Lebensbilder
Erhard Busek ist eine faszinierende Persönlichkeit. Geboren 1941 als Sohn eines Bauingenieurs, geht er schon früh in die Politik -und bringt es weit darin. Unkonventioneller Denker und Intellektueller, der er ist, lässt er sich nie in Parteikorsette...
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Produktinformationen zu „Lebensbilder “
Klappentext zu „Lebensbilder “
Erhard Busek ist eine faszinierende Persönlichkeit. Geboren 1941 als Sohn eines Bauingenieurs, geht er schon früh in die Politik -und bringt es weit darin. Unkonventioneller Denker und Intellektueller, der er ist, lässt er sich nie in Parteikorsette zwängen, engagiert sich mit den "bunten Vögeln" für Umweltpolitik, als dies noch nicht Mainstream ist, initiiert Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine moderne Kulturpolitik - die VP-Granden beenden die bundespolitische Karriere Buseks, Wolfgang Schüssel wird Vizekanzler.Doch "homo politicus" bleibt Erhard Busek und ist es bis heute. Die europäische Integration Mittel- und Osteuropas ist ihm seit je ein Anliegen. Schon im Prager Frühling 1968 nimmt er Kontakt mit Dissidenten auf, ist 1980 beim Gründungskongress der Solidarnosc dabei - und stößt mit seinem Engagement in Österreich lange auf Unverständnis. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ändert sich das.Die Erinnerungen Erhard Buseks sind keine chronologisch geordnete Lebensgeschichte: Persönliches wechselt sich mit Überlegungen zur heutigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik ab, biografische Stationen führen zu Nachdenklichem über Europa und den Balkan. Auch da lässt sich Erhard Busek nicht einengen: Der konventionelle Rahmen einer Biografie würde zu kurz greifen.
Lese-Probe zu „Lebensbilder “
Erhard Busek - Lebensbilder... mehr
Einleitung
„Hiersein ist herrlich.“ Rilke, Duineser Elegien
An sich ist es zunächst erfreulich, wenn man von wohlmeinenden
Menschen aufgefordert wird, seine Erinnerungen zu schreiben, aber
in mir hat sich immer etwas dagegen gesträubt. Zum einen haben
mich nur wenige Memoiren österreichischer Politiker überzeugt, weil
sie entweder uferlos breit angelegt oder mehr oder weniger das Produkt
eines Ghostwriters waren. Dazu kommt, dass man sich an vieles
nicht mehr erinnert und auch das eigene Leben für nicht so wichtig
nimmt, als dass es wert wäre, aufgezeichnet zu werden. Andererseits
hat mich aber eine gewisse Sehnsucht erfasst, angesichts der gegenwärtigen
gewaltigen Umbrüche, aber auch der sich verändernden
Welt, die ich, zum Ende meines Lebensbogens kommend, erlebe,
manches festzuhalten, das mir wichtig ist.
Ich bin 1941 geboren, mitten im Zweiten Weltkrieg, mein Vater war
zur Wehrmacht eingezogen worden und mein geliebtes Österreich
hat es für die sieben Jahre des tausendjährigen Reiches
nicht gegeben. Ich erlebe heute eine junge Generation,der dieser
historische Bogen vom Zweiten Weltkrieg über das Wiedererstehen
Österreichs hin zur Unabhängigkeit, zur Randlage am Eisernen Vorhang
bis hin zur Integration in das im Werden begriffene Europa
nichts sagt. So habe ich mich entschlossen, Geschichte in Geschichten
zu erzählen, die ein wenig sichtbar machen sollen, wie ich die
Entwicklung in der Zeit gesehen habe, was mir begegnet ist und woran
ich erinnern möchte.
Was ich hier schreibe, ist äußerst subjektiv und das Ergebnis
eines Interviews mit mir selbst. Das gesprochene Wort wird sich
daher im Duktus mancher Sätze, in der nicht immer konsequent angewendeten
Consecutio temporum und in einigen verwendeten Ausdrücken
wiederfinden. Sich zu erinnern bedeutet letztlich, etwas in
die Gegenwart zu holen, mit allen Empfindungen.
Natürlich gibt es geschichtliche Ereignisse, die sich entsprechend
dokumentieren lassen, aber Fakten und Jahreszahlen allein
machen eine Welt nicht vollständig sichtbar. Dazu gehören Geschichten,
die erzählt werden, und Anekdoten, die genauso einen
Überblick geben und etwas Farbe in das Geschehen bringen. Eine
wirkliche Objektivierung gibt es eigentlich nicht. Nicht nur die Art
des Berichtes, sondern auch die unterschiedliche Perzeption bringt
immer ein subjektives Element hinein.
Sensationen oder Enthüllungen habe ich nicht zu bieten. Ich
hatte mir beim Schreiben dieses Berichts vorgenommen, manche
Dinge zu erzählen, wie ich sie gesehen und erlebt habe, auch Personen
zu beschreiben, wie sie von mir wahrgenommen wurden. Der
Leser wird die Systematik vermissen, ich halte sie nicht für notwendig.
Auch muss man Erinnerungslücken einkalkulieren, nicht nur als
Ergebnis des zunehmenden Alters, sondern wohl auch aufgrund der
Tatsache, dass zum Erinnern auch das Vergessen gehört.
Persönlich neige ich dazu, das Vergessen als ein Geschenk zu betrachten,
wenn nicht sogar als eine Gnade für die jeweils Betroffenen,
wie Berthold Viertel meinte.
Um nicht missverstanden zu werden:
Erinnerungskultur und der Kampf dem Vergessen sind heute
Elemente, die immer wieder als „political correctness“ eingefordert
werden. Das halte ich auch für völlig richtig, beide zielen jedoch
nicht auf das Vergessen des Einzelnen ab, sondern auf jenes innerhalb
unseres Geschichtsbewusstseins.
Was ich möchte, ist schlicht das Gefühl vermitteln, dass mir Gott,
meine Mitmenschen, die Zeitereignisse, letztlich die Erfahrung,
eine Welt geschenkt haben, in der
ich gern zu Hause bin und, so lange es geht, auch sein möchte. Man
sollte das vorliegende Produkt daher als eine Erzählung über einzelne
Ereignisse betrachten, die mich bleibend fasziniert haben, in
denen es mir geschenkt war, an Veränderungen teilzunehmen, oft
meinen Sehnsüchten und Auffassungen folgend, wobei ich mir nicht
einbilde, dabei grandiose Erfolge erzielt zu haben, sondern schon
sehr zufrieden war, ein Mitwirkender mit vertretbaren Ergebnissen
zu sein.
Je länger ich in der Politik tätig bin – von der kommunalen Ebene
bis zur nationalen und europäischen Politik, in der „civil society“oder
in allen möglichen anderen Aufgaben, die ich mit Vergnügen
wahrgenommen habe, desto mehr ist mir zu Bewusstsein gekommen,
dass das Leben eigentlich ein Fest ist. Zeit- und Lebensabschnitte werden
immer von Festen begleitet. Mit Sicherheit haben diese die Aufgabe,
unser Erinnerungsvermögen zu stärken, Feste behält man im
Gedächtnis, quasi als Video über das Leben. Dadurch entsteht eine
höhere Ebene des Seins, die uns davon abhält, nur unseren menschlichen
Funktionen nachzukommen. Bei Festen werden wir uns inne,
dass unser Leben dieses „bloß Materielle“ zwar zur Grundlage hat, im
Feiern jedoch sagen wir bewusst und dankbar Ja zu dieser Bedingtheit
unseres Daseins, während uns gleichzeitig bewusst wird, dass unser
Leben nicht vollständig aufgeht in diesem bloß Materiellen, sondern
dass ein höherer Anspruch an unser Menschsein gestellt ist, und dass
wir selbst höhere Ansprüche an uns selbst und an unsere Lebensziele
haben.
Ein Fest ist daher etwas zutiefst Menschliches, oder besser gesagt:
etwas höchst Menschliches. Tiere feiern keine Feste. Nur Menschen
können das, weil nur Menschen lachen können, sich erinnern
können, sich ihrer Vergangenheit und Zukunft vergewissern können,
sich des Ablaufs der Zeit bewusst sein können. Ein Fest ist etwas
Geistiges, eine Kulturgabe des Menschen. Ein Fest ist ein Ja zur Welt,
ein Ja zum Leben; es ist eine utopische und dennoch reale Vorwegnahme
einer besseren Welt, und gleichzeitig ein dankbares Ja zu unserem
Dasein hier und jetzt.
Wo ist meine Heimat?
Bei aller im Leben zunehmenden Erfahrung darüber, wie viele Welten
es gibt, in denen man zu Hause ist oder die einen prägen, gibt
es doch so etwas Ähnliches wie eine Nabelschnur. Das Wort trifft in
erster Linie auf Eltern und Familie zu, gilt aber auch für das Milieu,das
einen prägt, wobei auch das einem Zeitenwandel unterworfen
ist. Ein Problemmeiner Generation, die den Missbrauch des Wortes
„Heimat“ erleben musste, ist es, damit auf die richtige Weise umzugehen.
In der Welt, in die ich hineingeboren wurde und in der ich
erstmals so etwas wie ein Bewusstsein entwickelte, war die Beziehung
zur Heimat Österreich sehr stark. Das war auch verständlich,
denn die Familie, aus der ich komme, samt allen Ahnen mütterlicher-
und väterlicherseits, fühlte sich in Österreich und Wien beheimatet.
Als Konsequenz des Missbrauches des Wortes „Heimat“ in der Nazi-Zeit
wurde man in der Öffentlichkeit ängstlich, es überhaupt zu verwenden.
Man verkennt dabei aber, dass vor dieser schändlichen Umwertung des Begriffes
Heimat damit ein ganz normales Gefühl beschrieben wurde. Eine Schwierigkeit
mag auch sein, dass es in anderen Sprachen, soweit ich weiß, keine passende
Übersetzung gibt. Aber alle, die entweder internationalistisch oder soziologisch
denken, auch jene, die so wie ich ganz selbstverständlich sagen, dass sie
Europäer sind, haben ein Gefühl der Nähe zu jenem Raum, in dem sie aufgewachsen
sind und der sie durch verschiedenste Elemente geprägt hat.
„Das, was man ist, wird man durch Paris.“ (Jean-Jacques Rousseau, Confessions)
Das gilt nicht nur für die französische Hauptstadt,sondern für alle unsere Orte.
Ich kann mir schon vorstellen, dass im heutigen Zeitalter der Mobilität
eine Vielseitigkeit entsteht, wie sie in Diplomatenfamilien üblich ist,
wie sie auch bei der Wanderung durch die Wirtschaftswelt von heute entstehen
kann oder aber dadurch, dass die politischen Verhältnisse einen zur Emigration
gezwungen haben. Für mich muss ich bekennen: Ich bin Österreicher
und Wiener – ohne das in irgendeiner Weise abzustufen. Dabei
nimmt man vieles mit, was durchaus widersprüchlich ist, aber trotzdem
ist es ein Nebeneinander, das jeweils prägend wirkt, aber nicht
unbedingt in einen Konflikt münden muss.
Natürlich sind die Ereignisse der Geschichte durch all die Zeiten
nicht spurlos an unserer Stadt und unserem Land vorübergegangen.
Sie haben tiefe Narben im Antlitz Wiens, Österreichs und in
den Seelen ihrer Bewohner hinterlassen. Jeder von uns trägt seine Erfahrungen
und die seiner Familie sein Leben lang mit. Jörg Haider
hat mir das ins Bewusstsein gerufen, als er meine aus seiner Sicht
evidente tschechische Abstammung als Grund dafür nannte, dass ich
für die Erweiterung der EU durch unsere Nachbarn eingetreten bin.
Offensichtlich hat er damit eine „Ausbürgerung“ aus Österreich und
eine Verletzung unserer Interessen durch mich gemeint.
© K & S / ORAC
Einleitung
„Hiersein ist herrlich.“ Rilke, Duineser Elegien
An sich ist es zunächst erfreulich, wenn man von wohlmeinenden
Menschen aufgefordert wird, seine Erinnerungen zu schreiben, aber
in mir hat sich immer etwas dagegen gesträubt. Zum einen haben
mich nur wenige Memoiren österreichischer Politiker überzeugt, weil
sie entweder uferlos breit angelegt oder mehr oder weniger das Produkt
eines Ghostwriters waren. Dazu kommt, dass man sich an vieles
nicht mehr erinnert und auch das eigene Leben für nicht so wichtig
nimmt, als dass es wert wäre, aufgezeichnet zu werden. Andererseits
hat mich aber eine gewisse Sehnsucht erfasst, angesichts der gegenwärtigen
gewaltigen Umbrüche, aber auch der sich verändernden
Welt, die ich, zum Ende meines Lebensbogens kommend, erlebe,
manches festzuhalten, das mir wichtig ist.
Ich bin 1941 geboren, mitten im Zweiten Weltkrieg, mein Vater war
zur Wehrmacht eingezogen worden und mein geliebtes Österreich
hat es für die sieben Jahre des tausendjährigen Reiches
nicht gegeben. Ich erlebe heute eine junge Generation,der dieser
historische Bogen vom Zweiten Weltkrieg über das Wiedererstehen
Österreichs hin zur Unabhängigkeit, zur Randlage am Eisernen Vorhang
bis hin zur Integration in das im Werden begriffene Europa
nichts sagt. So habe ich mich entschlossen, Geschichte in Geschichten
zu erzählen, die ein wenig sichtbar machen sollen, wie ich die
Entwicklung in der Zeit gesehen habe, was mir begegnet ist und woran
ich erinnern möchte.
Was ich hier schreibe, ist äußerst subjektiv und das Ergebnis
eines Interviews mit mir selbst. Das gesprochene Wort wird sich
daher im Duktus mancher Sätze, in der nicht immer konsequent angewendeten
Consecutio temporum und in einigen verwendeten Ausdrücken
wiederfinden. Sich zu erinnern bedeutet letztlich, etwas in
die Gegenwart zu holen, mit allen Empfindungen.
Natürlich gibt es geschichtliche Ereignisse, die sich entsprechend
dokumentieren lassen, aber Fakten und Jahreszahlen allein
machen eine Welt nicht vollständig sichtbar. Dazu gehören Geschichten,
die erzählt werden, und Anekdoten, die genauso einen
Überblick geben und etwas Farbe in das Geschehen bringen. Eine
wirkliche Objektivierung gibt es eigentlich nicht. Nicht nur die Art
des Berichtes, sondern auch die unterschiedliche Perzeption bringt
immer ein subjektives Element hinein.
Sensationen oder Enthüllungen habe ich nicht zu bieten. Ich
hatte mir beim Schreiben dieses Berichts vorgenommen, manche
Dinge zu erzählen, wie ich sie gesehen und erlebt habe, auch Personen
zu beschreiben, wie sie von mir wahrgenommen wurden. Der
Leser wird die Systematik vermissen, ich halte sie nicht für notwendig.
Auch muss man Erinnerungslücken einkalkulieren, nicht nur als
Ergebnis des zunehmenden Alters, sondern wohl auch aufgrund der
Tatsache, dass zum Erinnern auch das Vergessen gehört.
Persönlich neige ich dazu, das Vergessen als ein Geschenk zu betrachten,
wenn nicht sogar als eine Gnade für die jeweils Betroffenen,
wie Berthold Viertel meinte.
Um nicht missverstanden zu werden:
Erinnerungskultur und der Kampf dem Vergessen sind heute
Elemente, die immer wieder als „political correctness“ eingefordert
werden. Das halte ich auch für völlig richtig, beide zielen jedoch
nicht auf das Vergessen des Einzelnen ab, sondern auf jenes innerhalb
unseres Geschichtsbewusstseins.
Was ich möchte, ist schlicht das Gefühl vermitteln, dass mir Gott,
meine Mitmenschen, die Zeitereignisse, letztlich die Erfahrung,
eine Welt geschenkt haben, in der
ich gern zu Hause bin und, so lange es geht, auch sein möchte. Man
sollte das vorliegende Produkt daher als eine Erzählung über einzelne
Ereignisse betrachten, die mich bleibend fasziniert haben, in
denen es mir geschenkt war, an Veränderungen teilzunehmen, oft
meinen Sehnsüchten und Auffassungen folgend, wobei ich mir nicht
einbilde, dabei grandiose Erfolge erzielt zu haben, sondern schon
sehr zufrieden war, ein Mitwirkender mit vertretbaren Ergebnissen
zu sein.
Je länger ich in der Politik tätig bin – von der kommunalen Ebene
bis zur nationalen und europäischen Politik, in der „civil society“oder
in allen möglichen anderen Aufgaben, die ich mit Vergnügen
wahrgenommen habe, desto mehr ist mir zu Bewusstsein gekommen,
dass das Leben eigentlich ein Fest ist. Zeit- und Lebensabschnitte werden
immer von Festen begleitet. Mit Sicherheit haben diese die Aufgabe,
unser Erinnerungsvermögen zu stärken, Feste behält man im
Gedächtnis, quasi als Video über das Leben. Dadurch entsteht eine
höhere Ebene des Seins, die uns davon abhält, nur unseren menschlichen
Funktionen nachzukommen. Bei Festen werden wir uns inne,
dass unser Leben dieses „bloß Materielle“ zwar zur Grundlage hat, im
Feiern jedoch sagen wir bewusst und dankbar Ja zu dieser Bedingtheit
unseres Daseins, während uns gleichzeitig bewusst wird, dass unser
Leben nicht vollständig aufgeht in diesem bloß Materiellen, sondern
dass ein höherer Anspruch an unser Menschsein gestellt ist, und dass
wir selbst höhere Ansprüche an uns selbst und an unsere Lebensziele
haben.
Ein Fest ist daher etwas zutiefst Menschliches, oder besser gesagt:
etwas höchst Menschliches. Tiere feiern keine Feste. Nur Menschen
können das, weil nur Menschen lachen können, sich erinnern
können, sich ihrer Vergangenheit und Zukunft vergewissern können,
sich des Ablaufs der Zeit bewusst sein können. Ein Fest ist etwas
Geistiges, eine Kulturgabe des Menschen. Ein Fest ist ein Ja zur Welt,
ein Ja zum Leben; es ist eine utopische und dennoch reale Vorwegnahme
einer besseren Welt, und gleichzeitig ein dankbares Ja zu unserem
Dasein hier und jetzt.
Wo ist meine Heimat?
Bei aller im Leben zunehmenden Erfahrung darüber, wie viele Welten
es gibt, in denen man zu Hause ist oder die einen prägen, gibt
es doch so etwas Ähnliches wie eine Nabelschnur. Das Wort trifft in
erster Linie auf Eltern und Familie zu, gilt aber auch für das Milieu,das
einen prägt, wobei auch das einem Zeitenwandel unterworfen
ist. Ein Problemmeiner Generation, die den Missbrauch des Wortes
„Heimat“ erleben musste, ist es, damit auf die richtige Weise umzugehen.
In der Welt, in die ich hineingeboren wurde und in der ich
erstmals so etwas wie ein Bewusstsein entwickelte, war die Beziehung
zur Heimat Österreich sehr stark. Das war auch verständlich,
denn die Familie, aus der ich komme, samt allen Ahnen mütterlicher-
und väterlicherseits, fühlte sich in Österreich und Wien beheimatet.
Als Konsequenz des Missbrauches des Wortes „Heimat“ in der Nazi-Zeit
wurde man in der Öffentlichkeit ängstlich, es überhaupt zu verwenden.
Man verkennt dabei aber, dass vor dieser schändlichen Umwertung des Begriffes
Heimat damit ein ganz normales Gefühl beschrieben wurde. Eine Schwierigkeit
mag auch sein, dass es in anderen Sprachen, soweit ich weiß, keine passende
Übersetzung gibt. Aber alle, die entweder internationalistisch oder soziologisch
denken, auch jene, die so wie ich ganz selbstverständlich sagen, dass sie
Europäer sind, haben ein Gefühl der Nähe zu jenem Raum, in dem sie aufgewachsen
sind und der sie durch verschiedenste Elemente geprägt hat.
„Das, was man ist, wird man durch Paris.“ (Jean-Jacques Rousseau, Confessions)
Das gilt nicht nur für die französische Hauptstadt,sondern für alle unsere Orte.
Ich kann mir schon vorstellen, dass im heutigen Zeitalter der Mobilität
eine Vielseitigkeit entsteht, wie sie in Diplomatenfamilien üblich ist,
wie sie auch bei der Wanderung durch die Wirtschaftswelt von heute entstehen
kann oder aber dadurch, dass die politischen Verhältnisse einen zur Emigration
gezwungen haben. Für mich muss ich bekennen: Ich bin Österreicher
und Wiener – ohne das in irgendeiner Weise abzustufen. Dabei
nimmt man vieles mit, was durchaus widersprüchlich ist, aber trotzdem
ist es ein Nebeneinander, das jeweils prägend wirkt, aber nicht
unbedingt in einen Konflikt münden muss.
Natürlich sind die Ereignisse der Geschichte durch all die Zeiten
nicht spurlos an unserer Stadt und unserem Land vorübergegangen.
Sie haben tiefe Narben im Antlitz Wiens, Österreichs und in
den Seelen ihrer Bewohner hinterlassen. Jeder von uns trägt seine Erfahrungen
und die seiner Familie sein Leben lang mit. Jörg Haider
hat mir das ins Bewusstsein gerufen, als er meine aus seiner Sicht
evidente tschechische Abstammung als Grund dafür nannte, dass ich
für die Erweiterung der EU durch unsere Nachbarn eingetreten bin.
Offensichtlich hat er damit eine „Ausbürgerung“ aus Österreich und
eine Verletzung unserer Interessen durch mich gemeint.
© K & S / ORAC
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Autoren-Porträt von Erhard Busek
geboren 1941, gestorben 2022. Wissenschaftsminister, Unterrichtsminister und Vizekanzler a.D. Seit 1996 Koordinator der South East European Cooperative Initiative, 2002-2008 Koordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, 2000 bis 2012 Präsident des Europäischen Forums Alpbach. Präsident des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, Präsident des Gustav-Mahler- Jugendorchesters.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erhard Busek
- 2014, 2. Aufl., 288 Seiten, Maße: 16 x 24 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Verlag Kremayr & Scheriau
- ISBN-10: 3218009316
- ISBN-13: 9783218009317
- Erscheinungsdatum: 25.08.2014
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