Mieses Karma
Gerade an dem Abend, als sie den deutschen Fernsehpreis gewinnt, wird die Fernsehmoderatorin Kim von einer herabstürzenden russischen Raumstation erschlagen. Im Jenseits erfährt sie, dass sie im Leben zu viel mieses Karma gesammelt hat. Zur Strafe wird sie als Ameise wiedergeboren.
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Gerade an dem Abend, als sie den deutschen Fernsehpreis gewinnt, wird die Fernsehmoderatorin Kim von einer herabstürzenden russischen Raumstation erschlagen. Im Jenseits erfährt sie, dass sie im Leben zu viel mieses Karma gesammelt hat. Zur Strafe wird sie als Ameise wiedergeboren.
Im Jenseits erfährt sie, dass sie in ihrem Leben viel zu viel mieses Karma gesammelt hat - und bekommt prompt die Rechnung präsentiert. Kim findet sich in einem Erdloch wieder, hat zwei Fühler, sechs Beine und einen überproportional großen Hinterleib: Sie ist eine Ameise! Kim hat wenig Lust, fortan Kuchenkrümel durch die Gegend zu schleppen. Außerdem kann sie nicht zulassen, dass ihr Mann sich mit einer Neuen tröstet. Doch als Ameise ist sie machtlos. Es gibt nur einen Ausweg: Gutes Karma muss her, damit es auf der Reinkarnationsleiter wieder aufwärts geht!
Im Jenseits erfährt sie, dass sie in ihrem Leben viel zu viel mieses Karma gesammelt hat - und bekommt prompt die Rechnung präsentiert. Kim findet sich in einem Erdloch wieder, hat zwei Fühler, sechs Beine und einen überproportional großen Hinterleib: Sie ist eine Ameise! Kim hat wenig Lust, fortan Kuchenkrümel durch die Gegend zu schleppen. Außerdem kann sie nicht zulassen, dass ihr Mann sich mit einer Neuen tröstet. Doch als Ameise ist sie machtlos. Es gibt nur einen Ausweg: Gutes Karma muss her, damit es auf der Reinkarnationsleiter wieder aufwärts geht!
Mieses Karma von David Safier
LESEPROBE
Der Tag, andem ich starb, hat nicht wirklich Spaß gemacht. Und das lag nicht nur an meinemTod. Um genau zu sein: Der schaffte es gerade so mit Ach und Krach auf Platzsechs der miesesten Momente des Tages. Auf Platz fünf landete der Augenblick,in dem Lilly mich aus verschlafenen Augen ansah und fragte: "Warum bleibst duheute nicht zu Hause, Mama? Es ist doch mein Geburtstag!"
Auf dieseFrage schoss mir folgende Antwort durch den Kopf: "Hätte ich vor fünf Jahrengewusst, dass dein Geburtstag und die Verleihung des Deutschen Fernsehpreisesmal auf einen Tag fallen würden, hätte ich dafür gesorgt, dass du früher zurWelt gekommen wärst. Mit Kaiserschnitt!"
Stattdessensagte ich nur leise zu ihr: "Es tut mir leid, mein Schatz." Lilly knabbertetraurig am Ärmel ihres Pumuckl-Pyjamas, und da ichdiesen Anblick nicht länger ertragen konnte, fügte ich schnell den magischenSatz hinzu, der jedes traurige Kindergesicht wieder zum Lächeln bringt: "Willstdu dein Geburtstagsgeschenk sehen?"
Ich hattees selbst noch nicht gesehen. Alex musste es besorgen, da ich vor lauter Arbeitin der Redaktion schon seit Monaten nicht mehr irgendwo einkaufen war. Ichvermisste das auch nicht. Für mich gab es kaum etwas Nervigeres als in derSupermarktschlange wertvolle Lebenszeit zu vergeuden. Und für all die schönenDinge des Lebens, von Kleidung über Schuhe bis hin zu Kosmetika, musste ichnicht einkaufen gehen. Die bekam ich dankenswerterweise als Kim Lange, Moderatorinvon Deutschlands wichtigster Polit-Talkshow, von den nobelsten Firmen gestellt.Die "Gala" zählte mich dementsprechend zu den "bestangezogenen Frauen um die dreißig",während eine andere große Boulevardzeitung mich weniger schmeichelhaft als "leichtstämmige Brünette mit deutlich zu dicken Schenkeln" bezeichnete. Ich lag mitder Zeitung im Clinch, weil ich verboten hatte, Fotos von meiner Familieabzudrucken.
"Hier isteine kleine, wunderschöne Frau, die will ihr Geschenk haben", rief ich durchsHaus. Und aus dem Garten tönte es zurück: "Dann soll diese wunderschöne kleineFrau mal herauskommen!" Ich nahm meine aufgeregte Tochter an die Hand und sagtezu ihr: "Zieh dir aber deine Hausschühchen an."
"Ich willdie nicht anziehen", motzte Lilly.
"Duerkältest dich sonst!", warnte ich. Aber sie antwortete nur: "Ich hab michgestern auch nicht erkältet. Und da hatte ich auch keine Hausschuhe an."
Und eh ichein vernünftiges Gegenargument für diese abstruse, aber in sich geschlosseneKinderlogik gefunden hatte, lief Lilly auch schon barfußin den vom Morgentau glänzenden Garten.
Geschlagenfolgte ich ihr und atmete tief ein. Es roch nach "bald ist Frühling", und ichfreute mich zum tausendsten Mal mit einer Mischung aus Verblüffung und Stolzdarüber, dass ich meiner Tochter so ein tolles Potsdamer Haus mit einem Riesengartenbieten konnte, war ich doch selbst in einem Berliner Plattenbau aufgewachsen.Unser Garten dort hatte lediglich aus drei Blumenkästen bestanden, bepflanztmit Geranien, Stiefmütterchen und Zigarettenkippen.
Alexerwartete Lilly an einem von ihm selbst zusammengezimmertenMeerschweinchenkäfig. Er sah mit seinen dreiunddreißig Jahren immer nochverdammt gut aus - wie eine jüngere Version von Brad Pitt, nurdankenswerterweise ohne dessen langweiligen Schlafzimmerblick. Ich wäre wohl vonseinem Aussehen hin und weg gewesen, wenn noch alles okay zwischen uns gewesenwäre. Doch leider war unsere Beziehung zu diesem Zeitpunkt so stabil wie dieSowjetunion 1989. Und sie hatte ähnlich viel Zukunft.
Alex kamnicht damit klar, mit einer erfolgreichen Frau verheiratet zu sein, und ichnicht damit, mit einem frustrierten Hausmann zusammenzuleben, den es von Tag zuTag fertiger machte, dass er sich auf dem Spielplatz von anderen Mütternanhören musste: "Es ist ja sooo toll, wenn ein Mannsich um die Kinder kümmert, anstatt dem Erfolg hinterherzujagen."
Entsprechendbegannen Gespräche zwischen uns oft mit "Deine Arbeit ist dir wichtiger als wir"und endeten noch häufiger mit "Wehe, du wirfst jetzt den Teller, Kim!".
Früherfolgte darauf wenigstens noch Versöhnungssex. Jetzt hatten wir schon seit dreiMonaten keinen mehr. Was schade war, denn unser Sex war ordentlich bisgroßartig, je nach Tagesform. Und das will was heißen, denn mit all den Männern,die ich vor Alex hatte, war Sex nicht gerade ein Anlass gewesen, die innere La-Ola-Welle zu machen. "Hier ist dein Geschenk,wunderschönes Mädchen", sagte Alex lächelnd und zeigte auf das mümmelndeMeerschweinchen im Stall. Lilly rief begeistert: "Ein Meerschweinchen!"
Und ichergänzte entsetzt in Gedanken: "Ein verdammt schwangeres Meerschweinchen!"
WährendLilly ihr neues Haustier voller Freude betrachtete, packte ich Alex an derSchulter und zog ihn zur Seite. "Das Vieh ist kurz davor, sich zu vermehren",sagte ich zu ihm.
"Nein, Kim,es ist nur etwas dick", wiegelte er ab.
"Wo hast dues denn her?"
"Von einergemeinnützigen Tierfarm", kam die pampige Antwort.
"Warum hastdu es denn nicht in einem Zooladen gekauft?"
"Weil dieTiere da genauso am Rad drehen wie deine Fernsehtypen."
Peng! Dassollte mich treffen, und das tat es auch. Ich atmete durch, schaute auf die Uhrund sagte mit gepresster Stimme: "Keine dreißig Sekunden."
"Wie keinedreißig Sekunden?", fragte Alex irritiert.
"Du hastkeine dreißig Sekunden mit mir geredet, ohne mir Vorwürfe zu machen, dass ichheute zu der Verleihung gehe."
"Ich machdir keine Vorwürfe, Kim. Ich stell nur deine Prioritäten in Frage", erwiderteer.
Das allesregte mich wahnsinnig auf, denn eigentlich hätte ich mir doch gewünscht, dasser mit zu der Fernsehpreis- Verleihung kommen würde. Schließlich sollte das dergrößte Moment in meinem Berufsleben werden. Und da hätte mein Mann verdammt nochmal an meine Seite gehört! Aber ich konnte ja schlechtseine Prioritäten in Frage stellen, denn die bestanden ja darin, LillysKindergeburtstag auszurichten. Und so sagte ich sauer: "Und das blödeMeerschweinchen ist doch schwanger!"
Alexerwiderte trocken: "Mach doch einen Schwangerschaftstest ", und ging zum Käfig.Ich blickte ihm wütend nach, während er das Meerschweinchen rausholte und esder überglücklichen Lilly in die Arme legte. Die beiden fütterten es mitLöwenzahn. Und ich stand daneben. Gewissermaßen im Abseits, das mehr und mehrzu meinem Stammplatz in unserer kleinen Familie wurde. Kein schöner Ort. Undhier im Abseits musste ich an meinen eigenen Schwangerschaftstest zurückdenken.Als meine Regel damals ausblieb, schaffte ich es sechs Tage lang mit fastübermenschlicher Verdrängungskraft, diese Tatsache zu ignorieren. Am siebtensprintete ich gleich morgens mit einem "Scheiße, Scheiße, Scheiße" auf denLippen in die Apotheke, kaufte einen Schwangerschaftstest, sprintete zurücknach Hause, ließ den Test vor lauter Nervosität ins Klo fallen, rannte wieder zurApotheke, kaufte einen neuen Test, rannte erneut zurück, pinkelte auf dasStäbchen und musste eine Minute warten.
Es war dielängste Minute meines Lebens. Eine Minute beim Zahnarzt ist ja schon lang. EineMinute Musikantenstadl ist noch länger. Aber dieMinute, die so ein blöder Schwangerschaftstest braucht, um sich zu entscheiden,ob er nun einen zweiten Strich haben wird oder nicht, ist die härtesteGeduldsprobe der Welt. Noch härter war es aber für mich, den zweiten Strich zu sehen.
Ichüberlegte abzutreiben, aber ich konnte den Gedanken daran kaum ertragen. Ichhatte gesehen, wie meine beste Freundin Nina das mit neunzehn Jahren nachunserem Italienurlaub tun musste und wie sehr sie dabei gelitten hatte. Mir wardurchaus klar, dass ich bei aller Härte, die ich mir als Talkshow-Moderatorinangewöhnt hatte, mit diesen Gewissensqualen viel schlechter klarkommen würdeals Nina.
Es folgtenalso neun Monate, die mich sehr verunsicherten: Während ich Panik schob,kümmerte sich Alex extrem lieb um mich und freute sich unglaublich auf dasKind. Das machte mich irgendwie wütend, fühlte ich mich dadurch doch umso mehrals Rabenschwangere.
Überhauptwar für mich der ganze Schwangerschaftsprozess unheimlich abstrakt. Ich sahUltraschallaufnahmen und fühlte Tritte gegen die Bauchwand. Aber dass da einkleiner Mensch in mir wuchs, konnte ich nur in ganz wenigen, kurzen Momentendes Glücks begreifen.
Die meisteZeit war ich damit beschäftigt, mich mit Übelkeiten und Hormonschwankungenherumzuschlagen. Und mit Schwangerschaftskursen, in denen man "seinen Uterus abspüren"sollte. ()
© RowohltVerlag
- Autor: David Safier
- 2007, 10. Aufl., 288 Seiten, Maße: 13,2 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kindler
- ISBN-10: 3463405083
- ISBN-13: 9783463405087
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