Lockruf des Verlangens / Gestaltwandler Bd.10
Seit sich die Mediale Sienna dem Rudel der Snow Dancer-Wölfe anschloss, hat sie nur eine Schwäche: Hawke: Der gefährliche Alphawolf verlor vor Jahren die Frau, die seine Gefährtin hätte sein sollen. Und die...
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Produktinformationen zu „Lockruf des Verlangens / Gestaltwandler Bd.10 “
Seit sich die Mediale Sienna dem Rudel der Snow Dancer-Wölfe anschloss, hat sie nur eine Schwäche: Hawke: Der gefährliche Alphawolf verlor vor Jahren die Frau, die seine Gefährtin hätte sein sollen. Und die hübsche Sienna weckt eine gefährliche Leidenschaft in ihm.
Klappentext zu „Lockruf des Verlangens / Gestaltwandler Bd.10 “
Seit die Mediale Sienna Lauren sich dem Rudel der SnowDancer-Wölfe anschloss, hat sie nur eine Schwäche: Hawke. Der gefährliche Alphawolf verlor vor Jahren die Frau, die seine Gefährtin hätte sein sollen. Und die hübsche Sienna weckt eine ungeahnte Leidenschaft in ihm. Doch das Rudel wird von einem gefährlichen Feind bedroht, und Sienna ist die Einzige, die schlimmeres Unheil verhindern kann.
Lese-Probe zu „Lockruf des Verlangens / Gestaltwandler Bd.10 “
Lockruf des Verlangens von Nalini Singh ... mehr
Drei Tage nach dem Vorfall mit Sienna und Maria wurde Hawke von einem kleinen Gesicht mit großen Augen aufgehalten. Er ging in die Hocke, um sich den kleinen Kerl genauer anzuschauen. »So ernst heute, Ben?«
Der Fünfeinhalbjährige, einer von Hawkes Lieblingen, nickte. »Haste echt Sinna einsperrt?«
Hawke biss sich auf die Lippen. »Ja.«
Die braunen Augen, die Ben von seiner Mutter hatte, wurden noch größer. »Warum?«
»Sie hat die Regeln nicht eingehalten.«
Ben dachte einen Augenblick nach, die weiche Kinderstirn legte sich in Falten. »Ist das Auszeit für Große?«
»Ja.«
»Aha.« Er nickte. »Muss ich Marlee erzählen.«
»Ist Marlee denn traurig?« Das Mädchen war Siennas Cousine und auch ein Teil des Rudels - Hawke durfte nicht zulassen, dass sie verletzt wurde.
Ben schüttelte den Kopf. »Ihr Vater sagt, Sinna war böse und is deshalb einsperrt, aber Marlee sagt, du tust so was nich, Sinna is nur mucksch und will keinen sehen.«
Nachdem Hawke Bens Worten gefolgt war und die Erklärung letztlich auch begriffen hatte, stand er auf und zerzauste das Haar des Jungen. »In ein paar Tagen ist sie wieder draußen. « Und würde im Kindergarten arbeiten, was ihr bestimmt nicht unangenehm war. Der ihr angeborene Beschützerinstinkt machte es ihr leicht, auf die Jungen aufzupassen, auch wenn sie keine Wölfin war. Und die Jungen fühlten sich aufgehoben bei ihr.
Die Arbeit im Kindergarten war also nicht schlimm für sie. Schlimm war die Tatsache, dass er sie von den Aufgaben abgezogen hatte, die bei ihrem Rang von ihr erwartet wurden - und damit allen zeigte, dass er ihr diese Arbeit nicht mehr zutraute. Ein harter Schlag für den Stolz, den sie wie eine Rüstung trug, aber sein Wolf kannte ihren eisernen Willen, ihre unbeugsame Kraft. Sienna würde nicht akzeptieren, dass irgendetwas sie zerstörte, schon gar nicht Hawke. Schon aus Prinzip nicht.
Dieser Gedanke ließ den Wolf feixend die Zähne fletschen. »Ab nach Hause, Benny.«
Das Junge versuchte, mit ihm Schritt zu halten, auf kurzen Beinchen rannte er neben ihm her.
»Wo gehst du hin?«
»Raus.«
»Kann ich mit?«
»Nein.«
»Warum nich?«
Hawke beugte sich vor und klemmte sich Ben wie einen Ball unter den Arm. »Du bist zu klein.«
Ben kicherte und machte Schwimmbewegungen. »Bin größer als letzte Woche.«
»Wer sagt das?«
»Mama.«
Hawkes Mundwinkel hoben sich, in diesem Wort lag so viel Liebe. »Na, dann wird's wohl stimmen. Aber du bist immer noch zu klein.«
Ein tiefer Seufzer. »Wann bin ich endlich groß?«
»Eher, als du denkst.« Er stellte Ben vor dem Tor zur Weißen Zone ab, denn das war der Ort, an dem die Jungen sicher spielen konnten. Schubste ihn zum Eingang. »Geh und spiel Ball. Davon wird man groß.«
»In echt?«
»In echt.«
Ben rannte zu einem Rasenstück auf der linken Seite, wo bereits ein Spiel in Gang war. Ein dominanter Wolf, der seine freie Zeit dazu nutzte, mit den Kleinen zusammen zu sein, wachte über den Haufen. Die eine Hälfte hatte ihre menschliche Gestalt angenommen, die andere Hälfte rannte als Wolf herum. Offensichtlich spielten sie Fußball nach Gestaltwandler-Regeln, denn die Wölfe schnappten nach den anderen, damit sie den Ball fallen ließen.
Ein Wölfchen versuchte gerade, mit dem Ball im Maul zu entwischen, während seine Kameraden nach seinem Schwanz schnappten - normalerweise hätte Hawke bei diesem Anblick gelacht und sich vielleicht sogar am Spiel beteiligt. Aber heute fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut, und sein Wolf war unruhig. Er wandte sich ab, wollte in den Wald, um seine Anspannung durch körperliche Anstrengung loszuwerden. Doch kaum hundert Meter von der Weißen Zone entfernt blieb er wie angewurzelt stehen.
Der vermaledeite Lümmel hatte seine verdammten Pfoten an Sienna.
Hawkes Krallen fuhren aus, noch bevor er ganz begriffen hatte, was er da sah.
Kit zog Sienna noch näher zu sich hin, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie lange genug, dass Hawke in Erwägung zog, ihn auf der Stelle umzubringen. Doch kurz bevor der Wolf in ihm die Führung übernahm, löste sich der junge Leopard von Siennas Lippen, nahm sie bei der Hand und zog sie tiefer zwischen die Bäume, in den Schatten der dunklen Tannen.
Man musste kein Genie sein, um auszuknobeln, was der Kerl vorhatte.
»Hawke!«
Er zog die Krallen ein und versuchte, eine neutrale Miene aufzusetzen, bevor er sich zu der Frau umwandte, die zu seinen engsten Freunden zählte.
Und unglaublich nerven konnte.
Indigo kam stirnrunzelnd näher. »War Kit hier?« Sie schwieg einen Augenblick, nahm eine weitere Witterung wahr. »Aha, Sienna nutzt ihre Stunde Ausgang.«
»Wolltest du irgendwas von mir?« Er streckte die Hand nach dem Datenpad aus, das sie bei sich trug. »Probleme mit den zusätzlichen Patrouillen?« Nach den Spielchen, die Ratsherr Henry Scott vor ein paar Monaten mit ihnen getrieben hatte und bei denen Indigos Gefährte Drew fast sein Leben verloren hätte, hatten sie tief in den Wäldern und an den einsamen Rändern des Territoriums weitere Patrouillen eingesetzt.
Seitdem war alles ruhig geblieben, aber das Rudel würde in seiner Wachsamkeit nicht nachlassen, denn anscheinend wollten sich die Ratsmitglieder untereinander umbringen. Und die Medialen waren nun einmal die mächtigste Gattung des Planeten. Ganz egal, was man von dem Ganzen hielt: Wenn der Rat zusammenbrach, würden sie alle bluten. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Also, was gibt's?«
Als Antwort verschränkte die Offizierin die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. »Die jungen Männer werden aggressiv. Du weißt, warum.«
»Ich werde mich darum kümmern.« Ein so dominanter Kommentar, dass die meisten wohl den Schwanz eingekniffen hätten.
Aber Indigo lächelte leicht und nicht minder gefährlich. »Du brauchst nur mit den Fingern zu schnippen, schon würden die Frauen in dein Bett hüpfen -« Sie hob abwehrend die Hand, als er knurrte. »Ich meine damit nicht, dass du deine Position ausnutzt, aber du bist ja nicht ohne Grund Leitwolf - deine Stärke und Schnelligkeit, allein deine Dominanz reichen schon aus.
Auf das hübsche Gesicht will ich gar nicht erst zu sprechen kommen. «
Er musste sich sehr zusammenreißen, um bei der Sache zu bleiben, sein Nacken brannte, weil er wusste, was dahinten im Wald vor sich ging. »Danke für die aufmunternden Worte«, sagte er mit rauer Stimme.
»Halt die Klappe.« Nur zwei Leute in der Höhle konnten das zu ihm sagen, ohne es auf immer mit ihm verspielt zu haben, das wusste Indigo und nutzte es rücksichtslos aus. »Es juckt dich, und du könntest auf der Stelle etwas dagegen unternehmen, aber du solltest dir vorher überlegen, ob ein Tanz mit einer beliebigen Frau aus dem Rudel - selbst wenn du sie sehr magst - irgendetwas ändern würde.«
Kit blieb stehen, sobald sie außer Hörweite der scharfen Gestaltwandlerohren waren - auch außerhalb der Hörweite eines Wolfs, dessen Sinne mehr als normal geschärft waren. Denn obwohl es Kit Spaß machte, Hawke auf die Füße zu treten, hatte er doch einen gesunden Respekt vor dem Leitwolf und wollte eine gewisse Grenze nicht überschreiten.
Wäre der andere ein dominanter Mann in seinem Alter gewesen, hätte ein solches Verhalten seinen Leoparden geärgert, aber Kit kannte seine eigenen Kräfte genau und wusste ebenso gut, dass Hawke ein Gestaltwandler auf der Höhe seiner Kraft war. Der Leitwolf würde mit ihm den Boden aufwischen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten.
Sienna entzog ihm ihre Hand. »Was sollte das denn eben?«, fragte sie neugierig, aber nicht sauer.
»Sag jetzt nicht, dass dir meine Küsse nicht gefallen?« Er konnte einfach nicht widerstehen, musste sie ein wenig damit aufziehen.
Sie verschränkte die Arme und starrte ihn mit dem bösen Blick an, den sie sich bei ihrer Mentorin Indigo abgeguckt hatte. »Soweit ich mich erinnere, ist gerade das doch unser Problem.«
Kits Stolz kam ins Schleudern. Aber nur kurz - mit katzenhaftem Selbstvertrauen schüttelte er dieses unangenehme Gefühl ab. »Sollen wir es noch mal versuchen? Das war ja nur ein Kuss.«
Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht, der Blick wurde nachtschwarz. »Kit, ich -« Sie kniff die Augen zusammen, als sie sah, dass seine Lippen zuckten, und hob den Arm, als wollte sie ihm etwas an den Kopf werfen. »Das ist nicht lustig.«
Lachend zog er sie an sich; ihm war bewusst, dass sie diese Art der Körperprivilegien nicht so einfach zulassen konnte und sie nur wenigen gestattete - nur weil er zu diesen wenigen gehörte, hatte er sie überhaupt küssen können. »Ich konnte einfach nicht widerstehen, Sin. Du nimmst alles so herrlich ernst.«
Sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Hart. Er zuckte zusammen, hielt sie aber weiterhin fest. »Es hat also immer noch nicht gefunkt, was?« Er drückte sein Kinn auf ihren Scheitel. »Jammerschade. Denn du bist echt heiß.«
»Das ist auch nicht lustig.«
»Stimmt aber.« Ihr leichtes Kopfschütteln sagte ihm, dass sie alles für ausgemachten Blödsinn hielt, aber es war nun einmal eine Tatsache, dass Sienna zauberhaft war - was keinem dominanten Mann in den beiden Rudeln entgangen war.
Sie war keine zarte Schönheit, obwohl sie klein war und zarte Glieder hatte. Doch in sich trug sie eine starke Kraft, die sich in ihrem Antlitz spiegelte. Diese Frau würde allem standhalten, ganz egal, was geschah. Für einen Gestaltwandler war das verführerisch und herausfordernd zugleich.
Die faszinierende innere Stärke zeigte sich ein weiteres Mal, als sie ihn zur Seite stieß und sich vor ihm aufbaute. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Ich habe Hawke gerochen«, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen ... und so fiel ihm auf, dass ihre Schultern ganz steif wurden und sich eine harte Linie in die weichen Gesichtszüge grub.
Ihre Stimme klang heiser, er spürte sie wie Wildseide auf der Haut. »Hat er uns gesehen?«
»Ja.« Kit lehnte sich gegen den Stamm einer alten Küstenkiefer, die bis weit in die Krone hinein keine Äste hatte. Das mit dem Funken war echt blöd, dachte er und hakte die Daumen in den Taschen der Jeans ein. Doch trotz der Enttäuschung, dass es zwischen ihnen nicht zündete - mal abgesehen von ein paar schwachen Funken, die sie beide nicht befriedigt hatten -, spürte er ganz deutlich, dass ihre Freundschaft Bestand haben würde. Und Kit sorgte für seine Freunde. »Sieh mich nicht so an.«
Wieder verschränkte sie die Arme und setzte den bösen Blick auf. »Du weißt genau, dass ich keine Spielchen mag.«
Natürlich wusste er das. Sienna war mit ihrer Intelligenz den meisten Leuten haushoch überlegen, aber sie hatte einen großen Teil ihres Lebens in Silentium verbracht. Die Konditionierung hatte ihre Gefühle unterdrückt, ihr Herz verschlossen und große Lücken in ihrem Gefühlsleben hinterlassen. Deshalb brauchte sie Freunde, die auf sie aufpassten, gerade jetzt. »Es gibt Spielchen, und es gibt Strategien.« Er schüttelte den Kopf, als sie etwas sagen wollte. »Gestaltwandler sind sehr besitzergreifend, das ist einfach ein Teil von uns. Und Alphatiere spielen noch dazu in einer ganz anderen Liga.«
»Aber in diesem Fall funktioniert das nicht.« Sie schob das Kinn vor, die Arme immer noch vor der Brust, als müsste sie sich verteidigen. Aber sie tat wenigstens nicht so, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. »Er sieht in mir nicht die erwachsene Frau, nicht in diesem Sinne.«
»Deshalb habe ich dir ja meine Hand zur Unterstützung gereicht ... genauer gesagt waren es in diesem Fall meine Lippen.« Er machte einen Schritt auf sie zu und zog sie am Zopf, denn sein Leopard konnte nicht begreifen, dass man jemanden nicht berührte, der einem so wichtig war. »Vertrau mir, Kätzchen. Ich spüre es, wenn ein Mann mich einen Kopf kürzer machen will.« Ganz zu schweigen von anderen Teilen seiner Anatomie. »Hawke war kurz davor, mich zu Leopardenhack zu verarbeiten und an die wilden Wölfe zu verfüttern, die ihm überallhin folgen, als wäre er auch ihr Leitwolf.«
»Selbst wenn du recht hast«, kam es gepresst aus ihrem Mund, »würde das keine Rolle spielen. Er hat seine Entscheidung getroffen. «
Das war ein Problem, wie auch Kit zugeben musste. Denn nach allem, was er über den Leitwolf gehört hatte, stand dessen Wille so unverrückbar fest wie ein Granitfelsen.
Hawke beendete die Folge der zweihundert Sit-ups, die er sich verordnet hatte, und erhob sich. Es war drei Uhr morgens, und sein Körper stand immer noch unter Strom, obwohl er seit mehr als einer Stunde trainierte und nichts unversucht gelassen hatte, um sich auszupowern. »Zur Hölle«, grunzte er.
Er stand auf, rieb sich den Schweiß mit einem Handtuch vom Gesicht und stellte den Monitor an der Wand an, suchte nach den Börsennachrichten. Cooper und Jem kümmerten sich mit einem engagierten Team um das tägliche Kapitalgeschäft der Wölfe, aber Hawke hielt sich trotzdem auf dem Laufenden, weil die beiden Offiziere ihn zum Feedback brauchten.
Heute verschwammen die Zahlen vor seinen Augen, das sexuelle Verlangen wütete so wild in ihm, er musste etwas unternehmen, sonst würde der Wolf in ihm um sich schlagen, was zu heftigen Aggressionsschüben unter den ungebundenen Männern im Rudel führen würde. Im Moment waren sie zwar auch schon ziemlich unruhig, aber damit konnte er umgehen. Wenn Hawkes Wolf sich jedoch von der Leine losriss ... Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar und griff nach der Wasserflasche, als jemand die Sporthalle nebenan betrat.
Wahrscheinlich einer der Soldaten, die Nachtschicht hatten. Hawke trank einen kräftigen Schluck, stellte die Flasche auf die Bank und ging zur Verbindungstür. Er wollte den Neuankömmling fragen, ob er Lust auf einen Übungskampf habe. Riley war zwar der Einzige im Rudel, der es mit Hawke an Stärke aufnehmen konnte, dennoch trainierte der Leitwolf häufig mit anderen Rudelgefährten - um sich zu vergewissern, dass er sich noch zurückhalten konnte.
Kaum hatte er einen Fuß in den Raum gesetzt, als er wie angewurzelt stehen blieb - es roch nach Herbstfeuer und exotischen Gewürzen. Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Sie hatte ihn nicht bemerkt, bewegte sich in schwarzen, eng anliegenden Hosen und einem dunkelgrünen Tanktop beinahe tänzerisch elegant in der Mitte der Halle. Die konzentrierten Bewegungen sahen nicht nach Kampf aus, sondern nach dem Versuch, inneren Frieden zu finden.
Die hüftlangen Haare hatte sie zu einem festen Zopf geflochten, rubinrote Reflexe tanzten im Licht. Er kam sich zwar vor wie ein Kinderschänder, wurde aber das Bild in seinem Kopf nicht los, die dunkelroten Flechten in seinen Händen zu halten ... und auf seinem Kopfkissen auszubreiten. Verdammt. Er sollte sich lieber umdrehen und sofort den Raum verlassen. Nicht ohne Grund hatte er bisher vermieden, mit ihr zusammenzutreffen, wenn er in dieser Stimmung war.
Doch es war schon zu spät.
Sie erstarrte mitten in der Bewegung, wie ein Beutetier, das den Jäger wittert. Vorsichtig drehte sie sich um. Sagte kein Wort - das musste sie nicht, er wusste auch so, dass er in ihre freie Stunde eingebrochen war, die sie diesmal zu Beginn des Tages in Anspruch genommen hatte, denn Sienna würde nie lügen, würde niemals versuchen, eine Strafe zu umgehen, wenn sie die Regeln gebrochen hatte.
Er sollte eigentlich wirklich gehen. Doch er wischte die Stimme der Vernunft beiseite und ging zu ihr hin. Steif und mit erhobenem Kopf stand sie vor ihm. Der leichte Schweißfilm auf ihrem Hals zog ihn magisch an. Der Wolf wollte daran lecken, wollte herausfinden, ob sie genauso scharf und süß schmeckte, wie sie roch.
Was immer auch vorhin im Wald geschehen war, sie roch nicht nach dem Leopardenbengel. Nur nach Sienna. Er unterdrückte ein zufriedenes Knurren und den Impuls, sie sofort in Besitz zu nehmen. »Dein Arm«, murmelte er, stellte sich hinter sie und hob ihren Arm an. »Bei der letzten Drehung müsste er gestreckt sein. Du hast ihn sinken lassen.«
Ihre Halsschlagader pulsierte schnell unter der zarten Haut, er konnte sich gerade noch davon abhalten, den Kopf zu senken und zuzubeißen. Er wollte ihr nicht wehtun. Nur ein wenig knabbern. Ein Zeichen hinterlassen. »So etwa.« Er strich an ihrem Arm entlang, damit sie ihn streckte. »Weißt du, was ich meine?«
Schweigend neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite. Ungewollt war es eine Einladung für den Wolf, sie bot ihm die verletzliche Kehle dar. Er hätte die Hand um ihren Hals legen und mit den Zähnen zupacken können, hätte alles tun können, was er wollte. Da er so viel stärker war als sie, hätte ihn nichts daran hindern können, aber ein solcher Sieg war etwas anderes als Hingabe. »Mach es noch einmal«, flüsterte er. »Ich möchte zusehen. «
Nur mit äußerster Willenskraft schaffte er es, ihren Arm loszulassen, der Einladung nicht zu folgen, sie nicht mit sich auf den Boden zu ziehen. Aber er konnte nicht verhindern, dass seine Hand über ihren Hals strich, als er sich zurückzog, innerlich und äußerlich so angespannt wie eine Stahlfeder. Er stellte sich so hin, dass er sie gut im Blick hatte, und wartete. Lange Zeit tat sie gar nichts, und er glaubte schon, sie würde sich verweigern.
Doch dann bewegte sie sich.
Und sein Wolf wurde ganz ruhig.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Drei Tage nach dem Vorfall mit Sienna und Maria wurde Hawke von einem kleinen Gesicht mit großen Augen aufgehalten. Er ging in die Hocke, um sich den kleinen Kerl genauer anzuschauen. »So ernst heute, Ben?«
Der Fünfeinhalbjährige, einer von Hawkes Lieblingen, nickte. »Haste echt Sinna einsperrt?«
Hawke biss sich auf die Lippen. »Ja.«
Die braunen Augen, die Ben von seiner Mutter hatte, wurden noch größer. »Warum?«
»Sie hat die Regeln nicht eingehalten.«
Ben dachte einen Augenblick nach, die weiche Kinderstirn legte sich in Falten. »Ist das Auszeit für Große?«
»Ja.«
»Aha.« Er nickte. »Muss ich Marlee erzählen.«
»Ist Marlee denn traurig?« Das Mädchen war Siennas Cousine und auch ein Teil des Rudels - Hawke durfte nicht zulassen, dass sie verletzt wurde.
Ben schüttelte den Kopf. »Ihr Vater sagt, Sinna war böse und is deshalb einsperrt, aber Marlee sagt, du tust so was nich, Sinna is nur mucksch und will keinen sehen.«
Nachdem Hawke Bens Worten gefolgt war und die Erklärung letztlich auch begriffen hatte, stand er auf und zerzauste das Haar des Jungen. »In ein paar Tagen ist sie wieder draußen. « Und würde im Kindergarten arbeiten, was ihr bestimmt nicht unangenehm war. Der ihr angeborene Beschützerinstinkt machte es ihr leicht, auf die Jungen aufzupassen, auch wenn sie keine Wölfin war. Und die Jungen fühlten sich aufgehoben bei ihr.
Die Arbeit im Kindergarten war also nicht schlimm für sie. Schlimm war die Tatsache, dass er sie von den Aufgaben abgezogen hatte, die bei ihrem Rang von ihr erwartet wurden - und damit allen zeigte, dass er ihr diese Arbeit nicht mehr zutraute. Ein harter Schlag für den Stolz, den sie wie eine Rüstung trug, aber sein Wolf kannte ihren eisernen Willen, ihre unbeugsame Kraft. Sienna würde nicht akzeptieren, dass irgendetwas sie zerstörte, schon gar nicht Hawke. Schon aus Prinzip nicht.
Dieser Gedanke ließ den Wolf feixend die Zähne fletschen. »Ab nach Hause, Benny.«
Das Junge versuchte, mit ihm Schritt zu halten, auf kurzen Beinchen rannte er neben ihm her.
»Wo gehst du hin?«
»Raus.«
»Kann ich mit?«
»Nein.«
»Warum nich?«
Hawke beugte sich vor und klemmte sich Ben wie einen Ball unter den Arm. »Du bist zu klein.«
Ben kicherte und machte Schwimmbewegungen. »Bin größer als letzte Woche.«
»Wer sagt das?«
»Mama.«
Hawkes Mundwinkel hoben sich, in diesem Wort lag so viel Liebe. »Na, dann wird's wohl stimmen. Aber du bist immer noch zu klein.«
Ein tiefer Seufzer. »Wann bin ich endlich groß?«
»Eher, als du denkst.« Er stellte Ben vor dem Tor zur Weißen Zone ab, denn das war der Ort, an dem die Jungen sicher spielen konnten. Schubste ihn zum Eingang. »Geh und spiel Ball. Davon wird man groß.«
»In echt?«
»In echt.«
Ben rannte zu einem Rasenstück auf der linken Seite, wo bereits ein Spiel in Gang war. Ein dominanter Wolf, der seine freie Zeit dazu nutzte, mit den Kleinen zusammen zu sein, wachte über den Haufen. Die eine Hälfte hatte ihre menschliche Gestalt angenommen, die andere Hälfte rannte als Wolf herum. Offensichtlich spielten sie Fußball nach Gestaltwandler-Regeln, denn die Wölfe schnappten nach den anderen, damit sie den Ball fallen ließen.
Ein Wölfchen versuchte gerade, mit dem Ball im Maul zu entwischen, während seine Kameraden nach seinem Schwanz schnappten - normalerweise hätte Hawke bei diesem Anblick gelacht und sich vielleicht sogar am Spiel beteiligt. Aber heute fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut, und sein Wolf war unruhig. Er wandte sich ab, wollte in den Wald, um seine Anspannung durch körperliche Anstrengung loszuwerden. Doch kaum hundert Meter von der Weißen Zone entfernt blieb er wie angewurzelt stehen.
Der vermaledeite Lümmel hatte seine verdammten Pfoten an Sienna.
Hawkes Krallen fuhren aus, noch bevor er ganz begriffen hatte, was er da sah.
Kit zog Sienna noch näher zu sich hin, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie lange genug, dass Hawke in Erwägung zog, ihn auf der Stelle umzubringen. Doch kurz bevor der Wolf in ihm die Führung übernahm, löste sich der junge Leopard von Siennas Lippen, nahm sie bei der Hand und zog sie tiefer zwischen die Bäume, in den Schatten der dunklen Tannen.
Man musste kein Genie sein, um auszuknobeln, was der Kerl vorhatte.
»Hawke!«
Er zog die Krallen ein und versuchte, eine neutrale Miene aufzusetzen, bevor er sich zu der Frau umwandte, die zu seinen engsten Freunden zählte.
Und unglaublich nerven konnte.
Indigo kam stirnrunzelnd näher. »War Kit hier?« Sie schwieg einen Augenblick, nahm eine weitere Witterung wahr. »Aha, Sienna nutzt ihre Stunde Ausgang.«
»Wolltest du irgendwas von mir?« Er streckte die Hand nach dem Datenpad aus, das sie bei sich trug. »Probleme mit den zusätzlichen Patrouillen?« Nach den Spielchen, die Ratsherr Henry Scott vor ein paar Monaten mit ihnen getrieben hatte und bei denen Indigos Gefährte Drew fast sein Leben verloren hätte, hatten sie tief in den Wäldern und an den einsamen Rändern des Territoriums weitere Patrouillen eingesetzt.
Seitdem war alles ruhig geblieben, aber das Rudel würde in seiner Wachsamkeit nicht nachlassen, denn anscheinend wollten sich die Ratsmitglieder untereinander umbringen. Und die Medialen waren nun einmal die mächtigste Gattung des Planeten. Ganz egal, was man von dem Ganzen hielt: Wenn der Rat zusammenbrach, würden sie alle bluten. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Also, was gibt's?«
Als Antwort verschränkte die Offizierin die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. »Die jungen Männer werden aggressiv. Du weißt, warum.«
»Ich werde mich darum kümmern.« Ein so dominanter Kommentar, dass die meisten wohl den Schwanz eingekniffen hätten.
Aber Indigo lächelte leicht und nicht minder gefährlich. »Du brauchst nur mit den Fingern zu schnippen, schon würden die Frauen in dein Bett hüpfen -« Sie hob abwehrend die Hand, als er knurrte. »Ich meine damit nicht, dass du deine Position ausnutzt, aber du bist ja nicht ohne Grund Leitwolf - deine Stärke und Schnelligkeit, allein deine Dominanz reichen schon aus.
Auf das hübsche Gesicht will ich gar nicht erst zu sprechen kommen. «
Er musste sich sehr zusammenreißen, um bei der Sache zu bleiben, sein Nacken brannte, weil er wusste, was dahinten im Wald vor sich ging. »Danke für die aufmunternden Worte«, sagte er mit rauer Stimme.
»Halt die Klappe.« Nur zwei Leute in der Höhle konnten das zu ihm sagen, ohne es auf immer mit ihm verspielt zu haben, das wusste Indigo und nutzte es rücksichtslos aus. »Es juckt dich, und du könntest auf der Stelle etwas dagegen unternehmen, aber du solltest dir vorher überlegen, ob ein Tanz mit einer beliebigen Frau aus dem Rudel - selbst wenn du sie sehr magst - irgendetwas ändern würde.«
Kit blieb stehen, sobald sie außer Hörweite der scharfen Gestaltwandlerohren waren - auch außerhalb der Hörweite eines Wolfs, dessen Sinne mehr als normal geschärft waren. Denn obwohl es Kit Spaß machte, Hawke auf die Füße zu treten, hatte er doch einen gesunden Respekt vor dem Leitwolf und wollte eine gewisse Grenze nicht überschreiten.
Wäre der andere ein dominanter Mann in seinem Alter gewesen, hätte ein solches Verhalten seinen Leoparden geärgert, aber Kit kannte seine eigenen Kräfte genau und wusste ebenso gut, dass Hawke ein Gestaltwandler auf der Höhe seiner Kraft war. Der Leitwolf würde mit ihm den Boden aufwischen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten.
Sienna entzog ihm ihre Hand. »Was sollte das denn eben?«, fragte sie neugierig, aber nicht sauer.
»Sag jetzt nicht, dass dir meine Küsse nicht gefallen?« Er konnte einfach nicht widerstehen, musste sie ein wenig damit aufziehen.
Sie verschränkte die Arme und starrte ihn mit dem bösen Blick an, den sie sich bei ihrer Mentorin Indigo abgeguckt hatte. »Soweit ich mich erinnere, ist gerade das doch unser Problem.«
Kits Stolz kam ins Schleudern. Aber nur kurz - mit katzenhaftem Selbstvertrauen schüttelte er dieses unangenehme Gefühl ab. »Sollen wir es noch mal versuchen? Das war ja nur ein Kuss.«
Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht, der Blick wurde nachtschwarz. »Kit, ich -« Sie kniff die Augen zusammen, als sie sah, dass seine Lippen zuckten, und hob den Arm, als wollte sie ihm etwas an den Kopf werfen. »Das ist nicht lustig.«
Lachend zog er sie an sich; ihm war bewusst, dass sie diese Art der Körperprivilegien nicht so einfach zulassen konnte und sie nur wenigen gestattete - nur weil er zu diesen wenigen gehörte, hatte er sie überhaupt küssen können. »Ich konnte einfach nicht widerstehen, Sin. Du nimmst alles so herrlich ernst.«
Sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Hart. Er zuckte zusammen, hielt sie aber weiterhin fest. »Es hat also immer noch nicht gefunkt, was?« Er drückte sein Kinn auf ihren Scheitel. »Jammerschade. Denn du bist echt heiß.«
»Das ist auch nicht lustig.«
»Stimmt aber.« Ihr leichtes Kopfschütteln sagte ihm, dass sie alles für ausgemachten Blödsinn hielt, aber es war nun einmal eine Tatsache, dass Sienna zauberhaft war - was keinem dominanten Mann in den beiden Rudeln entgangen war.
Sie war keine zarte Schönheit, obwohl sie klein war und zarte Glieder hatte. Doch in sich trug sie eine starke Kraft, die sich in ihrem Antlitz spiegelte. Diese Frau würde allem standhalten, ganz egal, was geschah. Für einen Gestaltwandler war das verführerisch und herausfordernd zugleich.
Die faszinierende innere Stärke zeigte sich ein weiteres Mal, als sie ihn zur Seite stieß und sich vor ihm aufbaute. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Ich habe Hawke gerochen«, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen ... und so fiel ihm auf, dass ihre Schultern ganz steif wurden und sich eine harte Linie in die weichen Gesichtszüge grub.
Ihre Stimme klang heiser, er spürte sie wie Wildseide auf der Haut. »Hat er uns gesehen?«
»Ja.« Kit lehnte sich gegen den Stamm einer alten Küstenkiefer, die bis weit in die Krone hinein keine Äste hatte. Das mit dem Funken war echt blöd, dachte er und hakte die Daumen in den Taschen der Jeans ein. Doch trotz der Enttäuschung, dass es zwischen ihnen nicht zündete - mal abgesehen von ein paar schwachen Funken, die sie beide nicht befriedigt hatten -, spürte er ganz deutlich, dass ihre Freundschaft Bestand haben würde. Und Kit sorgte für seine Freunde. »Sieh mich nicht so an.«
Wieder verschränkte sie die Arme und setzte den bösen Blick auf. »Du weißt genau, dass ich keine Spielchen mag.«
Natürlich wusste er das. Sienna war mit ihrer Intelligenz den meisten Leuten haushoch überlegen, aber sie hatte einen großen Teil ihres Lebens in Silentium verbracht. Die Konditionierung hatte ihre Gefühle unterdrückt, ihr Herz verschlossen und große Lücken in ihrem Gefühlsleben hinterlassen. Deshalb brauchte sie Freunde, die auf sie aufpassten, gerade jetzt. »Es gibt Spielchen, und es gibt Strategien.« Er schüttelte den Kopf, als sie etwas sagen wollte. »Gestaltwandler sind sehr besitzergreifend, das ist einfach ein Teil von uns. Und Alphatiere spielen noch dazu in einer ganz anderen Liga.«
»Aber in diesem Fall funktioniert das nicht.« Sie schob das Kinn vor, die Arme immer noch vor der Brust, als müsste sie sich verteidigen. Aber sie tat wenigstens nicht so, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. »Er sieht in mir nicht die erwachsene Frau, nicht in diesem Sinne.«
»Deshalb habe ich dir ja meine Hand zur Unterstützung gereicht ... genauer gesagt waren es in diesem Fall meine Lippen.« Er machte einen Schritt auf sie zu und zog sie am Zopf, denn sein Leopard konnte nicht begreifen, dass man jemanden nicht berührte, der einem so wichtig war. »Vertrau mir, Kätzchen. Ich spüre es, wenn ein Mann mich einen Kopf kürzer machen will.« Ganz zu schweigen von anderen Teilen seiner Anatomie. »Hawke war kurz davor, mich zu Leopardenhack zu verarbeiten und an die wilden Wölfe zu verfüttern, die ihm überallhin folgen, als wäre er auch ihr Leitwolf.«
»Selbst wenn du recht hast«, kam es gepresst aus ihrem Mund, »würde das keine Rolle spielen. Er hat seine Entscheidung getroffen. «
Das war ein Problem, wie auch Kit zugeben musste. Denn nach allem, was er über den Leitwolf gehört hatte, stand dessen Wille so unverrückbar fest wie ein Granitfelsen.
Hawke beendete die Folge der zweihundert Sit-ups, die er sich verordnet hatte, und erhob sich. Es war drei Uhr morgens, und sein Körper stand immer noch unter Strom, obwohl er seit mehr als einer Stunde trainierte und nichts unversucht gelassen hatte, um sich auszupowern. »Zur Hölle«, grunzte er.
Er stand auf, rieb sich den Schweiß mit einem Handtuch vom Gesicht und stellte den Monitor an der Wand an, suchte nach den Börsennachrichten. Cooper und Jem kümmerten sich mit einem engagierten Team um das tägliche Kapitalgeschäft der Wölfe, aber Hawke hielt sich trotzdem auf dem Laufenden, weil die beiden Offiziere ihn zum Feedback brauchten.
Heute verschwammen die Zahlen vor seinen Augen, das sexuelle Verlangen wütete so wild in ihm, er musste etwas unternehmen, sonst würde der Wolf in ihm um sich schlagen, was zu heftigen Aggressionsschüben unter den ungebundenen Männern im Rudel führen würde. Im Moment waren sie zwar auch schon ziemlich unruhig, aber damit konnte er umgehen. Wenn Hawkes Wolf sich jedoch von der Leine losriss ... Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar und griff nach der Wasserflasche, als jemand die Sporthalle nebenan betrat.
Wahrscheinlich einer der Soldaten, die Nachtschicht hatten. Hawke trank einen kräftigen Schluck, stellte die Flasche auf die Bank und ging zur Verbindungstür. Er wollte den Neuankömmling fragen, ob er Lust auf einen Übungskampf habe. Riley war zwar der Einzige im Rudel, der es mit Hawke an Stärke aufnehmen konnte, dennoch trainierte der Leitwolf häufig mit anderen Rudelgefährten - um sich zu vergewissern, dass er sich noch zurückhalten konnte.
Kaum hatte er einen Fuß in den Raum gesetzt, als er wie angewurzelt stehen blieb - es roch nach Herbstfeuer und exotischen Gewürzen. Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Sie hatte ihn nicht bemerkt, bewegte sich in schwarzen, eng anliegenden Hosen und einem dunkelgrünen Tanktop beinahe tänzerisch elegant in der Mitte der Halle. Die konzentrierten Bewegungen sahen nicht nach Kampf aus, sondern nach dem Versuch, inneren Frieden zu finden.
Die hüftlangen Haare hatte sie zu einem festen Zopf geflochten, rubinrote Reflexe tanzten im Licht. Er kam sich zwar vor wie ein Kinderschänder, wurde aber das Bild in seinem Kopf nicht los, die dunkelroten Flechten in seinen Händen zu halten ... und auf seinem Kopfkissen auszubreiten. Verdammt. Er sollte sich lieber umdrehen und sofort den Raum verlassen. Nicht ohne Grund hatte er bisher vermieden, mit ihr zusammenzutreffen, wenn er in dieser Stimmung war.
Doch es war schon zu spät.
Sie erstarrte mitten in der Bewegung, wie ein Beutetier, das den Jäger wittert. Vorsichtig drehte sie sich um. Sagte kein Wort - das musste sie nicht, er wusste auch so, dass er in ihre freie Stunde eingebrochen war, die sie diesmal zu Beginn des Tages in Anspruch genommen hatte, denn Sienna würde nie lügen, würde niemals versuchen, eine Strafe zu umgehen, wenn sie die Regeln gebrochen hatte.
Er sollte eigentlich wirklich gehen. Doch er wischte die Stimme der Vernunft beiseite und ging zu ihr hin. Steif und mit erhobenem Kopf stand sie vor ihm. Der leichte Schweißfilm auf ihrem Hals zog ihn magisch an. Der Wolf wollte daran lecken, wollte herausfinden, ob sie genauso scharf und süß schmeckte, wie sie roch.
Was immer auch vorhin im Wald geschehen war, sie roch nicht nach dem Leopardenbengel. Nur nach Sienna. Er unterdrückte ein zufriedenes Knurren und den Impuls, sie sofort in Besitz zu nehmen. »Dein Arm«, murmelte er, stellte sich hinter sie und hob ihren Arm an. »Bei der letzten Drehung müsste er gestreckt sein. Du hast ihn sinken lassen.«
Ihre Halsschlagader pulsierte schnell unter der zarten Haut, er konnte sich gerade noch davon abhalten, den Kopf zu senken und zuzubeißen. Er wollte ihr nicht wehtun. Nur ein wenig knabbern. Ein Zeichen hinterlassen. »So etwa.« Er strich an ihrem Arm entlang, damit sie ihn streckte. »Weißt du, was ich meine?«
Schweigend neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite. Ungewollt war es eine Einladung für den Wolf, sie bot ihm die verletzliche Kehle dar. Er hätte die Hand um ihren Hals legen und mit den Zähnen zupacken können, hätte alles tun können, was er wollte. Da er so viel stärker war als sie, hätte ihn nichts daran hindern können, aber ein solcher Sieg war etwas anderes als Hingabe. »Mach es noch einmal«, flüsterte er. »Ich möchte zusehen. «
Nur mit äußerster Willenskraft schaffte er es, ihren Arm loszulassen, der Einladung nicht zu folgen, sie nicht mit sich auf den Boden zu ziehen. Aber er konnte nicht verhindern, dass seine Hand über ihren Hals strich, als er sich zurückzog, innerlich und äußerlich so angespannt wie eine Stahlfeder. Er stellte sich so hin, dass er sie gut im Blick hatte, und wartete. Lange Zeit tat sie gar nichts, und er glaubte schon, sie würde sich verweigern.
Doch dann bewegte sie sich.
Und sein Wolf wurde ganz ruhig.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Nalini Singh
Nalini Singh wurde auf den Fidschi-Inseln geboren und ist in Neuseeland aufgewachsen. Nach verschiedenen Tätigkeiten, unter anderem als Rechtsanwältin und Englischlehrerin, begann sie 2003 eine Karriere als Autorin von Liebesromanen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nalini Singh
- Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
- 2012, 2. Aufl., 528 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Nora Lachmann
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586085
- ISBN-13: 9783802586088
- Erscheinungsdatum: 11.09.2012
Kommentar zu "Lockruf des Verlangens / Gestaltwandler Bd.10"