Pressing
Kriminalroman
Alles erlaubt außer Blutgrätsche
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Pressing “
Alles erlaubt außer Blutgrätsche
Klappentext zu „Pressing “
Großes Geld, große Eitelkeiten und ein dichtes Geflecht an Interessen: Das zeichnet die schönste Nebensache der Welt aus, in Bayern noch mehr als anderswo. Aber Tote auf dem Rasen - das ist selbst hier neu. Eindeutig ein Fall für Mader, Hummel & Co.Pressing ist kein Ort in Niederbayern, sondern heißt beim Fußball: alles nach vorn, Risiko, Tempo, Druck! Kommissar Hummel war gerade mit dem Sohnemann seiner neuen Angebeteten Karla in der Allianz-Arena, da wurde er schon wieder unfreiwillig Zeuge eines spontanen Todesfalls. Und mit ihm das ganze Stadion: Denn Star-Fußballer Duvic brach vor der Südkurve - vor den Augen von 70.000 tobenden Fans - zusammen: tot.Risiko, Tempo, Druck verspürt auch bald das Ermittlerteam um Kriminalkommissar Mader, das den Fall übernimmt. Denn so tiefe Einblicke in die schräge Halbwelt des Fußballs wollten sie eigentlich gar nicht.
Lese-Probe zu „Pressing “
Pressing von Harry KämmererPOKAL!
»Die Spieler kommen aus den Kabinen. DFB-Pokal! 1860 gegen Aichach 05 aus der Regionalliga. Ja, ein kleines Wunder: Aichach 05 in der großen Arena. Aichach musste kurzfristig auf sein Heimrecht verzichten: Fliegerbombe unter dem Rasen. Aber es könnte nicht schöner sein. Ein wunderbarer Augusttag, fast vierzigtausend Zuschauer, Partystimmung. Was wird geboten nach dieser rustikalen ersten Spielhälfte in der Münchner Arena? Aichach hat die erste Halbzeit dominiert. Hartes Pressing. Es steht 1:0 durch Lucijan Djuvic. Der Stürmer von 05 war bisher der auffälligste Mann am Platz. Großes Laufpensum, viel Druck, Rieseneinsatz.
Anstoß 60. Halfar zu Lauth. Lauth zurück in die Abwehr. Vallori auf Bierofka. Der legt quer zu Stoppelkamp. Dazwischen ein Spieler von Aichach. Weg ist der Ball: Tschinga, der kleine Koreaner. Wieselflink. Zieht ab. Nein, die Kugel landet bei Aygün. Schiebt den Ball lässig zu Halfar durch. Und zurück. Wieder auf Halfar. Schön, dass die Sechzger so lange den Ball halten. Aber wozu? Der Strafraum von 05 ist meilenweit entfernt. Jetzt tritt Halfar an. Gute Aktion. Geht doch! Nein. Zurück zu
Aygün. Aygün überlegt lange - zu lange, erste Pfiffe. Das
ist ein Ko-Spiel! Pokal! Kein Standfußball! Wenn 60 das Ding nicht klarmacht, sind die schon in der ersten Runde raus. Präzises Zuspiel auf Lauth. Der lässt zwei Spieler stehen, durchbricht die löcherige Abwehr von 05, wuchtiger Schuss aus fünfzehn Metern, Miller bringt die Fäuste gerade noch hoch. Ball im Toraus. Bombenstimmung im Stadion.
... mehr
Ecke 60. Lauth legt sich den Ball zurecht. Gerangel im Strafraum von 05, jetzt geht Djuvic dazwischen. Der groß gewachsene Mittelstürmer von 05. Was hat der im eigenen Strafraum verloren? Konter! Djuvic fliegt über den Rasen, dribbelt Bierofka und Bülow aus, Feick versucht ihn zu stoppen. Wahnsinn! Getunnelt. Djuvic stürmt weiter, Aygün und Schindler bauen sich vor ihm auf. Warum geht kein 05er mit nach vorn?! Was für ein Konter! Djuvic verspringt der Ball, er bringt ihn unter Kontrolle, legt ihn sich vor, sein rechter Fuß schnellt ... Djuvic stürzt. Die Kugel kullert in die Arme von Király.
Djuvic bleibt liegen. Was ist da los?«
TILT
Lucijan Djuvic - oder Lucky, wie ihn seine Freunde nennen - lag einfach da. Hörte kaum den ganzen Lärm, die Pfiffe, die Schreie. Irgendwer tippte ihm an die Schulter.
Ganz weit weg.
»Lucky, was ist los?«, vernahm er eine Stimme, die ihm entfernt vertraut erschien. Sein Trainer? ›Nichts‹, hätte er gerne geantwortet. Denn er spürte weder die Feuchte des Rasens noch die Abendhitze des Augusttags. Keine Schmerzen. Gar nichts. Und jetzt kam tatsächlich das Nichts. Tilt.
»Schau da nicht hin, Paul!«, sagte Hummel.
Der Zehnjährige, der neben ihm in Block 123, Reihe 12 in der Allianz Arena saß, starrte fasziniert zu der Menschentraube auf dem Spielfeld. Wohin denn sonst?
»Was hat der Mann?«, fragte Paul.
»Vielleicht nur einen Hitzschlag.«
Der Sanitäter unten auf dem Platz prüfte Puls, Atmung, hob die Augenlider des Fußballers. Keine Reaktion. »Herzinfarkt«, prognostizierte er.
»Schmarrn!«, giftete der Trainer. »Der Lucky ist top
fit!« »Der war schon mal fitter. Der ist tot.«
»Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt!« Der Mannschaftsarzt von 1860 drängte sich durch die Spieler des FC Aichach. Besah sich Djuvics Augen, betastete Stirn und Brust. Inzwischen quoll weißer Schaum aus seinem Mund. »Interessant.«
Im Stadion war es totenstill.
Bis die Ansage des Stadionsprechers kam. Er informierte die Zuschauer, dass aufgrund des tragischen »Personenunfalls « das Spiel abgebrochen und »zu einem späteren Zeitpunkt« nachgeholt werde. Keine Proteste. Interessierte Stille. Kam schließlich nicht jeden Tag vor, dass man bei so was live dabei war.
Hummel und Paul stiegen die Tribüne hoch zum Ausgang.
»Wow, mein erster Toter!«, sagte Paul. »Hast du schon mal einen Toten gesehen?«
»Ähem, ja.«
»Wann?«
»Hat dir Karla nicht gesagt, was ich arbeite?«
»Doch. Du bist Polizist.«
»Na, eben.«
»Du regelst den Verkehr, kommst, wenn die Nachbarn sich streiten.«
»Nur wenn nach dem Streit einer tot ist.«
»Echt? Passiert das oft?«
»Manchmal.«
»Cool.«
»Kommt drauf an.«
»Du, Klaus, ich hab Hunger auf einen Hotdog. Und da drüben gibt's Sechzger-Schals.«
»Ich denk, du bist Bayern-Fan?«
»Notfalls auch 60. Für Bayern kriegt man ja eh keine Karten.«
»Hey, das ist DFB-Pokal!«
»Ja, 60 gegen Aichach. Elend trifft Elend.«
PAMPERS
Zankl fluchte vor dem Fernseher. Jetzt hatte er seit Menschengedenken seinen ersten freien Tag ohne Familie - Conny war mit Clarissa bei ihrer Mutter - und wollte
den Mittwochabend gemütlich mit einer Flasche Bier vor der Glotze verbringen, da brachen sie das Pokalspiel ab! Nicht, dass er Fan von 1860 wäre, aber dass sich die von den Burschen aus Aichach aus dem Pokal schmeißen ließen - das ging auch nicht. Das wäre die Sensation gewesen! »Tja, Sport ist Mord«, murmelte Zankl. Er trank die Bierflasche aus und rülpste laut. Was sollte er mit dem angebrochenen Abend machen? Zankl zappte lustlos durch die Programme. Als er eine Pampers-Werbung erwischte, schaltete er aus.
VIERUNDZWANZIG
Mader und Dosi steckten kurz vor Fröttmaning im Stau. Sie waren auf dem Rückweg von einer Fortbildung in Nürnberg. Neue Erkenntnisse in der DNA-Analyse. Dazu hatte Günther sie verdonnert. Fortbildung war momentan Günthers großes Thema. Ein Wissenschaftsteam arbeitete mit Fördermitteln des Innenministeriums an neuen Analysemethoden, lauter hoch engagierte Nerds. Wenn er an diesen Professor Breitenbach dachte - so ein Faun!
Aber dieser mobile Blitztest zum Einsatz vor Ort war schon gut. Datenabgleich via Internet. Große Chance für entlegene Tatorte und ländliche Bereiche, weil man Spuren viel schneller auswerten konnte und nicht erst tagelang auf die Ergebnisse warten musste.
Mader sah zu Dosi, die am Steuer des Dienst-BMW saß. Er dachte an den gestrigen Abend und grinste. Dosi hatte im Gasthaus Zum Hirschen sage und schreibe vierundzwanzig Nürnberger Rostbratwürste verdrückt. Vierundzwanzig! »Des is ja nur a kleiner Finger!«, hatte sie gesagt, als sie das erste Würstl mit der Gabel aufgespießt hatte. Trotzdem, Mader hatte gerade mal zwölf geschafft. Und Dosi hatte das Ganze noch abgerundet mit einer Riesenladung Sauerkraut und zwei Semmeln. ›Respekt!‹
»Kruzifünferl, fahrts zu! Was ist da los?«, fluchte Dosi über den stockenden Verkehr.
»Fußball«, sagte Mader und deutete zur blauen Schüssel vor glutrotem Himmel.
»Das ist doch normal erst um neun aus.«
»Offenbar nicht.«
»Doch, Fränki ist heute im Stadion. 60 gegen Aichach. DFB-Pokal. Anpfiff um sieben.«
Im Schritttempo fuhren sie auf eine Fußgängerüberführung zu, über die sich eine Menschenkolonne schob.
»Hey, da ist Hummel!«, rief Dosi. »Da, der mit dem Buben.«
In diesem Moment fuhren sie unter die Brücke.
»Seit wann hat Hummel einen Sohn?«, meinte Mader.
»Wissen wir's?«
LEBHAFT
»Warum nehmen wir nicht die U-Bahn?«, moserte Paul.
»Weil die zu voll ist. Wir nehmen den Bus und steigen am Scheidplatz in die Tram.«
»Das dauert eine Ewigkeit. Und außerdem stinkt's hier!«
»Das ist die Kläranlage.«
»In der U-Bahn stinkt's nicht.«
»Von wegen.«
Hummel dachte an den Typen, der bei der Hinfahrt im überfüllten Waggon auf den Boden gekotzt hatte, und daran, wie er gerade noch zur Seite springen konnte. Den sauren Geruch und die Achselschweißschwaden der Fußballfans in ihren Plastiktrikots hatte er noch lebhaft in der Nase. So viel Körperkontakt war er als Radfahrer nicht gewohnt. »Jetzt komm, Paul. Leg einen Zahn zu,sonst verpassen wir den Bus. Und dann kriegen wir Ärger mit deiner Mama.«
»Das Spiel wäre bis neun gegangen. Außerdem sind Ferien!«
»Trotzdem.«
»Aber ich krieg in der Stadt schon noch ein Eis!«
PROFIVEREIN
Zlatan war beschissen gelaunt. Heute Morgen hatte er festgestellt, dass sein Auto geknackt worden war. Die Kisten im Heck seines Minivans standen anders. Das Navi hatte er abends zum Glück mitgenommen. Er ärgerte sich über sich selbst. Er konnte die Vitaminpräparate nicht einfach über Nacht im Auto lassen. Würde ihm nicht noch mal passieren. Und jetzt war er sauer, weil er nicht im Stadion sein konnte, sondern das Lager in der Boutique seiner Frau umräumen musste. Wasserschaden. Ausgerechnet heute! Und Sabrina hatte nicht mal ein Radio im Laden, schöner Mist. Bis zur Halbzeitpause hatte er immer wieder sein Smartphone gecheckt. Aichach schlug sich beachtlich. 1:0. Lucky hatte offenbar einen guten Tag.
Zlatan grunzte. So, das Lager war umgeräumt, das defekte Wasserrohr musste sich der Klempner morgen früh ansehen. Jetzt suchte er noch den Karton mit seiner Bestellung. Bei der Räumerei waren die Sachen ein bisschen durcheinandergeraten. Er ließ sein Messer aufschnappen und knöpfte sich den ersten Karton vor. Mit einem schnellen Schnitt teilte er das Klebeband der Länge nach und griff in den Karton. Seine Hand kam mit neonfarbenen Bikinioberteilen wieder heraus. Schaumstoff gefüllte Körbchen in Türkis, Orange und Zitrone. Farben der Saison, die gerade gelaufen war. Wer kaufte jetzt im August noch Bikinis? »Superschnäppchen«, hatte Sabrina behauptet. Zlatan schüttelte den Kopf und pfefferte die Stoffbonbons wieder in den Karton. Er öffnete einen Karton nach dem anderen, und im vorletzten fand er, was er suchte. Fußballtrikots in Rotblau. Sportfreunde Obergiesing. Er zählte sie durch und drapierte auf dem Boden ein Männchen. Hose, Trikot, Stutzen. Plötzlich ging die Ladentür auf. Zlatan griff zum Messer.
»Was wird das?«, pfiff ihn seine Frau an und deutete auf die offenen Kartons.
Er ließ das Messer sinken.
»Äh ...« Zlatan deutete hilflos auf die Trikots. »Das ist meins. Gerade gekommen.«
»Du und dein blöder Fußball.«
»Guckst du, Sabrina!« Er hielt das Trikot mit der »10« hoch. Auf der Brust stand in großen Lettern: Sabrina's Buttique. Er strahlte. »Sponsoring. Wie Profiverein.«
»Profi ... Dein Sponsoring ist der letzte Mist.«
»Wieso sagst du das?«
»Weil die nicht mal wissen, wie man ›Boutique‹ schreibt.«
Zlatan sah sie erstaunt an, dann das Trikot: »Goran ist eine Trottel! Macht er mir neu! Zum Schreiben zu blöd!«
»Zlatan, jetzt komm endlich, die Kinder sitzen draußen im Auto. Die müssen ins Bett!«
© Graf Verlag
Ecke 60. Lauth legt sich den Ball zurecht. Gerangel im Strafraum von 05, jetzt geht Djuvic dazwischen. Der groß gewachsene Mittelstürmer von 05. Was hat der im eigenen Strafraum verloren? Konter! Djuvic fliegt über den Rasen, dribbelt Bierofka und Bülow aus, Feick versucht ihn zu stoppen. Wahnsinn! Getunnelt. Djuvic stürmt weiter, Aygün und Schindler bauen sich vor ihm auf. Warum geht kein 05er mit nach vorn?! Was für ein Konter! Djuvic verspringt der Ball, er bringt ihn unter Kontrolle, legt ihn sich vor, sein rechter Fuß schnellt ... Djuvic stürzt. Die Kugel kullert in die Arme von Király.
Djuvic bleibt liegen. Was ist da los?«
TILT
Lucijan Djuvic - oder Lucky, wie ihn seine Freunde nennen - lag einfach da. Hörte kaum den ganzen Lärm, die Pfiffe, die Schreie. Irgendwer tippte ihm an die Schulter.
Ganz weit weg.
»Lucky, was ist los?«, vernahm er eine Stimme, die ihm entfernt vertraut erschien. Sein Trainer? ›Nichts‹, hätte er gerne geantwortet. Denn er spürte weder die Feuchte des Rasens noch die Abendhitze des Augusttags. Keine Schmerzen. Gar nichts. Und jetzt kam tatsächlich das Nichts. Tilt.
»Schau da nicht hin, Paul!«, sagte Hummel.
Der Zehnjährige, der neben ihm in Block 123, Reihe 12 in der Allianz Arena saß, starrte fasziniert zu der Menschentraube auf dem Spielfeld. Wohin denn sonst?
»Was hat der Mann?«, fragte Paul.
»Vielleicht nur einen Hitzschlag.«
Der Sanitäter unten auf dem Platz prüfte Puls, Atmung, hob die Augenlider des Fußballers. Keine Reaktion. »Herzinfarkt«, prognostizierte er.
»Schmarrn!«, giftete der Trainer. »Der Lucky ist top
fit!« »Der war schon mal fitter. Der ist tot.«
»Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt!« Der Mannschaftsarzt von 1860 drängte sich durch die Spieler des FC Aichach. Besah sich Djuvics Augen, betastete Stirn und Brust. Inzwischen quoll weißer Schaum aus seinem Mund. »Interessant.«
Im Stadion war es totenstill.
Bis die Ansage des Stadionsprechers kam. Er informierte die Zuschauer, dass aufgrund des tragischen »Personenunfalls « das Spiel abgebrochen und »zu einem späteren Zeitpunkt« nachgeholt werde. Keine Proteste. Interessierte Stille. Kam schließlich nicht jeden Tag vor, dass man bei so was live dabei war.
Hummel und Paul stiegen die Tribüne hoch zum Ausgang.
»Wow, mein erster Toter!«, sagte Paul. »Hast du schon mal einen Toten gesehen?«
»Ähem, ja.«
»Wann?«
»Hat dir Karla nicht gesagt, was ich arbeite?«
»Doch. Du bist Polizist.«
»Na, eben.«
»Du regelst den Verkehr, kommst, wenn die Nachbarn sich streiten.«
»Nur wenn nach dem Streit einer tot ist.«
»Echt? Passiert das oft?«
»Manchmal.«
»Cool.«
»Kommt drauf an.«
»Du, Klaus, ich hab Hunger auf einen Hotdog. Und da drüben gibt's Sechzger-Schals.«
»Ich denk, du bist Bayern-Fan?«
»Notfalls auch 60. Für Bayern kriegt man ja eh keine Karten.«
»Hey, das ist DFB-Pokal!«
»Ja, 60 gegen Aichach. Elend trifft Elend.«
PAMPERS
Zankl fluchte vor dem Fernseher. Jetzt hatte er seit Menschengedenken seinen ersten freien Tag ohne Familie - Conny war mit Clarissa bei ihrer Mutter - und wollte
den Mittwochabend gemütlich mit einer Flasche Bier vor der Glotze verbringen, da brachen sie das Pokalspiel ab! Nicht, dass er Fan von 1860 wäre, aber dass sich die von den Burschen aus Aichach aus dem Pokal schmeißen ließen - das ging auch nicht. Das wäre die Sensation gewesen! »Tja, Sport ist Mord«, murmelte Zankl. Er trank die Bierflasche aus und rülpste laut. Was sollte er mit dem angebrochenen Abend machen? Zankl zappte lustlos durch die Programme. Als er eine Pampers-Werbung erwischte, schaltete er aus.
VIERUNDZWANZIG
Mader und Dosi steckten kurz vor Fröttmaning im Stau. Sie waren auf dem Rückweg von einer Fortbildung in Nürnberg. Neue Erkenntnisse in der DNA-Analyse. Dazu hatte Günther sie verdonnert. Fortbildung war momentan Günthers großes Thema. Ein Wissenschaftsteam arbeitete mit Fördermitteln des Innenministeriums an neuen Analysemethoden, lauter hoch engagierte Nerds. Wenn er an diesen Professor Breitenbach dachte - so ein Faun!
Aber dieser mobile Blitztest zum Einsatz vor Ort war schon gut. Datenabgleich via Internet. Große Chance für entlegene Tatorte und ländliche Bereiche, weil man Spuren viel schneller auswerten konnte und nicht erst tagelang auf die Ergebnisse warten musste.
Mader sah zu Dosi, die am Steuer des Dienst-BMW saß. Er dachte an den gestrigen Abend und grinste. Dosi hatte im Gasthaus Zum Hirschen sage und schreibe vierundzwanzig Nürnberger Rostbratwürste verdrückt. Vierundzwanzig! »Des is ja nur a kleiner Finger!«, hatte sie gesagt, als sie das erste Würstl mit der Gabel aufgespießt hatte. Trotzdem, Mader hatte gerade mal zwölf geschafft. Und Dosi hatte das Ganze noch abgerundet mit einer Riesenladung Sauerkraut und zwei Semmeln. ›Respekt!‹
»Kruzifünferl, fahrts zu! Was ist da los?«, fluchte Dosi über den stockenden Verkehr.
»Fußball«, sagte Mader und deutete zur blauen Schüssel vor glutrotem Himmel.
»Das ist doch normal erst um neun aus.«
»Offenbar nicht.«
»Doch, Fränki ist heute im Stadion. 60 gegen Aichach. DFB-Pokal. Anpfiff um sieben.«
Im Schritttempo fuhren sie auf eine Fußgängerüberführung zu, über die sich eine Menschenkolonne schob.
»Hey, da ist Hummel!«, rief Dosi. »Da, der mit dem Buben.«
In diesem Moment fuhren sie unter die Brücke.
»Seit wann hat Hummel einen Sohn?«, meinte Mader.
»Wissen wir's?«
LEBHAFT
»Warum nehmen wir nicht die U-Bahn?«, moserte Paul.
»Weil die zu voll ist. Wir nehmen den Bus und steigen am Scheidplatz in die Tram.«
»Das dauert eine Ewigkeit. Und außerdem stinkt's hier!«
»Das ist die Kläranlage.«
»In der U-Bahn stinkt's nicht.«
»Von wegen.«
Hummel dachte an den Typen, der bei der Hinfahrt im überfüllten Waggon auf den Boden gekotzt hatte, und daran, wie er gerade noch zur Seite springen konnte. Den sauren Geruch und die Achselschweißschwaden der Fußballfans in ihren Plastiktrikots hatte er noch lebhaft in der Nase. So viel Körperkontakt war er als Radfahrer nicht gewohnt. »Jetzt komm, Paul. Leg einen Zahn zu,sonst verpassen wir den Bus. Und dann kriegen wir Ärger mit deiner Mama.«
»Das Spiel wäre bis neun gegangen. Außerdem sind Ferien!«
»Trotzdem.«
»Aber ich krieg in der Stadt schon noch ein Eis!«
PROFIVEREIN
Zlatan war beschissen gelaunt. Heute Morgen hatte er festgestellt, dass sein Auto geknackt worden war. Die Kisten im Heck seines Minivans standen anders. Das Navi hatte er abends zum Glück mitgenommen. Er ärgerte sich über sich selbst. Er konnte die Vitaminpräparate nicht einfach über Nacht im Auto lassen. Würde ihm nicht noch mal passieren. Und jetzt war er sauer, weil er nicht im Stadion sein konnte, sondern das Lager in der Boutique seiner Frau umräumen musste. Wasserschaden. Ausgerechnet heute! Und Sabrina hatte nicht mal ein Radio im Laden, schöner Mist. Bis zur Halbzeitpause hatte er immer wieder sein Smartphone gecheckt. Aichach schlug sich beachtlich. 1:0. Lucky hatte offenbar einen guten Tag.
Zlatan grunzte. So, das Lager war umgeräumt, das defekte Wasserrohr musste sich der Klempner morgen früh ansehen. Jetzt suchte er noch den Karton mit seiner Bestellung. Bei der Räumerei waren die Sachen ein bisschen durcheinandergeraten. Er ließ sein Messer aufschnappen und knöpfte sich den ersten Karton vor. Mit einem schnellen Schnitt teilte er das Klebeband der Länge nach und griff in den Karton. Seine Hand kam mit neonfarbenen Bikinioberteilen wieder heraus. Schaumstoff gefüllte Körbchen in Türkis, Orange und Zitrone. Farben der Saison, die gerade gelaufen war. Wer kaufte jetzt im August noch Bikinis? »Superschnäppchen«, hatte Sabrina behauptet. Zlatan schüttelte den Kopf und pfefferte die Stoffbonbons wieder in den Karton. Er öffnete einen Karton nach dem anderen, und im vorletzten fand er, was er suchte. Fußballtrikots in Rotblau. Sportfreunde Obergiesing. Er zählte sie durch und drapierte auf dem Boden ein Männchen. Hose, Trikot, Stutzen. Plötzlich ging die Ladentür auf. Zlatan griff zum Messer.
»Was wird das?«, pfiff ihn seine Frau an und deutete auf die offenen Kartons.
Er ließ das Messer sinken.
»Äh ...« Zlatan deutete hilflos auf die Trikots. »Das ist meins. Gerade gekommen.«
»Du und dein blöder Fußball.«
»Guckst du, Sabrina!« Er hielt das Trikot mit der »10« hoch. Auf der Brust stand in großen Lettern: Sabrina's Buttique. Er strahlte. »Sponsoring. Wie Profiverein.«
»Profi ... Dein Sponsoring ist der letzte Mist.«
»Wieso sagst du das?«
»Weil die nicht mal wissen, wie man ›Boutique‹ schreibt.«
Zlatan sah sie erstaunt an, dann das Trikot: »Goran ist eine Trottel! Macht er mir neu! Zum Schreiben zu blöd!«
»Zlatan, jetzt komm endlich, die Kinder sitzen draußen im Auto. Die müssen ins Bett!«
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Autoren-Porträt von Harry Kämmerer
Harry Kämmerer, geboren 1967, aufgewachsen in Passau, lebt mit seiner Familie in München. Er ist Verlagsredakteur mit Herz für Musik und Literatur.
Bibliographische Angaben
- Autor: Harry Kämmerer
- 2014, 288 Seiten, Maße: 13,4 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Graf Verlag
- ISBN-10: 3862200507
- ISBN-13: 9783862200504
- Erscheinungsdatum: 10.03.2014
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