Lockruf der Gefahr
Roman. Erstmals im Taschenbuch
Liebe und Spannung von der Bestsellerautorin.
Leider schon ausverkauft
Buch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Lockruf der Gefahr “
Liebe und Spannung von der Bestsellerautorin.
Klappentext zu „Lockruf der Gefahr “
Romantik, Abenteuer, SpannungDie engagierte Tierärztin Lilian führt auf ihrer Wildtierfarm in South Dakota ein erfülltes, aber auch abgeschiedenes Leben. Fast zu spät erkennt sie die Gefahr, der sie ausgesetzt ist, als ein offensichtlich traumatisierter Mann sie und ihre Familie bedroht. In letzter Minute nimmt sie die Hilfe ihrer Jugendliebe Cooper an. Doch wird er das Schlimmste verhindern können?
Lil und Cooper sind noch jung, als sie sich ineinander verlieben. Ihre Gefühle sind leidenschaftlich und tief. Doch als Cooper sich entscheidet, nach New York zur Polizei zu gehen, bricht für Lil eine Welt zusammen. Sie bleibt in South Dakota zurück, studiert Tiermedizin und wird zu einer Expertin für Wildtiere. Jahre vergehen, bis Cooper schließlich zurückkehrt, aber Lil kann ihm nicht verzeihen.
Erst als ein Puma erschossen wird und ihre Kollegin spurlos verschwindet, bittet Lil Cooper um Hilfe. Bald darauf machen beide eine grausige Entdeckung: Vor vielen Jahren ereignete sich in ihrer Gegend der Mord an einer jungen Frau. Der Täter wurde nie gefasst und konnte ungehindert weiter morden: Immer waren es junge Frauen, die in der Wildnis erschossen wurden. Cooper ist überzeugt, dass Lil in größter Gefahr schwebt ...
Lese-Probe zu „Lockruf der Gefahr “
Lockruf der Gefahr von Nora Roberts1
South Dakota
Juni 1989
... mehr
Von Cooper Sullivans bisherigem Leben war nichts mehr übrig. Seine Eltern hatten sich durch nichts umstimmen lassen, weder durch Bitten, Appelle
an die Vernunft, Wutausbrüche oder Drohungen. Stattdessen hatten sie ihn verbannt, weit fort von allem, was ihm vertraut war und was er liebte, in eine Welt, in der es weder Videospiele noch Big Macs gab.
Das Einzige, das ihn davor bewahrte, an purer Langeweile zu sterben, war sein geliebter Gameboy.
Wahrscheinlich würde es während seiner Verbannung nur ihn und Tetris geben - zwei schreckliche, bescheuerte Monate lang.
Alle seine Freunde waren Lichtjahre weit weg in New York. Sie würden den Sommer gemeinsam verbringen, an die Strände von Long Island fahren oder runter nach Jersey. Ihm hatte man eigentlich ein zweiwöchiges Baseballcamp im Juli versprochen.
Aber dann kam alles ganz anders.
Jetzt waren seine Eltern unterwegs nach Italien, Frankreich und anderen dämlichen Orten, auf einer Art zweiten Hochzeitsreise. Ein letzter verzweifelter Versuch, die Ehe zu retten.
Den elfjährigen Sohn mitzunehmen, war wohl nicht romantisch genug, deshalb hatten sie ihn zu seinen Großeltern verbannt, ins hinterletzte Kaff nach South Dakota.
Dabei hatte er nicht das Geringste verbrochen. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass sein Vater sich immer mit anderen Frauen traf. Und seine Mutter sich damit tröstete, dass sie die ganze Madison Avenue leer kaufte. Sie hatten es versaut, und jetzt musste er den Sommer auf einer blöden Pferde-Farm verbringen, bei Großeltern, die er kaum kannte.
Und die noch dazu so alt waren.
Er sollte ihnen mit den stinkenden und zwickenden Pferden und Hühnern helfen.
Sie hatten keine Haushälterin, und sie fuhren kein Auto, sondern einen Lieferwagen.
Der einzige Fernseher im Haus hatte kaum Empfang, und einen McDonald's gab es auch nicht. Keine Freunde. Keinen Sportplatz, keine Kinos, keine Spielsalons.
Er sah von seinem Gameboy auf und schaute aus dem Autofenster. Blöde Berge, blöde Prärie, blöde Bäume. Es gab wirklich nichts Spannendes zu sehen. Wenigstens hatte sein Großvater aufgehört, ihn bei seinem Spiel zu unterbrechen, um ihm irgendwas über die Gegend zu erzählen, durch die sie gerade fuhren.
Als ob ihn diese dämlichen Siedler, Indianer und Soldaten interessierten, die hier irgendwann einmal gelebt hatten.
Allein die Tatsache, dass der nächstgelegene Ort Deadwood hieß, sprach Bände.
Den ganzen Sommer über würde er kein einziges Match im Yankee-Stadion sehen.
Genauso gut hätte er tot sein können.
Er wollte nach Hause.
Seine Großmutter drehte sich auf dem Beifahrersitz um.
»Bald haben wir die Ranch der Chances erreicht«, sagte sie. »Es war nett von ihnen, uns zum Mittagessen einzuladen. Lil wird dir gefallen. Sie ist fast genauso alt wie du.«
Er wusste, was man von ihm erwartete. »Ja, Ma'am.« Als ob er sich mit irgendeinem Mädchen abgeben würde. Mit irgendeiner doofen Bauerngöre, die wahrscheinlich nach Pferd roch und auch so aussah.
Er senkte den Kopf und vertiefte sich wieder in sein Tetris, damit ihn seine Großmutter in Ruhe ließ.
Sie hieß Lucy, aber er sollte sie Oma nennen.
Sie kochte und backte. Jede Menge. Und hängte Laken und andere Sachen an einer Wäscheleine hinter der Farm auf. Sie nähte und putzte und sang dabei. Sie hatte eine schöne Stimme, wenn man so was mochte.
Sie half auch mit den Pferden. Und Coop musste zugeben, dass er überrascht und beeindruckt gewesen war, als sie eines davon ohne Sattel bestiegen hatte.
Sie war mindestens fünfzig - also uralt. Aber nicht gebrechlich.
Meist trug sie Stiefeljeans und karierte Hemden. Nur heute nicht. Da hatte sie ein Kleid angezogen, und ihre braunen Haare, die sie sonst zu einem Zopf fl ocht, waren offen.
Als er aus dem Fenster sah, entdeckte er noch mehr Bäume, weniger flaches Land, und dahinter erhoben sich die Berge, die Black Hills. Unregelmäßige grüne Hügel mit nackten Felsen prägten das Bild. Er wusste, dass seine Großeltern Pferde züchteten und sie für Ausritte an Touristen vermieteten. Er verstand das nicht. Er verstand nicht, warum man sich auf ein Pferd setzen und um Felsen und Bäume herumreiten wollte.
Als das Haus in Sichtweite kam, sah es fast genauso aus wie das seiner Großeltern. Zwei Stockwerke, Fenster, eine große Veranda. Nur dass dieses Haus blau war statt weiß.
Um das Haus herum gab es viele Blumenbeete.
Eine Frau trat auf die Veranda und winkte. Sie trug ebenfalls ein Kleid. Ein langes, wie auf Fotos von Hippies. Sie hatte sehr dunkles Haar, das zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden war. Vor dem Haus standen zwei Lieferwagen und ein altes Auto.
Sie sah wirklich aus wie ein Hippie, dachte Coop. Er hatte gehört, dass Hippies Hasch rauchten, viel Sex hatten und Orgien feierten.
Sein Großvater, ein wortkarger Mann, stieg aus dem Wagen. »Hallo Jenna.«
»Schön, dich zu sehen, Sam.« Die Frau, die möglicherweise ein Hippie war, küsste seinen Großvater auf die Wange, drehte sich um und umarmte seine Großmutter. »Lucy! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nichts mitbringen?«, setzte sie nach, als Lucy einen Korb aus dem Wagen holte.
»Ich konnte nicht anders. Ein Kirschkuchen.«
»Da sagen wir natürlich nicht nein. Und das ist also Cooper.« Jenna gab ihm die Hand wie einem Erwachsenen. »Willkommen.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lil freut sich schon auf dich, Cooper. Sie hat noch etwas mit ihrem Dad zu erledigen, aber sie werden gleich hier sein. Wie Weil ihm das einen Stich gab, wandte er sich ab. Ihm blieb keine andere Wahl, er musste sich den Rest des Tages quälen lassen.
Lil kicherte, als ihr Vater sie noch einmal wild herumwirbelte. Als sie wieder zu Atem gekommen war, warf sie ihm einen betont strengen Blick zu.
»Das wird nicht mein Freund.«
»Das sagst du heute.« Josiah Chance kitzelte seine Tochter zwischen den Rippen. »Aber ich werde diesen Großstadtsnob ganz genau im Auge behalten.«
»Ich will überhaupt keinen Freund.« Lil winkte ab, so überzeugend, wie sie es mit ihren gerade mal zehn Jahren vermochte. »Das bringt bloß Ärger.«
Joe zog sie an sich und strich ihr über die Wange. »Ich werde dich in ein paar Jahren daran erinnern. Sie scheinen da zu sein. Am besten, wir sagen Hallo und ziehen uns um.«
Im Grunde hatte sie nichts gegen Jungs, dachte Lil. Und sie wusste auch, wie sie sich Besuch gegenüber zu benehmen hatte. Trotzdem ... »Wenn ich ihn nicht mag, muss ich dann trotzdem mit ihm spielen?«
»Er ist unser Gast. Ein Fremder in einer fremden Welt. Wenn man dich nach New York verfrachtet hätte, wärst du bestimmt auch froh, wenn jemand in deinem Alter nett zu dir ist und dir alles zeigt.«
Sie zog die Nase kraus. »Ich will nicht nach New York.«
»Ich wette, er ist auch nicht freiwillig hergekommen.«
Sie verstand das nicht. Hier gab es doch alles: Pferde, Hunde, Katzen, Berge, Bäume. Aber ihre Eltern hatten ihr beigebracht, dass die Menschen nicht überall gleich sind.
»Ich werde nett zu ihm sein.« Zumindest am Anfang. »Aber du brennst nicht mit ihm durch und heiratest ihn.«
»Dad!«
Sie verdrehte die Augen. Als sie bei dem Jungen angelangt waren, musterte Lil ihn wie eine fremde Spezies.
Er war größer als erwartet, sein Haar hatte die Farbe von Kiefernrinde. Er sah wütend aus oder traurig, sie konnte sich nicht recht entscheiden. Aber weder das eine noch das andere war viel versprechend. Seine Kleidung stammte eindeutig aus der Großstadt - dunkle Jeans, die noch nicht oft genug getragen oder gewaschen worden waren, um auszubleichen, und ein steif gebügeltes weißes Hemd. Er nahm das Glas Limonade, das ihre Mutter ihm anbot, und musterte Lil mit derselben Aufmerksamkeit.
Beim Schrei eines Habichts zuckte er zusammen, und Lil ertappte sich bei einem Grinsen. Ihre Mutter würde nicht begeistert sein, wenn sie sich über den Besuch lustig machte.
»Sam.« Mit breitem Grinsen gab Joe ihm die Hand. »Wie geht's?«
»Ich kann nicht klagen.«
»Und wie gut du wieder aussiehst, Lucy!«
»Man tut, was man kann. Das ist unser Enkel, Cooper.« »Schön, dich kennenzulernen, Coop. Willkommen in den Black Hills. Das ist meine Lil.«
»Hallo.« Sie legte den Kopf schief. Er hatte blaue Augen - eisblaue Augen, die genauso ernst wirkten wie der Rest von ihm.
»Joe und Lil, geht euch umziehen. Wir essen draußen«, sagte Jenna. »Das Wetter ist herrlich. Cooper, du wirst neben mir sitzen und mir erzählen, was du in New York so treibst. Ich war noch nie dort.«
Bisher hatte ihre Mutter noch jeden zum Reden gebracht und ihm ein Lächeln entlockt, dachte Lil. Nicht aber Cooper Sullivan aus New York City. Er antwortete, wenn man ihn etwas fragte, und achtete auf seine Manieren, aber mehr auch nicht. Sie setzten sich an den Picknicktisch, den Lil so liebte, und machten sich über Backhuhn und Brötchen, Kartoffelsalat und Brechbohnen aus dem Garten her.
Die Unterhaltung drehte sich um Pferde, Rinder und Getreide, dann kam man auf das Wetter, die Geschäfte und die Nachbarn zu sprechen. Alles Dinge, die Lil interessierten.
Als Joe auf das Thema Baseball zu sprechen kam, taute endlich auch Cooper ein wenig auf.
»Boston wird seine Unglücksserie noch dieses Jahr beenden.«
Cooper schnaubte laut auf und zuckte gleich darauf die Achseln.
»Aber klar doch, Mister New York. Yankees oder Mets?« »Yankees.«
»Keine Chance.« Beinahe mitleidig schüttelte Joe den Kopf. »Nicht dieses Jahr, mein Junge.«
»Baltimore macht euch doch jetzt schon fertig.«
»Die hatten bloß Glück. Letztes Jahr sind sie rausgefl o-
gen, und sie werden es auch diesmal nicht schaffen.«
»Aber dann werden die Red Sox aufsteigen.«
»Mit Ach und Krach vielleicht.«
Zum ersten Mal grinste Cooper.
»Ich werd mal meine Expertin befragen. Sox oder Yankees, Lil?«
»Weder noch. Baltimore wird gewinnen. Die haben die jungen Spieler, den nötigen Elan. Und Frank Robinson. Boston ist weit oben, aber schaffen werden sie es nicht. Die Yankees? Keine Chance, nicht dieses Jahr.«
»Mein einziges Kind fällt so über mich her.« Joe fasste sich gespielt dramatisch ans Herz. »Bist du ein Baseman, Coop?«
»Ja, Sir. Second Baseman.«
»Lil, nimm Coop mit hinter die Scheune. Dort könnt ihr euch das Essen mit ein bisschen Schlagtraining wieder abtrainieren.«
»Gut.«
Coop rutschte von der Bank. »Danke für das Essen, Mrs Chance. Es war ausgezeichnet.«
»Gern geschehen.«
Als die Kinder verschwunden waren, sah Jenna zu
Lucy hinüber. »Armer kleiner Junge«, murmelte sie.
Die Hunde tobten vor ihnen über die Wiese. »Ich bin
Third Baseman«, sagte Lil zu Coop.
»Wo? Hier ist doch nichts?«
»Bei Deadwood. Wir haben ein Spielfeld und eine Mannschaft. Ich werde die erste Frau sein, die es in die Oberliga schafft.«
Coop schnaubte erneut. »Frauen spielen nicht in der Oberliga. So ist das nun mal.«
»Aber deswegen muss es noch lange nicht so bleiben, sagt meine Mutter immer. Und wenn meine aktive Zeit vorbei ist, werde ich Trainerin.«
Er grinste. Obwohl sie das rasend machte, gefi el er ihr gleich ein Stück besser.
»Wo spielt ihr in New York? Ich dachte, da sind überall Häuser?«
»Wir spielen im Central Park und manchmal in Queens.«
»Was ist Queens?«
»Ein Viertel.«
»Ein Viertel von was?«
»Nein, ein Stadtviertel, Mensch! Ein Ort.«
Sie blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn mit ihren dunklen Augen funkelnd an. »Wenn du versuchst, jemanden bloßzustellen, nur weil er nachfragt, stellst du dich selbst bloß.«
Er zuckte die Achseln und ging mit ihr um die große rote Scheune herum.
Es roch nach Vieh - nach Staub und Kot. Coop begriff nicht, wie man mit diesem Gestank leben konnte oder mit dem ständigen Hufgetrappel, Geschnaube und Gemuhe. Er wollte gerade eine abfällige Bemerkung machen - schließlich war sie nur ein Kind, und außerdem ein Mädchen -, als er den Schlagkäfi g sah.
Vielleicht nicht gerade das, was er gewohnt war, aber gut genug. Irgendjemand, wahrscheinlich Lils Vater, hatte aus Maschendraht einen Schlagkäfi g gebaut. Neben der Scheune befand sich eine verwitterte Kiste. Lil öffnete sie und holte Handschuhe, Schläger und Bälle heraus.
»Mein Dad und ich trainieren meistens nach dem Abendessen. Mom macht manchmal den Pitcher, aber sie kann nicht werfen. Du bist der Gast, du darfst als Erster schlagen, wenn du willst. Aber du musst einen Schlaghelm aufsetzen.«
Coop setzte den Helm auf, den sie ihm gab, und wog die einzelnen Schläger prüfend in der Hand. Einen Schläger zu halten, fühlte sich fast so gut an wie ein Gameboy. »Dein Dad trainiert mit dir?«
»Klar, er ist gut. Er hat mehrere Saisons in der Unterliga gespielt, damals an der Ostküste.«
»Echt?« Alle Überheblichkeit war wie weggeblasen. »Er war ein Profi ?«
»Ja, für ein paar Saisons. Dann bekam er Probleme mit seiner Rotatorenmanschette, und das war's dann. Er beschloss, sich in den Staaten umzusehen, und ist hier gelandet. Er hat für meine Großeltern gearbeitet - das war mal ihre Farm - und meine Mutter kennengelernt. Und das war's dann endgültig. Willst du schlagen?«
»Ja.« Coop ging zurück zum Käfi g und holte ein paar Mal probehalber aus. Sie warf einen geraden, langsamen Ball, den er voll erwischte und in das angrenzende Feld schlug.
»Nicht schlecht.« Sie nahm den nächsten Ball, ging auf ihre Position und machte noch einen einfachen Wurf.
Coop spürte den leichten Linksdrall, als der Ball ins Feld segelte. Er traf auch den dritten Ball, ließ die Hüften kreisen und wartete auf den nächsten Wurf.
Sie warf haarscharf an ihm vorbei.
»Netter Versuch«, sagte sie nur, als er sie wütend anfunkelte.
Er griff den Schläger etwas weiter oben und scharrte mit den Füßen. Sie trickste ihn mit einem niedrigen Ball aus. Den nächsten erwischte er und fälschte ihn ab, sodass es klirrte, als er den Käfi g traf.
»Du bist dran.« Jetzt würde er es ihr zeigen.
Sie tauschten Plätze. Anstatt dass er es langsam angehen ließ, warf er ihr einen scharfen Ball zu. Sie erwischte ihn knapp, aber der Ball kam im Aus auf. Den nächsten traf sie so, dass er hoch in die Luft fl og. Aber beim dritten Wurf traf sie voll ins Schwarze. Wäre das ein richtiges Spielfeld gewesen, hätte das einen Homerun bedeutet, musste Coop neidlos anerkennen.
»Du bist wirklich gut.«
Nachdem Lil den Schläger gegen den Käfi g gelehnt hatte, ging sie los, um die Bälle auf dem angrenzenden Feld einzusammeln.
»Bist du schon mal bei einem richtigen Spiel dabei gewesen? Im Yankee-Stadion zum Beispiel?«
»Klar. Mein Vater hat Saisonkarten für die vordersten Ränge - gleich hinter der Third Base.«
»Quatsch!«
Es tat gut, sie zu beeindrucken. Außerdem konnte es nicht schaden, jemanden zu haben, mit dem man über Baseball reden konnte. Auch wenn es nur ein Mädchen vom Land war. Dafür konnte Lil mit Ball und Schläger umgehen, und das war schon mal ein Pluspunkt.
Trotzdem zuckte Coop nur die Achseln und sah zu, wie Lil durch den Stacheldraht schlüpfte, ohne sich zu verletzen. Als sie sich umdrehte und den Draht für ihn etwas weiter auseinanderhielt, hatte er nichts dagegen.
»Wir sehen uns die Spiele im Fernsehen an oder verfolgen sie im Radio. Einmal sind wir sogar bis nach Omaha gefahren, um uns ein Match anzusehen. Aber ich war noch nie in einem Oberliga-Stadion.«
Das machte ihm erneut bewusst, wo er hier eigentlich war. »Das ist meilenweit entfernt. Wie alles andere.«
»Pass auf, wo du hintrittst. Hier gibt es jede Menge Kuhfl aden.«
»Das ist ja eklig.«
»Hast du Haustiere?«, fragte sie.
»Nein.«
Sie konnte sich nicht vorstellen, keine Tiere um sich zu haben, nirgendwo, nie. Schon bei dem Gedanken daran bekam sie Mitleid.
»Du kannst kommen und mit unseren Hunden spielen, wenn du willst. Und den Schlagkäfi g kannst du natürlich auch benutzen.«
»Vielleicht.« Er warf ihr einen weiteren verstohlenen Blick zu. »Danke.«
»Hier gibt es nicht viele Mädchen, die Baseball mögen. Oder Wandern und Angeln. Aber ich liebe das. Dad bringt mir das Fährtenlesen bei. Mein Opa - der Vater meiner Mutter - hat es ihm gezeigt. Er ist richtig gut darin.«
»Fährtenlesen?«
»Tier- und Menschenspuren. Nur so zum Spaß. Hier gibt es zahlreiche Wanderwege, und viele machen das.« »Wenn du es sagst.«
Wegen seines abfälligen Tons legte sie den Kopf schief. »Warst du jemals zelten?«
»Wieso sollte ich?«
Sie lächelte nur. »Bald wird es dunkel. Am besten, wir suchen den letzten Ball und gehen zurück. Wenn du das nächste Mal kommst, spielt Dad vielleicht mit. Oder wir gehen reiten. Reitest du gern?«
»Auf Pferden, meinst du? Ich kann nicht reiten. Es sieht dämlich aus.«
»Es ist nicht dämlich, es ist höchstens dämlich, so was zu sagen, bloß weil du nicht reiten kannst. Außerdem macht es Spaß. Wenn wir ...«
Sie blieb wie erstarrt stehen, sog scharf die Luft ein
und packte Coops Arm. »Rühr dich nicht von der Stelle.« »Was?« Weil die Hand auf seinem Arm zitterte, schlug
ihm das Herz bis zum Hals. »Eine Schlange?«
In Panik überfl og er mit seinen Augen das Gras.
Übersetzung: Christiane Burkhardt
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 sowie dieser Ausgabe 2011
by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Von Cooper Sullivans bisherigem Leben war nichts mehr übrig. Seine Eltern hatten sich durch nichts umstimmen lassen, weder durch Bitten, Appelle
an die Vernunft, Wutausbrüche oder Drohungen. Stattdessen hatten sie ihn verbannt, weit fort von allem, was ihm vertraut war und was er liebte, in eine Welt, in der es weder Videospiele noch Big Macs gab.
Das Einzige, das ihn davor bewahrte, an purer Langeweile zu sterben, war sein geliebter Gameboy.
Wahrscheinlich würde es während seiner Verbannung nur ihn und Tetris geben - zwei schreckliche, bescheuerte Monate lang.
Alle seine Freunde waren Lichtjahre weit weg in New York. Sie würden den Sommer gemeinsam verbringen, an die Strände von Long Island fahren oder runter nach Jersey. Ihm hatte man eigentlich ein zweiwöchiges Baseballcamp im Juli versprochen.
Aber dann kam alles ganz anders.
Jetzt waren seine Eltern unterwegs nach Italien, Frankreich und anderen dämlichen Orten, auf einer Art zweiten Hochzeitsreise. Ein letzter verzweifelter Versuch, die Ehe zu retten.
Den elfjährigen Sohn mitzunehmen, war wohl nicht romantisch genug, deshalb hatten sie ihn zu seinen Großeltern verbannt, ins hinterletzte Kaff nach South Dakota.
Dabei hatte er nicht das Geringste verbrochen. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass sein Vater sich immer mit anderen Frauen traf. Und seine Mutter sich damit tröstete, dass sie die ganze Madison Avenue leer kaufte. Sie hatten es versaut, und jetzt musste er den Sommer auf einer blöden Pferde-Farm verbringen, bei Großeltern, die er kaum kannte.
Und die noch dazu so alt waren.
Er sollte ihnen mit den stinkenden und zwickenden Pferden und Hühnern helfen.
Sie hatten keine Haushälterin, und sie fuhren kein Auto, sondern einen Lieferwagen.
Der einzige Fernseher im Haus hatte kaum Empfang, und einen McDonald's gab es auch nicht. Keine Freunde. Keinen Sportplatz, keine Kinos, keine Spielsalons.
Er sah von seinem Gameboy auf und schaute aus dem Autofenster. Blöde Berge, blöde Prärie, blöde Bäume. Es gab wirklich nichts Spannendes zu sehen. Wenigstens hatte sein Großvater aufgehört, ihn bei seinem Spiel zu unterbrechen, um ihm irgendwas über die Gegend zu erzählen, durch die sie gerade fuhren.
Als ob ihn diese dämlichen Siedler, Indianer und Soldaten interessierten, die hier irgendwann einmal gelebt hatten.
Allein die Tatsache, dass der nächstgelegene Ort Deadwood hieß, sprach Bände.
Den ganzen Sommer über würde er kein einziges Match im Yankee-Stadion sehen.
Genauso gut hätte er tot sein können.
Er wollte nach Hause.
Seine Großmutter drehte sich auf dem Beifahrersitz um.
»Bald haben wir die Ranch der Chances erreicht«, sagte sie. »Es war nett von ihnen, uns zum Mittagessen einzuladen. Lil wird dir gefallen. Sie ist fast genauso alt wie du.«
Er wusste, was man von ihm erwartete. »Ja, Ma'am.« Als ob er sich mit irgendeinem Mädchen abgeben würde. Mit irgendeiner doofen Bauerngöre, die wahrscheinlich nach Pferd roch und auch so aussah.
Er senkte den Kopf und vertiefte sich wieder in sein Tetris, damit ihn seine Großmutter in Ruhe ließ.
Sie hieß Lucy, aber er sollte sie Oma nennen.
Sie kochte und backte. Jede Menge. Und hängte Laken und andere Sachen an einer Wäscheleine hinter der Farm auf. Sie nähte und putzte und sang dabei. Sie hatte eine schöne Stimme, wenn man so was mochte.
Sie half auch mit den Pferden. Und Coop musste zugeben, dass er überrascht und beeindruckt gewesen war, als sie eines davon ohne Sattel bestiegen hatte.
Sie war mindestens fünfzig - also uralt. Aber nicht gebrechlich.
Meist trug sie Stiefeljeans und karierte Hemden. Nur heute nicht. Da hatte sie ein Kleid angezogen, und ihre braunen Haare, die sie sonst zu einem Zopf fl ocht, waren offen.
Als er aus dem Fenster sah, entdeckte er noch mehr Bäume, weniger flaches Land, und dahinter erhoben sich die Berge, die Black Hills. Unregelmäßige grüne Hügel mit nackten Felsen prägten das Bild. Er wusste, dass seine Großeltern Pferde züchteten und sie für Ausritte an Touristen vermieteten. Er verstand das nicht. Er verstand nicht, warum man sich auf ein Pferd setzen und um Felsen und Bäume herumreiten wollte.
Als das Haus in Sichtweite kam, sah es fast genauso aus wie das seiner Großeltern. Zwei Stockwerke, Fenster, eine große Veranda. Nur dass dieses Haus blau war statt weiß.
Um das Haus herum gab es viele Blumenbeete.
Eine Frau trat auf die Veranda und winkte. Sie trug ebenfalls ein Kleid. Ein langes, wie auf Fotos von Hippies. Sie hatte sehr dunkles Haar, das zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden war. Vor dem Haus standen zwei Lieferwagen und ein altes Auto.
Sie sah wirklich aus wie ein Hippie, dachte Coop. Er hatte gehört, dass Hippies Hasch rauchten, viel Sex hatten und Orgien feierten.
Sein Großvater, ein wortkarger Mann, stieg aus dem Wagen. »Hallo Jenna.«
»Schön, dich zu sehen, Sam.« Die Frau, die möglicherweise ein Hippie war, küsste seinen Großvater auf die Wange, drehte sich um und umarmte seine Großmutter. »Lucy! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nichts mitbringen?«, setzte sie nach, als Lucy einen Korb aus dem Wagen holte.
»Ich konnte nicht anders. Ein Kirschkuchen.«
»Da sagen wir natürlich nicht nein. Und das ist also Cooper.« Jenna gab ihm die Hand wie einem Erwachsenen. »Willkommen.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lil freut sich schon auf dich, Cooper. Sie hat noch etwas mit ihrem Dad zu erledigen, aber sie werden gleich hier sein. Wie Weil ihm das einen Stich gab, wandte er sich ab. Ihm blieb keine andere Wahl, er musste sich den Rest des Tages quälen lassen.
Lil kicherte, als ihr Vater sie noch einmal wild herumwirbelte. Als sie wieder zu Atem gekommen war, warf sie ihm einen betont strengen Blick zu.
»Das wird nicht mein Freund.«
»Das sagst du heute.« Josiah Chance kitzelte seine Tochter zwischen den Rippen. »Aber ich werde diesen Großstadtsnob ganz genau im Auge behalten.«
»Ich will überhaupt keinen Freund.« Lil winkte ab, so überzeugend, wie sie es mit ihren gerade mal zehn Jahren vermochte. »Das bringt bloß Ärger.«
Joe zog sie an sich und strich ihr über die Wange. »Ich werde dich in ein paar Jahren daran erinnern. Sie scheinen da zu sein. Am besten, wir sagen Hallo und ziehen uns um.«
Im Grunde hatte sie nichts gegen Jungs, dachte Lil. Und sie wusste auch, wie sie sich Besuch gegenüber zu benehmen hatte. Trotzdem ... »Wenn ich ihn nicht mag, muss ich dann trotzdem mit ihm spielen?«
»Er ist unser Gast. Ein Fremder in einer fremden Welt. Wenn man dich nach New York verfrachtet hätte, wärst du bestimmt auch froh, wenn jemand in deinem Alter nett zu dir ist und dir alles zeigt.«
Sie zog die Nase kraus. »Ich will nicht nach New York.«
»Ich wette, er ist auch nicht freiwillig hergekommen.«
Sie verstand das nicht. Hier gab es doch alles: Pferde, Hunde, Katzen, Berge, Bäume. Aber ihre Eltern hatten ihr beigebracht, dass die Menschen nicht überall gleich sind.
»Ich werde nett zu ihm sein.« Zumindest am Anfang. »Aber du brennst nicht mit ihm durch und heiratest ihn.«
»Dad!«
Sie verdrehte die Augen. Als sie bei dem Jungen angelangt waren, musterte Lil ihn wie eine fremde Spezies.
Er war größer als erwartet, sein Haar hatte die Farbe von Kiefernrinde. Er sah wütend aus oder traurig, sie konnte sich nicht recht entscheiden. Aber weder das eine noch das andere war viel versprechend. Seine Kleidung stammte eindeutig aus der Großstadt - dunkle Jeans, die noch nicht oft genug getragen oder gewaschen worden waren, um auszubleichen, und ein steif gebügeltes weißes Hemd. Er nahm das Glas Limonade, das ihre Mutter ihm anbot, und musterte Lil mit derselben Aufmerksamkeit.
Beim Schrei eines Habichts zuckte er zusammen, und Lil ertappte sich bei einem Grinsen. Ihre Mutter würde nicht begeistert sein, wenn sie sich über den Besuch lustig machte.
»Sam.« Mit breitem Grinsen gab Joe ihm die Hand. »Wie geht's?«
»Ich kann nicht klagen.«
»Und wie gut du wieder aussiehst, Lucy!«
»Man tut, was man kann. Das ist unser Enkel, Cooper.« »Schön, dich kennenzulernen, Coop. Willkommen in den Black Hills. Das ist meine Lil.«
»Hallo.« Sie legte den Kopf schief. Er hatte blaue Augen - eisblaue Augen, die genauso ernst wirkten wie der Rest von ihm.
»Joe und Lil, geht euch umziehen. Wir essen draußen«, sagte Jenna. »Das Wetter ist herrlich. Cooper, du wirst neben mir sitzen und mir erzählen, was du in New York so treibst. Ich war noch nie dort.«
Bisher hatte ihre Mutter noch jeden zum Reden gebracht und ihm ein Lächeln entlockt, dachte Lil. Nicht aber Cooper Sullivan aus New York City. Er antwortete, wenn man ihn etwas fragte, und achtete auf seine Manieren, aber mehr auch nicht. Sie setzten sich an den Picknicktisch, den Lil so liebte, und machten sich über Backhuhn und Brötchen, Kartoffelsalat und Brechbohnen aus dem Garten her.
Die Unterhaltung drehte sich um Pferde, Rinder und Getreide, dann kam man auf das Wetter, die Geschäfte und die Nachbarn zu sprechen. Alles Dinge, die Lil interessierten.
Als Joe auf das Thema Baseball zu sprechen kam, taute endlich auch Cooper ein wenig auf.
»Boston wird seine Unglücksserie noch dieses Jahr beenden.«
Cooper schnaubte laut auf und zuckte gleich darauf die Achseln.
»Aber klar doch, Mister New York. Yankees oder Mets?« »Yankees.«
»Keine Chance.« Beinahe mitleidig schüttelte Joe den Kopf. »Nicht dieses Jahr, mein Junge.«
»Baltimore macht euch doch jetzt schon fertig.«
»Die hatten bloß Glück. Letztes Jahr sind sie rausgefl o-
gen, und sie werden es auch diesmal nicht schaffen.«
»Aber dann werden die Red Sox aufsteigen.«
»Mit Ach und Krach vielleicht.«
Zum ersten Mal grinste Cooper.
»Ich werd mal meine Expertin befragen. Sox oder Yankees, Lil?«
»Weder noch. Baltimore wird gewinnen. Die haben die jungen Spieler, den nötigen Elan. Und Frank Robinson. Boston ist weit oben, aber schaffen werden sie es nicht. Die Yankees? Keine Chance, nicht dieses Jahr.«
»Mein einziges Kind fällt so über mich her.« Joe fasste sich gespielt dramatisch ans Herz. »Bist du ein Baseman, Coop?«
»Ja, Sir. Second Baseman.«
»Lil, nimm Coop mit hinter die Scheune. Dort könnt ihr euch das Essen mit ein bisschen Schlagtraining wieder abtrainieren.«
»Gut.«
Coop rutschte von der Bank. »Danke für das Essen, Mrs Chance. Es war ausgezeichnet.«
»Gern geschehen.«
Als die Kinder verschwunden waren, sah Jenna zu
Lucy hinüber. »Armer kleiner Junge«, murmelte sie.
Die Hunde tobten vor ihnen über die Wiese. »Ich bin
Third Baseman«, sagte Lil zu Coop.
»Wo? Hier ist doch nichts?«
»Bei Deadwood. Wir haben ein Spielfeld und eine Mannschaft. Ich werde die erste Frau sein, die es in die Oberliga schafft.«
Coop schnaubte erneut. »Frauen spielen nicht in der Oberliga. So ist das nun mal.«
»Aber deswegen muss es noch lange nicht so bleiben, sagt meine Mutter immer. Und wenn meine aktive Zeit vorbei ist, werde ich Trainerin.«
Er grinste. Obwohl sie das rasend machte, gefi el er ihr gleich ein Stück besser.
»Wo spielt ihr in New York? Ich dachte, da sind überall Häuser?«
»Wir spielen im Central Park und manchmal in Queens.«
»Was ist Queens?«
»Ein Viertel.«
»Ein Viertel von was?«
»Nein, ein Stadtviertel, Mensch! Ein Ort.«
Sie blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn mit ihren dunklen Augen funkelnd an. »Wenn du versuchst, jemanden bloßzustellen, nur weil er nachfragt, stellst du dich selbst bloß.«
Er zuckte die Achseln und ging mit ihr um die große rote Scheune herum.
Es roch nach Vieh - nach Staub und Kot. Coop begriff nicht, wie man mit diesem Gestank leben konnte oder mit dem ständigen Hufgetrappel, Geschnaube und Gemuhe. Er wollte gerade eine abfällige Bemerkung machen - schließlich war sie nur ein Kind, und außerdem ein Mädchen -, als er den Schlagkäfi g sah.
Vielleicht nicht gerade das, was er gewohnt war, aber gut genug. Irgendjemand, wahrscheinlich Lils Vater, hatte aus Maschendraht einen Schlagkäfi g gebaut. Neben der Scheune befand sich eine verwitterte Kiste. Lil öffnete sie und holte Handschuhe, Schläger und Bälle heraus.
»Mein Dad und ich trainieren meistens nach dem Abendessen. Mom macht manchmal den Pitcher, aber sie kann nicht werfen. Du bist der Gast, du darfst als Erster schlagen, wenn du willst. Aber du musst einen Schlaghelm aufsetzen.«
Coop setzte den Helm auf, den sie ihm gab, und wog die einzelnen Schläger prüfend in der Hand. Einen Schläger zu halten, fühlte sich fast so gut an wie ein Gameboy. »Dein Dad trainiert mit dir?«
»Klar, er ist gut. Er hat mehrere Saisons in der Unterliga gespielt, damals an der Ostküste.«
»Echt?« Alle Überheblichkeit war wie weggeblasen. »Er war ein Profi ?«
»Ja, für ein paar Saisons. Dann bekam er Probleme mit seiner Rotatorenmanschette, und das war's dann. Er beschloss, sich in den Staaten umzusehen, und ist hier gelandet. Er hat für meine Großeltern gearbeitet - das war mal ihre Farm - und meine Mutter kennengelernt. Und das war's dann endgültig. Willst du schlagen?«
»Ja.« Coop ging zurück zum Käfi g und holte ein paar Mal probehalber aus. Sie warf einen geraden, langsamen Ball, den er voll erwischte und in das angrenzende Feld schlug.
»Nicht schlecht.« Sie nahm den nächsten Ball, ging auf ihre Position und machte noch einen einfachen Wurf.
Coop spürte den leichten Linksdrall, als der Ball ins Feld segelte. Er traf auch den dritten Ball, ließ die Hüften kreisen und wartete auf den nächsten Wurf.
Sie warf haarscharf an ihm vorbei.
»Netter Versuch«, sagte sie nur, als er sie wütend anfunkelte.
Er griff den Schläger etwas weiter oben und scharrte mit den Füßen. Sie trickste ihn mit einem niedrigen Ball aus. Den nächsten erwischte er und fälschte ihn ab, sodass es klirrte, als er den Käfi g traf.
»Du bist dran.« Jetzt würde er es ihr zeigen.
Sie tauschten Plätze. Anstatt dass er es langsam angehen ließ, warf er ihr einen scharfen Ball zu. Sie erwischte ihn knapp, aber der Ball kam im Aus auf. Den nächsten traf sie so, dass er hoch in die Luft fl og. Aber beim dritten Wurf traf sie voll ins Schwarze. Wäre das ein richtiges Spielfeld gewesen, hätte das einen Homerun bedeutet, musste Coop neidlos anerkennen.
»Du bist wirklich gut.«
Nachdem Lil den Schläger gegen den Käfi g gelehnt hatte, ging sie los, um die Bälle auf dem angrenzenden Feld einzusammeln.
»Bist du schon mal bei einem richtigen Spiel dabei gewesen? Im Yankee-Stadion zum Beispiel?«
»Klar. Mein Vater hat Saisonkarten für die vordersten Ränge - gleich hinter der Third Base.«
»Quatsch!«
Es tat gut, sie zu beeindrucken. Außerdem konnte es nicht schaden, jemanden zu haben, mit dem man über Baseball reden konnte. Auch wenn es nur ein Mädchen vom Land war. Dafür konnte Lil mit Ball und Schläger umgehen, und das war schon mal ein Pluspunkt.
Trotzdem zuckte Coop nur die Achseln und sah zu, wie Lil durch den Stacheldraht schlüpfte, ohne sich zu verletzen. Als sie sich umdrehte und den Draht für ihn etwas weiter auseinanderhielt, hatte er nichts dagegen.
»Wir sehen uns die Spiele im Fernsehen an oder verfolgen sie im Radio. Einmal sind wir sogar bis nach Omaha gefahren, um uns ein Match anzusehen. Aber ich war noch nie in einem Oberliga-Stadion.«
Das machte ihm erneut bewusst, wo er hier eigentlich war. »Das ist meilenweit entfernt. Wie alles andere.«
»Pass auf, wo du hintrittst. Hier gibt es jede Menge Kuhfl aden.«
»Das ist ja eklig.«
»Hast du Haustiere?«, fragte sie.
»Nein.«
Sie konnte sich nicht vorstellen, keine Tiere um sich zu haben, nirgendwo, nie. Schon bei dem Gedanken daran bekam sie Mitleid.
»Du kannst kommen und mit unseren Hunden spielen, wenn du willst. Und den Schlagkäfi g kannst du natürlich auch benutzen.«
»Vielleicht.« Er warf ihr einen weiteren verstohlenen Blick zu. »Danke.«
»Hier gibt es nicht viele Mädchen, die Baseball mögen. Oder Wandern und Angeln. Aber ich liebe das. Dad bringt mir das Fährtenlesen bei. Mein Opa - der Vater meiner Mutter - hat es ihm gezeigt. Er ist richtig gut darin.«
»Fährtenlesen?«
»Tier- und Menschenspuren. Nur so zum Spaß. Hier gibt es zahlreiche Wanderwege, und viele machen das.« »Wenn du es sagst.«
Wegen seines abfälligen Tons legte sie den Kopf schief. »Warst du jemals zelten?«
»Wieso sollte ich?«
Sie lächelte nur. »Bald wird es dunkel. Am besten, wir suchen den letzten Ball und gehen zurück. Wenn du das nächste Mal kommst, spielt Dad vielleicht mit. Oder wir gehen reiten. Reitest du gern?«
»Auf Pferden, meinst du? Ich kann nicht reiten. Es sieht dämlich aus.«
»Es ist nicht dämlich, es ist höchstens dämlich, so was zu sagen, bloß weil du nicht reiten kannst. Außerdem macht es Spaß. Wenn wir ...«
Sie blieb wie erstarrt stehen, sog scharf die Luft ein
und packte Coops Arm. »Rühr dich nicht von der Stelle.« »Was?« Weil die Hand auf seinem Arm zitterte, schlug
ihm das Herz bis zum Hals. »Eine Schlange?«
In Panik überfl og er mit seinen Augen das Gras.
Übersetzung: Christiane Burkhardt
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 sowie dieser Ausgabe 2011
by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Nora Roberts
Roberts, NoraNora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren und gehört heute zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Auch in Deutschland erobert sie mit ihren Romanen regelmäßig die Bestsellerlisten. Zuletzt erschien ihr Roman Die falsche Tochter im Diana Verlag. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Keedysville/Maryland.
Burkhardt, Christiane
Christiane Burkhardt lebt und arbeitet in München. Sie übersetzt Romane und Sachbücher aus dem Italienischen, Niederländischen und Englischen und hat u. a. Werke von Paolo Cognetti, Domenico Starnone, Fabio Geda, Wytske Versteeg, Pieter Webeling, Willam Shaw und Hannah Richell ins Deutsche gebracht. Darüber hinaus unterrichtet sie literarisches Übersetzen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2011, 639 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Christiane Burkhardt
- Übersetzer: Christiane Burkhardt
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453354966
- ISBN-13: 9783453354968
- Erscheinungsdatum: 08.02.2011
Kommentare zu "Lockruf der Gefahr"
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 9Schreiben Sie einen Kommentar zu "Lockruf der Gefahr".
Kommentar verfassen