Orsolics Hansi k.o.
Zweimal Box-Europameister, Erster der Weltrangliste, eine Fangemeinde aus Halbwelt und Celebrities: Der einfache Rachfangkehrer aus ärmlichsten Verhältnissen wurde zur Kultfigur! Sigi Bergmann, selbst legendärer Sportreporter und Box-Experte, setzt mit...
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Zweimal Box-Europameister, Erster der Weltrangliste, eine Fangemeinde aus Halbwelt und Celebrities: Der einfache Rachfangkehrer aus ärmlichsten Verhältnissen wurde zur Kultfigur! Sigi Bergmann, selbst legendärer Sportreporter und Box-Experte, setzt mit dieser Biografie seinem Freund Hansi Orsolics ein Denkmal. Einfühlsam gibt er Einblicke in eine sportliche Disziplin, die urtümliche Triebe und Leidenschaften freisetzt.
Orsolics Hansi vonSigi Baumann
LESEPROBE
Ouvertüre zu einem "potscherten Leb'n"
Noch vor einem Jahr hatte ihn niemand gekannt. Dochals sich jetzt Hans Orsolics mit seinem Trainer KarlMarchart in der Wiener Stadthalle durch fanatische Menschenmassen mühsam zumRing durchkämpfte, tobten die Leute, weil sie wussten, da kommt einer von uns.Einer mit kindlichem Geist, tollen Reflexen, muskelbepackt und mit einemriesengroßen Kämpferherz, der bereit war, für ihre Unterhaltung Kopf und Kragenzu riskieren, ihr Spartacus aus Kaisermühlen. Oft waren es 15.000, die wie eingewaltiger gemischter Chor "Hansi-Hansi-Choräle" anstimmten. Die Schüchternheitdes jungen Fighters, der endlich am Ring angelangt war und nun höflich die inden Boxhandschuhen riesig wirkenden Fäuste zum Gruß emporstreckte,brachte die Leute endgültig zum Rasen.
Auch wir Reporter spürten unser Herz in der Brusthämmern, und ein Millionenpublikum vor den Fernsehgeräten, auf das sich dieSchwingungen unserer nervösen Stimmen übertrugen, fieberte zu Hause mit. Sohatte ein Wiener, den sein Trainer leider nur für kurze Zeit bändigen konnte,ein Land der Raunzer zu Boxfanatikern gemacht.
Am Morgen nach einem Orsolics-Fightsah ich oft an Straßenecken, im Kaffeehaus oder in Geschäften Männer inBoxerhaltung herumspringen, Haken und Gerade in die Luft schlagend, umanzudeuten, dass nur sie wussten, wie ihr Hansi den Kampf hätte führen müssen.
Seine Fangemeinde rekrutierte sich aber nicht nur, wiees in diesem Sport üblich ist, aus etwas zwielichtigen Figuren undHalbweltdamen. Da saßen Zuhälter neben Ministern, Liebesdienerinnen nebenHofräten, Kammersängern und Burgschauspielern. Für Film- und Fernsehstars warenOrsolics Kämpfe genauso Pflichttermine wie fürAdabeis und Schicki Mickis. Oft sah ich HelmutQualtinger, Attila Hörbiger, Erika Pluhar, AndréHeller und Kammersänger Otto Edelmann auf ihren Ringsitzen mitfiebern, und alsder knapp 20-Jährige in seinem 13. Profikampf Europameister wurde, starb dergroßartige Burgschauspieler Robert Lindner, der begnadete Anatol, vor Aufregungam Ring.
Es ist etwas ganz anderes, große Boxer in ihrer großenZeit gesehen zu haben, wenn sie Europameister waren und an der Spitze derWeltranglisten standen, als zu einer Zeit, da sie nur noch große Namen sind:Wenn der kleine Mann im grauen Mantel, bescheiden und höflich grüßend, durchdie langen Gänge des ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglbergschlurft, beladen mit Wurstsemmeln, Getränken und Jausenpackerln,die er seinen Kollegen in die Hausdruckerei bringt, dann ahnt man nicht, dasser vor 40 Jahren ein Volksheld war. Viele werden sagen: "Welch hartesSchicksal!" Doch der heute 60-Jährige, der als Hilfsarbeiter seit 20 Jahrenhier in der Hausdruckerei des ORF arbeitet und seine Alkoholabhängigkeit imGriff zu haben scheint, wirkt zufrieden. Mit Geld hat er ja ohnehin nie etwasRichtiges anzufangen gewusst. Nur manchmal bedauert er, dass er zu wenig Geldfür seine geliebten Zigaretten eingesteckt hat. Mit den zirka 850 Euro, die ermonatlich hier verdient, kommt er so recht und schlecht durch. Außerdemarbeitet seine Frau Roswitha in der Wiener Volksoper als Aufräumerin, undzusammen mit einer kleinen Schar von Freunden scheint er sein "patschertes Leben", das er in einem Nummer-1-Hit von Ö3tränenreich besungen hat, doch noch zu bewältigen, obwohl er auch außerhalb desRings schon einige Male knapp vor dem endgültigen K. o. gestanden war.
Orsolics hatte es damals, in seinerguten Zeit, verstanden, einen Platz in den Herzen der Menschen zu erobern, undden verlor er auch dann nicht, als er nach seiner Boxkarriere, allein gelassenvon den tausenden Schulterklopfern und Speichelschleckern, den bitteren Wegdurch Gefängnisse, hohe Schulden -- die heute abgezahlt sind -- undAlkoholexzesse gehen musste.
Auch heute noch spricht man von dem 60-jährigenExboxer wie von einem Kind: "Hansiburli", sagen sie zu ihm. Und das ist nicht nur einKosenamen, sondern auch ein bisschen die Wiener Hinterfotzigkeit, um auszudrücken,dass sie ihn bei aller Sympathie für einen
Menschen halten, der ein sehr kindliches Gemüt besitzt... und das ist noch sehr höflich ausgedrückt!
Gott sei Dank ist die Zeit der Schulterklopferendgültig vorbei, denn wenn man einem Hilfsarbeiter auf die Schulter klopft,ist die Chance, dass eine Kamera dabei ist, relativ gering.
Jetzt - im Alter -- ist eine gute medizinischeBetreuung für Hans besonders wichtig, denn er hat mit seinem Körper ein Lebenlang Schindluder getrieben.
Einer seiner Herzensfreunde ist jetzt derPhysiotherapeut Mohammad Buckla, der ihm im WienerAllgemeinen Krankenhaus alle Türen öffnet, damit sein lädierter Körper, so gutes geht, wieder aufgepäppelt wird. Buckla, selbsteinmal ein guter Boxer in Ägypten, sorgt für ihn vom Essen zu Mittag über dieMassage bis hin zu den Sauerstoffduschen. Professor Nikolakis steht mit seinenAkupunkturkünsten zur Verfügung, und weitere Spezialisten sind gerne zurStelle, wenn sie benötigt werden. Sogar AKH-ChefProfessor Krepler hält über das kleine Boxernest imriesigen AKH seine schützende Hand.
©Seifert Verlag
- Autor: Sigi Bergmann
- 2007, 1., Aufl., 248 Seiten, 52 Abbildungen, Maße: 21,5 x 13,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Seifert
- ISBN-10: 3902406259
- ISBN-13: 9783902406255
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