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Rittel, H: Lasst uns reden

 
 
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Westdeutschland in den 1960er Jahren: Laienprediger Paul Schäfer entführt fast zweihundert Kinder ins chilenische Ausland. Er gründet dort eine brutale Sekte, in der die betroffenen Kinder über Jahrzehnte sexuell und als Arbeitssklaven missbraucht werden...
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Kommentar zu "Rittel, H: Lasst uns reden"
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    6 von 10 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ralf-Dietmar H., 15.08.2018

    Dr. phil. Ralf-Dietmar Hegel (Humboldt-Universität zu Berlin)

    Rezension zum Buch ‚Lasst uns reden - Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad‘
    von Heike Rittel und Jürgen Karwelat, erschienen im schmetterling verlag Stuttgart, 2018


    Die Geschichte der deutschen Sekte Colonia Dignidad in Chile gehört zu den finstersten Kapiteln der deutschen Nachkriegszeit. Sie konnte sich in dieser unvorstellbaren Weise entwickeln, weil auch Behörden der Bundesrepublik Deutschland – allen voran das Auswärtige Amt – jahrzehntelang die grausamen Machenschaften der Sekte unter der Leitung von Paul Schäfer nicht verhinderten, bzw. zögerlich und halbherzig agierten. Selbst eine angemessene Aufarbeitung der unmenschlichen Geschehnisse an deutschen und später auch an chilenischen Bürgern verlief - von offizieller Seite - schleppend und unvollständig. So blieb es Nichtregierungsorganisationen (Amnesty International; Lateinamerika Nachrichten) und privaten Personen vorbehalten, dieses Thema in die öffentliche Debatte einzuführen.
    Zu diesen Personen gehören – mit ihrem 2018 erschienenen Buch – auch Heike Rittel und Jürgen Karwelat. Für Karwelat ist die Colonia Dignidad seit Jahrzehnten ein Arbeitsschwerpunkt, gehörte er doch bereits 1977 zu den Autoren der von Amnasty International herausgegebenen Broschüre ‚Colonia Dignidad Deutsches Mustergut in Chile – ein Folterlager der DINA‘.
    Für Heike Rittel und ihren Mann Hagen Rittel ergab sich die Begegnung mit der Colonia ehr zufällig, obwohl ihnen die Thematik aus Berichten von DDR-Medien durchaus bekannt war.
    Im Mittelpunkt des Buches stehen – wie es der Titel schon ankündigt – 15 Frauenprotokolle von ehemaligen Mitgliedern der Colonia Dignidad bzw. später der Villa Baviera. Diese Auswahl wird dadurch legitimiert, dass bisherige Publikationen fast ausschließlich auf die männlichen Täter und Opfer fokussiert waren und die weibliche Perspektive häufig fehlte. Dieses Defizit versucht das Buch aufzuarbeiten und hat somit ein Alleinstellungsmerkmal.
    Es gelingt den Autoren - jenseits von vordergründig ideologischen Stereotypen - 15 Frauenbiografien zu zeichnen, die durch verschiedene Sichtweisen, durch Widersprüchlichkeiten, durch unterschiedliche emotionale Betroffenheit gekennzeichnet sind. Die Spannweite der Protokolle reicht von Frauen, die trotz eigener Erfahrungen, vieler Berichte und Enthüllungen über die grausamen Machenschaften Paul Schäfers und der Leitung der Colonia Dignidad, diese Zeit als glücklich bezeichneten und religiös verklärten, bis hin zu Frauen, die grauenvolle Ereignisse von dauerhafter Demütigung, Angst, Verrat, körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt mitteilten. Es scheint kaum vorstellbar, dass es einer Baptistensekte mit christlichem Anspruch gelingen kann, Frauen derart zu infantilisieren, dass sie bis ins Erwachsenenalter hinein weder theoretisch noch real mit Menstruation, Sexualität, Liebe und Familie umgehen konnten.

    Hannah Arendt stellte in ihrer politisch-philosophischen Analyse der Zeit des Holocaustes die These auf, dass jede Weltanschauung oder Ideologie - durch eine totalitäre Bewegung übernommen - durch massiven Terror in eine neue Staatsform überführt werden kann. Die Colonia Dignidad bewies, dass diese Machtform auch im Kleinen, in einer Sekte, funktionieren kann. Die von Arendt beschriebenen Merkmale sind: fanatisierte Gemeinschftsbewegung, die Beseitigung von Gruppensolidarität (auch bezogen auf das Verhältnis von Mann und Frau), ein Führerprinzip, Terror und Gewalt bis hin zu Mord, Passivität der Opfer, Denunziation und Bespitzelung sowie eine gewisse Bewunderung für das Verbrechen.
    Das Böse ist somit nicht nur Wesensmerkmal bestimmter Ideologien, Weltanschauungen oder von Gesellschaftssystemen. Es wird alltäglich, kann in jedem Mitmenschen, ja sogar in einem selbst – als mangelnde Bereitschaft, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen - existieren. Das Bösen ist nicht mehr nur exklusiv, sondern es wird banal.
    Genau dafür liefern diese Interviews treffende Belege.

    Die Autoren beabsichtigten von vornherein keine streng wissenschaftliche Darstellung der Gespräche, die sich einer Reihe methodischer Güteansprüchen hätte beugen müssen. Sie haben - ausgehend von einem Fragebogenleitfaden - eine narrativ-literarische Darstellung gewählt. Und genau das macht die Stärke des Buches aus.

    Schließlich ist hervorzuheben, dass die Publikation eine synchron-optische Darstellung der Geschichte der Colonia Dignidad bis in die Gegenwart sowie eine Begriffserklärung und eine Beschreibung wichtiger Personen bietet. Dies erleichtert das Verstehen der Frauenprotokolle und eine ganzheitliche Einordnung außerordentlich.

    ‚Lasst uns reden - Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad‘ ist nicht nur ein historisch wichtiges Buch, sondern es kann auch einen Beitrag für das Verstehen und den Umgang mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen leisten. Nicht allein in Deutschland, sondern weltweit wir die Banalität des Bösen wieder sichtbar. Und vieles davon beginnt in kleinen Gruppen. Es ist schon längst Zeit, humane und demokratische Errungenschaften durch Handeln zu verteidigen. Und dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

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