Engelsstimme / Kommissar-Erlendur-Krimi Bd.5
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Island darf nicht zu spannend und zu abenteuerlich sein. Um den Tod des Mannes schert sich eigentlich niemand, kein Mensch will etwas mit ihm zu tun gehabt haben. Wer aber hat Interesse, einen zurückgezogen lebenden Portier aus dem Weg zu räumen? Erlendur quartiert sich kurzerhand im Hotel ein, um den Beweggründen auf die Spur zu kommen. Wieder einmal reichen die Fäden weit in die Vergangenheit zurück.
Arnaldur Indridason ist der "isländische Mankell". Seine Krimis wurden mehrfach ausgezeichnet.
Engelsstimme von Arnaldur Indridason
LESEPROBE
Endlichwar der Augenblick gekommen. Der Vorhang ging hoch, der Saal lag vor ihm. Eswar ein wunderbares Gefühl, von all diesen Leuten angeblickt zu werden, undseine Schüchternheit verflog im Nu. Er sah einige seiner Schulkameraden undLehrer, und sogar der Rektor war anwesend, der ihm wohlwollend zuzunickenschien. Aber sonst kannte er nur wenige. All diese Leute hatten sicheingefunden, um ihn zu hören, seine schöne Stimme zu hören, die auch im Auslandbereits Aufsehen erregt hatte.
DasSummen im Saal verstummte allmählich, und aller Augen waren in schweigenderErwartung auf ihn gerichtet.
Ersah seinen Vater in der Mitte der ersten Reihe mit übereinander geschlagenenBeinen sitzen, sah seine dicke, schwarze Hornbrille und auf dem Knie den Hutliegen. Er sah, dass er das Opernglas auf ihn gerichtet hatte und ihmaufmunternd zulächelte, das hier war für sie beide die große Stunde in ihremLeben. Von jetzt an würde nichts mehr so sein wie früher.
DerChordirigent hob die Hände. Schweigen senkte sich über den Saal.
Under begann zu singen, mit dieser reinen, schönen Stimme, von der sein Vatersagte, es sei eine Engelsstimme.
ErsterTag
Eins
Elínborgwartete im Hotel auf sie.
Eingroßer Weihnachtsbaum stand im Foyer, und die Halle war mit Tannenzweigen undglitzernden Kugeln weihnachtlich geschmückt. Holder Knabe im lockigen Haarerklang aus einer unsichtbaren Lautsprecheranlage. Große Reisebusse standen vordem Eingang, und die Menschen strömten in die Rezeption. Ausländer, dieWeihnachten und Neujahr in Island verbringen wollten, weil in ihren AugenIsland Abenteuer und Spannung versprach. Sie waren gerade erst gelandet, abertrotzdem hatten sich
einige bereits die typischen Islandpullover gekauft. Man trug sich eifrig alsGast in diesem fremden Winterland ein. Erlendur klopfte sich den nassen Schneevom Mantel. Sigurður Óli ließ die Blicke über das Foyer schweifen und entdeckteElínborg bei den Aufzügen. Er stieß Erlendur an, und sie gingen zu ihr hinüber.Sie hatte den Schauplatz bereits in Augenschein genommen. Die Polizisten, diezuerst eingetroffen waren, hatten dafür gesorgt, dass nichts angerührt wurde.
DerHotelmanager bat händeringend darum, nicht überzureagieren. Das Wort hatte erverwendet, als er anrief. Dies war ein Hotel, und Hotels lebten von ihrerReputation, und er bat sie, Rücksicht darauf zu nehmen. Deswegen gab es draußenkeine Sirenen, und es gab auch keine uniformierten Polizisten, die durch dieHalle stürmten und Leute anrempelten. Der Hotelmanager erklärte, dass die Gästedes Hotels unter gar keinen Umständen in irgendeiner Weise beunruhigt werdendürften.
Islanddurfte nicht zu spannend und abenteuerlich sein.
Jetztstand der Hotelmanager an der Seite von Elínborg und gab Erlendur und SigurðurÓli die Hand. Der Mann war so fett, dass er kaum in seinen Anzug passte. DasJackett war über dem Bauch mit einem Knopf zugeknöpft, der sicher nicht mehrlange halten würde. Der Hosenbund verschwand unter dem enormen Bauch, der ausdem Jackett quoll, und der Mann schwitzte so stark, dass er das große, weißeTaschentuch, mit dem er sich in regelmäßigen Abständen Stirn und Nackenabwischte, kaum wegstecken konnte. Der weiße Hemdkragen war schon schweißnass.Erlendur drückte seine feuchte Hand.
"VielenDank", erklärte der Hotelmanager und blies vor lauter Besorgnis wie einWal. Er hatte das Hotel fast zwanzig Jahre lang geleitet, aber so etwas war ihmnoch nie untergekommen.
"Unddas mitten im Weihnachtsbetrieb", stöhnte er. "Ich begreife nicht,wie so etwas passieren kann. Wie kann so etwas passieren?", wiederholteer, und ihnen entging nicht, dass ihn die Situation völlig überforderte.
"Ister unten oder oben?", fragte Erlendur.
"Untenoder oben?", schnaufte der fette Hotelmanager. "Meinst du etwa, ob erzum Himmel gefahren ist?"
"Tja",sagte Erlendur. "Das müssen wir wohl unbedingt in Erfahrung bringen."
"Nehmenwir den Aufzug nach oben?", fragte Sigurður Óli.
"Nein",erwiderte der Hotelmanager, der sich auf den Arm genommen fühlte und Erlenduranstarrte. "Er ist hier unten im Keller. Hat da ein kleines Zimmer. Wirhaben ihn nicht rauswerfen mögen. Und das ist dann der Dank dafür."
"Warumwolltet ihr ihn denn rauswerfen?", fragte Elínborg.
DerHotelmanager sah sie an, ohne zu antworten.
Siebegaben sich langsam auf der Treppe neben dem Aufzug nach unten. DerHotelmanager ging voran. Sogar treppabwärts waren die Stufen eine Anstrengungfür ihn, und Erlendur überlegte, wie er da wohl wieder hochkommen würde.
Siehatten sich damit einverstanden erklärt, möglichst rücksichtsvoll vorzugehen,nur Erlendur hatte nichts gesagt. Sie wollten wenigstens versuchen, so diskretwie möglich zu arbeiten. Drei Polizeiautos und ein Krankenwagen standen hinterdem Hotel. Polizei und Krankenwagenbesatzung waren zum Hintereinganghereingekommen. Der Amtsarzt war unterwegs. Er würde den Totenschein ausstellenund den Leichenwagen anfordern.
Siegingen einen langen Gang entlang, Schritt für Schritt hinter dem schnaufendenWal her. Uniformierte Polizisten grüßten sie. Je weiter sie nach hinten kamen,desto dunkler wurde der Gang, weil die Birnen an der Decke den Geist aufgegebenhatten und sich offenbar niemand die Mühe gemacht hatte, sie auszuwechseln.Schließlich kamen sie in der Finsternis an eine Tür, die halb offen stand undden Blick in einen kleinen Raum freigab. Der glich eher einer Abstellkammer alseiner menschlichen Behausung, aber enthielt immerhin ein schmales Bett undeinen kleinen Schreibtisch. Auf den dreckigen Fliesen lag ein abgewetzterBettvorleger, oben, knapp unterhalb der Decke, war ein kleines Fenster.
DerMann saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt im Bett. Er trug ein knallrotesWeihnachtsmannkostüm mit entsprechender Mütze, die ihm ins Gesicht gerutschtwar. Der weiße Weihnachtsmann-Rauschebart verdeckte den Rest des Gesichts. DieSchnalle des breiten Gürtels war über dem Bauch gelöst worden, und die Jackewar aufgeknöpft. Darunter trug er nichts weiter als ein weißes Unterhemd. Überdem Herzen war eine tödliche Stichwunde. Am Bauch waren noch weitereVerletzungen, aber der Stich ins Herz war der tödliche gewesen. Seine Händewiesen ebenfalls Stichwunden auf, als hätte er versucht, den Angriffabzuwehren.
DieHosen waren heruntergelassen. An seinem Glied hing ein Kondom.
"Morgenkommt der Weihnachtsmann", trällerte Sigurður Óli und schaute auf dieLeiche hinunter.
Elínborgbrachte ihn mit einem "Psst" zum Schweigen.
ImZimmer gab es noch einen kleinen Kleiderschrank. Der stand offen, und man sahzusammengefaltete Hosen und Pullover, gebügelte Hemden und Socken. Die Livreehing auf einem Bügel, dunkelblau mit goldenen Epauletten und glänzendenMessingknöpfen. Neben dem Schrank standen blank geputzte Lederschuhe.
Zeitungenund Zeitschriften stapelten sich auf dem Fußboden. Neben dem schmalen Bettstand ein Nachttisch mit einer Lampe. Auf dem Nachttisch lag ein Buch: AHistory of the Vienna Boys Choir.
"Hatdieser Mann hier gewohnt?", fragte Erlendur und blickte sich um. Elínborgund er hatten sich in das Zimmer hineingezwängt, Sigurður Óli und derHotelmanager standen draußen. Für alle war drinnen kein Platz.
"Wirhaben ihm gestattet, sich hier einzurichten", sagte der Hotelmanagerverlegen und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. "Er arbeiteteschon seit langem bei uns, war schon da, als ich kam. Er war Portier."
"Standdie Tür offen, als man ihn gefunden hat?", fragte Sigurður Óli undversuchte amtlich zu klingen, um den Ausrutscher von vorhin wiederwettzumachen.
"Ichhabe sie gebeten, auf euch zu warten", erklärte der Hotelmanager."Das Mädchen, das ihn gefunden hat. Sie ist in der Kantine für dieHotelangestellten. Das arme Ding steht unter Schock, das könnt ihr euch sichervorstellen." Der Hotelmanager vermied es, in das Zimmer zu blicken.
Erlendurtrat zu der Leiche und untersuchte die Herzwunde. Er konnte sich nichtvorstellen, mit was für einem Messer der Mann getötet worden war. Er blicktehoch. Über dem Bett hing ein altes, vergilbtes Kinoplakat mit Shirley Temple,das an den Ecken mit Tesafilm angeklebt worden war. Erlendur kannte den Filmnicht. Er hieß The Little Princess. Das Plakat war der einzige Schmuck,den es im Zimmer gab.
"Werist denn das?", fragte Sigurður Óli, der an der Tür stand und das Plakatbetrachtete.
"Dassteht doch da", sagte Erlendur. "Shirley Temple."
"Werwar das noch? Lebt sie noch?"
"Werwar Shirley Temple?", wiederholte Elínborg. "Weißt du wirklich nicht,wer sie war? Du hast doch angeblich in Amerika studiert."
"Warsie ein Hollywoodstar?", fragte Sigurður Óli und schaute immer noch auf dasPlakat.
"Siewar ein Kinderstar", sagte Erlendur mürrisch. "So gesehen ist siealso schon lange tot, ob sie nun noch am Leben ist oder nicht."
"Aha",gab Sigurður Óli von sich, der mit dem Gesagten rein gar nichts anzufangenwusste.
"EinKinderstar", sagte Elínborg. "Wenn ich mich nicht täusche, lebt sienoch. Ich erinnere mich nicht so genau. Ich glaube, sie arbeitet im Auftrag derVereinten Nationen."
Erlendurfiel auf, dass es keine weiteren persönlichen Gegenstände in dem Zimmer gab. Ersah sich um, nirgends ein Buchregal oder Cds, kein Computer, kein Radio undkein Fernseher. Nur ein Schreibtisch, ein Stuhl neben dem Bett und eben dasBett mit einem zerwühlten Kopfkissen und einem schmutzigen Bettbezug. Derwinzige Raum erinnerte ihn an eine Gefängniszelle.
Ertrat auf den Gang hinaus und spähte in die Dunkelheit. Er glaubte, einenschwachen Rauchgeruch wahrzunehmen, so als hätte jemand mit Streichhölzernherumhantiert, um sich Licht zu verschaffen.
"Wasgibt es da hinten sonst noch?", wandte er sich an den Hotelmanager.
"Nichts",erwiderte der und schaute zur Decke. "Nur das Ende des Gangs. Da fehlenein paar Birnen, ich lass das in Ordnung bringen."
"Wielange hat der Mann hier gelebt?", fragte Erlendur und ging in das Zimmerzurück.
"Ichweiß es nicht, das war vor meiner Zeit."
"Warer schon hier, als du Hotelmanager wurdest?"
"Ja."
"Willstdu mir damit sagen, dass er in diesem Kabuff mehr als zwanzig Jahre gelebthat?"
"Ja."
Elínborgbetrachtete das Kondom.
"Aufjeden Fall hat er sich an Safersex gehalten", erklärte sie.
"Nichtsafe genug", meinte Sigurður Óli.
Indiesem Augenblick erschien der Amtsarzt im Gefolge eines Hotelangestellten, dersofort wieder Richtung Treppe verschwand. Der Arzt war ziemlich korpulent,konnte es aber keinesfalls mit dem Hotelmanager aufnehmen. Als er sich in dasZimmer zwängte, wurde es Elínborg zu eng und sie schlüpfte rasch hinaus.
"HalloErlendur", sagte der Amtsarzt.
"Na,was meinst du dazu?", fragte Erlendur.
"Herzstillstand?Aber ich muss mir das noch näher anschauen", erklärte der Amtsarzt, derfür seinen merkwürdigen Humor bekannt war.
Erlendurschaute Elínborg und Sigurður Óli an, die breit grinsten.
"Hastdu eine Ahnung, wann das passiert sein könnte?", fragte Erlendur.
"Langekann es nicht her sein. Irgendwann in den letzten zwei Stunden. Er ist nochwarm. Was ist mit den Rentieren, habt ihr die auch gefunden?"
Erlendurstöhnte.
DerAmtsarzt nahm die eine Hand von der Leiche.
"Ichstelle euch den Wisch aus", sagte der Arzt. "Ihr schickt ihn dann insLeichenschauhaus, und die öffnen ihn da. Ich habe gehört, dass ein OrgasmusÄhnlichkeit mit dem Sterben haben soll", fügte er hinzu und schaute aufdie Leiche herunter. "Er hats also doppelt bekommen."
"Doppeltbekommen?" Erlendur begriff ihn nicht.
"Einendoppelten Orgasmus", sagte der Arzt. "Ihr fotografiert das alles,nicht wahr?"
"Natürlich",sagte Erlendur.
"DieFotos werden sich prima in seinem Familienalbum machen."
"Ichhabe nicht den Eindruck, dass er Familie hat", entgegnete Erlendur undblickte sich um. "Bist du dann einstweilen fertig?", fragte er,langsam hatte er genug von dieser Art von Humor.
DerAmtsarzt nickte, zwängte sich wieder auf den Gang und verschwand.
"Müssenwir nicht das Hotel schließen?", fragte Elínborg und sah, wie der Hotelmanagernach Luft schnappte. "Damit hier niemand raus- oder reinkommen kann. AlleGäste verhören und alle Angestellten? Den Flugplatz dichtmachen. Deninternationalen Schiffsverkehr "
"UmHimmels willen", stöhnte der Hotelmanager, knüllte sein Taschentuch zusammenund schaute beschwörend auf Erlendur. "Das ist doch bloß einPortier!"
Mariaund Josef hätten hier nie eine Herberge bekommen, dachte Erlendur.
"Diese diese ekelhafte Angelegenheit hat nichts mit meinen Gästen zu tun", riefder Hotelmanager und bekam vor Empörung kaum Luft. "Das sind zum größtenTeil ausländische Touristen oder Isländer aus anderen Landesteilen, vermögendeLeute, die Reedereien und dergleichen besitzen. Keiner von denen hat irgendwasmit diesem Portier zu tun. Keiner! Dies ist das zweitgrößte Hotel in Reykjavík,und über die Feiertage ist es voll bis unters Dach. Ihr könnt mir hier nichtdichtmachen! Das könnt ihr einfach nicht machen!"
"Wirkönnten schon, aber wir werden es nicht tun", sagte Erlendurbeschwichtigend. "Wir müssen vielleicht den einen oder anderen Hotelgastvernehmen, und den größten Teil des Personals, denke ich."
"Gottsei Dank", stöhnte der Hotelmanager und schien sich wieder zu beruhigen.
"Wiehieß der Mann?"
"Guðlaugur",sagte der Hotelmanager. "Ich glaube, er ist so um die fünfzig. Und du hastwohl Recht, was seine Familie angeht. Ich glaube, er hat keine."
"Werhat ihn hier besucht?"
"Ichhabe keine Ahnung", schnaufte der Hotelmanager.
"Isthier im Hotel vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen, was mit diesemMann in Verbindung stand?"
"Nein."
"Diebstahl?"
"Nein,hier ist gar nichts vorgefallen."
"Beschwerden?"
"Nein."
"Erwar nicht in irgendwas verwickelt, was das hier erklären könnte?"
"Nicht,dass ich wüsste."
"Gibtes jemanden im Hotel, mit dem er nicht gut auskam?"
"Mirist nichts dergleichen bekannt."
"Vielleichtaußerhalb des Hotels?"
"Ichweiß von nichts, aber ich kenne ihn auch nicht besonders gut. Kannte ",korrigierte sich der Hotelmanager.
"Nichteinmal nach zwanzig Jahren?"
"Nein,eigentlich nicht. Er hatte nicht viel für andere Menschen übrig, glaube ich. Erlebte ziemlich für sich."
"Glaubstdu, dass ein Hotel der richtige Ort für solche Menschen ist?"
"Ich?Ich weiß ni Er war immer äußerst höflich, und es hat sich nie jemand über ihnbeschwert. So gesehen."
"Sogesehen?"
"Nein,es hat sich nie jemand über ihn beschwert. Er war im Grunde genommen ganz gutin seinem Job."
"Woist die Kantine, von der du gesprochen hast?", fragte Erlendur.
"Ichbringe dich hin." Der Hotelmanager wischte sich den Schweiß von der Stirnund war offensichtlich erleichtert, dass sie das Hotel nicht schließen wollten.
"Hater häufig Besuch gehabt?"
"Was?",sagte der Hotelmanager.
"Besuch",wiederholte Erlendur. "Hier muss doch jemand bei ihm gewesen sein, den ergekannt hat. Hast du nicht den Eindruck?"
DerHotelmanager schaute auf die Leiche, und sein Blick blieb an dem Kondom hängen.
"Ichhabe keine Ahnung, was er für Freundinnen hatte."
"Duweißt nicht gerade viel über diesen Mann", sagte Erlendur.
"Erist Portier hier", sagte der Hotelmanager. Er war offensichtlich derMeinung, dass Erlendur sich mit dieser Erklärung zufrieden geben könnte.
Sieverließen den Raum. Die Leute von der Spurensicherung rückten mit ihren Gerätenund Apparaten an, und ihnen folgten weitere Polizisten. Es war nicht ganzeinfach, sich an dem Hotelmanager vorbeizuzwängen. Erlendur trug ihnen auf,auch den Gang und die dunkle Ecke hinter dem Zimmer genau zu untersuchen.Sigurður Óli und Elínborg blieben noch kurz in dem Raum stehen und betrachtetendie Leiche.
"Alsoich möchte nicht so gefunden werden", sagte Sigurður Óli.
"Ihnjuckt das doch nicht mehr", erwiderte Elínborg.
"Nee,wahrscheinlich nicht", sagte Sigurður Óli.
"Istda was drin?", fragte Elínborg und zog eine kleine Tüte mit Erdnüssenhervor. Sie hatte immer etwas zu knabbern in der Tasche. Sigurður Óli hielt dasfür ein Zeichen von Nervosität.
"Wasdrin?", fragte er.
Sienickte in Richtung der Leiche. Sigurður Óli schaute sie einen Augenblick an undbegriff dann, worauf sie hinauswollte. Er zögerte etwas, kniete sich dann aberhin und beäugte das Kondom.
"Nein",sagte er. "Nichts. Das Ding ist leer."
"Diehat ihn dann umgebracht, bevor er seinen Orgasmus hatte", sagte Elínborg."Der Arzt glaubte "
"Die?",echote Sigurður Óli.
"Ja,liegt das nicht auf der Hand?", sagte Elínborg und stopfte sich eine Handvoll Erdnüsse in den Mund. Sie hielt Sigurður Óli die Tüte hin, der aberdankend ablehnte. "Kommt dir das Ganze nicht irgendwie nuttig vor? Er isthier mit einer Frau zusammen gewesen", erklärte sie. "Oder?"
"Dasist die nahe liegendste Erklärung", sagte Sigurður Óli und erhob sich.
"Duglaubst aber nicht daran?", fragte Elínborg.
"Ichweiß es nicht. Ich habe keinen blassen Schimmer.
© Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung: ColettaBürling
Autoren-Porträtvon Arnaldur Indriðason
Arnaldur Indriðason,Jahrgang 1961, graduierte 1996 in Geschichte an der University of Icelandund gehört seit einigen Jahren zu den erfolgreichsten isländischen Kriminalschriftstellern.Er war als Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung Morgunbladidtätig. Arnaldur Indriðason lebt heute als freier Autor mit seiner Frau undseinen drei Kindern in Reykjavik. Sein Roman Nordermoor wurde zum bestenKriminalroman Skandinaviens 2002 gewählt.
- Autor: Arnaldur Indridason
- 2006, 9. Aufl. 2006, 384 Seiten, Maße: 12,4 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Coletta Bürling
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404154401
- ISBN-13: 9783404154401
- Erscheinungsdatum: 11.01.2006
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