Lesebuch für Glückliche
Und solche, die es werden wollen
Wer kann schon sagen, was Glück ist?
Berühmte Autoren gehen in den hier versammelten Texten Gedanken nach, die auf den Spuren des Glücks wandeln - und vielleicht bekommen sie es manchmal zu fassen.
Ein Lesebuch mit Texten von Francesco Petrarca, Rainer...
Berühmte Autoren gehen in den hier versammelten Texten Gedanken nach, die auf den Spuren des Glücks wandeln - und vielleicht bekommen sie es manchmal zu fassen.
Ein Lesebuch mit Texten von Francesco Petrarca, Rainer...
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Produktinformationen zu „Lesebuch für Glückliche “
Klappentext zu „Lesebuch für Glückliche “
Wer kann schon sagen, was Glück ist?Berühmte Autoren gehen in den hier versammelten Texten Gedanken nach, die auf den Spuren des Glücks wandeln - und vielleicht bekommen sie es manchmal zu fassen.
Ein Lesebuch mit Texten von Francesco Petrarca, Rainer Maria Rilke, Albert Camus und anderen.
Lese-Probe zu „Lesebuch für Glückliche “
Lesebuch für Glückliche von Patrick Hutsch Francesco Petrarca
Um zunächst aus vielem die Summe zu ziehen: habt ihr denn so wenig Grund zur Freude? Da ist jenes Bild und Gleichnis Gottes des Schöpfers (Dei Creatoris) im Innern der menschlichen Seele; da sind der Geist (ingenium), die Erinnerung, die Voraussicht, die Rede, so viele Erfindungen, so viele Künste, die diesem Geist und diesem Körper dienen, mit deren Hilfe alle eure Notwendigkeiten durch göttliche Gnade umfaßt werden, auch so viele Arten von Dingen, die nicht nur euren Nöten, sondern auch euren Freuden auf wunderbare und unaussprechliche Weise dienen?
Adelung
Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart: Glück, das
Das Glück, des -es, plur. car. 1. Derjenige Umstand, da uns unser Vorhaben gelinget, d.i. da solches durch eine Verknüpfung von Umständen, die nicht unmittelbar in unserer Gewalt sind, unserm Verlangen gemäß erfolget. Einem zu seinem Vorhaben, zu einer Reise Glück wünschen, wünschen, daß ihm sein Vorhaben, seine Reise gelingen möge. Glück auf den Weg! Glück auf! ein gewöhnlicher Wunsch der Jäger und Bergleute an einander. Jemanden zu oder bey einer angenehmen Begebenheit Glück wünschen, ihm wünschen, daß sie nach seinem Verlangen ausschlagen möge. S. Glückwunsch. Glück zu oder in etwas haben. Weder Glück noch Stern zu etwas haben. Gott gebe Glück dazu! Sein Glück versuchen, versuchen, ob es ihm gelingen wolle. S. Glücken.
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2. In weiterer Bedeutung, eine jede Verknüpfung solcher vortheilhaften Umstände, die wir nicht vorher sehen können, wenigstens nicht in unserer Gewalt zu haben glauben, ein günstiger Zufall. Zu allem Glücke war niemand zugegen. Ich kam zu allem Glük- ke dazu. Er hat von Glück zu sagen, daß er noch so davon gekommen ist. Das war noch ein Glück, daß sich der Wind legte. Es ist dein Glück, oder es ist ein Glück für dich, daß ich es nicht gesehen habe. Es stehet dir ein großes Glück bevor. Ein Mensch hat viel Glück, so wohl, wenn ihm alles gelinget, was er unternimmt, als auch, wenn sich ohne sein Zuthun viele vortheilhafte Umstände für ihn ereignen. Stax hat mehr Glück als Verstand, mehr Glück als Recht. Es weiß sich nicht ein jeder in sein Glück zu finden, wenn er solche Umstände nicht gehörig zu nutzen weiß. Einem Glück bringen, im Scherze, durch seine Gegenwart machen, daß der andere im Spielen gewinnet. Im Glücke sitzen, ansehnlich gewinnen. In weiterer Bedeutung zuweilen für einen jeden ungefähren Zufall. Es war ein bloßes Glück, daß ich ihn noch antraf.
3. Besonders, ein Umstand, eine Sache, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste, wenigstens in einem sehr hohen Grade, verbessert wird. 1) In dem weitesten Verstande. Dieses Glück ist für dich zu groß. Es ist ihm ein unverhofftes Glück widerfahren. Ein kluger König ist des Volkes Glück, Weish. 6. 26. Meine Thränen beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das Glück meiner Tage war, Cron. Was Gott über mich verhängt, wird in der Folge Glück für mich werden. Gegen das Glück eines guten Nahmens empfindlich seyn. Das Glück eines guten Gewissens genießen. Gesundheit ist ein großes Glück. Wo dieses Wort in der gesellschaftlichen Sprache des höflichen Umganges oft gar sehr gemißbrauchet wird. Seitdem ich das Glück hatte, sie das letzte Mahl zu sehen. Gönnen sie mir das Glück ihrer Gegenwart. 2) Im engern Verstande, der ganze Zusammenhang aller derjenigen Umstände, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste befördert wird. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, diesem Ziele unserer Wünsche.
Was aber ist das Glück? Was alle Thoren meiden;
Der Zustand wahrer Lust, und dauerhafter Freuden, Haged.
Welcher Zustand doch eigentlich die Glückseligkeit ausmacht. 3) Im engsten Verstande, der Zustand der möglichsten Vollkommenheit unseres äußeren Zustandes. Sein Glück verscherzen. Jemanden an seinem Glücke hindern. Er hat sein Glück gemacht, er ist glücklich geworden. Ich habe das Glück meines Freundes gemacht, habe ihn glücklich gemacht. Das sind nicht Tugenden eines Weichlinges, den das Glück verzärtelt hat, Dusch.
4. Oft verbindet man mit diesem Worte den Begriff eines gewissen Wesens, von welchem der gute Erfolg unserer Unternehmungen und Wünsche abhänget, und welches diejenigen Dinge, welche man zur äußern Wohlfahrt für nothwendig hält, nach bloßem Willkühr austheilet; welches Wesen, so fern es nach der Mythologie der Griechen und Römer als eine Untergottheit vorgestellet wurde, auch die Glücksgöttinn genannt wird; Lat. Fortuna. Dem Glücke im Schooße sitzen. Das Glück will ihm wohl, hasset dich. Das Glück ist unbeständig. Das Glück hat es mir bescheret. Dem Glücke seinen Gang lassen.
Anm. Die Bemühungen der Wortforscher sind bey diesem Worte bisher nicht glücklich gewesen. Älterer zu geschweigen, so leitet es Frisch sehr unwahrscheinlich von Loos ab, und Ihre getrauet sich nicht einmahl, eine Ableitung zu versuchen. Die Ursache dieser fruchtlosen Bemühungen ist wohl, weil es mit allen seinen Ableitungen und Zusammensetzungen in unsern ältesten Schriften so selten vorkommt. Ich habe es im Stryker und den Schwäbischen Dichtern zuerst gefunden, wo es Gelucke heißt. Daß das G nicht zum Stamme gehöre, erhellet aus den verwandten Sprachen. Im Nieders. heißt das Glück nur Luck, im Fries. Lock, im Engl. good Luck, gutes Glück, ill Luck, Unglück, widriges Glück, im Schwed. Lycka, im Dän. Lykke. Mir scheinet es wahrscheinlich, das es zu dem Worte gelingen gehöret, weil Notker das Glück Ein Mahl Lingiso nennet; denn daß das n vor den Hauch- und Kehllauten sehr zufällig ist, wird bey diesem Buchstaben gezeiget werden. Merkwürdig ist aber doch, daß in andern gleichbedeutenden Wörtern der Begriff der Geschwindigkeit der herrschende ist, um den ungefähren Zufall, der das Glück ausmacht, zu bezeichnen. So heißt das Glück bey dem Notker Framspuote und im Nieders. Spood, von dem noch in Niedersachsen üblichen spoden, eilen. Das veraltete Selde, das Lat. Salus, unser Heil, u.s.f. würden eine ähnliche Ableitung ertragen, und sich theils aus dem Lat. salire, theils aus dem Deutschen eilen, und Nieders. hilde, geschwinde, hurtig, erklären lassen. Indessen wäre es doch noch immer zu viel gewagt, wenn man um deßwillen Glück und gelingen zu dem Geschlechte der Wörter fliegen, fliehen, und gleich, starim, rechnen wollte, so gewöhnlich auch die Verwechselung der Blase- und Kehllaute ist.
Madame du Châtelet
Rede vom Glück (Discour sur la bonheur)
Gemeinhin glaubt man, es sei schwierig, glücklich zu sein, und man hat allen Grund, dies zu glauben; es wäre jedoch einfacher, wenn die Menschen ihren Handlungen Überlegungen und einen Plan für die Lebensführung vorausgehen ließen. So werden wir von Umständen mitgerissen und geben uns Hoffnungen hin, die stets nur halb einlösen, was wir uns von ihnen versprochen haben: kurz, die Mittel und Wege, um glücklich zu werden, erkennt man erst, wenn Alter und selbstauferlegte Zügel uns Hindernisse in den Weg stellen.
Nehmen wir also diese Überlegungen vorweg, die man zu spät im Leben anstellt: die Leser dieser Schrift werden darin finden, was ihnen sonst Alter und Erfahrung allzu langsam bereitstellen. Bewahren wir sie davor, einen Teil der kostbaren, kurzen Zeit zu vergeuden, die sie zum Fühlen und zum Denken haben, und sie ins Flicken ihres Schiffes zu wenden statt daran, sich all die Lust zu verschaffen, die sie auf ihrer Seefahrt irgend kosten können.
Um glücklich zu sein, ist es nötig, frei von Vorurteilen, tugendhaft und bei guter Gesundheit zu sein, Neigungen und Leidenschaften zu haben und für Illusionen empfänglich zu sein, denn den Großteil unsrer Vergnügen schulden wir der Illusion, und unglücklich ist, wer sie verliert. Weit entfernt, von dem Versuch, sie mit der Fackel der Vernunft zu vertreiben, versuchen wir lieber, den Lack zu verstärken, mit dem sie die meisten Dinge überzieht; sie brauchen ihn noch nötiger als unser Körper Pflege und Schmuck.
Anfangen sollte man damit, sich selbst zu sagen und zu überzeugen, daß wir auf dieser Welt nichts anders zu tun haben als uns Wohlgefühl und -empfindung zu verschaffen. Die Moralisten, die den Menschen sagen: »Wenn ihr glücklich sein wollt, unterdrückt eure Leidenschaften und beherrscht eure Gelüste«, kennen den Weg zum Glück nicht. Glücklich ist man nur durch befriedigte Leidenschaften und Neigungen; Neigungen sage ich, weil man nicht immer so glücklich ist, Leidenschaften zu haben, und wenn es an Leidenschaften gebricht, muß man sich eben mit Neigungen zufrieden geben. Leidenschaften sind es denn auch, worum wir Gott bitten sollten, wenn wir ihn um etwas zu bitten wagten; La Nôre hatte ganz recht, den Papst statt um Ablaß um Versuchungen zu bitten.
Aber, ließe sich entgegnen, stürzen die Leidenschaften nicht mehr Menschen ins Unglück, als sie andere glücklich machen? Ich habe nicht die richtige Waage, um alles in allem das Gute und das Böse gegeneinander abzuwägen, das sie den Menschen eingetragen haben; man sollte indes bedenken, daß man die Unglücklichen kennt, weil sie die anderen brauchen, weil sie es lieben, von ihrem Unglück zu berichten, und darin Rettung und Erleichterung suchen. Die Glücklichen jedoch suchen nach nichts und werden von ihrem Glück kaum andere in Kenntnis setzen; interessant sind die Unglücklichen, die Glücklichen hingegen kennt man nicht.
Deshalb sind auch zwei Liebende, wenn sie versöhnt sind, ihre Eifersucht beendet und die Hindernisse überwunden sind, die sie trennten, nicht mehr für die Bühne geeignet; für die Zuschauer ist das Stück zu Ende, und die Szene zwischen Rinaldo und Armida wäre dann auch längst nicht so fesselnd, wäre der Zuschauer nicht darauf gefaßt, daß Rinaldos Liebe die Folge eines Zaubers ist, der sich verflüchtigen muß, und die Leidenschaft, die Armida in dieser Szene zeigt, ihr Unglück noch bewegender machen wird. Es sind dieselben Kräfte, im Leben wie im Theater, die unsere Seele ansprechen und bewegen. Wir erfahren von der Liebe also eher durch das Unglück, das sie uns zufügt, als durch das oft in Dunkel gehüllte Glück, das sie über das Leben der Menschen breitet. Aber selbst für einen Augenblick angenommen, die Leidenschaft machte mehr Menschen unglücklich als glücklich, auch dann, sage ich, wäre sie erstrebenswert, denn ohne sie vermöchten wir keine große Lust zu empfinden; das Leben ist ja nur der Mühe wert, um Wohlgefühl und -empfindungen zu haben; und man ist um so glücklicher, desto lebhafter die Wohlgefühle sind. Es ist also wünschenswert, für Leidenschaft empfänglich zu sein, und um es noch einmal zu sagen: der sie will, wird sie nicht unbedingt haben.
Es liegt an uns, sie unserem Glück dienlich zu machen, und dies hängt oft nur von uns selbst ab. Wer seine Lage und die Umstände, in die das Schicksal ihn gestellt hat, so weise zu nutzen verstand, daß es ihm gelungen ist, Herz und Geist in ein ruhiges Gleichgewicht zu bringen, und er für alle Wohlgefühle, alle sinnlichen Genüsse offen ist, die seine Lage mit sich bringt, der ist gewiß ein hervorragender Philosoph und sollte der Natur dafür danken.
Ich spreche von der Lage und den Umständen, in die das Schicksal ihn gestellt hat, weil ich glaube, daß es am meisten zu unserem Glück beiträgt, wenn wir mit unserer Lage zufrieden sind und eher darauf sinnen, wie sie glücklich einzurichten statt sie zu verändern sei.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
2. In weiterer Bedeutung, eine jede Verknüpfung solcher vortheilhaften Umstände, die wir nicht vorher sehen können, wenigstens nicht in unserer Gewalt zu haben glauben, ein günstiger Zufall. Zu allem Glücke war niemand zugegen. Ich kam zu allem Glük- ke dazu. Er hat von Glück zu sagen, daß er noch so davon gekommen ist. Das war noch ein Glück, daß sich der Wind legte. Es ist dein Glück, oder es ist ein Glück für dich, daß ich es nicht gesehen habe. Es stehet dir ein großes Glück bevor. Ein Mensch hat viel Glück, so wohl, wenn ihm alles gelinget, was er unternimmt, als auch, wenn sich ohne sein Zuthun viele vortheilhafte Umstände für ihn ereignen. Stax hat mehr Glück als Verstand, mehr Glück als Recht. Es weiß sich nicht ein jeder in sein Glück zu finden, wenn er solche Umstände nicht gehörig zu nutzen weiß. Einem Glück bringen, im Scherze, durch seine Gegenwart machen, daß der andere im Spielen gewinnet. Im Glücke sitzen, ansehnlich gewinnen. In weiterer Bedeutung zuweilen für einen jeden ungefähren Zufall. Es war ein bloßes Glück, daß ich ihn noch antraf.
3. Besonders, ein Umstand, eine Sache, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste, wenigstens in einem sehr hohen Grade, verbessert wird. 1) In dem weitesten Verstande. Dieses Glück ist für dich zu groß. Es ist ihm ein unverhofftes Glück widerfahren. Ein kluger König ist des Volkes Glück, Weish. 6. 26. Meine Thränen beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das Glück meiner Tage war, Cron. Was Gott über mich verhängt, wird in der Folge Glück für mich werden. Gegen das Glück eines guten Nahmens empfindlich seyn. Das Glück eines guten Gewissens genießen. Gesundheit ist ein großes Glück. Wo dieses Wort in der gesellschaftlichen Sprache des höflichen Umganges oft gar sehr gemißbrauchet wird. Seitdem ich das Glück hatte, sie das letzte Mahl zu sehen. Gönnen sie mir das Glück ihrer Gegenwart. 2) Im engern Verstande, der ganze Zusammenhang aller derjenigen Umstände, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste befördert wird. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, diesem Ziele unserer Wünsche.
Was aber ist das Glück? Was alle Thoren meiden;
Der Zustand wahrer Lust, und dauerhafter Freuden, Haged.
Welcher Zustand doch eigentlich die Glückseligkeit ausmacht. 3) Im engsten Verstande, der Zustand der möglichsten Vollkommenheit unseres äußeren Zustandes. Sein Glück verscherzen. Jemanden an seinem Glücke hindern. Er hat sein Glück gemacht, er ist glücklich geworden. Ich habe das Glück meines Freundes gemacht, habe ihn glücklich gemacht. Das sind nicht Tugenden eines Weichlinges, den das Glück verzärtelt hat, Dusch.
4. Oft verbindet man mit diesem Worte den Begriff eines gewissen Wesens, von welchem der gute Erfolg unserer Unternehmungen und Wünsche abhänget, und welches diejenigen Dinge, welche man zur äußern Wohlfahrt für nothwendig hält, nach bloßem Willkühr austheilet; welches Wesen, so fern es nach der Mythologie der Griechen und Römer als eine Untergottheit vorgestellet wurde, auch die Glücksgöttinn genannt wird; Lat. Fortuna. Dem Glücke im Schooße sitzen. Das Glück will ihm wohl, hasset dich. Das Glück ist unbeständig. Das Glück hat es mir bescheret. Dem Glücke seinen Gang lassen.
Anm. Die Bemühungen der Wortforscher sind bey diesem Worte bisher nicht glücklich gewesen. Älterer zu geschweigen, so leitet es Frisch sehr unwahrscheinlich von Loos ab, und Ihre getrauet sich nicht einmahl, eine Ableitung zu versuchen. Die Ursache dieser fruchtlosen Bemühungen ist wohl, weil es mit allen seinen Ableitungen und Zusammensetzungen in unsern ältesten Schriften so selten vorkommt. Ich habe es im Stryker und den Schwäbischen Dichtern zuerst gefunden, wo es Gelucke heißt. Daß das G nicht zum Stamme gehöre, erhellet aus den verwandten Sprachen. Im Nieders. heißt das Glück nur Luck, im Fries. Lock, im Engl. good Luck, gutes Glück, ill Luck, Unglück, widriges Glück, im Schwed. Lycka, im Dän. Lykke. Mir scheinet es wahrscheinlich, das es zu dem Worte gelingen gehöret, weil Notker das Glück Ein Mahl Lingiso nennet; denn daß das n vor den Hauch- und Kehllauten sehr zufällig ist, wird bey diesem Buchstaben gezeiget werden. Merkwürdig ist aber doch, daß in andern gleichbedeutenden Wörtern der Begriff der Geschwindigkeit der herrschende ist, um den ungefähren Zufall, der das Glück ausmacht, zu bezeichnen. So heißt das Glück bey dem Notker Framspuote und im Nieders. Spood, von dem noch in Niedersachsen üblichen spoden, eilen. Das veraltete Selde, das Lat. Salus, unser Heil, u.s.f. würden eine ähnliche Ableitung ertragen, und sich theils aus dem Lat. salire, theils aus dem Deutschen eilen, und Nieders. hilde, geschwinde, hurtig, erklären lassen. Indessen wäre es doch noch immer zu viel gewagt, wenn man um deßwillen Glück und gelingen zu dem Geschlechte der Wörter fliegen, fliehen, und gleich, starim, rechnen wollte, so gewöhnlich auch die Verwechselung der Blase- und Kehllaute ist.
Madame du Châtelet
Rede vom Glück (Discour sur la bonheur)
Gemeinhin glaubt man, es sei schwierig, glücklich zu sein, und man hat allen Grund, dies zu glauben; es wäre jedoch einfacher, wenn die Menschen ihren Handlungen Überlegungen und einen Plan für die Lebensführung vorausgehen ließen. So werden wir von Umständen mitgerissen und geben uns Hoffnungen hin, die stets nur halb einlösen, was wir uns von ihnen versprochen haben: kurz, die Mittel und Wege, um glücklich zu werden, erkennt man erst, wenn Alter und selbstauferlegte Zügel uns Hindernisse in den Weg stellen.
Nehmen wir also diese Überlegungen vorweg, die man zu spät im Leben anstellt: die Leser dieser Schrift werden darin finden, was ihnen sonst Alter und Erfahrung allzu langsam bereitstellen. Bewahren wir sie davor, einen Teil der kostbaren, kurzen Zeit zu vergeuden, die sie zum Fühlen und zum Denken haben, und sie ins Flicken ihres Schiffes zu wenden statt daran, sich all die Lust zu verschaffen, die sie auf ihrer Seefahrt irgend kosten können.
Um glücklich zu sein, ist es nötig, frei von Vorurteilen, tugendhaft und bei guter Gesundheit zu sein, Neigungen und Leidenschaften zu haben und für Illusionen empfänglich zu sein, denn den Großteil unsrer Vergnügen schulden wir der Illusion, und unglücklich ist, wer sie verliert. Weit entfernt, von dem Versuch, sie mit der Fackel der Vernunft zu vertreiben, versuchen wir lieber, den Lack zu verstärken, mit dem sie die meisten Dinge überzieht; sie brauchen ihn noch nötiger als unser Körper Pflege und Schmuck.
Anfangen sollte man damit, sich selbst zu sagen und zu überzeugen, daß wir auf dieser Welt nichts anders zu tun haben als uns Wohlgefühl und -empfindung zu verschaffen. Die Moralisten, die den Menschen sagen: »Wenn ihr glücklich sein wollt, unterdrückt eure Leidenschaften und beherrscht eure Gelüste«, kennen den Weg zum Glück nicht. Glücklich ist man nur durch befriedigte Leidenschaften und Neigungen; Neigungen sage ich, weil man nicht immer so glücklich ist, Leidenschaften zu haben, und wenn es an Leidenschaften gebricht, muß man sich eben mit Neigungen zufrieden geben. Leidenschaften sind es denn auch, worum wir Gott bitten sollten, wenn wir ihn um etwas zu bitten wagten; La Nôre hatte ganz recht, den Papst statt um Ablaß um Versuchungen zu bitten.
Aber, ließe sich entgegnen, stürzen die Leidenschaften nicht mehr Menschen ins Unglück, als sie andere glücklich machen? Ich habe nicht die richtige Waage, um alles in allem das Gute und das Böse gegeneinander abzuwägen, das sie den Menschen eingetragen haben; man sollte indes bedenken, daß man die Unglücklichen kennt, weil sie die anderen brauchen, weil sie es lieben, von ihrem Unglück zu berichten, und darin Rettung und Erleichterung suchen. Die Glücklichen jedoch suchen nach nichts und werden von ihrem Glück kaum andere in Kenntnis setzen; interessant sind die Unglücklichen, die Glücklichen hingegen kennt man nicht.
Deshalb sind auch zwei Liebende, wenn sie versöhnt sind, ihre Eifersucht beendet und die Hindernisse überwunden sind, die sie trennten, nicht mehr für die Bühne geeignet; für die Zuschauer ist das Stück zu Ende, und die Szene zwischen Rinaldo und Armida wäre dann auch längst nicht so fesselnd, wäre der Zuschauer nicht darauf gefaßt, daß Rinaldos Liebe die Folge eines Zaubers ist, der sich verflüchtigen muß, und die Leidenschaft, die Armida in dieser Szene zeigt, ihr Unglück noch bewegender machen wird. Es sind dieselben Kräfte, im Leben wie im Theater, die unsere Seele ansprechen und bewegen. Wir erfahren von der Liebe also eher durch das Unglück, das sie uns zufügt, als durch das oft in Dunkel gehüllte Glück, das sie über das Leben der Menschen breitet. Aber selbst für einen Augenblick angenommen, die Leidenschaft machte mehr Menschen unglücklich als glücklich, auch dann, sage ich, wäre sie erstrebenswert, denn ohne sie vermöchten wir keine große Lust zu empfinden; das Leben ist ja nur der Mühe wert, um Wohlgefühl und -empfindungen zu haben; und man ist um so glücklicher, desto lebhafter die Wohlgefühle sind. Es ist also wünschenswert, für Leidenschaft empfänglich zu sein, und um es noch einmal zu sagen: der sie will, wird sie nicht unbedingt haben.
Es liegt an uns, sie unserem Glück dienlich zu machen, und dies hängt oft nur von uns selbst ab. Wer seine Lage und die Umstände, in die das Schicksal ihn gestellt hat, so weise zu nutzen verstand, daß es ihm gelungen ist, Herz und Geist in ein ruhiges Gleichgewicht zu bringen, und er für alle Wohlgefühle, alle sinnlichen Genüsse offen ist, die seine Lage mit sich bringt, der ist gewiß ein hervorragender Philosoph und sollte der Natur dafür danken.
Ich spreche von der Lage und den Umständen, in die das Schicksal ihn gestellt hat, weil ich glaube, daß es am meisten zu unserem Glück beiträgt, wenn wir mit unserer Lage zufrieden sind und eher darauf sinnen, wie sie glücklich einzurichten statt sie zu verändern sei.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Bibliographische Angaben
- Autor: Patrick Hutsch (Hg.)
- 2013, 2. Aufl., 416 Seiten, Maße: 9,3 x 14,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben von Hutsch, Patrick
- Herausgegeben: Patrick Hutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596512948
- ISBN-13: 9783596512942
- Erscheinungsdatum: 21.10.2013
Kommentar zu "Lesebuch für Glückliche"
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