Patterer, H: Marcel Koller Die Kunst des Siegens
Exklusiv für dieses Buch geführte Interviews mit dem Erfolgstrainer des ÖFB-Teamchefs, dem Schweizer Marcel Koller. Mit ihm schaffte das österreichische Nationalteam erstmals die Teilnahme an einer Europameisterschaft aus eigener Kraft....
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Produktinformationen zu „Patterer, H: Marcel Koller Die Kunst des Siegens “
Exklusiv für dieses Buch geführte Interviews mit dem Erfolgstrainer des ÖFB-Teamchefs, dem Schweizer Marcel Koller. Mit ihm schaffte das österreichische Nationalteam erstmals die Teilnahme an einer Europameisterschaft aus eigener Kraft. In „Marcel Koller - Die Kunst des Siegens" erfahren Sie alles über den Schweizer Fußballtrainer - von seinen Anfängen bei den Grashoppers aus Zürich über die deutsche Bundesliga (1. FC Köln und VfL Bochum) bis zu seinem Engagement als Coach der österreichischen Nationalmannschaft. Perfekt begleitet werden die Fragen und Antworten von Fotografien aus der Kamera von Marija Kanizaj.
Bestellen Sie „Marcel Koller - Die Kunst des Siegens" noch heute online bei Weltbild.at.
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Klappentext zu „Patterer, H: Marcel Koller Die Kunst des Siegens “
Für dieses Buch festgehaltene Gespräche mit dem Schweizer Fussballtrainer Marcel Koller, der das Österreichische Nationalteam zu ungeahnten Erfolgen führte. Von seinen Anfängen bei Grashoppers Zürich über die Deutsche Bundesliga (Köln und Bochum) bis zur Berufung als Trainer der österreichischischen Nationalmannschaft. Fotografien von Marija Kanizaj illustrieren kongenial die Fragen und Antworten.
Lese-Probe zu „Patterer, H: Marcel Koller Die Kunst des Siegens “
Hubert Patterer: Marcel Koller - Die Kunst des SiegensDer Spielerflüsterer
Die Kunst des Führens: das Handy beim Frühstück,
die Bußliste und die Akte Arnautovic´.
Herr Koller, reden wir über Ihren Führungsstil. In der Schweiz hat
man Sie einen „Pferde"üsterer" genannt. Ich kenne das nur aus
dem Redford-Film. Heißt das übersetzt: Autorität, die aus der Stille
und Beharrlichkeit kommt? Sachverständiger für das Schwierige?
Koller: Ich bin ein Trainer, der seine Ideen durchsetzen kann und
durchsetzen will. Ich kann aber auch Kumpel sein. Es ist nicht so,
dass ich mit der Peitsche komme und alle vor mir her scheuche. So
kann niemand befreit und gelöst aufspielen. Es soll so sein, dass
man ein gutes Klima hat, dass man sich wohlfühlt.
Im Sinn einer Komfortzone?
Koller: Nein; nicht im Sinn einer Komfortzone, einer falschen Gemütlichkeit,
in der man es sich kuschelig einrichtet. Sondern: dass
man sich wohlfühlt, dass man gern zur Nationalmannschaft
kommt, nicht aus bloßer P!icht. Ich habe das selbst als Nationalspieler
erlebt. Da sind auch Spiele angefallen, zu denen man nicht
gern anreiste. Zu denen man halt kam, weil man musste. Widerstrebend.
Das will ich vermeiden. Ich will, dass man gern und mit
Freude kommt, auch mit dem Ehrgeiz, den Konkurrenzkampf anzunehmen.
Weil man weiß: Da ist ein gutes Klima, da fühle ich
mich wohl, da können wir erfolgreich spielen. Die Haltung muss
sein: Wir sind eine Einheit auf dem Platz, und ich will Teil dieser
Einheit sein.
Arbeiten Sie lieber mit den Schwierigen, den Exzentrikern, oder
mit eher angepassten Charakteren, die sich bereitwillig unterordnen?
Koller: Das spielt für mich keine Rolle. Für mich ist wichtig, dass
sich die Idee vom Spiel überträgt, dass die Spieler die
... mehr
Spielweise
aufnehmen, dass sie das, was wir vermittelt haben, auch umsetzen.
Wenn jetzt einer eher ruhig und angepasst ist und das, worauf es
mir ankommt, dadurch eher aufnimmt, ist das gut. Im Fußball sind
es ja meist Vorkommnisse abseits des Spielfelds, die problematisch
sein können. Da braucht man manchmal halt auch Zeit, das zu begradigen.
Sonst lasse ich jedem seine Wesensart und respektiere
sie auch. Der eine ist halt extrovertierter als der andere, das muss
nichts Schlechtes sein. Zu viel Bravheit will ich auch nicht. Die Spieler
sollen ja Persönlichkeiten sein, auch auf dem Platz.
Worauf achten Sie da?
Koller: Für mich ist wichtig, wie sich jemand in der Gruppe bewegt.
Spüre ich in der Gruppe, dass ein Einzelner durch sein Verhalten
das Gefüge beeinträchtigt, dann greife ich ein. Toleriert hingegen
die Gruppe ein gockelhaftes, eitles Verhalten und denkt, soll er halt
ein bisschen stolz herumlaufen mit geschwollenem Kamm, kümmert
uns nicht, dann lass ich es gewähren. Oft sind es Kleinigkeiten,
die entscheidend sind, wo ich dann interveniere und jemanden
zur Seite bitte und ihm sage: „Schau mal, das geht gar nicht."
Das klingt, als entgehe Ihnen nichts, was in der Gruppe abläuft.
Koller: Wenn ich mit dem Team zusammen bin, bin ich hellwach in
der Wahrnehmung, dann bin ich von acht Uhr früh bis elf Uhr
abends auf Antenne. Da beobachte ich die Gruppendynamik im
Team, da will ich wissen, was abgeht, um Einschätzungen vorzunehmen
und um rechtzeitig gegensteuern zu können, wenn etwas
aus dem Lot gerät oder ein Kon!ikt im Gären ist.
Wie gehen Sie mit Regelverstößen um?
Koller: Ich habe das Festlegen und das Ausformulieren von Konsequenzen
den Spielern überlassen. Ich habe nur gesagt, ich will am
Schluss noch einmal draufschauen, ob es auch für mich passt. Ich
habe gesagt, macht eine Bußliste. Setzt euch zusammen und legt
mir das vor. Dann schaue ich drauf. Wenn mir ein Strafgeld zu billig
erscheint, verschärfe ich es und setze die Höhe kurzerhand um
ein paar Hunderter hinauf.
Für welchen Regelbruch?
Koller: Handy beim gemeinsamen Essen zum Beispiel. Da will ich,
dass Gemeinschaft gelebt wird und nicht, dass da jeder selbstverloren
herumklickt. Oder: Zuspätkommen beim Frühstück. Solche
Dinge. Bei den großen, wo es um das Ganze geht, bin dann ohnehin
ich die Instanz, die handelt und entscheidet.
Muss ein Trainer gefürchtet oder geliebt werden?
Koller: Ich denke, wenn beides der Fall ist, ist man auf einem guten
Weg. Wird man nur geliebt und will man immer nur der Darling
sein, ist das schlecht. So kann nichts entstehen. Andererseits: Ist
man nur gefürchtet und ist die Autorität nur auf Zwang und Hierarchie
aufgebaut, wird es auch schwierig. Man muss als Führungskraft
schon in seinem ganzen Menschsein eine gewisse Wertschätzung
und Akzeptanz haben. Man muss die jungen Leute gernhaben,
und dann spüren die das in der Regel auch und erwidern die Wertschätzung.
Und dann kann man auch leichter Regeln und Disziplin
implementieren. Wenn es sportlich gut läuft, hat man in der Regel
ohnehin kaum Probleme, sein System und seine Prinzi pien durchzusetzen.
Läuft es schlecht, kommt es eher vor, dass der eine oder
andere aufbegehrt und Führungsentscheidungen offen infrage
stellt.
Lassen Sie offene Kritik an Ihnen in der Gruppe zu?
Koller: Ja, das muss möglich sein, da habe ich keine Berührungsängste.
Da kann einer dann im Fall einer Phase längeren Misserfolgs
auch einmal protestieren und sagen: „Trainer, jetzt wird es
aber Zeit, dass Sie einmal den Kreis der Stammspieler öffnen, dass
Sie auswechseln und mich bringen." Solche Frustrationen lasse ich
zu. Da ist es schon auch wichtig, dass man für die Betroffenen Verständnis
zeigt und Gefühle toleriert. Das gilt ja in beide Richtungen.
Sie sollen ja auch Verständnis aufbringen, wenn ich einmal aus der
Haut fahre. Wenn ich opponierende Gefühle autoritär unterdrücken
würde, brächte das nichts. Die wuchern und gären ja im Untergrund
weiter und sickern ein in die Mannschaft. Und die ist für
mich das Maß aller Dinge. Bei jeder Entscheidung frage ich: Ist sie
gut für den Einzelnen oder für uns Vorgesetzte? Oder ist sie gut für
das Team, das große Ganze? Etwa: Schadet es dem Team, schadet
es dem Fußball, wenn ich dem Drängen Einzelner nachgebe und
eine geplante Trainingseinheit auslasse, oder kann ich es verantworten,
die Spieler jetzt einmal für vier, fünf Stunden aus dem Hotel
rauszulassen? Da habe ich meine Parameter, die ich der Entscheidung
zugrunde lege. Etwa: Wie sind die gerade drauf, in welcher
Verfassung sind sie, brauchen wir die Einheit zwingend? Ich bespreche
mich dann in der Regel kurz mit dem Trainerteam und
fälle dann die Entscheidung.
Als Ihre größte pädagogische Leistung gilt die Domestizierung
und Eingliederung des hoch veranlagten Exzentrikers Marko
Arnautovic´. Wie ist das gelungen?
Koller: Mir war natürlich bewusst, dass das nicht von heute auf
morgen gelingt. Von Anfang an habe ich seine fußballerischen Fähigkeiten
gesehen. Und für mich war wichtig, die ins Team hineinzubringen.
Natürlich wurde ich zu Beginn in Wien in jedem Interview
auf Arnautovic´ und seine Geschichten angesprochen. Mir ist
das auf die Nerven gegangen. Ich habe gesagt, mich interessieren
die kolportierten Geschichten nicht und ich habe auch keine Zeit, sie
zu veri#zieren. Mich interessiert der Mensch und der Fußballer
Marko Arnautovic´. Und den will ich erst kennenlernen, um ein Urteil
zu fällen. Ich hatte die elf Spieler für das erste Spiel im Kopf. Da
war er dabei. Ich habe versucht, alle im Vorfeld zu visitieren und mit
ihnen ausführlich zu sprechen. In Bremen waren das Junuzovic´,
Prödl und eben Arnautovic´. Marko hatte ein, zwei Spiele zuvor bei
seinem Verein in der deutschen Bundesliga ein sehr gutes Spiel abgeliefert.
Und da habe ich gesagt: Genau so will ich den sehen: progressiv,
schnell, trickreich. Und da habe ich seinen Auftritt in montierten
Sequenzen zusammenschneiden lassen, so zwanzig Minuten
mit den wichtigsten und besten Szenen. Die habe ich ihm dann vorgeführt
und habe ihm unter vier Augen gesagt: „Genau das möchte
ich bei uns im Team sehen. Kannst du das, bist du dazu in der Lage?
Bist du dazu innerlich bereit? Setzt du das um?" Und er hat beteuert:
„Ja, Trainer, klar!" Ich habe ihm vertraulich ein paar Regeln und
Leitlinien mitgegeben, und dann ging es eigentlich los. Erster Teamlehrgang.
Ich habe ihn eng geführt und habe ihm genau und penibel
vermittelt, was mir wichtig ist, wie er sich zu bewegen hat, dass er
nicht nur Offensivaufgaben, sondern auch Defensivaufgaben zu erfüllen
hat. Aus diesen Anfängen hat sich mit der Zeit eine sehr schöne
Intensität in der Zusammenarbeit entwickelt.
... die dann schon auch durch diverse Geschehnisse abseits des
Rasens auf die Probe gestellt wurde und gefährdet war.
Koller: Ja, das war so. Die Geschichten kamen alle über die Presse.
Die nächtlichen Ausritte und so. Dann riefen die Journalisten an
und fragten mich, was ich dazu sage. Sie bedrängten mich, und ich
sagte nur: „Leute, ich kenne die Geschichten nur aus der Zeitung.
Ich möchte kein Standgericht, sondern mit dem Betroffenen selbst
sprechen und als Gegenblende mit seinem Vorgesetzten." - In diesem
Fall mit dem Sportdirektor von Werder. Ich habe das getan und
habe das Zwiegespräch mit Arnautovic´ gesucht. Das hat sich dann
nicht so drastisch angehört, wie es die Zeitungen geschrieben hatten.
Da raufhin habe ich den Sportdirektor in Bremen kontaktiert.
Der hat das Gesagte dann tendenziell bestätigt. Also habe ich gesagt,
okay, dann halte ich an dem Spieler fest und stehe zu ihm.
Das war in der Phase, als in der Öffentlichkeit Rufe laut wurden,
einer wie Arnautovic´ sei für ein Nationalteam untragbar und
müsse eliminiert werden. Wie gingen Sie damit um?
Koller: Ich war nicht bereit, dieser Stimmung nachzugeben. Ich
war nicht bereit, auf diese Schiene zu springen. Ich habe gesagt:
Wenn Arnautovic´ bei uns ist, benimmt er sich normal. Er hält sich
an unsere Regeln. Die vermittle ich ihm, und wenn er sie missachtet,
dann sage ich ihm das, und zwar klar und deutlich. Er kennt
die Regeln ganz genau, und er kennt die Grenze, wie weit er gehen
kann. Warum hätte ich ihn für etwas bestrafen sollen, was er nicht
hier, in meinem Verantwortungsbereich, getan hat und wo zudem
noch unklar war, was Dichtung gewesen ist und was Wahrheit? Da
habe ich ihm den Rücken gestärkt; das war für seine Reifung wichtig.
Er hat dieses Vertrauen dann auch gerechtfertigt. Ich habe
selbst in schwierigen Situationen, in die er verstrickt war, immer
noch sein Talent gesehen, seine außerordentliche Begabung. Ich
habe auch gewusst, der ist noch nicht da, wo er hingehört, der geht
mit seiner Begabung noch zu fahrlässig um, und habe mit ihm weiter
daran gearbeitet. Da hat es sicher auch stressige und belastende
Momente gegeben, aber die muss man nehmen. Führen ist Arbeit.
Und es war mitunter auch notwendig, ihn ein bisschen zu provozieren,
bewusst zu reizen, um mit ihm einen Schritt weiterzukommen.
Das war wichtig und hat sich schlussendlich auch gelohnt. Wir sind
jetzt vier Jahre beisammen, und die letzten Spiele in der Quali#kation
hat er immer hervorragend gespielt.
Ist er jetzt dort, wo Sie ihn haben wollen?
Koller: Nein, ich sage auch heute: Er ist noch immer nicht da, wo er
hingehört. Der kann noch mehr. Der hat noch nicht alles abgerufen.
Wenn er bei uns ist, versuche ich ihm das weiterzugeben und zu
vermitteln. Wo er sich noch verbessern muss. Woran er noch arbeiten
muss. Oft denke ich mir bei ihm, eigentlich schade, dass er nach
ein paar Tagen jetzt geht, du könntest ihn noch weiterbringen. Hätte
ich ihn in der täglichen Arbeit, würde er das, was noch de#zitär
ist, vermutlich schneller aufnehmen und konsequenter umsetzen.
Aber er besitzt Qualitäten, die nicht jeder Spieler hat, und es wäre
sündhaft, würde man ihn damit allein lassen und nicht mithelfen,
das Mögliche zur Entfaltung zu bringen. Aber ich weiß: Wenn das
so weitergeht, dann wird es noch besser werden. Er weiß es - und
er ist dran. Er ist in einem Alter, wo die Selbsterkenntnis ja erst
einsetzt, wo es erst richtig losgeht und die Flausen- und Flegeljahre
überwunden sind. Er ist viel ruhiger geworden. Die junge Familie
und die Verantwortung als Vater tun ihm gut. So kann er sich auf
seinen Job und auf seine Begabung konzentrieren. Österreich wird
noch viel Freude mit ihm haben.
©Edition Kleine Zeitung
aufnehmen, dass sie das, was wir vermittelt haben, auch umsetzen.
Wenn jetzt einer eher ruhig und angepasst ist und das, worauf es
mir ankommt, dadurch eher aufnimmt, ist das gut. Im Fußball sind
es ja meist Vorkommnisse abseits des Spielfelds, die problematisch
sein können. Da braucht man manchmal halt auch Zeit, das zu begradigen.
Sonst lasse ich jedem seine Wesensart und respektiere
sie auch. Der eine ist halt extrovertierter als der andere, das muss
nichts Schlechtes sein. Zu viel Bravheit will ich auch nicht. Die Spieler
sollen ja Persönlichkeiten sein, auch auf dem Platz.
Worauf achten Sie da?
Koller: Für mich ist wichtig, wie sich jemand in der Gruppe bewegt.
Spüre ich in der Gruppe, dass ein Einzelner durch sein Verhalten
das Gefüge beeinträchtigt, dann greife ich ein. Toleriert hingegen
die Gruppe ein gockelhaftes, eitles Verhalten und denkt, soll er halt
ein bisschen stolz herumlaufen mit geschwollenem Kamm, kümmert
uns nicht, dann lass ich es gewähren. Oft sind es Kleinigkeiten,
die entscheidend sind, wo ich dann interveniere und jemanden
zur Seite bitte und ihm sage: „Schau mal, das geht gar nicht."
Das klingt, als entgehe Ihnen nichts, was in der Gruppe abläuft.
Koller: Wenn ich mit dem Team zusammen bin, bin ich hellwach in
der Wahrnehmung, dann bin ich von acht Uhr früh bis elf Uhr
abends auf Antenne. Da beobachte ich die Gruppendynamik im
Team, da will ich wissen, was abgeht, um Einschätzungen vorzunehmen
und um rechtzeitig gegensteuern zu können, wenn etwas
aus dem Lot gerät oder ein Kon!ikt im Gären ist.
Wie gehen Sie mit Regelverstößen um?
Koller: Ich habe das Festlegen und das Ausformulieren von Konsequenzen
den Spielern überlassen. Ich habe nur gesagt, ich will am
Schluss noch einmal draufschauen, ob es auch für mich passt. Ich
habe gesagt, macht eine Bußliste. Setzt euch zusammen und legt
mir das vor. Dann schaue ich drauf. Wenn mir ein Strafgeld zu billig
erscheint, verschärfe ich es und setze die Höhe kurzerhand um
ein paar Hunderter hinauf.
Für welchen Regelbruch?
Koller: Handy beim gemeinsamen Essen zum Beispiel. Da will ich,
dass Gemeinschaft gelebt wird und nicht, dass da jeder selbstverloren
herumklickt. Oder: Zuspätkommen beim Frühstück. Solche
Dinge. Bei den großen, wo es um das Ganze geht, bin dann ohnehin
ich die Instanz, die handelt und entscheidet.
Muss ein Trainer gefürchtet oder geliebt werden?
Koller: Ich denke, wenn beides der Fall ist, ist man auf einem guten
Weg. Wird man nur geliebt und will man immer nur der Darling
sein, ist das schlecht. So kann nichts entstehen. Andererseits: Ist
man nur gefürchtet und ist die Autorität nur auf Zwang und Hierarchie
aufgebaut, wird es auch schwierig. Man muss als Führungskraft
schon in seinem ganzen Menschsein eine gewisse Wertschätzung
und Akzeptanz haben. Man muss die jungen Leute gernhaben,
und dann spüren die das in der Regel auch und erwidern die Wertschätzung.
Und dann kann man auch leichter Regeln und Disziplin
implementieren. Wenn es sportlich gut läuft, hat man in der Regel
ohnehin kaum Probleme, sein System und seine Prinzi pien durchzusetzen.
Läuft es schlecht, kommt es eher vor, dass der eine oder
andere aufbegehrt und Führungsentscheidungen offen infrage
stellt.
Lassen Sie offene Kritik an Ihnen in der Gruppe zu?
Koller: Ja, das muss möglich sein, da habe ich keine Berührungsängste.
Da kann einer dann im Fall einer Phase längeren Misserfolgs
auch einmal protestieren und sagen: „Trainer, jetzt wird es
aber Zeit, dass Sie einmal den Kreis der Stammspieler öffnen, dass
Sie auswechseln und mich bringen." Solche Frustrationen lasse ich
zu. Da ist es schon auch wichtig, dass man für die Betroffenen Verständnis
zeigt und Gefühle toleriert. Das gilt ja in beide Richtungen.
Sie sollen ja auch Verständnis aufbringen, wenn ich einmal aus der
Haut fahre. Wenn ich opponierende Gefühle autoritär unterdrücken
würde, brächte das nichts. Die wuchern und gären ja im Untergrund
weiter und sickern ein in die Mannschaft. Und die ist für
mich das Maß aller Dinge. Bei jeder Entscheidung frage ich: Ist sie
gut für den Einzelnen oder für uns Vorgesetzte? Oder ist sie gut für
das Team, das große Ganze? Etwa: Schadet es dem Team, schadet
es dem Fußball, wenn ich dem Drängen Einzelner nachgebe und
eine geplante Trainingseinheit auslasse, oder kann ich es verantworten,
die Spieler jetzt einmal für vier, fünf Stunden aus dem Hotel
rauszulassen? Da habe ich meine Parameter, die ich der Entscheidung
zugrunde lege. Etwa: Wie sind die gerade drauf, in welcher
Verfassung sind sie, brauchen wir die Einheit zwingend? Ich bespreche
mich dann in der Regel kurz mit dem Trainerteam und
fälle dann die Entscheidung.
Als Ihre größte pädagogische Leistung gilt die Domestizierung
und Eingliederung des hoch veranlagten Exzentrikers Marko
Arnautovic´. Wie ist das gelungen?
Koller: Mir war natürlich bewusst, dass das nicht von heute auf
morgen gelingt. Von Anfang an habe ich seine fußballerischen Fähigkeiten
gesehen. Und für mich war wichtig, die ins Team hineinzubringen.
Natürlich wurde ich zu Beginn in Wien in jedem Interview
auf Arnautovic´ und seine Geschichten angesprochen. Mir ist
das auf die Nerven gegangen. Ich habe gesagt, mich interessieren
die kolportierten Geschichten nicht und ich habe auch keine Zeit, sie
zu veri#zieren. Mich interessiert der Mensch und der Fußballer
Marko Arnautovic´. Und den will ich erst kennenlernen, um ein Urteil
zu fällen. Ich hatte die elf Spieler für das erste Spiel im Kopf. Da
war er dabei. Ich habe versucht, alle im Vorfeld zu visitieren und mit
ihnen ausführlich zu sprechen. In Bremen waren das Junuzovic´,
Prödl und eben Arnautovic´. Marko hatte ein, zwei Spiele zuvor bei
seinem Verein in der deutschen Bundesliga ein sehr gutes Spiel abgeliefert.
Und da habe ich gesagt: Genau so will ich den sehen: progressiv,
schnell, trickreich. Und da habe ich seinen Auftritt in montierten
Sequenzen zusammenschneiden lassen, so zwanzig Minuten
mit den wichtigsten und besten Szenen. Die habe ich ihm dann vorgeführt
und habe ihm unter vier Augen gesagt: „Genau das möchte
ich bei uns im Team sehen. Kannst du das, bist du dazu in der Lage?
Bist du dazu innerlich bereit? Setzt du das um?" Und er hat beteuert:
„Ja, Trainer, klar!" Ich habe ihm vertraulich ein paar Regeln und
Leitlinien mitgegeben, und dann ging es eigentlich los. Erster Teamlehrgang.
Ich habe ihn eng geführt und habe ihm genau und penibel
vermittelt, was mir wichtig ist, wie er sich zu bewegen hat, dass er
nicht nur Offensivaufgaben, sondern auch Defensivaufgaben zu erfüllen
hat. Aus diesen Anfängen hat sich mit der Zeit eine sehr schöne
Intensität in der Zusammenarbeit entwickelt.
... die dann schon auch durch diverse Geschehnisse abseits des
Rasens auf die Probe gestellt wurde und gefährdet war.
Koller: Ja, das war so. Die Geschichten kamen alle über die Presse.
Die nächtlichen Ausritte und so. Dann riefen die Journalisten an
und fragten mich, was ich dazu sage. Sie bedrängten mich, und ich
sagte nur: „Leute, ich kenne die Geschichten nur aus der Zeitung.
Ich möchte kein Standgericht, sondern mit dem Betroffenen selbst
sprechen und als Gegenblende mit seinem Vorgesetzten." - In diesem
Fall mit dem Sportdirektor von Werder. Ich habe das getan und
habe das Zwiegespräch mit Arnautovic´ gesucht. Das hat sich dann
nicht so drastisch angehört, wie es die Zeitungen geschrieben hatten.
Da raufhin habe ich den Sportdirektor in Bremen kontaktiert.
Der hat das Gesagte dann tendenziell bestätigt. Also habe ich gesagt,
okay, dann halte ich an dem Spieler fest und stehe zu ihm.
Das war in der Phase, als in der Öffentlichkeit Rufe laut wurden,
einer wie Arnautovic´ sei für ein Nationalteam untragbar und
müsse eliminiert werden. Wie gingen Sie damit um?
Koller: Ich war nicht bereit, dieser Stimmung nachzugeben. Ich
war nicht bereit, auf diese Schiene zu springen. Ich habe gesagt:
Wenn Arnautovic´ bei uns ist, benimmt er sich normal. Er hält sich
an unsere Regeln. Die vermittle ich ihm, und wenn er sie missachtet,
dann sage ich ihm das, und zwar klar und deutlich. Er kennt
die Regeln ganz genau, und er kennt die Grenze, wie weit er gehen
kann. Warum hätte ich ihn für etwas bestrafen sollen, was er nicht
hier, in meinem Verantwortungsbereich, getan hat und wo zudem
noch unklar war, was Dichtung gewesen ist und was Wahrheit? Da
habe ich ihm den Rücken gestärkt; das war für seine Reifung wichtig.
Er hat dieses Vertrauen dann auch gerechtfertigt. Ich habe
selbst in schwierigen Situationen, in die er verstrickt war, immer
noch sein Talent gesehen, seine außerordentliche Begabung. Ich
habe auch gewusst, der ist noch nicht da, wo er hingehört, der geht
mit seiner Begabung noch zu fahrlässig um, und habe mit ihm weiter
daran gearbeitet. Da hat es sicher auch stressige und belastende
Momente gegeben, aber die muss man nehmen. Führen ist Arbeit.
Und es war mitunter auch notwendig, ihn ein bisschen zu provozieren,
bewusst zu reizen, um mit ihm einen Schritt weiterzukommen.
Das war wichtig und hat sich schlussendlich auch gelohnt. Wir sind
jetzt vier Jahre beisammen, und die letzten Spiele in der Quali#kation
hat er immer hervorragend gespielt.
Ist er jetzt dort, wo Sie ihn haben wollen?
Koller: Nein, ich sage auch heute: Er ist noch immer nicht da, wo er
hingehört. Der kann noch mehr. Der hat noch nicht alles abgerufen.
Wenn er bei uns ist, versuche ich ihm das weiterzugeben und zu
vermitteln. Wo er sich noch verbessern muss. Woran er noch arbeiten
muss. Oft denke ich mir bei ihm, eigentlich schade, dass er nach
ein paar Tagen jetzt geht, du könntest ihn noch weiterbringen. Hätte
ich ihn in der täglichen Arbeit, würde er das, was noch de#zitär
ist, vermutlich schneller aufnehmen und konsequenter umsetzen.
Aber er besitzt Qualitäten, die nicht jeder Spieler hat, und es wäre
sündhaft, würde man ihn damit allein lassen und nicht mithelfen,
das Mögliche zur Entfaltung zu bringen. Aber ich weiß: Wenn das
so weitergeht, dann wird es noch besser werden. Er weiß es - und
er ist dran. Er ist in einem Alter, wo die Selbsterkenntnis ja erst
einsetzt, wo es erst richtig losgeht und die Flausen- und Flegeljahre
überwunden sind. Er ist viel ruhiger geworden. Die junge Familie
und die Verantwortung als Vater tun ihm gut. So kann er sich auf
seinen Job und auf seine Begabung konzentrieren. Österreich wird
noch viel Freude mit ihm haben.
©Edition Kleine Zeitung
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Hubert Patterer
- 2016, 300 Seiten, 150 farbige Abbildungen, Maße: 17,7 x 24,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Edition Kleine Zeitung
- ISBN-10: 390281957X
- ISBN-13: 9783902819574
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