Liebeslinien
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Schließlich verliebt Aulikki sich doch, in den Fotografen und Jazzfan Sauli. Und sie entdeckt, dass die Liebe viele Seiten hat. Nur keine einfache.
Schließlich verliebt Aulikki sich doch, in den Fotografen und Jazzfan Sauli. Und sie entdeckt, dass die Liebe viele Seiten hat. Nur keine einfache.
Liebeslinien von Marjaleena Lembcke
LESEPROBE
In derAbendschule lasen die Mädchen Summerhill von A. S.Neill und diskutierten die antiautoritäre Erziehung. Sie hatten Hair gesehen und sangen Aquariusund nähten sich weite lange Röcke und trugen Blusen mit Blumenmuster.
Alle redeten bewundernd von den Studentenunruhen und Demonstrationen inDeutschland und Frankreich, und es klang, als sei das Recht, zu demonstrieren,ein Privileg, das man erst mit dem Abitur erwarb.
In New York gab es Polizeieinsätze gegen die Homosexuellen. Und in Helsinkiwurde die Temppeliaukio-Kirche eingeweiht, eine inden Felsen gebaute Kirche. Aulikki besuchte sie oft.Sie war wie eine Höhle mit einer runden Öffnung zum Himmel. Die Kuppel über derFelsenkirche hatte hundertachtzig schmale Fenster, die für Aulikkiwie Sonnenstrahlen aussahen. Wenn sie auf einem der violetten Stühle saß,versuchte sie die Fenster zu zählen. Spielte jemand Orgel, blieb sie längerdort, hörte zu und schaute auf die Steinwände, an denen das Felswasser herunterlief. Das Plätschern der Rinnsale wuchs mit derMusik zum Rauschen und Tosen eines Wasserfalls.
Sie dachte, in den Kirchen sollte den ganzen Tag Musik erklingen, damit dieMenschen sich einen Augenblick von den Worten, von den Wünschen, Träumen undÄngsten, die in den Worten steckten, befreien können. Sie stellte sich dieMenschen vor, die früher in Höhlen wohnten, in ihnen Schutz vor den Raubtierenund dem Unwetter suchten. Während sie in der Dunkelheit ausharrten, nahm einervon ihnen einen spitzen Stein und zeichnete die Sonne an die Wand. Er zeichneteeinen Elch oder ein Rentier. Vielleicht summte der Zeichner leise vor sich hin.Aulikki überlegte, wie lange es gedauert habenmochte, bis die Menschen die Kraft der Töne und Klänge entdeckten, wann dieWorte, um einander Wichtiges mitzuteilen. Und wodurch sie lernten, dasauszusprechen, was sie nicht dachten, das zu behaupten, was nicht wahr ist, undzu verschweigen, was sie fühlten.
Und sie dachte an die vielen Sprachen, die es auf der Welt gibt, und an dieMenschen, die trotzdem nie die richtigen Worte finden.
© VerlagNagel & Kimche
- Autor: Marjaleena Lembcke
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2006, 1. Auflage., Maße: 14,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Nagel & Kimche
- ISBN-10: 3312009669
- ISBN-13: 9783312009664
- Erscheinungsdatum: 05.08.2006
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