Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3
Roman. Deutsche Erstausgabe
Gerade als Persephone Alcmedis Leben wieder in geregelten Bahnen verläuft, braut sich die nächste Katastrophe zusammen: Die Feen wollen Sephs rätselhaften Verbündeten, den uralten Vampir Menessos, vernichten. Doch zwischen Seph und Menessos besteht ein...
Leider schon ausverkauft
Taschenbuch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3 “
Klappentext zu „Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3 “
Gerade als Persephone Alcmedis Leben wieder in geregelten Bahnen verläuft, braut sich die nächste Katastrophe zusammen: Die Feen wollen Sephs rätselhaften Verbündeten, den uralten Vampir Menessos, vernichten. Doch zwischen Seph und Menessos besteht ein magisches Band - eine Tatsache, die Seph bislang vor den anderen Hexen geheim gehalten hat. Um Menessos zu schützen braucht Seph die Hilfe ihres Geliebten, des Werwolfs Johnny. Nur gemeinsam kann es ihnen gelingen, die Welt vor der Rache der Feen zu bewahren.
Lese-Probe zu „Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3 “
Feenring von Linda Robertson3
... mehr
Da sie eine Eldrenne war, widersprach ich nicht und wies auch nicht darauf hin, dass es eigentlich unmöglich war, sich bei Tage mit einem Vampir zu unterhalten. Sie würde einen Weg kennen, diese Tatsache auszuhebeln, sonst hätte sie den Vorschlag nicht gemacht. Also gehorchte ich einfach, wechselte aber noch einen raschen Blick mit Johnny. Als ich Xerxadrea behutsam von meiner Veranda führte, ließ Ruya ein verhaltenes Krächzen hören. Xerxadrea flüsterte darauf etwas, das ich nicht verstand.
»Er hat sich da unten eingeschlossen, Xerxadrea.«
»Das kann ich regeln.«
Das konnte ich auch, aber sie war diejenige, die zu ihm wollte, also würde ich es ihr überlassen, uns Zutritt zu verschaffen.
Wir blieben vor der Kellertür stehen. Während die Wolken über uns jeden Augenblick kalten Regen verhießen, spürte ich seine Gegenwart wie den Kuss der Sommersonne auf der Brust.
Xerxadrea schloss ihre seltsamen Augen und hob eine Hand; ihre welken, alten Finger zitterten, als sie so tat, als taste sie die Unterseite der Tür ab. Dann hob sie plötzlich den Kopf und zischte ein einziges Wort. Ich spürte die Macht der Leylinie, die wie ein Karateschlag scharf die Luft durchschnitt.
Sie nickte mir zu. »Jetzt.«
Ich öffnete die entriegelte Tür und wollte ihren Arm nehmen, doch da waberte bereits eine Nebelwolke um ihre Fußknöchel. Also blieb ich zurück, während sie die unsicheren Stufen hinab-schwebte. Als ich sah, dass der eigenartige Dunst sich in dem Augenblick, in dem ihre Füße den Kellerboden berührten, verzog, ging ich ihr nach. Nana musste unbedingt erfahren, wie dieser Trick funktionierte.
Ich zog an der Strippe der Deckenlampe. Menessos hatte sich in den leeren Käfig begeben. Dort lag er nun vollkommen bewegungslos.
Xerxadrea ging auf ihn zu und blieb vor der offenen Käfigtür stehen. Ich beobachtete sie in der Annahme, sie werde, um den Vampir irgendwie bei Tag aufzuwecken, die Leylinie anzapfen.
»Du hast sie gefunden«, sagte Xerxadrea missgelaunt.
Menessos setzte sich. »Ja, und zwar vor dir.« Schon stand er da und bürstete Stroh von seinem maßgeschneiderten Anzug.
Ich war bestürzt. Ich hatte nicht gespürt, dass sie auf die Linie zugegriffen hatte. Ich hatte sie auch keinen Zauber oder sonst etwas flüstern hören. Vielleicht hatte sie das ja gleichzeitig mit dem Öffnen der Kellertür erledigt.
»Wenn sie mir das Taschentuch zurückgibt, übergebe ich dir Ruya.«
Er kam aus dem Zwinger und legte ihr leicht die Hände auf die zarten Schultern. »Diese Wette ist Jahrzehnte alt! Ich verlange keinen Ausgleich mehr. Du brauchst Ruya.« Er fuhr sanft über ihr schneeweißes Haar und einen Teil ihres langen Zopfs. »Ich wollte damals nur, dass du Ruya setzt, weil ich dir wehtun wollte. Aber daran liegt mir nichts mehr.«
»Dann sind deine Wunden besser verheilt als meine«, hauchte sie.
»Ja, und deshalb gibt es keinen Grund, dich zu verletzen. Es ... tut mir leid, Xerxadrea.«
Sie hatten gewettet, wer von ihnen die Lustrata finden würde, und mithilfe des Taschentuchs hatte er seinen Gewinn einstreichen wollen? »Du hast ihr während des Eximiums gesagt, dass ich die Lustrata bin?«
Xerxadrea sagte über die Schulter: »Ich wusste zuerst nicht, welche Kandidatin es war.« Dann schien ihr etwas einzufallen. »Ich sagte dir doch, dass er früher mal eine Schwäche für mich hatte - so wie heute für dich.«
Und ich hatte geglaubt, dass sie einander geliebt hatten oder dass er sie zu seiner Hofhexe hatte machen wollen und fälschlicherweise angenommen, ihre Stellung im Hexenältestenrat WEC unterstreiche ihre Abneigung gegen ihn. Aber davon war anscheinend nie die Rede gewesen. »Er hat dich für die Lustrata gehalten.«
»Das ist lange her«, sagte er und streichelte ihre runzelige Wange.
»Besser du als ich, Persephone.« Sie wandte sich wieder Menessos zu. »Ich habe die Wette verloren. Versprich, dass du Ruya gut behandelst.«
»Ich habe das Taschentuch verbrannt, Xerx.«
»Warum?«
»Weil ich nicht riskieren wollte, dass die Feen es in die Finger bekommen.«
Xerxadrea wich vor ihm zurück. »Das war ein Versehen.« Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, hörte sie sich so alt an, wie sie wirklich war.
»Das weiß ich.« Er sprach sanft, ohne Vorwurf.
Xerxadrea schwieg.
Ich durchbrach das Schweigen, das uns umgab, mit einer Frage: »Wie kam es dazu, dass diese Feen an dich gebunden sind?«
»Das ist eine sehr lange Geschichte.«
»Ich bin geduldig.« Das war gelogen, aber er musste mir die Wahrheit sagen, so oder so.
»Weißt du, was über die Flüche im Kodex steht?«
»Ja. Es war einmal eine Priesterin namens Una, die zwei Liebhaber hatte. Dann trat ein Fremder auf den Plan, der von einem neuen Gott berichtete, sich in sie verliebte und alle drei verfluchte, als sie ihn zurückwies.«
»Ja, aber das meiste gelangte gar nicht in den Kodex. Una und ihre Liebhaber wollten herausfinden, wie sie ihre Flüche brechen konnten«, sagte er. »Mithilfe ihrer Zauberkraft erforschten sie ...« Er hielt inne, offenbar suchte er nach den richtigen Worten, mit denen er mir etwas erklären konnte, das ich wahrscheinlich sowieso nicht verstehen würde. »Sie erforschten verschiedene Astralbezirke und stießen dabei schließlich auf das Feenvolk. Die Feen suchten damals eine neue Heimat.«
»Warum?«
»Die Feen hatten in ihrer Welt einige Fehlentscheidungen getroffen und versuchten, sie zu korrigieren.« Er tat das ab wie eine unwichtige Einzelheit.
»Nicht so ungenau, Menessos. Ich muss einen Krieg verhindern. Was für Fehlentscheidungen hatten sie getroffen?«
»Das spielt wirklich keine Rolle.« Der Vampir begann, auf und ab zu gehen. »Una und ihre Liebhaber kamen überein, den Feen Zutritt zu dieser Welt zu gewähren - als Gegenleistung verlangten sie, dass sie ihre Flüche brächen. Die Feen wussten nicht, wie sie das anstellen sollten, versprachen aber, sie in Tiefenmagie und Zauberei zu unterweisen. Außerdem erklärten sich die Feen einverstanden, ihre magischen Riten zu schützen. Bis sie einen Weg finden würden, die Flüche zu brechen, wurden die vier obersten Feen an Una und ihre Liebhaber gebunden - und so schützen die Mächtigsten die Mächtigsten.«
Eigentlich hatte dieser uralte »Fluch« zu hochinfektiösen Viren geführt: Vampirismus und Lykanthropie. Aber die Wissenschaft hatte die Geschichte ihrer magischen Aura beraubt. Ich sagte: »Heilung gibt es nicht ...«
»Die Ironie der Geschichte ist«, nahm Menessos den Faden wieder auf, »dass Una und ihre Liebhaber ihrerseits ein Geheimnis behüteten, von dem sie jedoch keine Ahnung hatten. Denn sie waren sich des wahren Ausmaßes ihrer Flüche nicht bewusst und kamen erst im Laufe der Jahre dahinter. Weißt du, die Feen meinten nämlich, ihr Band würde mit dem Tod der Sterblichen enden ... bloß, dass einer von ihnen nicht mehr sterblich war.«
»Der Vampir«, sagte ich.
Da verstand ich, was ich nicht wahrhaben wollte. Das Rätsel, das Menessos seit unserem ersten Tag umgeben hatte, war gelöst. Ich starrte ihn wie vom Donner gerührt an.
Menessos war der Hexenkunst mächtig. Er roch nicht wie andere Vampire, und obgleich er seit Tagesbeginn eigentlich hätte »tot« sein müssen, hatte Xerxadrea, um ihn zu wecken, nicht auf die Leylinie zugreifen müssen.
»Du.« Ich hauchte das Wort mehr, als dass ich es sagte.
Als er das Standbein wechselte, schabte sein Fuß über den Beton des Kellerbodens, doch er schwieg.
»Du warst dabei? Du hast sie eingelassen, du ...« Ich bekam kaum noch Luft, mein Herz hämmerte in meiner Brust. »Du warst der Erste, und du bist nie ... nie gestorben.«
Und Menessos lebte immer noch.
4
»Abertausende haben ihr Leben gelassen, um meinen Fluch mit mir zu teilen, doch niemand unter ihnen weiß, was ihr beide jetzt wisst«, sagte Menessos.
Es war unfassbar. Fast zumindest. Xerxadrea hatte gesagt, er habe den Stoff, aus dem diese Welt gewirkt war, getragen, bis er fadenscheinig geworden war. Seit Äonen, hatte sie gesagt. Was ich aber nicht wörtlich genommen hatte.
»Die Feen, die an mich gebunden wurden, gehören zu ihrer Königsfamilie, Persephone. Sie wollten ihre Bande an mich genauso nachdrücklich abstreifen, wie ich vordem meinen Fluch unwirksam machen wollte. Als die Hexen vor vierzig Jahren mit dem Konkordat von Munus einwilligten, sich zum Schutz ihrer Magie lieber auf die Naturkräfte zu verlassen, schwor ich, sie selbst nicht in Anspruch zu nehmen. Das Konkordat war für mich nicht bindend, mein Versprechen war nur eine Geste ... um den Frieden zu wahren.« Menessos sah Xerxadrea an. Etwas Unausgesprochenes ging zwischen ihnen vor.
Friede. Gleichgewicht. Als Lustrata war es an mir, beides herbeizuführen. So oder so war es mir beschieden, dafür zu sorgen, dass Menschen, Hexen, Waere und Vampire lernten, einander zu achten und friedlich nebeneinander zu leben. Was aber nicht bedeutete, dass mich irgendwer darüber aufgeklärt hätte, wie ich das anstellen sollte.
Schicksal war scheiße.
Menessos wandte sich mir zu. »Ich habe meinen Schwur gehalten, Persephone, bis zu der Nacht, in der ich in deinen Zauberkreis getreten bin, um deine Freundin Theodora zu retten. Sie müssen gespürt haben, dass ich mich der Zauberei bediente, und dann irrtümlich angenommen haben, ich würde erneut beginnen, sie herbeizuzitieren. Nun werden sie ihr Band an mich um jeden Preis lösen wollen.«
»Damit bestätigst du unseren Verdacht, dass diese adligen Feen Meister der Arglist sind. Dass sie alles - ins Hexenrevier einfallen, Beverley entführen, das Taschentuch stehlen - nur taten, um die Hexen einzubeziehen. Aber weshalb?«
»Damit sie mich ausliefern - und wenn die Hexen sich weigern, brechen sie einen Krieg vom Zaun.«
»Wozu brauchten sie auch das Taschentuch? Ich meine, alles andere genügte doch, um ihre Kriegspläne voranzutreiben.«
»Wenn sie mit ihren Manipulationen nichts erreichten ...« Menessos hob die Arme und ließ sie wieder sinken, »... kämen sie mit ausreichend Blut von mir womöglich heimlich ans Ziel.«
Xerxadrea legte den Kopf seltsam schief. »Eventuell haben sie aber auch nur die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Das Taschentuch ... die Fee hat mich auf der Suche danach angegriffen.«
»Stimmt«, sagte ich. Ich hatte es selbst gesehen.
»Meine Güte. Dann hat er, als er auf mich losging, nicht nur zufällig etwas gefunden, das ihm nutzen konnte. Er war hinter dem Taschentuch her. Er wusste davon.«
Mir stockte der Atem.
Die Feen hätten nichts davon wissen dürfen.
»Woher?«, wollte Menessos mit zorniger Stimme wissen.
»Irgendwer muss es den Feen während des Eximiums verraten haben«, entgegnete Xerxadrea. »Eine der Kandidatinnen oder der Ältesten steht in Kontakt zu ihnen, jemand, dem wir nicht mehr vertrauen können.« Sie ballte eine Faust. »Wir müssen herausfinden, wer. Wir können uns keinen inneren Feind leisten.«
»Keiner von uns durfte über die Details des Eximiums sprechen. Das mussten alle Kandidatinnen mit ihrem Blut besiegeln. So können wir herausfinden, wer etwas ausgeplaudert hat.«
»Das werde ich tun.« Xerxadreas Lippen waren schmal wie Klingen.
»Außerdem werde ich Goliath recherchieren lassen«, warf Menessos ein. »Er wird herausfinden, wer uns verraten hat, und die Verräterin für immer zum Schweigen bringen.«
»Warte, Menessos«, sagte ich. »Überlass das den Hexen. Das Blutsiegel gibt ihnen das Mittel dazu an die Hand. Goliath nicht.« Goliath Kline war neben manch anderem Menessos' rechte Hand und Sicherheitschef.
»Sie hat recht, Menessos«, sagte Xerxadrea. »Außerdem droht dir nach der Vernichtung des blutigen Tuchs von der Seite keine Gefahr mehr. Die Bedrohung aus unseren Reihen richtet sich gegen Persephone ... und jene in ihrer Obhut.«
Beverley und Nana.
Menessos legte den Kopf schief und wölbte eine walnussfarbene Braue. »Wenn ihr aus euren Reihen Gefahr droht, ist sie unter Meinesgleichen möglicherweise besser dran.«
Xerxadrea dachte einen Augenblick darüber nach und begann dann zu nicken. »Da könnte etwas dran sein.«
Ich sah unbehaglich zuerst sie, dann ihn an. »Was?« »Erus Veneficus«, sagte Menessos.
Ich wusste, dass »Erus Veneficus« »Hexe des Meisters« bedeutete. Manche Hexen dienten Vampiren, was beim WEC jedoch nicht gern gesehen war, da diese Hexen ihre Treue unbestreitbar teilten.
»Ja«, wiederholte Xerxadrea. »Das würde den Rat zwingen, sie vom Haken zu lassen.« Was sich für mich ausgesprochen unerfreulich anhörte. »Außerdem würde es die Vorstellung bekräftigen, du hättest das Sagen und nicht sie.«
Menessos ließ mir einen überraschten Blick zukommen. »Ja, ich habe sie eingeweiht.«
Dann fragte ich Xerxadrea: »Warum ist es wichtig, das zu bekräftigen?«
Obgleich ich meine Frage an Xerxadrea gerichtet hatte, bekam ich die Antwort von Menessos. »Wenn wir aller Welt demonstrieren, dass du mir dienst und sogar die Feen davon überzeugen, werden sie glauben, ich hätte dir befohlen, Cerebrosus zu töten, und mir die Schuld geben.«
»Gut. Nicht, dass ich nicht dankbar dafür wäre, wenn sie mit ihren kleinen Fingerchen auf dich statt auf mich zeigen, aber welchen Unterschied macht das?«
»Auf die Tötung einer adligen Fee stehen Folter und Tod.« »Folter und Tod?« Cerebrosus war an Menessos gebunden gewesen. Er war ein Adliger gewesen, und ich hatte ihn getötet!
»Verdammt!« Eiseskälte fuhr mir in die Magengrube. »Genau.«
»Dir nachzustellen bringt sie ihrem Ziel kein Stück näher, aber sie haben dich schon einmal benutzt, um den WEC ins Visier zu nehmen«, sagte Xerxadrea. »Wenn wir dich auch benutzen, werden die Hexen viel leichter verhandeln können.«
»Wie das?« Ich hatte mich schon beim ersten Mal nicht gerne benutzen lassen und verspürte erst recht keine Lust, mich freiwillig auf eine zweite Runde einzulassen.
»Ich bin der, den sie tot sehen wollen, damit sie sich von ihren Banden befreien können«, erklärte Menessos. »Da werden sie sich die Gelegenheit, dem WEC meine Auslieferung abzuverlangen, nicht entgehen lassen.«
»Der WEC kann sie dazu bringen, dich auszuliefern, um in Sachen Lustrata die Gunst des Rates zu gewinnen.« Xerxadrea blickte entzückt. »So wird's gehen.«
»Augenblick mal«, wandte ich mich an Xerxadrea. »Ich werde Menessos sicher nicht an Feen ausliefern, die ihn vernichten wollen!« Ich drehte mich zu dem Vampir um. »Verdammt, lass sie doch ziehen. Durchschneide die Bande und lass den Dingen ihren Lauf.«
»Wenn es so einfach wäre, hätte ich es schon getan.«
Ich hatte die Chance gehabt, mich von Menessos zu lösen - und mich dagegen entschieden. Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich schnarrte: »Warum ist es nicht so einfach?«
»Weil sie an meine Existenz gebunden sind, Persephone.«
Als mir klar wurde, dass es keinen Ausweg gab, geriet ich in Panik. »Anfangs war mein Leben an dich gebunden. Tu, was ich tat ...«
»Persephone!« Seine flüsternde Stimme beruhigte mich. »Du hast an dem festgehalten, was du bist. Du konntest diesen Preis nicht bezahlen«, sagte Menessos. »Wie kommst du darauf, dass ich es könnte?«
Endlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Das Band umzukehren würde nur bedeuten, dass die Feen sich durch Menessos' Vernichtung davon befreien würden. Ich war zwar seine Herrin, doch meine Unwissenheit bewies, wie wenig ich dieser Rolle gewachsen war. Ich gab mir Mühe, meine Furcht zu beherrschen, und begrub sie irgendwo tief in mir.
In einer besänftigenden, aufrichtigen und unschuldigen Geste, der ich nichts entgegenzusetzen hatte, nahm Menessos meine Arme. Seine Berührung ließ meinen Körper erschauern und erfüllte ihn mit einer Wärme, die wie dickflüssiger Sonnenschein in meine Knochen sickerte. Aus meiner Seele rief es: »Mein!«
»Ihr Tod würde ...« Ich verstummte, als mir aufging, was ich sagen wollte. »Aquula.« Menessos nickte würdevoll. Die Wasserfee hatte mir Beistand geleistet, und sie war in Menessos verliebt. Ich konnte sie unmöglich ermorden. Ich konnte auch niemanden bitten, das für mich zu tun. Nicht mal, um Menessos' Leben zu retten.
»Persephone.«
»Nein«, antwortete ich entschieden. Dann schloss ich Menessos in die Arme und wünschte mir, ihn allein dadurch schützen zu können. »Ich kann nicht zulassen, dass sie dich mir nehmen.«
Menessos genoss meine Umarmung wie einen Triumph. Ich fühlte mich, als kehre ein Teil von mir, an dessen Fehlen ich mich bereits gewöhnt hatte, an seinen Platz zurück. Wir harmonierten so gut ...
»Dass du so erpicht darauf bist, mich zu beschützen, schmeichelt mir«, flüsterte er.
Da fuhr uns Xerxadrea, die seit einigen Minuten geschwiegen hatte, in die Parade. »Komm, Persephone, es wird Zeit, dass wir wieder nach oben gehen.«
Menessos glitt aus meinen Armen und wandte sich wieder dem Zwinger zu, um weiter so zu tun, als sei er tot. Möglicherweise suchte er aber auch echten Schlaf. Schließlich war er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, und normalerweise behielt er seine Gewohnheiten bei.
Nachdem die Kellertür verschlossen war, führte ich Xerxadrea ums Haus. Sie wisperte: »Jetzt müssen wir meinem Lucusi eine gute Show liefern. Ich nehme an, du kennst deine Rolle.«
»Ja.«
»Er muss dich so schnell wie möglich zu seiner Erus Veneficus machen. Dann musst du von hier weg, um die Feen zu überzeugen.« Sie sprach und bewegte sich eilig, als schnaube sie vor Wut. »Sag ihm, er muss sich mit den Medien in Verbindung setzen, damit sie darüber berichten.«
»Warum damit an die Öffentlichkeit gehen?«
»Das gibt uns einen Anlass, uns öffentlich von dir zu distanzieren.« Wir erklommen die Treppenstufen zur Veranda. »In den Medien wirkt alles immer viel plausibler.« Ein Wink genügte, und meine Doppeltür flog auf. Dann rief sie: »Von heute an bist du ausgestoßen!« und ging, als sie das Haus betrat, sofort auf Abstand zu mir. »Hexen! Wir gehen!«
Das Gespräch im Haus verstummte. Im Flur hallten Johnnys Schritte, Nana folgte ihm auf dem Fuß.
»Ab jetzt müssen alle den Kontakt zu dir abbrechen!«, rief Xerxadrea aufgeregt. »Das gilt für jeden!«
»Aber sie ist die Lustrata!«, protestierte Johnny, um mir beizuspringen.
»Möglich«, schnaubte Xerxadrea. »Aber eine so angesehene Hexe würde sich nie als Erus Veneficus missbrauchen lassen!«
Damit richtete sie ihre verschleierten Augen auf mich. Ich schauderte und konnte nichts mehr sagen, mich nicht einmal zum Schein verteidigen.
»Der Vampir hat dich im Griff und drückt dir die Luft ab! Aber ich glaube, noch kannst du dich losreißen. Deshalb werde ich den Rat, so lange ich kann, zurückhalten und dir die Zeit verschaffen, die du brauchst. Normalerweise verhängt der Rat den welken Schleier über eine EV, aber da du behauptest, die Lustrata zu sein, wird er sich nicht so leicht zufriedengeben. Ich vermute, man wird dich mit dem Bann belegen wollen, Kind.«
Derweil schob sich Xerxadreas Gefolge zwischen uns hindurch, griff sich die Hexenbesen und verließ meine Veranda.
»Sobald Menessos vernichtet ist«, ergänzte Xerxadrea, »wird alles wieder gut.«
»Nicht wahr, du hast Angst, Hexe?« Nanas rebellischer, keine Widerworte duldender Tonfall ließ alle aufhorchen. »Ich weiß auch, warum. Wenn du dich den Feen, den Erschaffern deiner geliebten Magie, stellen musst, kannst du nur verlieren. Eine unerträgliche Erniedrigung für eine wie dich.«
Xerxadrea ließ ein kurzes Lächeln sehen, das, als sie keinen Millimeter zurückwich, sofort verging. »Es muss sein, Demeter, und das weißt du. Du wirst dich von ihr fernhalten, bis das alles vorbei ist.«
»Wenn du so schwach bist, dass du bei den ersten Anzeichen von Widerstand die Flucht ergreifst, bist du der Gegenwart der Lustrata nicht würdig, geschweige denn, ihr Haus zu betreten und ihre Gastfreundschaft zu genießen.« Darauf wedelte Nana mit den Armen, als wolle sie eine Schar gackernder Hennen verscheuchen. »Wenn die Sauerei nicht wäre, würde ich euch euer Frühstück wieder auskotzen lassen - und jetzt raus! Raus!«
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Da sie eine Eldrenne war, widersprach ich nicht und wies auch nicht darauf hin, dass es eigentlich unmöglich war, sich bei Tage mit einem Vampir zu unterhalten. Sie würde einen Weg kennen, diese Tatsache auszuhebeln, sonst hätte sie den Vorschlag nicht gemacht. Also gehorchte ich einfach, wechselte aber noch einen raschen Blick mit Johnny. Als ich Xerxadrea behutsam von meiner Veranda führte, ließ Ruya ein verhaltenes Krächzen hören. Xerxadrea flüsterte darauf etwas, das ich nicht verstand.
»Er hat sich da unten eingeschlossen, Xerxadrea.«
»Das kann ich regeln.«
Das konnte ich auch, aber sie war diejenige, die zu ihm wollte, also würde ich es ihr überlassen, uns Zutritt zu verschaffen.
Wir blieben vor der Kellertür stehen. Während die Wolken über uns jeden Augenblick kalten Regen verhießen, spürte ich seine Gegenwart wie den Kuss der Sommersonne auf der Brust.
Xerxadrea schloss ihre seltsamen Augen und hob eine Hand; ihre welken, alten Finger zitterten, als sie so tat, als taste sie die Unterseite der Tür ab. Dann hob sie plötzlich den Kopf und zischte ein einziges Wort. Ich spürte die Macht der Leylinie, die wie ein Karateschlag scharf die Luft durchschnitt.
Sie nickte mir zu. »Jetzt.«
Ich öffnete die entriegelte Tür und wollte ihren Arm nehmen, doch da waberte bereits eine Nebelwolke um ihre Fußknöchel. Also blieb ich zurück, während sie die unsicheren Stufen hinab-schwebte. Als ich sah, dass der eigenartige Dunst sich in dem Augenblick, in dem ihre Füße den Kellerboden berührten, verzog, ging ich ihr nach. Nana musste unbedingt erfahren, wie dieser Trick funktionierte.
Ich zog an der Strippe der Deckenlampe. Menessos hatte sich in den leeren Käfig begeben. Dort lag er nun vollkommen bewegungslos.
Xerxadrea ging auf ihn zu und blieb vor der offenen Käfigtür stehen. Ich beobachtete sie in der Annahme, sie werde, um den Vampir irgendwie bei Tag aufzuwecken, die Leylinie anzapfen.
»Du hast sie gefunden«, sagte Xerxadrea missgelaunt.
Menessos setzte sich. »Ja, und zwar vor dir.« Schon stand er da und bürstete Stroh von seinem maßgeschneiderten Anzug.
Ich war bestürzt. Ich hatte nicht gespürt, dass sie auf die Linie zugegriffen hatte. Ich hatte sie auch keinen Zauber oder sonst etwas flüstern hören. Vielleicht hatte sie das ja gleichzeitig mit dem Öffnen der Kellertür erledigt.
»Wenn sie mir das Taschentuch zurückgibt, übergebe ich dir Ruya.«
Er kam aus dem Zwinger und legte ihr leicht die Hände auf die zarten Schultern. »Diese Wette ist Jahrzehnte alt! Ich verlange keinen Ausgleich mehr. Du brauchst Ruya.« Er fuhr sanft über ihr schneeweißes Haar und einen Teil ihres langen Zopfs. »Ich wollte damals nur, dass du Ruya setzt, weil ich dir wehtun wollte. Aber daran liegt mir nichts mehr.«
»Dann sind deine Wunden besser verheilt als meine«, hauchte sie.
»Ja, und deshalb gibt es keinen Grund, dich zu verletzen. Es ... tut mir leid, Xerxadrea.«
Sie hatten gewettet, wer von ihnen die Lustrata finden würde, und mithilfe des Taschentuchs hatte er seinen Gewinn einstreichen wollen? »Du hast ihr während des Eximiums gesagt, dass ich die Lustrata bin?«
Xerxadrea sagte über die Schulter: »Ich wusste zuerst nicht, welche Kandidatin es war.« Dann schien ihr etwas einzufallen. »Ich sagte dir doch, dass er früher mal eine Schwäche für mich hatte - so wie heute für dich.«
Und ich hatte geglaubt, dass sie einander geliebt hatten oder dass er sie zu seiner Hofhexe hatte machen wollen und fälschlicherweise angenommen, ihre Stellung im Hexenältestenrat WEC unterstreiche ihre Abneigung gegen ihn. Aber davon war anscheinend nie die Rede gewesen. »Er hat dich für die Lustrata gehalten.«
»Das ist lange her«, sagte er und streichelte ihre runzelige Wange.
»Besser du als ich, Persephone.« Sie wandte sich wieder Menessos zu. »Ich habe die Wette verloren. Versprich, dass du Ruya gut behandelst.«
»Ich habe das Taschentuch verbrannt, Xerx.«
»Warum?«
»Weil ich nicht riskieren wollte, dass die Feen es in die Finger bekommen.«
Xerxadrea wich vor ihm zurück. »Das war ein Versehen.« Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, hörte sie sich so alt an, wie sie wirklich war.
»Das weiß ich.« Er sprach sanft, ohne Vorwurf.
Xerxadrea schwieg.
Ich durchbrach das Schweigen, das uns umgab, mit einer Frage: »Wie kam es dazu, dass diese Feen an dich gebunden sind?«
»Das ist eine sehr lange Geschichte.«
»Ich bin geduldig.« Das war gelogen, aber er musste mir die Wahrheit sagen, so oder so.
»Weißt du, was über die Flüche im Kodex steht?«
»Ja. Es war einmal eine Priesterin namens Una, die zwei Liebhaber hatte. Dann trat ein Fremder auf den Plan, der von einem neuen Gott berichtete, sich in sie verliebte und alle drei verfluchte, als sie ihn zurückwies.«
»Ja, aber das meiste gelangte gar nicht in den Kodex. Una und ihre Liebhaber wollten herausfinden, wie sie ihre Flüche brechen konnten«, sagte er. »Mithilfe ihrer Zauberkraft erforschten sie ...« Er hielt inne, offenbar suchte er nach den richtigen Worten, mit denen er mir etwas erklären konnte, das ich wahrscheinlich sowieso nicht verstehen würde. »Sie erforschten verschiedene Astralbezirke und stießen dabei schließlich auf das Feenvolk. Die Feen suchten damals eine neue Heimat.«
»Warum?«
»Die Feen hatten in ihrer Welt einige Fehlentscheidungen getroffen und versuchten, sie zu korrigieren.« Er tat das ab wie eine unwichtige Einzelheit.
»Nicht so ungenau, Menessos. Ich muss einen Krieg verhindern. Was für Fehlentscheidungen hatten sie getroffen?«
»Das spielt wirklich keine Rolle.« Der Vampir begann, auf und ab zu gehen. »Una und ihre Liebhaber kamen überein, den Feen Zutritt zu dieser Welt zu gewähren - als Gegenleistung verlangten sie, dass sie ihre Flüche brächen. Die Feen wussten nicht, wie sie das anstellen sollten, versprachen aber, sie in Tiefenmagie und Zauberei zu unterweisen. Außerdem erklärten sich die Feen einverstanden, ihre magischen Riten zu schützen. Bis sie einen Weg finden würden, die Flüche zu brechen, wurden die vier obersten Feen an Una und ihre Liebhaber gebunden - und so schützen die Mächtigsten die Mächtigsten.«
Eigentlich hatte dieser uralte »Fluch« zu hochinfektiösen Viren geführt: Vampirismus und Lykanthropie. Aber die Wissenschaft hatte die Geschichte ihrer magischen Aura beraubt. Ich sagte: »Heilung gibt es nicht ...«
»Die Ironie der Geschichte ist«, nahm Menessos den Faden wieder auf, »dass Una und ihre Liebhaber ihrerseits ein Geheimnis behüteten, von dem sie jedoch keine Ahnung hatten. Denn sie waren sich des wahren Ausmaßes ihrer Flüche nicht bewusst und kamen erst im Laufe der Jahre dahinter. Weißt du, die Feen meinten nämlich, ihr Band würde mit dem Tod der Sterblichen enden ... bloß, dass einer von ihnen nicht mehr sterblich war.«
»Der Vampir«, sagte ich.
Da verstand ich, was ich nicht wahrhaben wollte. Das Rätsel, das Menessos seit unserem ersten Tag umgeben hatte, war gelöst. Ich starrte ihn wie vom Donner gerührt an.
Menessos war der Hexenkunst mächtig. Er roch nicht wie andere Vampire, und obgleich er seit Tagesbeginn eigentlich hätte »tot« sein müssen, hatte Xerxadrea, um ihn zu wecken, nicht auf die Leylinie zugreifen müssen.
»Du.« Ich hauchte das Wort mehr, als dass ich es sagte.
Als er das Standbein wechselte, schabte sein Fuß über den Beton des Kellerbodens, doch er schwieg.
»Du warst dabei? Du hast sie eingelassen, du ...« Ich bekam kaum noch Luft, mein Herz hämmerte in meiner Brust. »Du warst der Erste, und du bist nie ... nie gestorben.«
Und Menessos lebte immer noch.
4
»Abertausende haben ihr Leben gelassen, um meinen Fluch mit mir zu teilen, doch niemand unter ihnen weiß, was ihr beide jetzt wisst«, sagte Menessos.
Es war unfassbar. Fast zumindest. Xerxadrea hatte gesagt, er habe den Stoff, aus dem diese Welt gewirkt war, getragen, bis er fadenscheinig geworden war. Seit Äonen, hatte sie gesagt. Was ich aber nicht wörtlich genommen hatte.
»Die Feen, die an mich gebunden wurden, gehören zu ihrer Königsfamilie, Persephone. Sie wollten ihre Bande an mich genauso nachdrücklich abstreifen, wie ich vordem meinen Fluch unwirksam machen wollte. Als die Hexen vor vierzig Jahren mit dem Konkordat von Munus einwilligten, sich zum Schutz ihrer Magie lieber auf die Naturkräfte zu verlassen, schwor ich, sie selbst nicht in Anspruch zu nehmen. Das Konkordat war für mich nicht bindend, mein Versprechen war nur eine Geste ... um den Frieden zu wahren.« Menessos sah Xerxadrea an. Etwas Unausgesprochenes ging zwischen ihnen vor.
Friede. Gleichgewicht. Als Lustrata war es an mir, beides herbeizuführen. So oder so war es mir beschieden, dafür zu sorgen, dass Menschen, Hexen, Waere und Vampire lernten, einander zu achten und friedlich nebeneinander zu leben. Was aber nicht bedeutete, dass mich irgendwer darüber aufgeklärt hätte, wie ich das anstellen sollte.
Schicksal war scheiße.
Menessos wandte sich mir zu. »Ich habe meinen Schwur gehalten, Persephone, bis zu der Nacht, in der ich in deinen Zauberkreis getreten bin, um deine Freundin Theodora zu retten. Sie müssen gespürt haben, dass ich mich der Zauberei bediente, und dann irrtümlich angenommen haben, ich würde erneut beginnen, sie herbeizuzitieren. Nun werden sie ihr Band an mich um jeden Preis lösen wollen.«
»Damit bestätigst du unseren Verdacht, dass diese adligen Feen Meister der Arglist sind. Dass sie alles - ins Hexenrevier einfallen, Beverley entführen, das Taschentuch stehlen - nur taten, um die Hexen einzubeziehen. Aber weshalb?«
»Damit sie mich ausliefern - und wenn die Hexen sich weigern, brechen sie einen Krieg vom Zaun.«
»Wozu brauchten sie auch das Taschentuch? Ich meine, alles andere genügte doch, um ihre Kriegspläne voranzutreiben.«
»Wenn sie mit ihren Manipulationen nichts erreichten ...« Menessos hob die Arme und ließ sie wieder sinken, »... kämen sie mit ausreichend Blut von mir womöglich heimlich ans Ziel.«
Xerxadrea legte den Kopf seltsam schief. »Eventuell haben sie aber auch nur die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Das Taschentuch ... die Fee hat mich auf der Suche danach angegriffen.«
»Stimmt«, sagte ich. Ich hatte es selbst gesehen.
»Meine Güte. Dann hat er, als er auf mich losging, nicht nur zufällig etwas gefunden, das ihm nutzen konnte. Er war hinter dem Taschentuch her. Er wusste davon.«
Mir stockte der Atem.
Die Feen hätten nichts davon wissen dürfen.
»Woher?«, wollte Menessos mit zorniger Stimme wissen.
»Irgendwer muss es den Feen während des Eximiums verraten haben«, entgegnete Xerxadrea. »Eine der Kandidatinnen oder der Ältesten steht in Kontakt zu ihnen, jemand, dem wir nicht mehr vertrauen können.« Sie ballte eine Faust. »Wir müssen herausfinden, wer. Wir können uns keinen inneren Feind leisten.«
»Keiner von uns durfte über die Details des Eximiums sprechen. Das mussten alle Kandidatinnen mit ihrem Blut besiegeln. So können wir herausfinden, wer etwas ausgeplaudert hat.«
»Das werde ich tun.« Xerxadreas Lippen waren schmal wie Klingen.
»Außerdem werde ich Goliath recherchieren lassen«, warf Menessos ein. »Er wird herausfinden, wer uns verraten hat, und die Verräterin für immer zum Schweigen bringen.«
»Warte, Menessos«, sagte ich. »Überlass das den Hexen. Das Blutsiegel gibt ihnen das Mittel dazu an die Hand. Goliath nicht.« Goliath Kline war neben manch anderem Menessos' rechte Hand und Sicherheitschef.
»Sie hat recht, Menessos«, sagte Xerxadrea. »Außerdem droht dir nach der Vernichtung des blutigen Tuchs von der Seite keine Gefahr mehr. Die Bedrohung aus unseren Reihen richtet sich gegen Persephone ... und jene in ihrer Obhut.«
Beverley und Nana.
Menessos legte den Kopf schief und wölbte eine walnussfarbene Braue. »Wenn ihr aus euren Reihen Gefahr droht, ist sie unter Meinesgleichen möglicherweise besser dran.«
Xerxadrea dachte einen Augenblick darüber nach und begann dann zu nicken. »Da könnte etwas dran sein.«
Ich sah unbehaglich zuerst sie, dann ihn an. »Was?« »Erus Veneficus«, sagte Menessos.
Ich wusste, dass »Erus Veneficus« »Hexe des Meisters« bedeutete. Manche Hexen dienten Vampiren, was beim WEC jedoch nicht gern gesehen war, da diese Hexen ihre Treue unbestreitbar teilten.
»Ja«, wiederholte Xerxadrea. »Das würde den Rat zwingen, sie vom Haken zu lassen.« Was sich für mich ausgesprochen unerfreulich anhörte. »Außerdem würde es die Vorstellung bekräftigen, du hättest das Sagen und nicht sie.«
Menessos ließ mir einen überraschten Blick zukommen. »Ja, ich habe sie eingeweiht.«
Dann fragte ich Xerxadrea: »Warum ist es wichtig, das zu bekräftigen?«
Obgleich ich meine Frage an Xerxadrea gerichtet hatte, bekam ich die Antwort von Menessos. »Wenn wir aller Welt demonstrieren, dass du mir dienst und sogar die Feen davon überzeugen, werden sie glauben, ich hätte dir befohlen, Cerebrosus zu töten, und mir die Schuld geben.«
»Gut. Nicht, dass ich nicht dankbar dafür wäre, wenn sie mit ihren kleinen Fingerchen auf dich statt auf mich zeigen, aber welchen Unterschied macht das?«
»Auf die Tötung einer adligen Fee stehen Folter und Tod.« »Folter und Tod?« Cerebrosus war an Menessos gebunden gewesen. Er war ein Adliger gewesen, und ich hatte ihn getötet!
»Verdammt!« Eiseskälte fuhr mir in die Magengrube. »Genau.«
»Dir nachzustellen bringt sie ihrem Ziel kein Stück näher, aber sie haben dich schon einmal benutzt, um den WEC ins Visier zu nehmen«, sagte Xerxadrea. »Wenn wir dich auch benutzen, werden die Hexen viel leichter verhandeln können.«
»Wie das?« Ich hatte mich schon beim ersten Mal nicht gerne benutzen lassen und verspürte erst recht keine Lust, mich freiwillig auf eine zweite Runde einzulassen.
»Ich bin der, den sie tot sehen wollen, damit sie sich von ihren Banden befreien können«, erklärte Menessos. »Da werden sie sich die Gelegenheit, dem WEC meine Auslieferung abzuverlangen, nicht entgehen lassen.«
»Der WEC kann sie dazu bringen, dich auszuliefern, um in Sachen Lustrata die Gunst des Rates zu gewinnen.« Xerxadrea blickte entzückt. »So wird's gehen.«
»Augenblick mal«, wandte ich mich an Xerxadrea. »Ich werde Menessos sicher nicht an Feen ausliefern, die ihn vernichten wollen!« Ich drehte mich zu dem Vampir um. »Verdammt, lass sie doch ziehen. Durchschneide die Bande und lass den Dingen ihren Lauf.«
»Wenn es so einfach wäre, hätte ich es schon getan.«
Ich hatte die Chance gehabt, mich von Menessos zu lösen - und mich dagegen entschieden. Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich schnarrte: »Warum ist es nicht so einfach?«
»Weil sie an meine Existenz gebunden sind, Persephone.«
Als mir klar wurde, dass es keinen Ausweg gab, geriet ich in Panik. »Anfangs war mein Leben an dich gebunden. Tu, was ich tat ...«
»Persephone!« Seine flüsternde Stimme beruhigte mich. »Du hast an dem festgehalten, was du bist. Du konntest diesen Preis nicht bezahlen«, sagte Menessos. »Wie kommst du darauf, dass ich es könnte?«
Endlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Das Band umzukehren würde nur bedeuten, dass die Feen sich durch Menessos' Vernichtung davon befreien würden. Ich war zwar seine Herrin, doch meine Unwissenheit bewies, wie wenig ich dieser Rolle gewachsen war. Ich gab mir Mühe, meine Furcht zu beherrschen, und begrub sie irgendwo tief in mir.
In einer besänftigenden, aufrichtigen und unschuldigen Geste, der ich nichts entgegenzusetzen hatte, nahm Menessos meine Arme. Seine Berührung ließ meinen Körper erschauern und erfüllte ihn mit einer Wärme, die wie dickflüssiger Sonnenschein in meine Knochen sickerte. Aus meiner Seele rief es: »Mein!«
»Ihr Tod würde ...« Ich verstummte, als mir aufging, was ich sagen wollte. »Aquula.« Menessos nickte würdevoll. Die Wasserfee hatte mir Beistand geleistet, und sie war in Menessos verliebt. Ich konnte sie unmöglich ermorden. Ich konnte auch niemanden bitten, das für mich zu tun. Nicht mal, um Menessos' Leben zu retten.
»Persephone.«
»Nein«, antwortete ich entschieden. Dann schloss ich Menessos in die Arme und wünschte mir, ihn allein dadurch schützen zu können. »Ich kann nicht zulassen, dass sie dich mir nehmen.«
Menessos genoss meine Umarmung wie einen Triumph. Ich fühlte mich, als kehre ein Teil von mir, an dessen Fehlen ich mich bereits gewöhnt hatte, an seinen Platz zurück. Wir harmonierten so gut ...
»Dass du so erpicht darauf bist, mich zu beschützen, schmeichelt mir«, flüsterte er.
Da fuhr uns Xerxadrea, die seit einigen Minuten geschwiegen hatte, in die Parade. »Komm, Persephone, es wird Zeit, dass wir wieder nach oben gehen.«
Menessos glitt aus meinen Armen und wandte sich wieder dem Zwinger zu, um weiter so zu tun, als sei er tot. Möglicherweise suchte er aber auch echten Schlaf. Schließlich war er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, und normalerweise behielt er seine Gewohnheiten bei.
Nachdem die Kellertür verschlossen war, führte ich Xerxadrea ums Haus. Sie wisperte: »Jetzt müssen wir meinem Lucusi eine gute Show liefern. Ich nehme an, du kennst deine Rolle.«
»Ja.«
»Er muss dich so schnell wie möglich zu seiner Erus Veneficus machen. Dann musst du von hier weg, um die Feen zu überzeugen.« Sie sprach und bewegte sich eilig, als schnaube sie vor Wut. »Sag ihm, er muss sich mit den Medien in Verbindung setzen, damit sie darüber berichten.«
»Warum damit an die Öffentlichkeit gehen?«
»Das gibt uns einen Anlass, uns öffentlich von dir zu distanzieren.« Wir erklommen die Treppenstufen zur Veranda. »In den Medien wirkt alles immer viel plausibler.« Ein Wink genügte, und meine Doppeltür flog auf. Dann rief sie: »Von heute an bist du ausgestoßen!« und ging, als sie das Haus betrat, sofort auf Abstand zu mir. »Hexen! Wir gehen!«
Das Gespräch im Haus verstummte. Im Flur hallten Johnnys Schritte, Nana folgte ihm auf dem Fuß.
»Ab jetzt müssen alle den Kontakt zu dir abbrechen!«, rief Xerxadrea aufgeregt. »Das gilt für jeden!«
»Aber sie ist die Lustrata!«, protestierte Johnny, um mir beizuspringen.
»Möglich«, schnaubte Xerxadrea. »Aber eine so angesehene Hexe würde sich nie als Erus Veneficus missbrauchen lassen!«
Damit richtete sie ihre verschleierten Augen auf mich. Ich schauderte und konnte nichts mehr sagen, mich nicht einmal zum Schein verteidigen.
»Der Vampir hat dich im Griff und drückt dir die Luft ab! Aber ich glaube, noch kannst du dich losreißen. Deshalb werde ich den Rat, so lange ich kann, zurückhalten und dir die Zeit verschaffen, die du brauchst. Normalerweise verhängt der Rat den welken Schleier über eine EV, aber da du behauptest, die Lustrata zu sein, wird er sich nicht so leicht zufriedengeben. Ich vermute, man wird dich mit dem Bann belegen wollen, Kind.«
Derweil schob sich Xerxadreas Gefolge zwischen uns hindurch, griff sich die Hexenbesen und verließ meine Veranda.
»Sobald Menessos vernichtet ist«, ergänzte Xerxadrea, »wird alles wieder gut.«
»Nicht wahr, du hast Angst, Hexe?« Nanas rebellischer, keine Widerworte duldender Tonfall ließ alle aufhorchen. »Ich weiß auch, warum. Wenn du dich den Feen, den Erschaffern deiner geliebten Magie, stellen musst, kannst du nur verlieren. Eine unerträgliche Erniedrigung für eine wie dich.«
Xerxadrea ließ ein kurzes Lächeln sehen, das, als sie keinen Millimeter zurückwich, sofort verging. »Es muss sein, Demeter, und das weißt du. Du wirst dich von ihr fernhalten, bis das alles vorbei ist.«
»Wenn du so schwach bist, dass du bei den ersten Anzeichen von Widerstand die Flucht ergreifst, bist du der Gegenwart der Lustrata nicht würdig, geschweige denn, ihr Haus zu betreten und ihre Gastfreundschaft zu genießen.« Darauf wedelte Nana mit den Armen, als wolle sie eine Schar gackernder Hennen verscheuchen. »Wenn die Sauerei nicht wäre, würde ich euch euer Frühstück wieder auskotzen lassen - und jetzt raus! Raus!«
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
... weniger
Autoren-Porträt von Linda Robertson
Neben ihrer Tätigkeit als Autorin beschäftigt sich Linda Robertson auch mit Malerei und Musik. Sie spielt Piano und E-Gitarre. Derzeit arbeitet sie an der Fortsetzung der Serie um die Hexe Persephone.
Bibliographische Angaben
- Autor: Linda Robertson
- 2012, 1. Aufl., 384 Seiten, Maße: 12,3 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Ralf Schmitz
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802583531
- ISBN-13: 9783802583537
- Erscheinungsdatum: 08.05.2012
Kommentar zu "Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3"
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Feenring / Persephone Alcmedi Bd.3".
Kommentar verfassen