Nachtglut
Als es Carl Herbold gelingt, aus dem Gefängnis auszubrechen, hat er nur ein Ziel: die Vernichtung der Familie Corbett. Doch mit dem Widerstand der schönen, taubstummen Anna Corbett hat er dabei nicht gerechnet .
Niemand in der texanischen...
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Als es Carl Herbold gelingt, aus dem Gefängnis auszubrechen, hat er nur ein Ziel: die Vernichtung der Familie Corbett. Doch mit dem Widerstand der schönen, taubstummen Anna Corbett hat er dabei nicht gerechnet .
Niemand in der texanischen Kleinstadt Blewer hat je daran gezweifelt, dass Carl Herbold ein Psychopath ist. Aber Herbold kann auch sehr geduldig und gerissen sein. Denn er lebt für seine Rache: Rache an seinem verhassten Stiefvater Delray Corbett, der ihn und seinen Bruder einst verstoßen hat. Die Flucht aus dem Sicherheitsgefängnis ist für ihn nur der erste Schachzug in einem mörderischen Spiel. Denn auf dem Weg nach Texas hört Carl von der jungen Frau, die inzwischen auf der Corbett-Ranch wohnt: Anna, die taubstumme Witwe von Corbetts Sohn. Herbolds ganz spezieller Feind, der rastlose Jack Sawyer, hat sich seit zwanzig Jahren von seiner Heimatstadt Blewer fern gehalten. Als er jedoch von Carl Herbolds Flucht erfährt, rast er wie von Furien gehetzt zur Corbett-Ranch. Denn jetzt ist es für ihn an der Zeit, eine alte Rechnung zu begleichen. Dass er aber auf die schöne, empfindsame Anna Corbett treffen würde, hat Jack nicht erwartet. Und genau da setzt Herbold mit seinem diabolischen Katz-und-Maus-Spiel an.
Nachtglut von Sandra Brown
LESEPROBE
1
Myron,hörst du mir überhaupt zu?« fuhr Carl Herbold seinen Mithäftling gereizt an. Er schüttelteungeduldig den Kopf und brummte: »Blödmann!«
Myron Hutts, offenbar taub für die Beleidigung, grinste weiterleer vor sich hin.
Carl schobsein Gesicht näher an seines heran. »Hey, hör auf, so dämlich zu grinsen, Myron! Die Sache ist ernst. Ist davon irgendwas bei dirangekommen? Hast du auch nur ein gottverdammtes Wort kapiert?«
Myron biß in seinen Schokoriegel. »Klar, Carl. Du hast gesagt, ichsoll genau zuhören und gut aufpassen.«
»Okay.«
Carlberuhigte sich etwas, auch wenn er ziemlich sicher war, daßMyron nicht einmal einen Bruchteil dessen, was er ihmzu sagen hatte, verstehen würde. Myron war nichtgerade der Hellsten einer; genau gesagt, war er total unterbelichtet.
Trotzseiner Kraft und ständigen Beflissenheit stellte er mit seinem Spatzenhirn einRisiko für Carls wohldurchdachte Pläne dar. So ein Komplize hatte seineNachteile.
Andererseitsbenötigte Carl Myron HuttsHilfe. Er brauchte einen, der nicht fähig war, selbständig zu denken, und tat,was man ihm sagte - ohne lange zu überlegen, ohne Fragen, Widerreden oderSkrupel. Eben deswegen war Myron zuletzt doch derperfekte Partner. Selbst wenn er ein gottverdammter Einstein gewesen wäre -aber er hatte kein Gewissen.
Gewissen,das war innerer Dialog. Klasse, der Aus- druck, was? Carl hatte ihn aus einemArtikel in einer Zeitschrift. Er hatte ihn sich eingeprägt und schwups aus dem Hutgezogen, als er das letztemal vor dem Ausschuß für bedingte Haftentlassung antanzen mußte. Fünf Minuten lang hatte er sich des langen und breiten über seine inneren Dialoge bezüglichseiner vergangenen Missetaten und des Unheils ausgelassen, das er in seinemeigenen Leben und dem anderer angerichtet hatte. Aus diesen Dialogen habe ererkannt, auf dem falschen Weg gewesen zu sein; sie hätten ihn ins Licht derSelbsterkenntnis und des Verantwortungsbewußtseins geführt.Er bereue, was er getan habe, und wünsche, dafür zu büßen.
Die Ausschußmitglieder hatten sich von den großen Worten nichtbeeindrucken lassen. Sie hatten gemerkt, daß er ihnennur einen Haufen Mist auftischte, und seinen Antrag auf bedingte Haftentlassungabgelehnt.
Aber malangenommen, das Gewissen war tatsächlich ein innerer Dialog. Das verlangteabstrakte Vorstellungen, die Myron in seinerBeschränktheit nicht einmal in Erwägung zog. Doch Carl war es sowieso egal, ob Myron ein Gewissen hatte oder nicht. Der Typ tat, was ihmgerade in den Kopf kam, und basta. Genau deshalb hatte Carl ihn ausgewählt. Myron würde keine Muffen kriegen, wenn es unappetitlich wurde.
Der Kerlwar selbst ein ziemlich unappetitlicher Typ, um nicht zu sagen grottenhäßlich mit seiner beinahe haarlosen, weißen Haut.Nur die wulstigen Lippen leuchteten unnatürlich rot; die Iris seiner Augenhingegen waren praktisch ohne Farbe. Spärliche helle Augenbrauen und Wimpernließen seinen ohnehin einfältigen Blick noch einfältiger wirken. Sein Haar wardünn, aber von grober Beschaffenheit, und stand, fast weiß, drahtartig vonseinem Kopf ab.
Einenbesonders unappetitlichen Anblick bot er gerade jetzt, wo ihm der zähe Saft derNougatfüllung des Schoko- ladenriegels aus denMundwinkeln troff. Carl mußte wegschauen, als Myron mit langer Zunge nach dem Zeug leckte.
Manch einerfragte sich wahrscheinlich, wieso ausgerechnet er und MyronKumpel waren - bei dem auffallenden Kontrast, der zwischen ihnen bestand -, Myron und der große, dunkle, gutaussehende Carl. Wenn es ihn packte, arbeitete ermit Gewichten, aber mit strenger Regelmäßigkeit absolvierte er täglich inseiner Zelle Liegestützen und andere Leibesübungen, um seinen kräftigen Torsofit zu halten. Er besaß ein absolut umwerfendes Lächeln, das an den jungenWarren Beatty erinnerte. Hatte man ihm jedenfalls gesagt. Er persönlich fand,er sähe besser aus als der Schauspieler, den er als Schwuchtel betrachtete.Aber eine tolle Frau hatte er, ja, Mrs. Beatty, eine total scharfe Nummer!
An Gripswar Carl seinem Kumpel Myron eindeutig weit überlegen.Was Myron zu wenig hatte, das hatte er im Überschuß. Im Planen war er unschlagbar. Die genialstenEinfälle kamen ihm ganz von selbst. Außerdem besaß er ein echtes Talent dafür,eine Idee, die zunächst noch ganz nebelhaft war, anzureichern und zum großenEntwurf zu verdichten.
Wäre erbeim Militär gewesen, so wäre er General geworden. Aber selbst diehochrangigsten Offiziere brauchten die gemeinen Soldaten, um ihre Strategienumzusetzen. Daher Myron.
Er hättejeden Kerl in dem Schuppen hier haben können. Myronwar den meisten Leuten unheimlich, sogar abgebrühten Kriminellen. Sie bliebenihm aus dem Weg. Aber Carl, der geborene Führer, zog die Leute an wie einMagnet. Er gehörte mit zu den Alteingesessenen, und das hatte ihm unter derZuchthausbevölkerung eine Menge Einfluß verschafft. Hinzukam sein angeborenes Charisma. Er hätte jeden beliebigen unter den Insassen zumPartner wählen können, allesamt cleverer und bösartiger als Myron- der war nämlich trotz seinen gewalttätigen Tendenzen ein gutmüti-ger Mensch. Aber jeder mit ein bißchenmehr Grips würde Carl Probleme verschaffen.
Er wolltekeinen Partner, der seinen eigenen Kopf hatte und meinte, ihm dreinreden zumüssen. Meinungsverschiedenheiten lenkten einen ab und führten direkt in dieKatastrophe, nämlich dazu, wieder geschnappt zu werden. Alles, was er fürseinen Fluchtplan brauchte, war ein zusätzliches Paar Augen und Ohren sowiejemanden, der schießen konnte und keine Angst hatte, es im Notfall auch zu tun.Myron Hutts erfüllte dieseVoraussetzungen, brauchte also nicht schlau zu sein. Carl war schlau genug fürbeide.
Außerdemwürde er mit Cecil schon Scherereien genug kriegen. Cecil dachte zuviel. Deranalysierte jeden Furz bis zum Gehtnichtmehr. Und während er die Möglichkeitenhin und her drehte, verpaßte er die Gelegenheiten. Erwar so wie der Typ auf der Witzpostkarte, die Carl einmal gesehen hatte: Derhatte dagestanden und den Fotoapparat vor die Augen gehalten, um den Eiffelturmzu fotografieren, während direkt vor seiner Nase eine nackte Französinvorbeimarschierte. Das war Cecil.
Aber Carlwollte jetzt nicht über seinen älteren Bruder nachdenken. Später, wenn erallein war, würde er dafür Zeit haben.
Er lehntesich an den Maschendrahtzaun und ließ seinen Blick über den Hof schweifen.Ständige Wachsamkeit war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Zwanzig Jahre imZuchthaus hatten ihn gelehrt, immer auf der Hut zu sein, um gleich beim erstenAnzeichen von Ärger reagieren zu können. Er hatte eine Menge Einfluß und einen großen Kreis von Freunden, aber war nichtbei allen beliebt.
Drüben aufder anderen Seite des Hofs tummelte sich ein Trupp schwarzer Gewichtheber, dieihre gutgeölten Muskeln spielen ließen und ihn mitblankem Haß anstarrten, bloß weil er nicht einer vonihnen war. Da regten sich die Leute draußen über Bandenkriege, Straßenkämpfeund Vendettas auf. Lachhaft! Keiner, der nicht imKnast gewesen war, hatte von Banden auch nur einen blassen Schimmer. In keinerGesellschaft auf der ganzen beschissenen Welt gab es Ausgrenzung, Polarisierungund Diskriminierung wie in der Zuchthausgesellschaft.
Er hatteMeinungsverschiedenheiten mit den schwarzen Häftlingen gehabt, die zumAustausch von Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten geführt und zwangsläufigdisziplinarische Maßnahmen nach sich gezogen hatten.
Aber wederheute noch an irgendeinem anderen Tag in absehbarer Zukunft würde er sich mit irgend jemandem hier anlegen. Bis zu dem Tag, an dem er und Myron zum Straßenbautrupp abkommandiert würden, wollte CarlHerbold sich vorbildlich benehmen. DasArbeitsprogramm war eine Neueinführung im Rahmen der Gefängnisreform, die essich zum Ziel erklärt hatte, den Häftlingen das Gefühl zu vermitteln, wiedernützliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Die sozialen Aspekteinteressierten ihn natürlich einen Dreck. Ihn interessierte einzig, was es fürihn persönlich bedeutete. Wenn die ihn aufriefen, den Bau hier zu verlassen, umdraußen zu arbeiten, würde er als erster im Bus sitzen.
Und deshalbverhielt er sich ruhig und tat nichts, wodurch er sich bei den Wärternauffällig gemacht hätte. Keine Regelverstöße, keine Prügeleien, nicht einmalWiderspenstigkeit. Wenn er ein Schimpfwort aufschnappte, das gegen ihn gerichtetwar, überhörte er es. Was ihm nicht paßte, übersah er.Neulich nachts hatte er untätig zuschauen müssen, wie Myroneinem Kerl einen blies. Der andere, ein dreckiger Weißer, der seine Frauumgebracht und zwei Jahre seiner lebenslänglichen Strafe abgesessen hatte,hatte Myron mit einer Belohnung gelockt, woraufhinder sich sofort breitschlagen ließ.
Dieaggressiveren Häftlinge versuchten häufig, Myrons Schwachsinnauszunutzen. Im allgemeinen pflegte Carl danneinzugreifen. Aber so kurz vor dem geplanten Ausbruch hatte er das Risiko einesZusammenstoßes nicht eingehen wollen. Außerdem litt Myronwohl nicht allzuviel dabei. Für seine Dienste hatteer eine lebendige Maus bekommen, der er später mit dem langen spitzen Nagelseines kleinen Fingers den Bauch aufschlitzte.()
© Verlag Blanvalet
Übersetzung:Mechthild Sandberg-Ciletti
Nein, faul ist Sandra Brown nun wahrlich nicht, und auch über mangelnden Erfolg kann sie nicht klagen: Gut 70 Romane hat sie verfasst, und seit 1990 schafften alle ihre Bücher den Sprung in die Bestsellerlisten. Insgesamt über 70 Millionen Exemplare ihrer Bücher fanden bisher den Weg zu ihren Lesern, darunter Übersetzungen in insgesamt 33 Sprachen.
Sandra Brown ist bekennende Texanerin: Sie wurde in Waco geboren, wuchs in Fort Worth auf und studierte Anglistik an der Texas Christian University. Bevor sie 1981 mit dem Schreiben begann, hatte sie als Model und beim Fernsehen gearbeitet, wo sie Wettervorhersagen ebenso charmant zu präsentieren wusste wie die Sendung „PM Magazine“. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann Michael Brown in Arlington im Bundesstaat – genau – Texas.
Ob Liebesgeschichte oder Thriller: Man darf auf weitere Bücher der Star-Autorin gespannt sein – vorausgesetzt, sie widersteht auch weiterhin tapfer allen Lockungen des Müßiggangs. Doch wer wollte daran zweifeln?
- Autor: Sandra Brown
- 2002, 508 Seiten, Maße: 11,4 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Mechtild Sandberg-Ciletti
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442357217
- ISBN-13: 9783442357215
4 von 5 Sternen
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