten nicht direkt zur eigentlichen Intention dieses Buches gehören konnten. Ich will aber versuchen, meinem Versprechen (vgl. Teil I, S. 23) treu zu bleiben und einen kleinen Faszikel darüber vorzulegen, wenn mir dazu noch die Kraft gegeben wird.
Rom, am Fest des heiligen Markus 25. April 2010
Joseph Ratzinger - Benedikt XVI.
1
DER EINZUG IN JERUSALEM
Das Johannes-Evangelium berichtet von drei Pascha-Festen, die Jesus in der Zeit seines öffentlichen
Wirkens begangen hat: ein erstes Pascha, mit dem die Tempelreinigung verbunden war (2,13-25); das Pascha der Brotvermehrung (6,4) und endlich das Pascha von Tod und Auferstehung (z. B. 12,1; 13,1), das zu „seinem" großen Pascha wurde, auf dem die christliche Osterfeier, das Pascha der Christen, gründet. Die Synoptiker haben nur ein Pascha-Fest - das von Kreuz und Auferstehung - überliefert; der Weg Jesu erscheint bei Lukas geradezu als ein einziges pilgerndes Hinaufsteigen von Galiläa nach Jerusalem.
Es ist ein „Aufsteigen" zunächst im geographischen Sinn: Der See Genezareth liegt etwa 200 Meter unter dem Meeresspiegel, Jerusalem durchschnittlich 760 Meter darüber. Jeder der Synoptiker hat uns als Stufen dieses Aufstiegs drei Leidensweissagungen Jesu überliefert und damit zugleich den inneren Aufstieg angedeutet, der sich in dem äußeren Weg vollzieht: das Hinaufgehen zum Tempel als dem Ort, an dem Gott „seinen Namen wohnen" lassen wollte, wie das Buch Deuteronomium den Tempel beschreibt (12,11; 14,23).
Letztes Ziel dieses „Aufstiegs" Jesu ist seine Hingabe am Kreuz, die die alten Opfer ablöst; es ist der Aufstieg, den der Hebräer-Brief schildert als Hinaufgehen zu dem nicht mehr von Menschenhand gemachten Zelt, das heißt in den Himmel selbst, vor Gottes Angesicht (9,24). Dieser Aufstieg vor Gottes eigenes Angesicht führt über das Kreuz - es ist der Aufstieg zur „Liebe bis ans Ende" (vgl. Joh 13,1), die der eigentliche Gottesberg ist.
Das unmittelbare Ziel des Pilgerweges Jesu ist freilich Jerusalem, die Heilige Stadt mit ihrem Tempel, und das „Pascha der Juden", wie Johannes es nennt (2,13). Jesus war mit den Zwölfen aufgebrochen, aber allmählich hatte sich eine immer größer werdende Pilgerschar dazugesellt; Matthäus und Markus erzählen uns, dass beim Weggehen von Jericho es schon „viel Volk" war, das Jesus folgte (Mt 20,29; Mk 10,46).
Ein Ereignis auf diesem letzten Wegstück steigert die Erwartung des Kommenden und rückt Jesus ganz neu ins Blickfeld der Wandernden. Am Weg sitzt ein blinder Bettler, Bartimäus. Er erfährt, dass Jesus unter den Pilgern sei, und nun hört er nicht mehr auf zu rufen: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!" (Mk 10,47). Man sucht ihn zu beruhigen, aber es nützt nichts, und schließlich ruft ihn Jesus herbei. Auf seine Bitte: „Rabbuni, ich möchte wieder sehen können", antwortet Jesus: „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen."
Bartimäus konnte wieder sehen, „und er folgte Jesus auf seinem Weg" (Mk 10,48-52): Er pilgerte, sehend geworden, mit nach Jerusalem. Das Thema David und die ihm innewohnende messianische Hoffnung griff nun auf die Menge über: War der Jesus, mit dem sie zogen, nicht vielleicht wirklich der erwartete neue David; war mit seinem Einzug in die Heilige Stadt die Stunde gekommen, in der er das Reich Davids wiederherstellen würde?
Endlich kann ich den zweiten Teil meines Buches über Jesus von Nazareth der Öffentlichkeit vorlegen. Angesichts der zu erwartenden Vielstimmigkeit der Reaktionen auf den ersten Teil war es für mich eine wertvolle Ermutigung, dass große Meister der Exegese wie der inzwischen leider heimgegangene Martin Hengel, wie Peter Stuhlmacher und Franz Mußner mich nachdrücklich darin bestärkt haben, meinen Versuch fortzuführen und das begonnene Werk zu Ende zu bringen. Ohne sich mit allen Einzelheiten meines Buches zu identifizieren, hielten sie es vom Inhalt wie von der Methode her für einen wichtigen Beitrag, der zu seiner ganzen Gestalt kommen sollte.
Eine Freude ist es für mich auch, dass das Buch inzwischen sozusagen einen ökumenischen Bruder bekommen hat in dem umfänglichen Werk Jesus (2008) des evangelischen Theologen Joachim Ringleben. Wer die beiden Bücher liest, wird einerseits den großen Unterschied der Denkformen und der prägenden theologischen Ansätze sehen, in denen sich die unterschiedliche konfessionelle Herkunft der beiden Autoren konkret ausdrückt. Aber zugleich erscheint die tiefe Einheit im wesentlichen Verständnis der Person Jesu und seiner Botschaft. In unterschiedlichen theologischen Ansätzen wirkt der gleiche Glaube, findet Begegnung mit demselben Herrn Jesus statt. Ich hoffe, dass beide Bücher in ihrer Unterschiedlichkeit und in ihrer wesentlichen Gemeinsamkeit ein ökumenisches Zeugnis sein können, das in dieser Stunde auf seine Weise dem grundlegenden gemeinsamen Auftrag der Christen dient.
Dankbar nehme ich auch zur Kenntnis, dass die Diskussion über Methode und Hermeneutik der Exegese, über Exegese als historische und zugleich auch theologische Disziplin trotz mancher Sperren neuen Schritten gegenüber an Lebhaftigkeit zunimmt. Besonders wichtig scheint mir das Buch Bibelkritik und Auslegung der Heiligen Schrift (2007) von Marius Reiser, das eine Reihe von vorher veröffentlichten Aufsätzen aufnimmt, zu einem Ganzen formt und wichtige Orientierungen für neue Wege der Exegese bietet, ohne das bleibend Bedeutende der historisch-kritischen Methode aufzugeben.
Eines scheint mir klar: Die historisch-kritische Auslegung hat in 200 Jahren exegetischer Arbeit ihr Wesentliches gegeben. Wenn die wissenschaftliche Schriftauslegung sich nicht in immer neuen Hypothesen erschöpfen und theologisch belanglos werden soll, muss sie einen methodisch neuen Schritt tun und sich neu als theologische Disziplin erkennen, ohne auf ihren historischen Charakter zu verzichten. Sie muss lernen, dass die positivistische Hermeneutik, von der sie ausgeht, nicht Ausdruck der allein gültigen und endgültig zu sich selbst gekommenen Vernunft ist, sondern eine bestimmte und historisch bedingte Art von Vernünftigkeit darstellt, die der Korrektur und der Ergänzungen fähig und bedürftig ist. Sie muss erkennen, dass eine recht entfaltete Hermeneutik des Glaubens dem Text gemäß ist und sich mit einer ihrer Grenzen bewussten historischen Hermeneutik zu einem methodischen Ganzen verbinden kann.
Natürlich ist diese Verbindung zweier ganz unterschiedlicher Weisen von Hermeneutik eine immer neu zu bewältigende Aufgabe. Aber sie ist möglich, und durch sie werden in einem neuen Kontext die großen Einsichten der Väter-Exegese wieder zur Wirkung kommen können, wie gerade das Buch von Reiser zeigt. Ich maße mir nicht an zu behaupten, in meinem Buch sei diese Verbindung zweier Hermeneutiken bereits fertig vollzogen. Aber ich hoffe doch, einen guten Schritt in diese Richtung getan zu haben. Im Grunde geht es darum, endlich die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (in Dei Verbum 12) für die Exegese formulierten methodischen Grundsätze aufzugreifen, was bisher leider kaum in Angriff genommen worden ist.
Vielleicht ist es an dieser Stelle nützlich, noch einmal die bestimmende Intention meines Buches zu verdeutlichen.
Es braucht wohl nicht eigens gesagt zu werden, dass ich kein „Leben Jesu" schreiben wollte. Für die chronologischen und topographischen Fragen des Lebens Jesu liegen ausgezeichnete Werke vor; ich verweise besonders auf Jesus von Nazareth. Botschaft und Geschichte von Joachim Gnilka und auf das gründliche Werk A Marginal Jew von John P. Meier (drei Bände, New York 1991, 1994, 2001).
Ein katholischer Theologe hat mein Buch zusammen mit Romano Guardinis Meisterwerk Der Herr als „Christologie von oben" eingestuft, nicht ohne vor deren Gefahren zu warnen. Nun, eine Christologie zu schreiben, habe ich nicht versucht. Im deutschen Sprachraum verfügen wir über eine Reihe bedeutender Christologien, von Wolfhart Pannenberg über Walter Kasper zu Christoph Schönborn, denen nun das große Opus Jesus ist Gott der Sohn (2008) von Karl-Heinz Menke an die Seite zu stellen ist.
Schon näher an meiner Absicht liegt der Vergleich mit dem theologischen Traktat über die Geheimnisse des Lebens Jesu, dem Thomas von Aquin in seiner Summe der Theologie klassische Gestalt gegeben hat (S. theol. III q. 27-59) . Wenn sich mein Buch auch in vielem mit diesem Traktat berührt, so steht es doch in einem anderen geistesgeschichtlichen Kontext und hat von da aus auch eine andere innere Zielrichtung, die die Struktur des Textes wesentlich bestimmt.
Im Vorwort zum ersten Teil hatte ich gesagt, dass es mir darum gehe, „Gestalt und Botschaft Jesu" darzustellen. Vielleicht wäre es gut gewesen, diese beiden Wörter - Gestalt und Botschaft - dem Buch als Untertitel beizugeben, um seine wesentliche Absicht zu klären. Ein wenig übertreibend könnte man sagen, ich wollte den realen Jesus finden, von dem aus so etwas wie eine „Christologie von unten" überhaupt möglich wird. Der „historische Jesus", wie er im Hauptstrom der kritischen Exegese aufgrund ihrer hermeneutischen Voraussetzungen erscheint, ist inhaltlich zu dürftig, als dass von ihm große geschichtliche Wirkungen hätten ausgehen können; er ist zu sehr in der Vergangenheit eingehaust, als dass persönliche Beziehung zu ihm möglich wäre. In der Verbindung der zwei Hermeneutiken, von der ich oben gesprochen habe, habe ich versucht, ein Hinschauen und Hinhören auf den Jesus der Evangelien zu entwickeln, das zur Begegnung werden kann und sich im Mithören mit den Jüngern Jesu aller Zeiten doch gerade der wirklich historischen Gestalt vergewissert.
Diese Aufgabe war im zweiten Teil noch schwieriger als im ersten, weil erst hier die entscheidenden Worte und Ereignisse des Lebens Jesu begegnen. Ich habe versucht, mich aus dem Streit um viele mögliche Einzelelemente herauszuhalten und nur die wesentlichen Worte und Taten Jesu zu bedenken - von der Hermeneutik des Glaubens geführt, aber zugleich in der Verantwortung vor der historischen Vernunft, die in diesem Glauben selbst notwendig enthalten ist.
Auch wenn natürlich Details immer zu diskutieren bleiben, so hoffe ich doch, dass mir eine Annäherung an die Gestalt unseres Herrn geschenkt worden ist, die allen Leserinnen und Lesern hilfreich sein kann, die Jesus begegnen und ihm glauben wollen.
Von der damit erläuterten Grundabsicht des Buches her, die Gestalt Jesu, sein Wort und sein Tun zu verstehen, ist klar, dass die Kindheitsgeschichten nicht direkt zur eigentlichen Intention dieses Buches gehören konnten. Ich will aber versuchen, meinem Versprechen (vgl. Teil I, S. 23) treu zu bleiben und einen kleinen Faszikel darüber vorzulegen, wenn mir dazu noch die Kraft gegeben wird.
Rom, am Fest des heiligen Markus 25. April 2010
Joseph Ratzinger - Benedikt XVI.
1
DER EINZUG IN JERUSALEM
Das Johannes-Evangelium berichtet von drei Pascha-Festen, die Jesus in der Zeit seines öffentlichen
Wirkens begangen hat: ein erstes Pascha, mit dem die Tempelreinigung verbunden war (2,13-25); das Pascha der Brotvermehrung (6,4) und endlich das Pascha von Tod und Auferstehung (z. B. 12,1; 13,1), das zu „seinem" großen Pascha wurde, auf dem die christliche Osterfeier, das Pascha der Christen, gründet. Die Synoptiker haben nur ein Pascha-Fest - das von Kreuz und Auferstehung - überliefert; der Weg Jesu erscheint bei Lukas geradezu als ein einziges pilgerndes Hinaufsteigen von Galiläa nach Jerusalem.
Es ist ein „Aufsteigen" zunächst im geographischen Sinn: Der See Genezareth liegt etwa 200 Meter unter dem Meeresspiegel, Jerusalem durchschnittlich 760 Meter darüber. Jeder der Synoptiker hat uns als Stufen dieses Aufstiegs drei Leidensweissagungen Jesu überliefert und damit zugleich den inneren Aufstieg angedeutet, der sich in dem äußeren Weg vollzieht: das Hinaufgehen zum Tempel als dem Ort, an dem Gott „seinen Namen wohnen" lassen wollte, wie das Buch Deuteronomium den Tempel beschreibt (12,11; 14,23).
Letztes Ziel dieses „Aufstiegs" Jesu ist seine Hingabe am Kreuz, die die alten Opfer ablöst; es ist der Aufstieg, den der Hebräer-Brief schildert als Hinaufgehen zu dem nicht mehr von Menschenhand gemachten Zelt, das heißt in den Himmel selbst, vor Gottes Angesicht (9,24). Dieser Aufstieg vor Gottes eigenes Angesicht führt über das Kreuz - es ist der Aufstieg zur „Liebe bis ans Ende" (vgl. Joh 13,1), die der eigentliche Gottesberg ist.
Das unmittelbare Ziel des Pilgerweges Jesu ist freilich Jerusalem, die Heilige Stadt mit ihrem Tempel, und das „Pascha der Juden", wie Johannes es nennt (2,13). Jesus war mit den Zwölfen aufgebrochen, aber allmählich hatte sich eine immer größer werdende Pilgerschar dazugesellt; Matthäus und Markus erzählen uns, dass beim Weggehen von Jericho es schon „viel Volk" war, das Jesus folgte (Mt 20,29; Mk 10,46).
Ein Ereignis auf diesem letzten Wegstück steigert die Erwartung des Kommenden und rückt Jesus ganz neu ins Blickfeld der Wandernden. Am Weg sitzt ein blinder Bettler, Bartimäus. Er erfährt, dass Jesus unter den Pilgern sei, und nun hört er nicht mehr auf zu rufen: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!" (Mk 10,47). Man sucht ihn zu beruhigen, aber es nützt nichts, und schließlich ruft ihn Jesus herbei. Auf seine Bitte: „Rabbuni, ich möchte wieder sehen können", antwortet Jesus: „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen."
Bartimäus konnte wieder sehen, „und er folgte Jesus auf seinem Weg" (Mk 10,48-52): Er pilgerte, sehend geworden, mit nach Jerusalem. Das Thema David und die ihm innewohnende messianische Hoffnung griff nun auf die Menge über: War der Jesus, mit dem sie zogen, nicht vielleicht wirklich der erwartete neue David; war mit seinem Einzug in die Heilige Stadt die Stunde gekommen, in der er das Reich Davids wiederherstellen würde?
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Autoren-Porträt von Benedikt XVI.
Joseph Ratzinger (1927-2022), Studium der katholischen Theologie und Philosophie an der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising und an der Universität in München; Priesterweihe 1951, 1953 Promotion zum Dr. theol., 1957 Habilitation, theologische Professuren in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, Konzilsberater des Erzbischofs von Köln, Josef Kardinal Frings, Peritus, 1977-1982 Erzbischof von München und Freising, 1977-2005 Kardinal, 1981-2005 Präfekt der Glaubenskongregation, Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission, 2002-2005 Dekan des Kardinalskollegiums, 2005-2013 Papst Benedikt XVI., Autor des Weltbestsellers "Jesus von Nazareth".
Bibliographische Angaben
- Autor: Benedikt XVI.
- 2011, 1. Auflage, 368 Seiten, Maße: 14,9 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Herder, Freiburg
- ISBN-10: 3451329999
- ISBN-13: 9783451329999
- Erscheinungsdatum: 08.03.2011
Rezension zu „Jesus von Nazareth, Band 2 “
"Das neue, anspruchsvolle Jesus-Buch Papst Benedikts XVI. legt im tiefen Dickicht der theologischen Deutungen wieder die einfache Wahrheit des Gottessohnes frei." (Die Welt)
Kommentare zu "Jesus von Nazareth, Band 2"
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