Julia-Durant-Krimibox 2
Die letzten sechs Bände um die Frankfurter Hauptkommissarin Julia Durant in einem hochwertigen Schuber.
Die Bände 6 bis 11:
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Die letzten sechs Bände um die Frankfurter Hauptkommissarin Julia Durant in einem hochwertigen Schuber.
Die Bände 6 bis 11:
- Kaltes Blut
- Das Verlies
- Teuflisches Versprechen
- Tödliches Lachen
- Das Todeskreuz
- Mörderische Tage
Kaltes Blut
In einem wohlhabenden Frankfurter Vorort herrschen Entsetzen und Fassungslosigkeit: Die 15-jährige Selina ist aus dem Reitstall, in dem sie sich so gerne aufhielt, nicht nach Hause zurückgekehrt und wird kurz darauf ermordet aufgefunden.
Kommissarin Julia Durant und ihre Kollegen stehen vor einem Rätsel, das noch undurchdringlicher wird, als sich herausstellt, dass Selina schwanger war ...
Das Verlies
Von einem Tag auf den anderen verschwindet der Autohändler Rolf Lura spurlos. Keiner kann sich erklären, was mit ihm passiert ist - auch nicht seine Frau. Ein Fall für Julia Durant? Die Frankfurter Kommissarin und ihr Team vermuten ein Verbrechen, vor allem als sich herausstellt, dass Rolfs Frau schon seit längerem ein Verhältnis mit seinem besten Freund Werner Becker hatte. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann verschwindet plötzlich auch Becker ...
Teuflische Versprechen
In der Praxis der Psychologin Verena Michel taucht eines Tages die völlig verängstigte Maria aus Moldawien auf: Sie wurde als Sexsklavin in einer alten Villa gehalten und konnte ihrem Martyrium nur knapp entkommen. Die Psychologin bringt die Frau zu der befreundeten Anwältin Rita Hendriks. Kurz darauf ist Rita tot.
Ein Fall für die engagierte Frankfurter Kommissarin Julia Durant, die bei ihren Ermittlungen bald zwei weiteren ungeklärten Morden auf die Spur kommt.
Tödliches Lachen
Kommissarin Julia Durant ist höchst beunruhigt. Mit der Post hat sie einen Umschlag erhalten, in dem sich das Foto einer offensichtlich ermordeten jungen Frau befindet. Ein makaberer Scherz oder aber grausame Wirklichkeit? Noch während Julia und ihre Kollegen rätseln, wird eine Frauenleiche gefunden - die Frau auf dem Foto!
Lange tappt Kommissarin Durant im Dunkeln, denn Svenja Martens, das Opfer, scheint ein völlig unauffälliger Mensch gewesen zu sein. Doch bald drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Mord nur der Beginn einer grausamen Serie sein könnte. Julia ahnt nicht, dass sich der Täter ganz in ihrer Nähe befindet ...
Das Todeskreuz
Die Staatsanwältin Corinna Sittler wird ermordet in ihrem Haus aufgefunden. In ihrem Mund entdeckt Julia Durant einen Zettel mit den Worten: »Confiteor - Mea Culpa«. Ein Ritualmord? Doch Corinna Sittler war nicht die untadelige Staatsanwältin, für die alle sie gehalten haben. War also Rache das Motiv für die brutale Tat? Da geschieht in der Nähe von Offenbach ein Mord, der dieselbe Täterhandschrift aufweist, und hier ist ein Richter das Opfer. Peter Brandt, der zuständige Kommissar, setzt sich mit Julia Durant in Verbindung - wenn auch äußerst widerwillig ...
Mörderische Tage
Innerhalb kurzer Zeit verschwinden mehrere Frauen spurlos. Es werden keine Leichen gefunden, die Polizei tappt im Dunkeln. Trotzdem beschließt Julia Durant, ihren lange geplanten Urlaub in Südfrankreich anzutreten. Doch kurz vorher wird sie von einem Unbekannten brutal überfallen und entführt. Er hält sie in einem dunklen und feuchten Kellergewölbe gefangen, in dem sich offenbar noch andere Frauen befinden. Verzweifelt versucht Julia herauszufinden, was der Entführer von ihr will.
Inzwischen laufen die Ermittlungen der Kollegen auf Hochtouren, denn Julia hat nicht mehr viel Zeit ...
"Langeweile ist bei diesem Fall ein Fremdwort."
Die Rhein-Neckar-Zeitung zu "Tödliches Lachen"
"Mörderische Tage - ein ganz großer Wurf. Von Anfang bis Ende steckt das Werk voller Spannung."
Schwäbische Post
Unerwiderte Liebe führt oft zu Hass - doch was kommt danach?
Prolog
Der zurückliegende Tag hatte nasse Kälte gebracht, kein einziger Sonnenstrahl war durch die dunkelgraue Wolkendecke gedrungen. Für die kommenden Tage und Nächte wurden starker Frost und Schneefall angekündigt, und sollten die Meteorologen recht behalten, so würde es ein sehr schneereicher Jahreswechsel werden.
Er blickte auf die Uhr, zehn nach drei. In dieser Nacht lud er seine Fracht in den Kofferraum, fuhr bis zum Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Baggersees, und er war sicher, dass niemand ihn beobachtete, denn es war kalt, die Straßen glatt, dicke Schneeflocken fielen zu Boden. Hinter keinem der Fenster brannte mehr Licht, der Ort schlief, selbst die Straßenlaternen waren an dieser Stelle seit Mitternacht ausgeschaltet. Vor allem im Winter, wenn die Nächte sich unendlich in die Länge zogen, sah man ab spätestens acht Uhr abends kaum noch einen Menschen in den kleinen Straßen und Gassen, außer solchen, die mit ihren Hunden noch mal raus mussten, nein, sie verschanzten sich lieber hinter den dicken Mauern ihrer Reihenhäuser, Villen und Bungalows, was ihm jetzt zugute kam.
Kein Geräusch drang an seine Ohren, nicht einmal das Starten eines Flugzeugs. Eine gespenstische Stille hatte alles erfasst, nur der Ostwind jagte heulend über das freie Land. Er schaltete den Motor aus, nahm das Nachtsichtgerät vom Beifahrersitz, setzte es auf und vergewisserte sich, dass er tatsächlich allein war. Er atmete schwer, die letzten Stunden hatten ihm viel abverlangt, sein Körper und seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Er schob das Sichtgerät nach oben, denn jeder Lichtstrahl hätte in seinen Augen geschmerzt, als würde er direkt in die Sonne blicken. Er öffnete die Tür und sah noch einmal um sich. Lautlos hob sich die Kofferraumhaube, er nahm das in festes Leinentuch sorgsam verschnürte Bündel heraus und legte es sich über die Schulter. Das Sichtgerät erneut auf den Augen, ließ er seinen Blick von einer Seite zur andern wandern, bis er an der Stelle ankam, wo das große Schlauchboot lag, das sich selbst aufblies und das er nachher zusammengefaltet wieder mit nach Hause nehmen würde. Es war verboten, auf dem Baggersee Boot zu fahren, doch in dieser Winternacht war das Letzte, was jemand vermuten würde, dass ein Verrückter hier ein Boot zu Wasser lassen würde.
Er legte das Bündel hinein, ging zweimal zum Wagen zurück und holte drei je fünfzehn Kilogramm schwere Eisengewichte und eine etwa fünf Meter lange Kette. Trotz des Sichtgeräts musste er aufpassen, dass er nicht stolperte, doch diese Gegend war ihm derart vertraut, dass er fast jeden Stein und jede Unebenheit kannte. Das Boot schaukelte, als er auch noch die Gewichte hineinlegte und damit begann, beinahe mechanisch die Kette um das Stoffbündel zu wickeln und schließlich die Gewichte mit extra starken Sicherheitsschlössern daran zu befestigen.
Seine Hände waren trotz der Handschuhe kalt, sein Gesicht wie erstarrt. Er war sicher, hier würde niemand suchen, und es gab Stellen, an denen der See bis zu dreißig Meter tief war. Er hatte es selbst ausgemessen und kannte die tiefsten Stellen. Und sogar im Sommer war das Wasser so trüb, dass man kaum mehr als zwanzig oder dreißig Zentimeter unter die Oberfläche sehen konnte. Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, nahm er die kalten Ruder und fuhr bis zur Seemitte. Er holte die Ruder ein, warf einen letzten Blick auf das Bündel, ging in die Knie und verlagerte sein Gewicht auf die linke Seite, während er unter den Stoff griff und mit verzerrtem Gesicht seine schwere Fracht über den Bootsrand hievte und ins Wasser plumpsen ließ. In diesem Moment fingen ein paar Enten an zu schnattern, verstummten jedoch gleich wieder. Das Boot wackelte, er hatte Mühe, nicht die Balance zu verlieren. Er hörte, wie Blasen aufstiegen, und er meinte auch zu hören, wie das Bündel schließlich nach einigen Sekunden den Grund des kleinen Gewässers erreichte.
Nein, dachte er, hier wird niemand suchen, denn der See war schon vor Längerem zum Sperrgebiet für Schwimmer erklärt worden. Sobald die ersten warmen Tage kamen, würden zwar viele Menschen ihre freien Stunden am Ufer verbringen oder an der Grillstelle, aber sie würden bis auf wenige, die die Verbotsschilder missachteten, nicht ins Wasser springen, da auf den Schildern deutlich darauf hingewiesen wurde, dass eine unberechenbare, kalte Unterströmung selbst einen geübten Schwimmer in den Tod reißen konnte, denn die Unterströmung befand sich nie an der gleichen Stelle, sondern veränderte sich nach scheinbar von ihr selbst aufgestellten Regeln.
Er wartete noch zwei Minuten und ruderte zurück ans Ufer, ließ die Luft aus dem Boot, faltete es zusammen und trug es mit den Rudern zum Auto. Noch immer war er allein mit sich und der Nacht. Er verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln, schaute ein letztes Mal um sich, nahm das Gerät vom Gesicht und setzte sich ins Wageninnere. Er atmete ein paarmal tief durch, startete den Motor und fuhr los. Er hatte es geschafft, und keiner würde je auf ihn kommen. Es war nur ein Mädchen, man würde es als vermisst melden und irgendwann die Suche aufgeben. Er empfand kein Mitleid für sie, auch nicht für ihre Eltern, für die es der traurigste Heiligabend überhaupt werden würde. Aber was interessierte ihn das Weihnachten anderer, was interessierten ihn die Gefühle irgendwelcher Eltern, die er noch nie zu Gesicht bekommen hatte, von denen er nur wusste, dass die Familie ohnehin bald auseinanderbrechen würde. Außerdem war das Mädchen selbst schuld an seinem Schicksal, es hatte es doch nicht anders gewollt. Er fühlte sich auf eine seltsame Weise glücklich und erleichtert, und sollten die Prognosen der Wetterfrösche tatsächlich eintreffen, so würde der See in den kommenden Tagen womöglich sogar zufrieren, zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder.
Nein, er hatte kein Mitleid, und er schwor sich, nie darüber nachzudenken oder zu bereuen, was er getan hatte. Ruhe in Frieden, dachte er auf dem Weg nach Hause, Ruhe in Frieden, mein Engel. Seine Weihnachtsvorbereitungen waren abgeschlossen, alle Geschenke gekauft, den Tannenbaum würde er morgen Nachmittag schmücken, wie es schon bei seinen Eltern Tradition war, eine Tradition, die er in seiner Familie fortsetzte. Merry Christmas.
Dienstag, 18. Juni, mehrere Jahre später
Es war ein brütend heißer Tag, an dem die Temperatur auf beinahe unerträgliche siebenunddreißig Grad stieg. Um kurz nach neunzehn Uhr betraten die junge Frau und das Mädchen das um diese Zeit kaum besetzte Lokal. An einem der hinteren Tische abseits des Eingangs saß ein Pärchen, das tief in ein Gespräch versunken war und von den Eintretenden keine Notiz nahm. Im Raum war es im Gegensatz zu draußen angenehm kühl, es duftete nach italienischer Küche, südländischen Gewürzen und Wein, im Hintergrund klang leise aus versteckten Lautsprechern Musik. Die Frau und das Mädchen ließen sich an einem Tisch neben dem Fenster auf rustikalen Stühlen nieder, von wo aus sie einen guten Blick auf den Parkplatz und einen Teil des Reithofs und die angrenzenden Stallungen hatten. Alles war in gleißendes Sonnenlicht getaucht, und es würde noch fast zweieinhalb Stunden dauern, bis auch die letzten Strahlen der Sonne hinter den Ausläufern des Taunus verblasst sein würden. Allmählich trocknete der Schweiß unter der Kleidung, ein paar Perlen standen auf der Stirn des Mädchens.
»Was möchtest du trinken?«, fragte die Frau mit angenehm weicher Stimme. Sie trug bis zu den Knien reichende schwarze Lederstiefel, eine khakifarbene, eng anliegende Hose und eine kurzärmlige weiße Bluse. Sie hatte ein markantes Gesicht, mit leicht hervorstehenden Wangenknochen, einer schmalen, geraden Nase und einem dezent geschminkten vollen Mund. Ihre Haut war sehr gepflegt, jede ihrer Bewegungen hatte etwas Graziles. Sie sah das Mädchen aus warmen braunen Augen an. »Oder möchtest du lieber etwas essen? Die machen hier eine tolle Lasagne.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Sie hatte kurzes rötlich-blondes Haar, grüne Augen, sanft geschwungene Lippen, die sich an den Seiten ein wenig nach unten zogen, und sie hatte bereits eine sehr weibliche Figur, die sie unter einem weit geschnittenen blauen T-Shirt und Jeans versteckte. Insgesamt machte sie einen etwas unsicheren Eindruck. »Nur ein Glas Orangensaft, bitte.« Sie hatte sich zurückgelehnt, die Hände gefaltet, den Blick gesenkt. Ihr schien die Situation unangenehm zu sein.
»Wirklich keine Lasagne? Ich lade dich natürlich ein«, sagte die Frau mit aufmunterndem Lachen, aber dennoch leise, sodass nur das Mädchen die Worte hörte.
»Nein, danke, ich habe keinen Hunger.«
Die Frau gab dem Kellner ein kurzes Zeichen, der daraufhin an den Tisch kam und die Bestellung aufnahm. Sie bestellte Rotwein für sich und Orangensaft für das Mädchen. Der Kellner, ein hoch aufgeschossener junger Mann in weißem Hemd, dunkler Hose und ebenso dunkler Weste, brachte wenig später die Getränke.
»Auf dein Wohl und vor allem auf deine Zukunft«, sagte sie und hob ihr Glas.
Das Mädchen lächelte verlegen und nahm einen Schluck von dem Saft, behielt das Glas aber noch in der Hand.
»Du machst einen sehr verspannten Eindruck, Miriam. Was ist los? «
»Nichts weiter. Es ist nichts.«
Die Frau holte eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche, zündete sich eine an, inhalierte und beugte sich nach vorn, die Ellbogen auf den Tisch gestützt.
»Miriam, es gibt einen Grund, weshalb ich mich gerne mit dir unterhalten möchte. Du kommst jetzt schon seit über zwei Monaten regelmäßig zu uns und ... Nun, wie soll ich es ausdrücken, ich denke, es wird Zeit, dass wir uns einmal über deine Zukunft unterhalten.« Sie nahm einen weiteren Zug an der Zigarette, den Blick auf das Mädchen gerichtet. »Ich sehe doch, dass das Reiten dir großen Spaß macht. Würdest du nicht gern Mitglied bei uns werden?«
Das Mädchen nickte, verzog aber gleichzeitig den Mund ein wenig. Jede Bewegung, jeder Blick spiegelte Unsicherheit wider.
Die Frau drückte ihre Zigarette nach wenigen Zügen aus, beugte sich noch ein wenig weiter nach vorn und sagte: »Du hast großes Talent, weißt du das? Nein, du weißt es nicht, aber ich kann es sehen und fühlen. Die Art und Weise, wie du mit den Pferden umgehst, zeigt mir, dass du einfach ein Gespür, nein, lass es mich anders ausdrücken, du hast das Gespür für die Tiere. Und glaub mir, die Tiere merken das.« Eine kurze Pause entstand, die Frau nippte an ihrem Wein, stellte das Glas aber gleich wieder auf den Tisch. »Du liebst die Pferde doch, oder? Natürlich, was für eine dumme Frage von mir. Und die Pferde lieben dich. Komm, gib mir deine Hand, ich will dir etwas zeigen.«
Das Mädchen zögerte einen Moment, reichte der Frau aber schließlich die Hand.
»Du hast sehr schöne Hände. Deine Finger sind so zart und zerbrechlich ... Du fragst dich bestimmt, weshalb ich dir das sage, und ich will auch nicht lange um den heißen Brei herumreden.« Die Frau hielt noch immer die warme Hand in ihrer und streichelte sanft über den Handrücken. »Weißt du, Pferde sind groß und stark. Ein Tritt von ihnen kann genügen und du bist tot. Aber Pferde sind gleichzeitig sehr empfindsam und zerbrechlich, so wie deine Finger. Und doch bist du in der Lage, mit diesen Fingern ein Pferd zu beherrschen. Aber man beherrscht Pferde nicht, indem man ihnen wehtut, nein, ganz im Gegenteil, sie reagieren schon auf die kleinsten Berührungen, denn Pferde sind die sanftesten Wesen, die ich kenne. Viele meinen, man müsste ihnen die Peitsche geben oder ihnen mit Sporen in die Seite treten, damit sie gehorchen. Doch den Schmerz, den ein derart hochsensibles Wesen dabei empfindet, den erkennen diese Menschen nicht. Man mag es kaum glauben, doch Pferde spüren sogar, wenn eine Fliege über sie drüberkrabbelt. Das aber ist den wenigsten Menschen bekannt. Ein Pferd gehorcht schon, wenn du es mit den Fingern zwischen den Ohren streichelst und es dabei liebevoll anschaust. Komm, schau mich an ... «
Das Mädchen hob den Blick, die Stirn nun ein klein wenig in Falten gezogen, und sah der Frau für einen kurzen Moment in die Augen.
»Mit deinen Augen kannst du alles bewirken. Du bist ein wunderbares Mädchen und ein sehr hübsches dazu. Bestimmt hast du schon einen Freund ... «
»Nein, ich habe keinen Freund«, wurde sie von dem Mädchen unterbrochen, das die Berührung mit einem Mal nicht mehr als unangenehm empfand.
»Noch nie einen gehabt?«
»Nein, bis jetzt noch nicht«, erwiderte das Mädchen scheu lächelnd und sah die Frau diesmal direkt an. »Außerdem bin ich erst vierzehn, Jungs haben noch Zeit.«
»Ich kenne Mädchen, die haben schon mit zwölf oder dreizehn einen festen Freund«, erwiderte die Frau und schüttelte den Kopf. »Aber ich muss ganz ehrlich sagen, es ist besser, ein wenig zu warten, als sich zu früh ... Du weißt schon, was ich meine. Wenn ich eine Tochter in deinem Alter hätte, fände ich es auch nicht gut, wenn ... Aber das geht mich nichts an. «
Sie streichelte noch immer über den Handrücken des Mädchens und fuhr fort, indem sie das Thema wechselte: »Was verspürst du eigentlich, wenn du im Sattel sitzt? Ich meine, du bestimmst, wohin das Pferd geht, wie schnell es geht, wann es anzuhalten hat. Was ist das für ein Gefühl?«
»Ich weiß nicht genau, was Sie meinen«, antwortete das Mädchen, dessen Scheu von Sekunde zu Sekunde schwand, auch wenn die Frage sie ein wenig irritierte.
»Nun, ich empfinde es als eine Art Macht. Es ist die Macht über ein Wesen, das eigentlich viel stärker und scheinbar mächtiger ist als ich. Und doch gehorcht es mir. Und weißt du auch, warum das so ist? Ich habe lange gebraucht, um es herauszubekommen, aber schließlich habe ich eine Antwort darauf gefunden. Es gehorcht, weil es spürt, dass ich ihm nichts Böses will. Mein Pferd und ich haben eine sehr innige Verbindung. Es ist ein seltsames, prickelndes Gefühl, wenn ich auf seinem Rücken sitze. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Kennst du das auch?«
Sie streichelte etwas fester über die Hand des Mädchens, das den Blick der Frau diesmal länger erwiderte. Sie waren noch immer allein mit dem Pärchen, das am andern Ende des Raumes saß, und dem Kellner, der ab und zu einen Blick auf die Frau und das Mädchen warf, während er ein paar Gläser wienerte für die Gäste, die in spätestens einer halben Stunde wie fast jeden Abend nach und nach einkehren würden. Die meisten von ihnen waren Mitglieder des Reitclubs, die Crème de la Crème nicht nur der Hattersheimer High Society, allerdings zu einem großen Teil Frauen, die nur manchmal ihre Männer mitbrachten, auch wenn einige Männer regelmäßig hier verkehrten.
»Was für ein Gefühl meinen Sie?«, fragte das Mädchen.
»Ach, lassen wir das jetzt, kommen wir zu etwas anderem. Miriam, ich würde dich gerne als Mitglied in unserem Verein begrüßen.«
»Aber ... «
»Kein Aber. Ich kenne dich und deine Mutter schon seit etlichen Jahren, und ich habe mich wirklich gefreut, als du vor ein paar Wochen zum ersten Mal zu uns kamst. Um es kurz zu machen, wir haben einen Fonds extra für junge Leute wie dich. Sagen wir, für einen Monatsbeitrag von sechs Euro kannst du Mitglied werden.«
»Sechs Euro?«, fragte das Mädchen mit ungläubigem Blick ganz aufgeregt.
»Ich sagte doch, wir haben einen speziellen Fonds. Natürlich brauchst du auch das entsprechende Outfit, das ist doch wohl klar ... «
»Das Geld dafür hab ich aber nicht«, erklärte das Mädchen mit gedämpfter Stimme.
»Hab ich gesagt, dass du oder deine Mutter die Kleidung bezahlen muss?«, entgegnete die Frau mit einschmeichelnder Stimme und streichelte wieder zärtlich über die Hand des Mädchens. »Natürlich ist auch die Kleidung im Fonds enthalten. Irgendwann, wenn du genug Geld verdienst, kannst du es machen wie schon einige andere vor dir und etwas in den Fondstopf werfen. Was hältst du davon?«
»Aber die Sachen sind sauteuer! ... Entschuldigung«, fügte sie verschämt lächelnd hinzu.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich finde auch, dass die Sachen sauteuer sind«, sagte die Frau und lachte auf.
»Aber allein die Stiefel ...«
»Mach dir keine Gedanken mehr wegen des Geldes, okay? Ich kümmere mich drum. Wenn du möchtest, gehen wir noch diese Woche einkaufen. Dann bist du auch gerüstet für Frankreich«, sagte die Frau mit unergründlichem Lächeln.
Das Mädchen schaute die Frau fragend an. »Frankreich? Wieso Frankreich?«
»Hast du mir vorhin nicht gesagt, dass du in den Ferien nichts weiter vorhast? Also, pass auf, einige Mitglieder des Clubs veranstalten vom 27. Juni bis 7. Juli eine Fahrt nach Südfrankreich. Selina und Nathalie sind übrigens auch dabei, ob Katrin mitkommt, weiß ich noch nicht genau, aber es sieht ganz gut aus. Unter anderem bereisen wir die Camargue, wo es mit die schönsten Pferde überhaupt gibt. Wild und ungezügelt und voller Lebensfreude, man muss sie einfach einmal gesehen haben. Es sind auch ganz bestimmt alle einverstanden, dass du mitfährst. Aber natürlich muss ich erst mit dir darüber reden, ob du überhaupt willst. Willst du? Wir werden dort auch sehr viel reiten. Und das Schönste ist, die Landschaft ist noch ziemlich unberührt. Also, was ist, willst du? «
»Natürlich, aber ... «
»Du sagst immer aber. Nimm doch einfach mal die Dinge so, wie sie dir gegeben werden. Wer weiß, wann du mal wieder ein solches Angebot bekommst.«
»Ich muss trotzdem mit meiner Mutter sprechen.«
»Sie wird nichts dagegen haben. Und sollte es Probleme geben, sag mir Bescheid, ich rede dann mit ihr. Ich denke dennoch, dass du es allein schaffst, sie zu überzeugen. Es ist eine einmalige Chance.«
»Warum tun Sie das alles?«, fragte das Mädchen.
»Warum tut man überhaupt etwas? Ich mag dich und schätze deine Art. Und jemand, der mit Pferden so gut umgehen kann wie du, ist bei uns jederzeit herzlich willkommen. Du wirst es nicht bereuen.«
»Ich darf wirklich mit nach Frankreich?« Das Mädchen lehnte sich zurück und trank einen Schluck von dem inzwischen leicht erwärmten Orangensaft. Sie zitterte ein wenig, noch erschien ihr das alles wie ein wunderschöner Traum, ein Traum in einer großen rosafarbenen Blase, die gleich zerplatzen würde. »Ich war das letzte Mal vor fünf Jahren in Urlaub, als mein Vater noch bei uns gelebt hat. Seitdem war ich immer nur zu Hause. Ich würde schon gerne mitkommen ... «
»Dann tu's einfach. Du bist hiermit ganz offiziell eingeladen. Aber vorher kaufen wir dir noch die entsprechenden Klamotten«, sagte die Frau lachend. »So, und jetzt freu dich einfach und sprich mit deiner Mutter. Und sollte sie wider Erwarten etwas dagegen haben, gib mir Bescheid. Ich regle das dann für dich. Glaub mir, ich bin eine Meisterin im Überreden von sturen Müttern und manchmal auch Vätern. Gebongt?«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll ...«
»Das ganze Leben ist ein Geben und Nehmen, das wirst du auch noch feststellen. Ich habe viel genommen, und jetzt gebe ich. Komm, ich zahl nur schnell und setz dich zu Hause ab. Und sprich am besten gleich heute Abend mit deiner Mutter. Du wirst sehen, es ist einfacher, als du denkst. Vertrau mir. «
»Danke.«
»Wann gehen wir einkaufen? Am besten schieben wir's nicht zu lange auf. Sagen wir, morgen Nachmittag um drei? Da hast du doch keine Schule mehr, oder?«
»Okay, um drei«, erwiderte das Mädchen lächelnd.
Die Frau bezahlte die Getränke, sie erhoben sich und gingen zum Auto, einem metallic blauen Mercedes SLK Cabrio. Der Wind hatte sich gelegt, die Hitze aber blieb, der Wetterbericht versprach jedoch für die kommenden Tage etwas moderatere Temperaturen. Aber Miriam dachte in diesem Augenblick an alles, nur nicht an das Wetter. Sie würde Mitglied in einem exklusiven Reitclub werden, sie würde morgen ein richtiges Reiteroutfit bekommen, und sie würde im Juli für zehn Tage nach Frankreich fahren. Sie hätte schreien können vor Glück, aber sie hatte in den vergangenen Jahren gelernt, vorsichtig mit ihren Emotionen umzugehen. Sie genoss den Fahrtwind auf ihrer Haut, schloss ein paarmal die Augen. Als sie vor dem Hochhaus im Südring hielten und bevor sie ausstieg, streichelte ihr die Frau noch einmal liebevoll lächelnd über die Hände und anschließend übers Gesicht und sagte: »Dann bis morgen um drei. Ich hol dich ab.«
...
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
- Autor: Andreas Franz
- 2012, 1, 3152 Seiten, Maße: 13,8 x 19,6 cm, Geb. im Schuber
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386365210X
- ISBN-13: 9783863652104
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