Rod Stewart - Die Autobiografie
Von Fußball, Ehe, Liebe und den Geheimnissen einer ganz speziellen Frisur: Rod Stewart lässt sein Leben und seine Karriere Revue passieren. Nach einer sehr britischen Jugend in London entdeckt Rod die Musik. Und es geht rasant voran: in Klasse-Bands und solo ...
Leider schon ausverkauft
Buch (Gebunden)
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Rod Stewart - Die Autobiografie “
Von Fußball, Ehe, Liebe und den Geheimnissen einer ganz speziellen Frisur: Rod Stewart lässt sein Leben und seine Karriere Revue passieren. Nach einer sehr britischen Jugend in London entdeckt Rod die Musik. Und es geht rasant voran: in Klasse-Bands und solo ...
Klappentext zu „Rod Stewart - Die Autobiografie “
Do ya think I'm sexy?Er besitzt nicht nur eine der markantesten Stimmen der Musikgeschichte und hat mit seiner Musik über die letzten 50 Jahre den Soundtrack zum Leben von Millionen Menschen geliefert - er ist auch jenseits der Bühne eine der charismatischsten Erscheinungen unserer Zeit. Jetzt endlich blickt er in seiner Autobiografie zurück auf ein pralles Leben, von den wilden Anfängen bei der Jeff Beck Group bis zu seiner Zeit als Solokünstler. Er erzählt von seiner Fußballbesessenheit, seinen zahlreichen Liebschaften und Ehen - und vom Geheimnis seiner Frisur.
"Sailing", "Maggie May", "Tonight's the Night" oder "Stay With Me" - die Liste der Klassiker, mit denen Rod Stewart Musikgeschichte geschrieben hat, ist ewig lang. Mit seiner unvergleichlichen Reibeisenstimme, der wilden blonden Mähne und den extravaganten Outfits ist Rod the Mod eine Ausnahmeerscheinung in der Rockszene. Seit nahezu 50 Jahren füllt er die Clubs und Stadien dieser Welt, hat mit allen Stars zusammengearbeitet und gilt als einer der größten Sympathieträger unserer Zeit. In seinen Memoiren erzählt er very british von seiner Jugend im Nachkriegslondon, seinem Traum, es als Profifußballer zu etwas zu bringen, bevor er die Musik für sich entdeckte. Erste größere Erfolge feierte er mit der Jeff Beck Group, berühmt-berüchtigt waren anschließend die "Sex, Drugs & Rock 'n' Roll"-Exzesse bei den Faces. Zum absoluten Superstar stieg er Anfang der Siebzigerjahre als Solokünstler auf. Neben seinen Qualitäten als Songwriter und Sänger machte er durch zahlreiche Liebschaften und Ehen Schlagzeilen. Doch der Bad Boy des Rock 'n' Roll ist bis heute weltweit beliebt, seine Memoiren sind die Krönung einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Lese-Probe zu „Rod Stewart - Die Autobiografie “
ROD - Die Autobiografie von Rod Stewart VORWORT
In dem der Held unserer Geschichte während eines Höhenflugs den Vogel abschießt.
... mehr
Wir nennen es »die Kurve kratzen«, und es ist der weltbeste Weg, nach Konzerten den Stau zu umgehen. Nach der letzten Zugabe verneige ich mich schweißüberströmt ein letztes Mal vor der jubelnden, applaudierenden Menge und jogge dann von der Bühne - und jogge weiter auf die Seitenbühne, wo mir jemand im Vorbeilaufen ein Handtuch umlegt. Die Halle bleibt dunkel, die Menge verlangt weiter nach einer dritten Zugabe. Aber ich renne bereits die neonbeleuchteten Backstage- Korridore hinunter, wo die Luft nach der Hitze auf der Bühne plötzlich kühl erscheint, durch den Hintereingang der Arena ins wartende Auto, während das Klatschen und Stampfen hinter mir abebbt, bis das Klappen der Limousinentür es gänzlich aussperrt und der Wagen mich fortbringt.
An diesem speziellen Abend im Juli 1995 bringt er mich zu einem Privatflugzeug, das auf einem Flugplatz nahe Göteborg wartet. In der Limo liegt Kleidung zum Wechseln für mich bereit, in die ich während der Fahrt schlüpfe. Hinter mir eine Konzerthalle mit dreißigtausend schwedischen Fans, vor mir ein kurzer Flug nach London, in der Gesellschaft einiger Mitglieder meines Teams, die ebenfalls die Anweisung hatten, nach der Show »die Kurve zu kratzen«. Die Tour zu Spanner in the Works hat im Juni begonnen und soll noch bis Mai des kommenden Jahres laufen, aber der Zeitplan lässt einen Besuch zu Hause zu.
Der Moment, in dem das Flugzeug beschleunigt und von der Startbahn abhebt, ist immer der Moment, in dem ich mich entspanne und endlich die Beine ausstrecke. Der Adrenalinausstoß der letzten zwei Stunden flaut wieder ab, ich genieße die Aussicht auf eine Nacht im eigenen Bett und freue mich auf das Essen, das die Bordcrew mir in Kürze zubereiten wird, auf das Glas kühlen Weißwein dazu und die Zufriedenheit am Ende eines Arbeitstages.
Nur dass diesmal ...
Rumms!
»Was zur Hölle war das?«
Wir sind kaum im Steigflug, als auf der linken Seite ein harter Ruck zu spüren ist.
»War das der Flügel?«
Das Flugzeug geht plötzlich in Schräglage, fängt sich dann nach und nach wieder.
»Was ist los?«
Vor Schreck stocksteif in meinen Sitz gepresst, schaue ich mich in der Kabine um und suche Aufmunterung in den Gesichtern der anderen. Neben mir sitzt mein guter Kumpel Alan Sewell - der solide, verlässliche Big Al, ein Gentleman, der eigentlich Gebrauchtwagenhändler von Beruf ist, aufgrund seines beeindruckenden Körperbaus jedoch häufig für meinen Leibwächter gehalten wird -, kreidebleich im Gesicht und zitternd wie Espenlaub.
Mir gegenüber sitzt Annie Challis, Teil meines Managements. Sie wirft mir einen beruhigenden Blick zu und sagt: »Es ist sicher alles in Ordnung, mein Lieber.« Der beruhigende Blick scheint sie jedoch einige Überwindung zu kosten, was den gewünschten Effekt ziemlich abschwächt.
In Annies Nähe hat sich mein geschätzter und allwissender Manager Arnold Stiefel in die neueste Ausgabe von Architectural Digest vertieft. Er blättert als Einziger ungerührt weiter in seinem Magazin, obwohl mir auffällt, dass er prüfend schnuppert. Sekunden später verkündet er fröhlich: »Es riecht genau wie an Thanksgiving.«
Recht hat er. Der erstaunlich schmackhafte Geruch von gebratenem Geflügel zieht plötzlich durch die Kabine. Reichlich seltsamer Augenblick, mir mein Essen aufzuwärmen.
Es bleibt allerdings keine Zeit, um sich weiter darüber zu wundern. Der Pilot meldet sich aus dem Cockpit: Wir kehren um zum Flughafen. Er klingt relativ entspannt. Aber das tun sie ja eigentlich immer. Dafür werden sie schließlich bezahlt.
Die folgenden Minuten, in denen unser Flugzeug stockend wendet und sich für den Sinkflug vorbereitet, dauern Ewigkeiten. Big Al zittert weiterhin, und Annie wirft mir weiterhin beunruhigend beruhigende Blicke zu. Arnold hat das Magazin weg- und seine selbstsichere Haltung abgelegt und studiert nun eingehend die laminierten Sicherheitshinweise, als wolle er gut auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.
Von einem kalten Angstschauer überlaufen, frage ich mich: War es das? Ist meine Zeit jetzt gekommen? Klar, ich hatte ein erfülltes Leben - spektakulärer, privilegierter und abwechslungsreicher, als ich je zu träumen gewagt hätte, mit mehr Abenteuern, Reichtum und Liebe, als mir zustand. Trotzdem: Wird es so enden - in den Armen von Big Al auf einem Acker in Schweden?
Durch das Fenster der stark sinkenden Maschine sehe ich eine schaumbedeckte Landebahn und um das Rollfeld herum unzählige Blinklichter von Rettungsfahrzeugen.
Irgendwie schaffe ich es, die Nerven zu behalten. Ich reiße mich zusammen, bleibe ruhig und gefasst. Wenn es so sein soll, soll es eben so sein. »Alles ist gut«, sage ich leise. Dann etwas lauter: »Alles ist gut.« Dann rufe ich halblaut: »Alles ist gut!« Und schließlich in einem schrillen, anschwellenden Schrei: »Alles ist gut!«
Es war alles gut. Offenbar ein Vogelschlag. Ein Pechvogel aus einem Gänseschwarm, der ins Triebwerk gesaugt wurde. Der Vogel war hinüber, das Triebwerk auch. Zum Glück hatte das Flugzeug ein weiteres und konnte damit landen. Das wäre nicht das erste Mal in meiner langen Karriere gewesen, dass ich den Boulevardblättern eine Schlagzeile auf dem Silbertablett serviert hätte: »Gänsehautflug: Rod schmückt sich mit fremden Federn.«
Übrigens hatten wir doppeltes Glück im Unglück. Nachdem wir zur Band ins Hotel zurückgefahren waren, um uns dort ein paar starke Drinks zu genehmigen und den Vorfall dramatisch nachzuspielen, erfuhr ich, dass unser Pilot gerade am Vortag einen Auffrischungskurs zur Kontrolle von Flugzeugen bei einem Triebwerkausfall besucht hatte.
Das fasst mein Leben ganz gut zusammen. Die meiste Zeit glich es einer langen, luxuriösen Flugreise. Manchmal stößt so eine Maschine allerdings mit einer Gans zusammen.
Und irgendwie bleibe ich jedes Mal, wenn sie das tut, am Leben und kann davon berichten.
KAPITEL 1
In welchem unser Held geboren wird und kurz darauf ein sechsjähriger weltweiter Konflikt endet. Und in welchem unser Held zur Schule geht und, kurioserweise, eine große Abneigung gegen das Singen in der Öffentlichkeit entwickelt.
Offensichtlich war ich ein Versehen. Irgendeine Unachtsamkeit in der Abteilung für Familienplanung. Ein »unforced error«, ein vermeidbarer Fehler, wie man im Tennis sagen würde. Wie sonst lässt sich erklären, weshalb Bob und Elsie Stewart im Alter von zweiundvierzig beziehungsweise neununddreißig Jahren - mit bereits vier Mäulern, die gestopft werden wollten, das jüngste Kind schon zehn - plötzlich auf die Idee kommen sollten, noch eines in die Welt zu setzen. Und warum ausgerechnet mitten im Zweiten Weltkrieg?
Daher der Familienscherz: »Roddy war Dads Ausrutscher. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Ausrutschern jedoch ein ziemlich lukrativer.«
Man hat mir jedoch nie das Gefühl gegeben, das Resultat eines Missgeschicks zu sein. Im Gegenteil, trotz (oder vielleicht wegen) meiner späten Ankunft wurde ich liebevoll empfangen - von meinen sechs engsten Angehörigen zumindest. Von Hitler weniger. Der Ort, an dem ich am 10. Januar 1945 zur Welt kam, war ein kleines Schlafzimmer im obersten Stock eines Reihenhauses in der Archway Road im Londoner Norden, dessen Fenster so oft durch das Nachbeben der deutschen Bomben zerborsten waren, dass Dad sie schließlich zur Schadensbegrenzung mit Brettern vernagelt hatte.
Der schlimmste Teil der Luft angriff e war da schon überstanden, und tatsächlich sollte in Europa der Krieg vier Monate später vorüber sein. Doch während Mum mit mir schwanger war, hatten die Deutschen ohne Rücksicht auf mein Kindeswohl London bombardiert: zuerst mit V-1-Raketen, unter dem lustigen Namen »Doodlebug« bekannt, und, weniger lustig, als »Buzzbombs« wegen des Geräuschs, das sie machten, bevor sie dich töteten. Gegen Ende der Schwangerschaft und in meinen ersten Lebenstagen als Wickelkind schickten sie dann die noch heimtückischeren V-2-Raketen von der französischen Küste aus über den Kanal.
Diese miesen Dinger hinterließen gerne mal einen über sieben Meter tiefen Krater, wo vorher ein Haus gestanden hatte. Klar, dass unter eine einschlagende V-2 niemand geraten wollte, egal ob schwanger, in Windeln oder keins von beiden.
Es heißt, nicht mal eine Stunde nach meiner Ankunft habe eines dieser Geschosse ganz unfeierlich die nur eine Dreiviertelmeile entfernte Highgate-Polizeistation in Schutt und Asche gelegt - und damit die Feierlaune anlässlich meiner Geburt etwas verdorben, uns zugleich aber eine wichtige und eindrückliche Lektion über die Zukunft, das Schicksal und die Vergänglichkeit unseres Erdendaseins mit auf den Weg gegeben. Eine hübsche kleine Parabel, doch leider stimmt kein Wort davon - sie ist nur eine jener Legenden, Fabeln und glatten Lügen, die im Namen der Publicity verbreitet werden. Im Laufe dieser Erzählung werden wir noch reichlich Gelegenheit haben, sie auseinanderzunehmen. Auf jeden Fall lagen zwischen meiner Geburt und dem Einschlag in der Polizeistation mehrere Wochen.
Gleichwohl stand das Leben in London immer auf Messers Schneide, und alle Überlebenden verband die Freude, es geschafft zu haben - erst recht, wenn das Haus, wie unseres, in Sichtweite eines Bahn-Betriebshofes lag, wodurch es unbeabsichtigt schlecht zielende Bomber regelrecht anzog. Als meine Mum mit mir schwanger war, heulten meist gegen halb zwei Uhr nachts die Sirenen, und Mary, mit siebzehn Jahren die Älteste, holte meinen Bruder Bob und meine Schwester Peggy aus den Betten, steckte sie in ihre Mäntel und führte sie, jeden mit seinem Kissen unter dem Arm, in den pechschwarzen Garten und dann hinunter in den Anderson-Unterstand unserer Familie - sechs von der Regierung zur Verfügung gestellte Wellbleche, aus denen eine Baracke gebaut und halb in den Boden eingelassen worden war. Auf das Dach geworfene Erde und Sandsäcke dienten als zusätzlicher Schutz vor Druckwellen. Dann krochen sie alle in die schmalen Stockbetten aus Metall und versuchten trotz des Lärms und ihrer Angst bis zum Morgen zu schlafen. Mein Bruder Don, damals fünfzehn, blieb lieber in seinem gemütlichen Bett zu Hause - zumindest so lange, bis einmal in der Nähe etwas herunterkam und das ganze Haus erbeben ließ. Von da an besaßen die Metallbetten im Garten für ihn auf einmal eine unwiderstehliche Anziehungskraft .
Klar, Tausende anderer Londoner Familien waren in Sicherheit - die Kinder wurden evakuiert, aufs Land geschickt und übergangsweise von freundlichen Bauern adoptiert; dort war die Gefahr geringer, dass eine Rakete durchs Dach schlug. Meine Familie hatte darüber gesprochen und entschieden, dass sie eine Trennung nicht ertragen würde - weder die Kinder von den Eltern noch andersherum. Das Motto der Stewarts lautete: »Wenn wir gehen, dann zusammen.« Wir waren in dieser Hinsicht sehr clanmäßig. Und sind es bis heute.
Das bedeutete allerdings nicht, dass jedes Familienmitglied alles erfuhr: So hatte Don zum Beispiel keine Ahnung, dass Mum schwanger war. Das sagt einiges darüber aus, wie zu jener Zeit über Sex und seine Folgen gesprochen wurde - oder eben gerade nicht. Don wunderte sich etwas, dass seine große Schwester so viel strickte (besonders im Luftschutzraum zum Zeitvertreib). Und hätte man ihn sehr eindringlich gefragt, wäre er wahrscheinlich damit herausgerückt, dass ihm der zusehends größer werdende Umfang seiner Mutter merkwürdig vorkam. Also erfuhr er davon zum ersten Mal an jenem Mittwochabend, als er gefragt wurde, ob er hinaufgehen und das Baby sehen wollte.
Meine Schwester Mary dagegen wusste Bescheid. Sie war so aufgeregt, als wäre sie selbst schwanger, und je näher der Geburtstermin rückte, desto rascher eilte sie von ihrer Arbeit nach Hause. Mittwoch war ihr Rollschuhabend. »Es kommt heute noch nicht«, beruhigte Mum sie. Also ging sie zum Rollschuhlaufen. Zu diesem Zeitpunkt mussten bei meiner Mutter schon die Wehen eingesetzt haben, denn bis meine Schwester zurückgekommen war, ihre Rollschuhe ausgezogen hatte und die Treppe hinaufgerannt war, hatte sie schon ein weiteres Brüderchen bekommen: Roderick David Stewart. Mary war wie vom Donner gerührt - nicht, weil sie mich in meiner strahlenden, neu geborenen Pracht erblickte, sondern wegen Mum, die völlig erschöpft und kreidebleich im Bett lag. Da begriff sie, was ihre Mutter durchgemacht und warum sie sie fortgeschickt hatte: um ihr die Details zu ersparen.
Mein Vater nahm die neue Situation erstaunlich gelassen, dabei hat er sicher darüber nachgedacht, wie er nun zurechtkommen sollte. Er stammte aus Schottland, aus Leith, nördlich von Edinburgh, hatte einige Zeit bei der Handelsmarine verbracht und war dann seinen Brüdern nach London gefolgt, um dort zu arbeiten. Meine Mum, eine gebürtige Londonerin, hatte er bei einer Tanzveranstaltung im Tufnell Park kennengelernt. Als ich auf die Welt kam, arbeitete er zwölf Stunden täglich als Klempner, kam abends um sieben nach Hause, zog seine Stiefel aus und legte seine qualmenden Füße neben dem Feuer hoch. Die langsam warm werdenden Socken stanken erbärmlich. Dad trank niemals. Einmal war er auf irgendeiner Baustelle abgefüllt worden und hatte noch an Ort und Stelle dem Alkohol abgeschworen.
Dafür rauchte und wettete er (am liebsten auf Pferde), und ein fünftes Kind würde ihm kaum aus seiner gelegentlichen Geldknappheit helfen. Der Vermieter unseres Hauses in der Archway Road 507 hieß Grattage, und noch heute spüre ich einen kalten Hauch von Angst und Abscheu, wenn ich diesen Namen nur höre. »Grattage kommt! Schnell weg!«
Die Archway Road war eine laute, verkehrsreiche Durchfahrtsstraße mit lauter kleinen Läden. Sie lag in einem Arbeiterviertel - das vornehmere Highgate befand sich weiter nördlich. Ein Oberleitungsbus hielt genau vor unserer Haustür, und der Wind blies die weggeworfenen Fahrscheine in die Abflussrinne vor unserem Keller - sehr zum Verdruss meines Vaters, der sie dort ständig herausklaubte. Lange Zeit, nachdem wir weggezogen waren, wurde das Haus abgerissen, damit die Straße verbreitert werden konnte - der Gemeinderat schafft e, was Hitler nicht gelungen war. Als es noch stand, war es ein ziemlich stattliches Haus für die Familie eines Klempners. Drei Zimmer im obersten Stock, zwei im zweiten und im Erdgeschoss neben Küche und Bad das Esszimmer mit der hohen Decke, in dem ein kleiner Flügel stand, auf dem Mum und gelegentlich mein Bruder Don spielten und der Jahre später einmal Fummelexperimente mit dem anderen Geschlecht ganz brauchbar abschirmte. Der andere Luxusgegenstand in unserem Haus war das Telefon (mit Münzkasten; man benötigte ein Dreipennystück, um nach draußen zu telefonieren) - zu jener Zeit ein nahezu beispielloses technologisches Wunder. Die geheimnisvolle, ehrfürchtige Atmosphäre, die es verbreitete, wenn es - selten einmal - klingelte, ist schwer zu beschreiben. Wer konnte das sein? Wer in aller Welt konnte das sein? Und wer sollte den Hörer abnehmen? Es konnte ein Weilchen dauern, bis das ausgehandelt war. Der Auserwählte meldete sich dann mit seiner Sonntagsstimme: »Mount View Sechs-Eins-Fünf-Sieben.« In den Vierzigern und Fünfzigern sprach man am Telefon etwas vornehmer. Der Apparat verlangte das.
Dad brauchte das Telefon, um den Fußballverein zu organisieren, den er in seiner Freizeit managte - Highgate Redwing, einen Amateurverein mit einer ersten und einer zweiten Mannschaft. Eine Zeit lang hatte der Verein sogar eine Jugendabteilung. Meine Brüder Bob und Don spielten für die Redwings, und ich irgendwann auch. Als ich dafür noch zu klein war, sah ich ehrfürchtig zu diesen Männern auf. Sie waren meine ersten Fußballidole. Vor den Spielen am Samstagvormittag traf sich die Mannschaft bei uns; ungefähr zwei Dutzend Fußballer streunten dann in der Küche und im Flur herum und verteilten sich bis nach draußen auf den Bürgersteig. Meine fiebrige Vorfreude, wenn die Jungs vorbeikamen! Für je einen Penny wusch meine Mutter jede Woche die Trikots. Sie hievte die schlammigen Klamotten in einen riesigen Kessel und rührte sie um. Später hingen die schwarz-weißen Trikots strahlend in einer Reihe auf der Leine quer durch unseren Garten. Ein herrlicher Anblick.
Ich erinnere mich an Familienurlaube in Ramsgate an der Küste von Kent - wir Stewarts harrten alle trotz der Eiseskälte tapfer am Strand aus, wie es sich für gute Briten gehört -, viel deutlicher noch sind mir jedoch die jährlichen Ausflüge mit dem Fußballclub in Erinnerung: Meine Mutter und meine Schwestern schmierten Dutzende Sandwiches für die Vergnügungstour der Redwings nach Clacton-on-Sea, und um acht Uhr morgens fuhren zwei Omnibusse voll mit Spielern, ihren Frauen und Kindern in der Archway Road los. Einfach himmlisch.
Genauso wie die Feiern des Fußballvereins. Vorher ging Dad immer in den Keller und verstärkte den Esszimmerboden von unten mit einem Gerüst und Brettern, und dann strömten alle herein, um zu tanzen und zu singen. Ich wurde ins Bett gebracht, schlich mich aber wieder hinunter und setzte mich unter den Flügel, von wo aus ich die Füße und die mit Kilts bekleideten Beine betrachtete. Dort wurde meine Liebe zum Gesang geweckt. Manchmal führte eine Polonaise aus dem Esszimmer hinaus, die Stufen hinunter auf die Straße und wieder zurück. Es ist nicht schwer, die Ausgelassenheit dieser Erwachsenen zu verstehen, wenn man sich vor Augen hält, was sie erst vor Kurzem durchgemacht hatten. Sie tanzten sich den Krieg von der Seele.
Meine Schwestern Mary und Peggy nahmen mich mit zum Speedway-Rennen in Harringay - sehr beliebt damals. Und mit Mum und Dad durfte ich manchmal ins Kino gehen, ins Rex in East Finchley, wo in der Mitte des Parketts eine tiefe Senke war: Die ersten Reihen lagen höher als die in der Mitte, die letzten noch höher. Vielleicht ein Kriegsschaden. Eines Tages, als ich acht war, sagte Mum: »Wir sehen uns Die Ferien des Monsieur Hulot an, das wird das Lustigste, was du je gesehen hast.« Das sind gewaltige Vorschusslorbeeren für einen Film - und durchaus berechtigt. Es war reiner Slapstick, aber trotzdem sehr subtil. Wir saßen im kaputten Parkett des Rex, und ich lachte, wie ich nie zuvor gelacht hatte, über Jacques Tati, der Chaos anrichtet, wo er geht und steht. Noch heute sind Ronnie Wood und ich große Tati-Fans.
Der große Altersabstand zwischen mir und meinen Geschwistern brachte natürlich mit sich, dass wir zu Hause rasch weniger wurden. Zuerst heiratete Mary Fred, einen Lastwagenfahrer bei Wall's. Mein Schutzengel war also fort. Dann heiratete Peggy Jim, einen wunderbaren, Cockney sprechenden Gemüsehändler, der im Krieg bei Monte Cassino gekämpft hatte - eine Erfahrung, die er nicht vergessen konnte. Jahre später, als ich schon zu etwas Geld gekommen war, war Jim einmal bei einem unserer großen Ausflüge mit dem Flugzeug zu einem Schottland- Spiel dabei. Die Reise ging nach Italien. Jim saß dort, drehte sich wie so oft eine Zigarette, sah nachdenklich aus dem Fenster und sagte: »Man hat mir mal vierzehn Schilling die Woche bezahlt, um die Leute da umzubringen.«
Das Leben sollte es nicht gut meinen mit Peggy, die sich gerne in der Natur aufhielt und eine großartige Tennisspielerin war: Multiple Sklerose zwang sie mit Mitte dreißig in den Rollstuhl. Auch meine Mutter war wegen dieser Krankheit irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen. Unfair.
Der Nächste, der die Archway Road verließ, war Bob; er heiratete Kim. Schließlich verließ auch Don mit sechsundzwanzig unser Elternhaus, da war ich erst elf. Als ich von seiner bevorstehenden Hochzeit mit Pat erfuhr, schmolz ich zu einem kleinen, heulenden Häuflein Elend zusammen. Genauso hatte ich geweint, als er uns wegen des Wehrdienstes verlassen hatte - allerdings hauptsächlich, weil es meine Vorstellungskraft überstieg, wie Aldershot, der Ort, an den er geschickt wurde, aussah, wie überhaupt jemand dorthin gelangen, geschweige denn zurückkehren konnte. Dieser jüngste Verrat schien jedoch endgültig. Wie konnte er mich nur verlassen? Don nahm mich mit ins West End und versuchte, mir diesen Gedanken, so gut er konnte, mit Limonade schmackhaft zu machen. Dabei gingen meine Geschwister in Wahrheit gar nicht weit fort. Sie zogen im Grunde nur ein paar Türen weiter - im schlimmsten Fall nahmen sie eine Wohnung, die um die Ecke lag. Das Stewart-Clan-Ding eben. Ein paar Jahre später, als mich das Interesse an meinem Aussehen richtig gepackt hatte und ich gelegentlich Marys Fön oder das Haarspray meiner Schwägerin Pat ausleihen wollte, lernte ich diese Nähe zu schätzen. Sehr praktisch.
»Total verzogen« ist in meiner Familie meist das Kürzel für meine Kindheit. Ich erhebe Einspruch. Die Begründung? In materieller Hinsicht gab es nicht viel, mit dem man mich hätte verziehen können. »Mit Nachsicht behandelt« wäre vielleicht eine passendere Beschreibung. Andererseits muss ich zugeben, dass Mary freitags nie von der Arbeit kam, ohne mir ein Spielzeug von Woolworth mitzubringen - irgendein kleines Auto oder einen Spielzeugsoldaten. War das ein Zeichen für »total verzogen«? Kann schon sein.
Ich räume auch Folgendes ein: Meine Mutter kochte gerne mal Kanincheneintopf. Bevor ich auf die Welt kam, wurde das Kaninchenherz - es war zwar klein, galt aber als Delikatesse - in vier Stückchen geteilt. Als ich dann da war, bekam ich es ganz alleine.
Als pflichtbewusster, jedoch nicht eben herausragender Schüler fiel ich durch die Eignungsprüfung nach der Grundschule, was niemanden sonderlich überraschte, und wurde in einer grauen Flanelluniform mit schwarz-weißer Krawatte auf die William Grimshaw Secondary Modern geschickt. Ray und Dave Davies von den Kinks gingen ungefähr zur gleichen Zeit auf dieselbe Schule, das fanden wir aber erst Jahre später heraus. Ich nahm immer den Bus nach North Finchley, der vor unserer Haustür abfuhr - sehr bequem. Am Ziel angekommen, musste ich dann allerdings eine Meile die Creighton Avenue hinuntergehen, das war weniger angenehm. Dafür reiste ich mit leichtem Gepäck, wie alle Schuljungen damals. Heute hat Alastair, mein Kleiner, Taschen, Bücher, Laptops und so Zeugs dabei, wenn er in die Schule geht. Mir kommt es so vor, als wäre ich die gesamte weiterführende Schule nur mit einem einzigen Bleistift bewaffnet gewesen, ja eigentlich nicht einmal das, sondern bloß mit einem Bleistiftstummel, der in der Brusttasche meines Blazers steckte. Mehr brauchte ich anscheinend nicht.
Ich war halbwegs fleißig - und im Großen und Ganzen auch glücklich. Auf jeden Fall wollte ich in der Schule nicht fehlen - ich hatte Angst, nicht mehr mitzukommen. Viel geschwänzt habe ich daher nicht und war auch kein großer Unruhestift er. Bei Prügeleien stand ich meist nur daneben und sah zu. Zwar gewann ich leicht Freunde, gehörte aber nicht zu den Kindern, die auf dem Spielplatz im Mittelpunkt standen und mühelos alle Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Und als einen, der die anderen unterhielt, sah ich mich absolut nicht. Dieses Selbstvertrauen entwickelte ich erst in den verschiedenen Bands. Im Malen war ich nicht schlecht - allerdings ergab eine Routineuntersuchung, dass ich farbenblind bin. (Ich kann Braun-, Blau- und Violetttöne nicht gut unterscheiden.) In den meisten Fächern kam ich zurecht, und in Sport war ich sogar ziemlich gut: Ich war Kapitän des Cricket-Teams und der Fußballmannschaft . Es gab nur eine Sache, mit der ich Probleme hatte, und das war verrückterweise der Musikunterricht bei Mr. Wainwright.
Wenn ich vor der Klasse aufstehen musste, war ich immer wie gelähmt. In Mr. Wainwrights Musikraum entdeckte ich nun, wovor ich noch mehr Angst hatte: vor der Klasse aufzustehen und zu singen. Dabei war nicht Schüchternheit mein Problem: Ich fürchtete mich vielmehr davor, lächerlich gemacht zu werden. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber ich könnte schwören, dass Mr. Wainwright es auf mich abgesehen hatte: Er ließ mich aufstehen, um mit ihm vorne am Klavier ein paar Zeilen irgendeines Liedes zu singen, und ich bebte und zitterte und versuchte kläglich, die Töne zu treffen. So erbärmlich habe ich mich niemals sonst gefühlt - unter keinen Umständen.
Deshalb entwickelte ich den Trick mit dem »Erbrochenen«.
Übersetzung: Johanna Wais, Stefan Rohmig, Lisa Kögeböhn, Bernd Gockel und Jörn Ingwersen
© 2012 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Wir nennen es »die Kurve kratzen«, und es ist der weltbeste Weg, nach Konzerten den Stau zu umgehen. Nach der letzten Zugabe verneige ich mich schweißüberströmt ein letztes Mal vor der jubelnden, applaudierenden Menge und jogge dann von der Bühne - und jogge weiter auf die Seitenbühne, wo mir jemand im Vorbeilaufen ein Handtuch umlegt. Die Halle bleibt dunkel, die Menge verlangt weiter nach einer dritten Zugabe. Aber ich renne bereits die neonbeleuchteten Backstage- Korridore hinunter, wo die Luft nach der Hitze auf der Bühne plötzlich kühl erscheint, durch den Hintereingang der Arena ins wartende Auto, während das Klatschen und Stampfen hinter mir abebbt, bis das Klappen der Limousinentür es gänzlich aussperrt und der Wagen mich fortbringt.
An diesem speziellen Abend im Juli 1995 bringt er mich zu einem Privatflugzeug, das auf einem Flugplatz nahe Göteborg wartet. In der Limo liegt Kleidung zum Wechseln für mich bereit, in die ich während der Fahrt schlüpfe. Hinter mir eine Konzerthalle mit dreißigtausend schwedischen Fans, vor mir ein kurzer Flug nach London, in der Gesellschaft einiger Mitglieder meines Teams, die ebenfalls die Anweisung hatten, nach der Show »die Kurve zu kratzen«. Die Tour zu Spanner in the Works hat im Juni begonnen und soll noch bis Mai des kommenden Jahres laufen, aber der Zeitplan lässt einen Besuch zu Hause zu.
Der Moment, in dem das Flugzeug beschleunigt und von der Startbahn abhebt, ist immer der Moment, in dem ich mich entspanne und endlich die Beine ausstrecke. Der Adrenalinausstoß der letzten zwei Stunden flaut wieder ab, ich genieße die Aussicht auf eine Nacht im eigenen Bett und freue mich auf das Essen, das die Bordcrew mir in Kürze zubereiten wird, auf das Glas kühlen Weißwein dazu und die Zufriedenheit am Ende eines Arbeitstages.
Nur dass diesmal ...
Rumms!
»Was zur Hölle war das?«
Wir sind kaum im Steigflug, als auf der linken Seite ein harter Ruck zu spüren ist.
»War das der Flügel?«
Das Flugzeug geht plötzlich in Schräglage, fängt sich dann nach und nach wieder.
»Was ist los?«
Vor Schreck stocksteif in meinen Sitz gepresst, schaue ich mich in der Kabine um und suche Aufmunterung in den Gesichtern der anderen. Neben mir sitzt mein guter Kumpel Alan Sewell - der solide, verlässliche Big Al, ein Gentleman, der eigentlich Gebrauchtwagenhändler von Beruf ist, aufgrund seines beeindruckenden Körperbaus jedoch häufig für meinen Leibwächter gehalten wird -, kreidebleich im Gesicht und zitternd wie Espenlaub.
Mir gegenüber sitzt Annie Challis, Teil meines Managements. Sie wirft mir einen beruhigenden Blick zu und sagt: »Es ist sicher alles in Ordnung, mein Lieber.« Der beruhigende Blick scheint sie jedoch einige Überwindung zu kosten, was den gewünschten Effekt ziemlich abschwächt.
In Annies Nähe hat sich mein geschätzter und allwissender Manager Arnold Stiefel in die neueste Ausgabe von Architectural Digest vertieft. Er blättert als Einziger ungerührt weiter in seinem Magazin, obwohl mir auffällt, dass er prüfend schnuppert. Sekunden später verkündet er fröhlich: »Es riecht genau wie an Thanksgiving.«
Recht hat er. Der erstaunlich schmackhafte Geruch von gebratenem Geflügel zieht plötzlich durch die Kabine. Reichlich seltsamer Augenblick, mir mein Essen aufzuwärmen.
Es bleibt allerdings keine Zeit, um sich weiter darüber zu wundern. Der Pilot meldet sich aus dem Cockpit: Wir kehren um zum Flughafen. Er klingt relativ entspannt. Aber das tun sie ja eigentlich immer. Dafür werden sie schließlich bezahlt.
Die folgenden Minuten, in denen unser Flugzeug stockend wendet und sich für den Sinkflug vorbereitet, dauern Ewigkeiten. Big Al zittert weiterhin, und Annie wirft mir weiterhin beunruhigend beruhigende Blicke zu. Arnold hat das Magazin weg- und seine selbstsichere Haltung abgelegt und studiert nun eingehend die laminierten Sicherheitshinweise, als wolle er gut auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.
Von einem kalten Angstschauer überlaufen, frage ich mich: War es das? Ist meine Zeit jetzt gekommen? Klar, ich hatte ein erfülltes Leben - spektakulärer, privilegierter und abwechslungsreicher, als ich je zu träumen gewagt hätte, mit mehr Abenteuern, Reichtum und Liebe, als mir zustand. Trotzdem: Wird es so enden - in den Armen von Big Al auf einem Acker in Schweden?
Durch das Fenster der stark sinkenden Maschine sehe ich eine schaumbedeckte Landebahn und um das Rollfeld herum unzählige Blinklichter von Rettungsfahrzeugen.
Irgendwie schaffe ich es, die Nerven zu behalten. Ich reiße mich zusammen, bleibe ruhig und gefasst. Wenn es so sein soll, soll es eben so sein. »Alles ist gut«, sage ich leise. Dann etwas lauter: »Alles ist gut.« Dann rufe ich halblaut: »Alles ist gut!« Und schließlich in einem schrillen, anschwellenden Schrei: »Alles ist gut!«
Es war alles gut. Offenbar ein Vogelschlag. Ein Pechvogel aus einem Gänseschwarm, der ins Triebwerk gesaugt wurde. Der Vogel war hinüber, das Triebwerk auch. Zum Glück hatte das Flugzeug ein weiteres und konnte damit landen. Das wäre nicht das erste Mal in meiner langen Karriere gewesen, dass ich den Boulevardblättern eine Schlagzeile auf dem Silbertablett serviert hätte: »Gänsehautflug: Rod schmückt sich mit fremden Federn.«
Übrigens hatten wir doppeltes Glück im Unglück. Nachdem wir zur Band ins Hotel zurückgefahren waren, um uns dort ein paar starke Drinks zu genehmigen und den Vorfall dramatisch nachzuspielen, erfuhr ich, dass unser Pilot gerade am Vortag einen Auffrischungskurs zur Kontrolle von Flugzeugen bei einem Triebwerkausfall besucht hatte.
Das fasst mein Leben ganz gut zusammen. Die meiste Zeit glich es einer langen, luxuriösen Flugreise. Manchmal stößt so eine Maschine allerdings mit einer Gans zusammen.
Und irgendwie bleibe ich jedes Mal, wenn sie das tut, am Leben und kann davon berichten.
KAPITEL 1
In welchem unser Held geboren wird und kurz darauf ein sechsjähriger weltweiter Konflikt endet. Und in welchem unser Held zur Schule geht und, kurioserweise, eine große Abneigung gegen das Singen in der Öffentlichkeit entwickelt.
Offensichtlich war ich ein Versehen. Irgendeine Unachtsamkeit in der Abteilung für Familienplanung. Ein »unforced error«, ein vermeidbarer Fehler, wie man im Tennis sagen würde. Wie sonst lässt sich erklären, weshalb Bob und Elsie Stewart im Alter von zweiundvierzig beziehungsweise neununddreißig Jahren - mit bereits vier Mäulern, die gestopft werden wollten, das jüngste Kind schon zehn - plötzlich auf die Idee kommen sollten, noch eines in die Welt zu setzen. Und warum ausgerechnet mitten im Zweiten Weltkrieg?
Daher der Familienscherz: »Roddy war Dads Ausrutscher. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Ausrutschern jedoch ein ziemlich lukrativer.«
Man hat mir jedoch nie das Gefühl gegeben, das Resultat eines Missgeschicks zu sein. Im Gegenteil, trotz (oder vielleicht wegen) meiner späten Ankunft wurde ich liebevoll empfangen - von meinen sechs engsten Angehörigen zumindest. Von Hitler weniger. Der Ort, an dem ich am 10. Januar 1945 zur Welt kam, war ein kleines Schlafzimmer im obersten Stock eines Reihenhauses in der Archway Road im Londoner Norden, dessen Fenster so oft durch das Nachbeben der deutschen Bomben zerborsten waren, dass Dad sie schließlich zur Schadensbegrenzung mit Brettern vernagelt hatte.
Der schlimmste Teil der Luft angriff e war da schon überstanden, und tatsächlich sollte in Europa der Krieg vier Monate später vorüber sein. Doch während Mum mit mir schwanger war, hatten die Deutschen ohne Rücksicht auf mein Kindeswohl London bombardiert: zuerst mit V-1-Raketen, unter dem lustigen Namen »Doodlebug« bekannt, und, weniger lustig, als »Buzzbombs« wegen des Geräuschs, das sie machten, bevor sie dich töteten. Gegen Ende der Schwangerschaft und in meinen ersten Lebenstagen als Wickelkind schickten sie dann die noch heimtückischeren V-2-Raketen von der französischen Küste aus über den Kanal.
Diese miesen Dinger hinterließen gerne mal einen über sieben Meter tiefen Krater, wo vorher ein Haus gestanden hatte. Klar, dass unter eine einschlagende V-2 niemand geraten wollte, egal ob schwanger, in Windeln oder keins von beiden.
Es heißt, nicht mal eine Stunde nach meiner Ankunft habe eines dieser Geschosse ganz unfeierlich die nur eine Dreiviertelmeile entfernte Highgate-Polizeistation in Schutt und Asche gelegt - und damit die Feierlaune anlässlich meiner Geburt etwas verdorben, uns zugleich aber eine wichtige und eindrückliche Lektion über die Zukunft, das Schicksal und die Vergänglichkeit unseres Erdendaseins mit auf den Weg gegeben. Eine hübsche kleine Parabel, doch leider stimmt kein Wort davon - sie ist nur eine jener Legenden, Fabeln und glatten Lügen, die im Namen der Publicity verbreitet werden. Im Laufe dieser Erzählung werden wir noch reichlich Gelegenheit haben, sie auseinanderzunehmen. Auf jeden Fall lagen zwischen meiner Geburt und dem Einschlag in der Polizeistation mehrere Wochen.
Gleichwohl stand das Leben in London immer auf Messers Schneide, und alle Überlebenden verband die Freude, es geschafft zu haben - erst recht, wenn das Haus, wie unseres, in Sichtweite eines Bahn-Betriebshofes lag, wodurch es unbeabsichtigt schlecht zielende Bomber regelrecht anzog. Als meine Mum mit mir schwanger war, heulten meist gegen halb zwei Uhr nachts die Sirenen, und Mary, mit siebzehn Jahren die Älteste, holte meinen Bruder Bob und meine Schwester Peggy aus den Betten, steckte sie in ihre Mäntel und führte sie, jeden mit seinem Kissen unter dem Arm, in den pechschwarzen Garten und dann hinunter in den Anderson-Unterstand unserer Familie - sechs von der Regierung zur Verfügung gestellte Wellbleche, aus denen eine Baracke gebaut und halb in den Boden eingelassen worden war. Auf das Dach geworfene Erde und Sandsäcke dienten als zusätzlicher Schutz vor Druckwellen. Dann krochen sie alle in die schmalen Stockbetten aus Metall und versuchten trotz des Lärms und ihrer Angst bis zum Morgen zu schlafen. Mein Bruder Don, damals fünfzehn, blieb lieber in seinem gemütlichen Bett zu Hause - zumindest so lange, bis einmal in der Nähe etwas herunterkam und das ganze Haus erbeben ließ. Von da an besaßen die Metallbetten im Garten für ihn auf einmal eine unwiderstehliche Anziehungskraft .
Klar, Tausende anderer Londoner Familien waren in Sicherheit - die Kinder wurden evakuiert, aufs Land geschickt und übergangsweise von freundlichen Bauern adoptiert; dort war die Gefahr geringer, dass eine Rakete durchs Dach schlug. Meine Familie hatte darüber gesprochen und entschieden, dass sie eine Trennung nicht ertragen würde - weder die Kinder von den Eltern noch andersherum. Das Motto der Stewarts lautete: »Wenn wir gehen, dann zusammen.« Wir waren in dieser Hinsicht sehr clanmäßig. Und sind es bis heute.
Das bedeutete allerdings nicht, dass jedes Familienmitglied alles erfuhr: So hatte Don zum Beispiel keine Ahnung, dass Mum schwanger war. Das sagt einiges darüber aus, wie zu jener Zeit über Sex und seine Folgen gesprochen wurde - oder eben gerade nicht. Don wunderte sich etwas, dass seine große Schwester so viel strickte (besonders im Luftschutzraum zum Zeitvertreib). Und hätte man ihn sehr eindringlich gefragt, wäre er wahrscheinlich damit herausgerückt, dass ihm der zusehends größer werdende Umfang seiner Mutter merkwürdig vorkam. Also erfuhr er davon zum ersten Mal an jenem Mittwochabend, als er gefragt wurde, ob er hinaufgehen und das Baby sehen wollte.
Meine Schwester Mary dagegen wusste Bescheid. Sie war so aufgeregt, als wäre sie selbst schwanger, und je näher der Geburtstermin rückte, desto rascher eilte sie von ihrer Arbeit nach Hause. Mittwoch war ihr Rollschuhabend. »Es kommt heute noch nicht«, beruhigte Mum sie. Also ging sie zum Rollschuhlaufen. Zu diesem Zeitpunkt mussten bei meiner Mutter schon die Wehen eingesetzt haben, denn bis meine Schwester zurückgekommen war, ihre Rollschuhe ausgezogen hatte und die Treppe hinaufgerannt war, hatte sie schon ein weiteres Brüderchen bekommen: Roderick David Stewart. Mary war wie vom Donner gerührt - nicht, weil sie mich in meiner strahlenden, neu geborenen Pracht erblickte, sondern wegen Mum, die völlig erschöpft und kreidebleich im Bett lag. Da begriff sie, was ihre Mutter durchgemacht und warum sie sie fortgeschickt hatte: um ihr die Details zu ersparen.
Mein Vater nahm die neue Situation erstaunlich gelassen, dabei hat er sicher darüber nachgedacht, wie er nun zurechtkommen sollte. Er stammte aus Schottland, aus Leith, nördlich von Edinburgh, hatte einige Zeit bei der Handelsmarine verbracht und war dann seinen Brüdern nach London gefolgt, um dort zu arbeiten. Meine Mum, eine gebürtige Londonerin, hatte er bei einer Tanzveranstaltung im Tufnell Park kennengelernt. Als ich auf die Welt kam, arbeitete er zwölf Stunden täglich als Klempner, kam abends um sieben nach Hause, zog seine Stiefel aus und legte seine qualmenden Füße neben dem Feuer hoch. Die langsam warm werdenden Socken stanken erbärmlich. Dad trank niemals. Einmal war er auf irgendeiner Baustelle abgefüllt worden und hatte noch an Ort und Stelle dem Alkohol abgeschworen.
Dafür rauchte und wettete er (am liebsten auf Pferde), und ein fünftes Kind würde ihm kaum aus seiner gelegentlichen Geldknappheit helfen. Der Vermieter unseres Hauses in der Archway Road 507 hieß Grattage, und noch heute spüre ich einen kalten Hauch von Angst und Abscheu, wenn ich diesen Namen nur höre. »Grattage kommt! Schnell weg!«
Die Archway Road war eine laute, verkehrsreiche Durchfahrtsstraße mit lauter kleinen Läden. Sie lag in einem Arbeiterviertel - das vornehmere Highgate befand sich weiter nördlich. Ein Oberleitungsbus hielt genau vor unserer Haustür, und der Wind blies die weggeworfenen Fahrscheine in die Abflussrinne vor unserem Keller - sehr zum Verdruss meines Vaters, der sie dort ständig herausklaubte. Lange Zeit, nachdem wir weggezogen waren, wurde das Haus abgerissen, damit die Straße verbreitert werden konnte - der Gemeinderat schafft e, was Hitler nicht gelungen war. Als es noch stand, war es ein ziemlich stattliches Haus für die Familie eines Klempners. Drei Zimmer im obersten Stock, zwei im zweiten und im Erdgeschoss neben Küche und Bad das Esszimmer mit der hohen Decke, in dem ein kleiner Flügel stand, auf dem Mum und gelegentlich mein Bruder Don spielten und der Jahre später einmal Fummelexperimente mit dem anderen Geschlecht ganz brauchbar abschirmte. Der andere Luxusgegenstand in unserem Haus war das Telefon (mit Münzkasten; man benötigte ein Dreipennystück, um nach draußen zu telefonieren) - zu jener Zeit ein nahezu beispielloses technologisches Wunder. Die geheimnisvolle, ehrfürchtige Atmosphäre, die es verbreitete, wenn es - selten einmal - klingelte, ist schwer zu beschreiben. Wer konnte das sein? Wer in aller Welt konnte das sein? Und wer sollte den Hörer abnehmen? Es konnte ein Weilchen dauern, bis das ausgehandelt war. Der Auserwählte meldete sich dann mit seiner Sonntagsstimme: »Mount View Sechs-Eins-Fünf-Sieben.« In den Vierzigern und Fünfzigern sprach man am Telefon etwas vornehmer. Der Apparat verlangte das.
Dad brauchte das Telefon, um den Fußballverein zu organisieren, den er in seiner Freizeit managte - Highgate Redwing, einen Amateurverein mit einer ersten und einer zweiten Mannschaft. Eine Zeit lang hatte der Verein sogar eine Jugendabteilung. Meine Brüder Bob und Don spielten für die Redwings, und ich irgendwann auch. Als ich dafür noch zu klein war, sah ich ehrfürchtig zu diesen Männern auf. Sie waren meine ersten Fußballidole. Vor den Spielen am Samstagvormittag traf sich die Mannschaft bei uns; ungefähr zwei Dutzend Fußballer streunten dann in der Küche und im Flur herum und verteilten sich bis nach draußen auf den Bürgersteig. Meine fiebrige Vorfreude, wenn die Jungs vorbeikamen! Für je einen Penny wusch meine Mutter jede Woche die Trikots. Sie hievte die schlammigen Klamotten in einen riesigen Kessel und rührte sie um. Später hingen die schwarz-weißen Trikots strahlend in einer Reihe auf der Leine quer durch unseren Garten. Ein herrlicher Anblick.
Ich erinnere mich an Familienurlaube in Ramsgate an der Küste von Kent - wir Stewarts harrten alle trotz der Eiseskälte tapfer am Strand aus, wie es sich für gute Briten gehört -, viel deutlicher noch sind mir jedoch die jährlichen Ausflüge mit dem Fußballclub in Erinnerung: Meine Mutter und meine Schwestern schmierten Dutzende Sandwiches für die Vergnügungstour der Redwings nach Clacton-on-Sea, und um acht Uhr morgens fuhren zwei Omnibusse voll mit Spielern, ihren Frauen und Kindern in der Archway Road los. Einfach himmlisch.
Genauso wie die Feiern des Fußballvereins. Vorher ging Dad immer in den Keller und verstärkte den Esszimmerboden von unten mit einem Gerüst und Brettern, und dann strömten alle herein, um zu tanzen und zu singen. Ich wurde ins Bett gebracht, schlich mich aber wieder hinunter und setzte mich unter den Flügel, von wo aus ich die Füße und die mit Kilts bekleideten Beine betrachtete. Dort wurde meine Liebe zum Gesang geweckt. Manchmal führte eine Polonaise aus dem Esszimmer hinaus, die Stufen hinunter auf die Straße und wieder zurück. Es ist nicht schwer, die Ausgelassenheit dieser Erwachsenen zu verstehen, wenn man sich vor Augen hält, was sie erst vor Kurzem durchgemacht hatten. Sie tanzten sich den Krieg von der Seele.
Meine Schwestern Mary und Peggy nahmen mich mit zum Speedway-Rennen in Harringay - sehr beliebt damals. Und mit Mum und Dad durfte ich manchmal ins Kino gehen, ins Rex in East Finchley, wo in der Mitte des Parketts eine tiefe Senke war: Die ersten Reihen lagen höher als die in der Mitte, die letzten noch höher. Vielleicht ein Kriegsschaden. Eines Tages, als ich acht war, sagte Mum: »Wir sehen uns Die Ferien des Monsieur Hulot an, das wird das Lustigste, was du je gesehen hast.« Das sind gewaltige Vorschusslorbeeren für einen Film - und durchaus berechtigt. Es war reiner Slapstick, aber trotzdem sehr subtil. Wir saßen im kaputten Parkett des Rex, und ich lachte, wie ich nie zuvor gelacht hatte, über Jacques Tati, der Chaos anrichtet, wo er geht und steht. Noch heute sind Ronnie Wood und ich große Tati-Fans.
Der große Altersabstand zwischen mir und meinen Geschwistern brachte natürlich mit sich, dass wir zu Hause rasch weniger wurden. Zuerst heiratete Mary Fred, einen Lastwagenfahrer bei Wall's. Mein Schutzengel war also fort. Dann heiratete Peggy Jim, einen wunderbaren, Cockney sprechenden Gemüsehändler, der im Krieg bei Monte Cassino gekämpft hatte - eine Erfahrung, die er nicht vergessen konnte. Jahre später, als ich schon zu etwas Geld gekommen war, war Jim einmal bei einem unserer großen Ausflüge mit dem Flugzeug zu einem Schottland- Spiel dabei. Die Reise ging nach Italien. Jim saß dort, drehte sich wie so oft eine Zigarette, sah nachdenklich aus dem Fenster und sagte: »Man hat mir mal vierzehn Schilling die Woche bezahlt, um die Leute da umzubringen.«
Das Leben sollte es nicht gut meinen mit Peggy, die sich gerne in der Natur aufhielt und eine großartige Tennisspielerin war: Multiple Sklerose zwang sie mit Mitte dreißig in den Rollstuhl. Auch meine Mutter war wegen dieser Krankheit irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen. Unfair.
Der Nächste, der die Archway Road verließ, war Bob; er heiratete Kim. Schließlich verließ auch Don mit sechsundzwanzig unser Elternhaus, da war ich erst elf. Als ich von seiner bevorstehenden Hochzeit mit Pat erfuhr, schmolz ich zu einem kleinen, heulenden Häuflein Elend zusammen. Genauso hatte ich geweint, als er uns wegen des Wehrdienstes verlassen hatte - allerdings hauptsächlich, weil es meine Vorstellungskraft überstieg, wie Aldershot, der Ort, an den er geschickt wurde, aussah, wie überhaupt jemand dorthin gelangen, geschweige denn zurückkehren konnte. Dieser jüngste Verrat schien jedoch endgültig. Wie konnte er mich nur verlassen? Don nahm mich mit ins West End und versuchte, mir diesen Gedanken, so gut er konnte, mit Limonade schmackhaft zu machen. Dabei gingen meine Geschwister in Wahrheit gar nicht weit fort. Sie zogen im Grunde nur ein paar Türen weiter - im schlimmsten Fall nahmen sie eine Wohnung, die um die Ecke lag. Das Stewart-Clan-Ding eben. Ein paar Jahre später, als mich das Interesse an meinem Aussehen richtig gepackt hatte und ich gelegentlich Marys Fön oder das Haarspray meiner Schwägerin Pat ausleihen wollte, lernte ich diese Nähe zu schätzen. Sehr praktisch.
»Total verzogen« ist in meiner Familie meist das Kürzel für meine Kindheit. Ich erhebe Einspruch. Die Begründung? In materieller Hinsicht gab es nicht viel, mit dem man mich hätte verziehen können. »Mit Nachsicht behandelt« wäre vielleicht eine passendere Beschreibung. Andererseits muss ich zugeben, dass Mary freitags nie von der Arbeit kam, ohne mir ein Spielzeug von Woolworth mitzubringen - irgendein kleines Auto oder einen Spielzeugsoldaten. War das ein Zeichen für »total verzogen«? Kann schon sein.
Ich räume auch Folgendes ein: Meine Mutter kochte gerne mal Kanincheneintopf. Bevor ich auf die Welt kam, wurde das Kaninchenherz - es war zwar klein, galt aber als Delikatesse - in vier Stückchen geteilt. Als ich dann da war, bekam ich es ganz alleine.
Als pflichtbewusster, jedoch nicht eben herausragender Schüler fiel ich durch die Eignungsprüfung nach der Grundschule, was niemanden sonderlich überraschte, und wurde in einer grauen Flanelluniform mit schwarz-weißer Krawatte auf die William Grimshaw Secondary Modern geschickt. Ray und Dave Davies von den Kinks gingen ungefähr zur gleichen Zeit auf dieselbe Schule, das fanden wir aber erst Jahre später heraus. Ich nahm immer den Bus nach North Finchley, der vor unserer Haustür abfuhr - sehr bequem. Am Ziel angekommen, musste ich dann allerdings eine Meile die Creighton Avenue hinuntergehen, das war weniger angenehm. Dafür reiste ich mit leichtem Gepäck, wie alle Schuljungen damals. Heute hat Alastair, mein Kleiner, Taschen, Bücher, Laptops und so Zeugs dabei, wenn er in die Schule geht. Mir kommt es so vor, als wäre ich die gesamte weiterführende Schule nur mit einem einzigen Bleistift bewaffnet gewesen, ja eigentlich nicht einmal das, sondern bloß mit einem Bleistiftstummel, der in der Brusttasche meines Blazers steckte. Mehr brauchte ich anscheinend nicht.
Ich war halbwegs fleißig - und im Großen und Ganzen auch glücklich. Auf jeden Fall wollte ich in der Schule nicht fehlen - ich hatte Angst, nicht mehr mitzukommen. Viel geschwänzt habe ich daher nicht und war auch kein großer Unruhestift er. Bei Prügeleien stand ich meist nur daneben und sah zu. Zwar gewann ich leicht Freunde, gehörte aber nicht zu den Kindern, die auf dem Spielplatz im Mittelpunkt standen und mühelos alle Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Und als einen, der die anderen unterhielt, sah ich mich absolut nicht. Dieses Selbstvertrauen entwickelte ich erst in den verschiedenen Bands. Im Malen war ich nicht schlecht - allerdings ergab eine Routineuntersuchung, dass ich farbenblind bin. (Ich kann Braun-, Blau- und Violetttöne nicht gut unterscheiden.) In den meisten Fächern kam ich zurecht, und in Sport war ich sogar ziemlich gut: Ich war Kapitän des Cricket-Teams und der Fußballmannschaft . Es gab nur eine Sache, mit der ich Probleme hatte, und das war verrückterweise der Musikunterricht bei Mr. Wainwright.
Wenn ich vor der Klasse aufstehen musste, war ich immer wie gelähmt. In Mr. Wainwrights Musikraum entdeckte ich nun, wovor ich noch mehr Angst hatte: vor der Klasse aufzustehen und zu singen. Dabei war nicht Schüchternheit mein Problem: Ich fürchtete mich vielmehr davor, lächerlich gemacht zu werden. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber ich könnte schwören, dass Mr. Wainwright es auf mich abgesehen hatte: Er ließ mich aufstehen, um mit ihm vorne am Klavier ein paar Zeilen irgendeines Liedes zu singen, und ich bebte und zitterte und versuchte kläglich, die Töne zu treffen. So erbärmlich habe ich mich niemals sonst gefühlt - unter keinen Umständen.
Deshalb entwickelte ich den Trick mit dem »Erbrochenen«.
Übersetzung: Johanna Wais, Stefan Rohmig, Lisa Kögeböhn, Bernd Gockel und Jörn Ingwersen
© 2012 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Rod Stewart
Stewart, RodRod Stewart, geboren als Roderick David Stewart wurde am 10. Januar 1945 in Highgate, London geboren. Mit mehr als 200 Millionen verkauften Tonträgern zählt er zu einem der erfolgreichsten britischen Sänger und Songwriter aller Zeiten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rod Stewart
- 2012, 480 Seiten, 24 farbige Abbildungen, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Wais, Johanna; Rohmig, Stefan; Kögeböhn, Lisa
- Übersetzer: Bernd Gockel, Stefan Rohmig, Jörn Ingwersen, Johanna Wais, Lisa Kögeböhn
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453200233
- ISBN-13: 9783453200234
- Erscheinungsdatum: 29.10.2012
Rezension zu „Rod Stewart - Die Autobiografie “
"Besonders die Mischung aus haarsträubenden Geschichten, gut in den Lesefluss integrierten Fakten und dem leichten und lockeren Ton macht das Buch zu einem 'Pageturner', der sowohl erstklassig unterhält als auch informiert."
Kommentare zu "Rod Stewart - Die Autobiografie"
5 von 5 Sternen
5 Sterne 2Schreiben Sie einen Kommentar zu "Rod Stewart - Die Autobiografie".
Kommentar verfassen