Roman ohne Eifersucht
Jonathan kennt keine Eifersucht. Was seine Freundin mit anderen Männern anstellt, ist ihre Sache solange sie immer zu ihm zurückkommt. So geht wahre Liebe, denkt er.
Karen, seine Freundin, wüsste gern, was sie mit so viel Freiheit anfangen soll. Als...
Karen, seine Freundin, wüsste gern, was sie mit so viel Freiheit anfangen soll. Als...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Roman ohne Eifersucht “
Jonathan kennt keine Eifersucht. Was seine Freundin mit anderen Männern anstellt, ist ihre Sache solange sie immer zu ihm zurückkommt. So geht wahre Liebe, denkt er.
Karen, seine Freundin, wüsste gern, was sie mit so viel Freiheit anfangen soll. Als Jonathan allein verreist, schlägt sie ihm ein Experiment vor: freie Liebe, probeweise.
Karen, seine Freundin, wüsste gern, was sie mit so viel Freiheit anfangen soll. Als Jonathan allein verreist, schlägt sie ihm ein Experiment vor: freie Liebe, probeweise.
Klappentext zu „Roman ohne Eifersucht “
Freie Liebe ohne Eifersucht. Kann das funktionieren? »Theresa Bäuerlein findet überraschende Antworten!« Cosmopolitan
Jonathan kennt keine Eifersucht. Was seine Freundin mit anderen Männern anstellt, ist ihre Sache - solange sie immer zu ihm zurückkommt. So geht wahre Liebe, denkt er.
Karen, seine Freundin, wüsste gern, was sie mit so viel Freiheit anfangen soll. Als Jonathan allein verreist, schlägt sie ihm ein Experiment vor: freie Liebe, probeweise ...
»Ein kluger Roman, der mit extremer Leichtigkeit daherkommt, aber an den Grundfesten rüttelt.« WDR 1Live
»Eine leichte, aber niemals seichte Dreiecksgeschichte über die Suche nach echtem Beziehungsglück.« Freundin
Lese-Probe zu „Roman ohne Eifersucht “
Roman ohne Eifersucht von Theresa Bäuerlein 1. Kapitel
Sie waren überall. Die blassen Beine, die fünf Meter weiter vorne zwischen den zischenden Türen eines Busses verschwanden. Das Parfüm und der Shampoogeruch, die für ein paar Atemzüge neben ihm hängenblieben. Gelächter und Murmeln, helle Sätze und dunkles Seufzen stiegen auf, umfingen ihn flüchtig, wie strudelndes Wasser, in das sein Körper ragte wie ein ausgestreckter Finger. Der Wind, der Röcke bewegte und Haare aufplusterte und der auch ihm durchs Gesicht ging, eine streichelnde, warme Hand. Von allen Seiten strömten die Vorboten der Saison nackter Haut langsam in flatternden Stoffen die Straßen hinunter. Die Farben benebelten ihn, als hätte er etwas Hartes, Klares getrunken, er wandte den Kopf hin und her wie eine Kamera, die einen möglichst exakten Gesamteindruck aufzeichnen soll.
Sein schwarzes Hemd mit den langen Ärmeln war zu warm für diesen Tag, seine Jeans sowieso, am liebsten würde er beides loswerden, und sich so, wie er war, von einer dieser mit Stoff umwickelten Frauen mitziehen lassen, und wenn es nur in eine stille Ecke war, wo sie einander kurz ansehen und dann wortlos berühren würden, einander aufsaugen würden wie in der Sonne tropfendes, namenloses Stieleis. Eine winzige, weiße Blüte wehte über den Weg und blieb an seiner verschwitzten Stirn hängen. Ja, dachte Jonathan erstaunt, es war eindeutig schon wieder Frühling. Haare, Stoffe, Schuhe, Brillen, Spalten, Falten, runde, spitze, kantige und langgezogene Formen, Gehen und Latschen und Schreiten, Haut, glattes Braun, blasses Weiß mit Sommersprossen bestäubt, das vielversprechende Nichts in einem V-Ausschnitt zwischen ovalen Brüsten -
... mehr
»Jonathan«, sagte Karen. »Hörst du mir eigentlich zu?«
Er blinzelte schnell und versuchte, sich zu erinnern, worüber sie geredet hatten, nachdem sie durch die Schleuse der Restauranttür in diesen farbenfrohen Himmel getreten waren. Seine Erinnerung war ein weißes Rauschen. Er zögerte.
»Sicher höre ich zu.«
»Also, was meinst du?«
»Was meinst denn du?«
Seine Freundin blieb stehen, sah ihn an, sah wieder weg.
»Du versuchst nicht mal, mir zuzuhören, oder?«
»Doch, natürlich.« Er lächelte, suchte ihren Blick und berührte ihre Hand. Sie schwieg. Er sah auf den Boden. »Hör zu, du weißt, wie schlecht ich mich konzentrieren kann. Vor allem, wenn ...« - er wedelte mit einer Hand in beide Richtungen der Straße - »wenn so viel los ist.« Er beugte sich vor und versuchte ihr einen Kuss zu geben. Sie wich aus. Frust stieg in ihm auf, eine bittere Welle. »Komm schon, Karen. Lass uns den Abend nicht mit diesem Blödsinn verderben. «
»Blödsinn?« Ihre Stimme, normalerweise eher dunkel, war kratzig und hoch.
»Tja, ich dachte halt, ich könnte mit dir reden. Schön blöd, was.« Sie ging weiter, machte dabei einen ärgerlichen, kleinen Hüpfer.
»Ach, komm«, sagte er. Sie ging schneller. »Was willst du denn«, rief er, »dass ich dir ununterbrochen zur Verfügung stehe, zu hundert Prozent, das kann ich nicht!«
»Ich will, dass ich nicht stundenlang rede, und es kommt nichts an.«
»Aber das tust du doch gar nicht -«
»Doch! Du bist wie ein kaputtes Handy. Man redet mit dir, und plötzlich: kein Empfang. Aus Gründen, die keiner versteht.«
»Sehr schön, du nimmst mal wieder einen einzigen Tag, oder auch nur die letzten zehn Minuten, und machst daraus eine allgemeine Regel.« Noch während er es sagte, lenkte ihr Gesicht ihn ab. So, wie sie jetzt aussah, wie das Licht von der Seite über ihr Gesicht fiel und ihrer Haut diesen matten, silbernen Widerschein gab, so wollte er sie jetzt am liebsten fotografieren. Er streckte im Gehen eine Hand aus, um ihr Haar zurückzustreichen. Sie sah ihn an, ihre Mundwinkel zuckten. Er lächelte.
»Du willst mich nur ablenken«, sagte sie.
»Du bist so hübsch.«
»Bis irgendein Mädel mit einem Riesenausschnitt vorbeigeht «, murmelte sie.
Er blieb stehen. »Aha, darum geht es also.«
»Was?«
Er zuckte die Schultern. Sie wandte den Kopf ab und steckte die Hände in die Taschen ihrer Jacke, die in ihrer rot-weißen Kariertheit an eine Tischdecke erinnerte. »Kannst du nicht einmal nur an mich denken, wenn ich direkt neben dir bin?«
Darauf fiel ihm nichts mehr ein. Auch Karen schwieg und wich mit geradem Rücken einem kleinen, halb zerstampften Haufen Pommes aus, den jemand auf dem Bürgersteig seinem Schicksal überlassen hatte. Still gingen sie nebeneinanderher, und Jonathans eben noch strahlende Laune färbte sich dunkel. Er verfluchte seinen hartnäckigen Schädel, der sich heute noch weniger konzentrieren wollte als sonst. Er sah auf die Straße und erkannte es wieder, das schlechte Gewissen, das er sich anzog wie ein schlecht sitzendes Jackett, das er sich selbst nie ausgesucht hätte. Die Straße lief unter seinen angegrauten Turnschuhen hindurch wie ein staubiges Fließband, auf dem sein Tag produziert wurde. Seine Hände waren kalt, er steckte sie in die Jackentaschen. Eigentlich war er ein ganz normaler halbwegs junger Mann, der gerne die Zeitung las, Geburtstage vergaß und eine sehr alte Jeans allen anderen Hosen vorzog. Und trotzdem war er so anders, wie jemand, der nur tagsüber schlafen konnte und nachts wach war, oder der vierzehn Mojitos trinken konnte, ohne das Bedürfnis zu bekommen, jemanden anzupöbeln, hinter einen Busch zu kotzen oder ein Buch zu schreiben.
Die Sache war die: Jonathan Steinberg empfand, was Sex betraf, keine Eifersucht. Seinem Hirn fehlten einfach die Rezeptoren für das Gefühl, das der Treibstoff für Millionen von Gedichten, Filmen und Liedern war, deren Sinn glatt an ihm vorbeiging. Seine Karriere als Schauspieler war schon im Schultheater gescheitert, wie sollte er Othellos Problem ernst nehmen? Also ging er seinem zweiten Berufswunsch nach und wurde Fotograf. So konnte er die Welt ablichten, wie er sie verstand. Seine Welt war es trotzdem nicht.
Was war nur mit all den Hippies passiert, fragte er sich immer wieder. Wenn es sie noch gab, waren sie sehr leise geworden. Sicher hatten sie Fehler gemacht, Jonathan war nicht blöd. Immerhin zwanzig Jahre lang hatte er seinen Eltern dabei zugesehen, wie sie eine offene Ehe mit allen Nebenwirkungen jonglierten, bis sie einfach zusammenbrachen. Das hatte ihm eine ziemlich klare Idee davon gegeben, wie kompliziert und nervenzerfetzend es war, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, vor allem, wenn man gleichzeitig noch andere Dinge im Leben auf die Reihe bekommen wollte, essen und schlafen etwa, den Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Eine Chaosbeziehung war das Letzte, das er wollte. Das Element der Kontrolle war wichtig, machte den ganzen Untersch-
Ein Pärchen auf der anderen Straßenseite lenkte ihn ab. Er grau, sie fast weiß, beide leicht gebeugt in kamelfarbenen Mänteln, Gesichter wie zerknülltes Zeitungspapier, die Hände im Gehen ineinander verschränkt. Sie liefen im gleichen, tippelnden Tempo, aneinander angepasst, halb so schnell wie Jonathan und Karen. Sein Herz schwoll wie ein warm getränkter Badeschwamm. Er griff nach der Hand seiner Freundin und drückte sie, sah hoffnungsvoll zur Seite, aber Karens Profil war eine Wand. Wenn sie so war, wusste er, gab es kein Durchkommen. Er seufzte und ließ ihre Hand los. Eifersucht, was für ein blödes, sinnloses Gefühl. Warum? Warum, zur Hölle, durfte er seine Freundin wie verrückt begehren, aber keine andere Frau? Er war ganz sicher, dass die Unglücksformel, an der so viele Beziehungen scheiterten, sich in eine Glücksformel umschreiben ließ:
Nicht mehr
Wir lieben uns, und wir wollen trotzdem mit anderen schlafen sondern
Wir lieben uns, und wir wollen trotzdem mit anderen schlafen.
Aber die Definition der Liebe besagte, das hatte er gelernt, dass man eine unsichtbare Flagge auf seinen Partner pflanzte, auf der »Privatgelände« stand, und um sich selbst einen Zaun mit »Berühren verboten«. So sah es aus, und obwohl er dieses seltsame Gesetz nie unterschrieben hatte, galt es auch für ihn. Wann immer er vorsichtig vorgeschlagen hatte, es zu brechen, war er ins Leere gelaufen. Seine ersten Freundinnen hatten kategorisch abgelehnt, Karen hatte immerhin gesagt, sie würde es sich überlegen, und dann nie wieder ein Wort dazu verloren.
Er lief also brav neben der Frau, die er liebte, während der Frühling an ihm zog und zerrte wie ein betrunkener guter Kumpel, der Jonathan weismachen wollte, dass er ihn ruhig ans Steuer seines Lebens lassen könnte. Vor drei Jahren wäre Jonathan sofort dabei gewesen, hätte mit Vergnügen die irre Mixtur aus Lust und Jagdtrieb gefressen, die seinen Alltag so heftig würzen konnte und die dafür sorgte, dass er immer wieder in den Armen fremder Frauen landete. Aber jetzt war Karen da, und weil er dazugelernt hatte, gab er sich Mühe, ein ganz normaler, ein treuer Mann zu sein. Er hatte sich das Unrechtsbewusstsein mühsam antrainiert wie einer, der lernen muss, dass Bananen böse und Äpfel gute Früchte sind, während ein hartnäckiger Teil in ihm nicht daran glaubte. Dieser Teil bestand darauf, dass Menschen einander begehrten, weil sie Nähe brauchten, und weil das gut für sie war, so gut, wie frische Luft zu atmen.
So viele Menschen waren mit ihnen auf der Straße, aber nur die Pärchen berührten sich. Zwischen den anderen Passanten stand meterdick die Einsamkeit. Er konnte sie spüren, er war selbst so lange allein gewesen, verloren in einer Stadt, die nur aus Langzeitpaaren und Singles zu bestehen schien, die allesamt dazu verdammt waren, ihre ganze Sehnsucht nach körperlicher Nähe auf Sparflamme zu halten und sich an kurzen Umarmungen mit Freunden sattzulieben.
Die Dämmerung fiel über die Stadt, langsam leuchteten die Straßenlaternen auf. Es wurde kühler. Jonathan reichte es. Er legte einen Arm um seine Freundin. Karen machte einen Schritt zur Seite, so dass sie vor ihm stand und auch er stehenbleiben musste. Von oben warf eine Straßenlaterne Schatten in ihr Gesicht und vertiefte den bläulichen Ton ihrer Haut, in letzter Zeit schlief sie wieder zu wenig. Er wusste nicht, was er sagen sollte, spürte nur mit überraschender Heftigkeit den Wunsch, sie könnte ihn so lieben, wie er war. Sie betrachtete ihn unentschlossen, dann küsste sie ihn plötzlich, und erleichtert küsste er sie zurück. Sie drückte sich an ihn, so fest, dass nichts, aber auch gar nichts mehr zwischen sie passen würde. Der frühe Abend umfing sie wie ein warmes Bett, in dem kurz vor ihnen jemand geschlafen hatte. Er seufzte, diesmal erlöst. Endlich hatte er sich selbst da, wo er sein sollte: bei ihr. Sie rückten ein Stück voneinander ab, umarmten sich aber weiter. Er summte leise, eine beruhigende Kindermelodie, die ihm im Kopf umging und in der eine wortlose Entschuldigung für alles lag, was an ihm schwierig und verbesserungswürdig war.
Karen boxte ihm leicht in die Rippen und lächelte. Im nächsten Moment fiel ihr das Lächeln vom Gesicht. »Übermorgen fährst du«, stellte sie fest, als hätte sie gerade eben in einer Schlagzeile diese Neuigkeit gelesen. Er nickte.
»Freust du dich, Jonathan?«
Er nickte noch einmal.
»So siehst du gar nicht aus.« Das Hühnercurry von eben, sagte er, zu scharf. Sein Magen. Er merkte selbst, wie lahm das klang, also zog er Karen schnell wieder an sich, spürte die Wärme ihres Körpers, die Weichheit ihrer Haut. Gleichzeitig, er konnte es nicht verhindern, ging auf der anderen Straßenseite eine sehr große Frau in einem überaus dunklen, einteiligen Anzug vorbei, der ihren langen, mokkafarbenen Rücken freilegte. Ihr dunkles Haar hing wie ein nasser Vorhang darüber. Sekundenlang bildete Jonathan sich ein, das zarte Muster einer Gänsehaut darauf erkennen zu können. Seine Finger krümmten sich sehnsüchtig, wollten über die Wölbungen dieser Haut streichen, sich unter den gespannten Stoff schieben, den schwarzen Anzug von ihr abschälen, diesen ganzen dunklen Körper freilegen und ihn zum Schwitzen bringen, weil er da war, Jonathan, und weil sie ihn haben wollte. Er schloss die Augen und drückte seine Liebe fester. Übermorgen. Das schärfste Hühnercurry war der reinste Magenbalsam gegen das, was dieser Gedanke mit seinen Innereien anstellte.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
»Jonathan«, sagte Karen. »Hörst du mir eigentlich zu?«
Er blinzelte schnell und versuchte, sich zu erinnern, worüber sie geredet hatten, nachdem sie durch die Schleuse der Restauranttür in diesen farbenfrohen Himmel getreten waren. Seine Erinnerung war ein weißes Rauschen. Er zögerte.
»Sicher höre ich zu.«
»Also, was meinst du?«
»Was meinst denn du?«
Seine Freundin blieb stehen, sah ihn an, sah wieder weg.
»Du versuchst nicht mal, mir zuzuhören, oder?«
»Doch, natürlich.« Er lächelte, suchte ihren Blick und berührte ihre Hand. Sie schwieg. Er sah auf den Boden. »Hör zu, du weißt, wie schlecht ich mich konzentrieren kann. Vor allem, wenn ...« - er wedelte mit einer Hand in beide Richtungen der Straße - »wenn so viel los ist.« Er beugte sich vor und versuchte ihr einen Kuss zu geben. Sie wich aus. Frust stieg in ihm auf, eine bittere Welle. »Komm schon, Karen. Lass uns den Abend nicht mit diesem Blödsinn verderben. «
»Blödsinn?« Ihre Stimme, normalerweise eher dunkel, war kratzig und hoch.
»Tja, ich dachte halt, ich könnte mit dir reden. Schön blöd, was.« Sie ging weiter, machte dabei einen ärgerlichen, kleinen Hüpfer.
»Ach, komm«, sagte er. Sie ging schneller. »Was willst du denn«, rief er, »dass ich dir ununterbrochen zur Verfügung stehe, zu hundert Prozent, das kann ich nicht!«
»Ich will, dass ich nicht stundenlang rede, und es kommt nichts an.«
»Aber das tust du doch gar nicht -«
»Doch! Du bist wie ein kaputtes Handy. Man redet mit dir, und plötzlich: kein Empfang. Aus Gründen, die keiner versteht.«
»Sehr schön, du nimmst mal wieder einen einzigen Tag, oder auch nur die letzten zehn Minuten, und machst daraus eine allgemeine Regel.« Noch während er es sagte, lenkte ihr Gesicht ihn ab. So, wie sie jetzt aussah, wie das Licht von der Seite über ihr Gesicht fiel und ihrer Haut diesen matten, silbernen Widerschein gab, so wollte er sie jetzt am liebsten fotografieren. Er streckte im Gehen eine Hand aus, um ihr Haar zurückzustreichen. Sie sah ihn an, ihre Mundwinkel zuckten. Er lächelte.
»Du willst mich nur ablenken«, sagte sie.
»Du bist so hübsch.«
»Bis irgendein Mädel mit einem Riesenausschnitt vorbeigeht «, murmelte sie.
Er blieb stehen. »Aha, darum geht es also.«
»Was?«
Er zuckte die Schultern. Sie wandte den Kopf ab und steckte die Hände in die Taschen ihrer Jacke, die in ihrer rot-weißen Kariertheit an eine Tischdecke erinnerte. »Kannst du nicht einmal nur an mich denken, wenn ich direkt neben dir bin?«
Darauf fiel ihm nichts mehr ein. Auch Karen schwieg und wich mit geradem Rücken einem kleinen, halb zerstampften Haufen Pommes aus, den jemand auf dem Bürgersteig seinem Schicksal überlassen hatte. Still gingen sie nebeneinanderher, und Jonathans eben noch strahlende Laune färbte sich dunkel. Er verfluchte seinen hartnäckigen Schädel, der sich heute noch weniger konzentrieren wollte als sonst. Er sah auf die Straße und erkannte es wieder, das schlechte Gewissen, das er sich anzog wie ein schlecht sitzendes Jackett, das er sich selbst nie ausgesucht hätte. Die Straße lief unter seinen angegrauten Turnschuhen hindurch wie ein staubiges Fließband, auf dem sein Tag produziert wurde. Seine Hände waren kalt, er steckte sie in die Jackentaschen. Eigentlich war er ein ganz normaler halbwegs junger Mann, der gerne die Zeitung las, Geburtstage vergaß und eine sehr alte Jeans allen anderen Hosen vorzog. Und trotzdem war er so anders, wie jemand, der nur tagsüber schlafen konnte und nachts wach war, oder der vierzehn Mojitos trinken konnte, ohne das Bedürfnis zu bekommen, jemanden anzupöbeln, hinter einen Busch zu kotzen oder ein Buch zu schreiben.
Die Sache war die: Jonathan Steinberg empfand, was Sex betraf, keine Eifersucht. Seinem Hirn fehlten einfach die Rezeptoren für das Gefühl, das der Treibstoff für Millionen von Gedichten, Filmen und Liedern war, deren Sinn glatt an ihm vorbeiging. Seine Karriere als Schauspieler war schon im Schultheater gescheitert, wie sollte er Othellos Problem ernst nehmen? Also ging er seinem zweiten Berufswunsch nach und wurde Fotograf. So konnte er die Welt ablichten, wie er sie verstand. Seine Welt war es trotzdem nicht.
Was war nur mit all den Hippies passiert, fragte er sich immer wieder. Wenn es sie noch gab, waren sie sehr leise geworden. Sicher hatten sie Fehler gemacht, Jonathan war nicht blöd. Immerhin zwanzig Jahre lang hatte er seinen Eltern dabei zugesehen, wie sie eine offene Ehe mit allen Nebenwirkungen jonglierten, bis sie einfach zusammenbrachen. Das hatte ihm eine ziemlich klare Idee davon gegeben, wie kompliziert und nervenzerfetzend es war, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, vor allem, wenn man gleichzeitig noch andere Dinge im Leben auf die Reihe bekommen wollte, essen und schlafen etwa, den Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Eine Chaosbeziehung war das Letzte, das er wollte. Das Element der Kontrolle war wichtig, machte den ganzen Untersch-
Ein Pärchen auf der anderen Straßenseite lenkte ihn ab. Er grau, sie fast weiß, beide leicht gebeugt in kamelfarbenen Mänteln, Gesichter wie zerknülltes Zeitungspapier, die Hände im Gehen ineinander verschränkt. Sie liefen im gleichen, tippelnden Tempo, aneinander angepasst, halb so schnell wie Jonathan und Karen. Sein Herz schwoll wie ein warm getränkter Badeschwamm. Er griff nach der Hand seiner Freundin und drückte sie, sah hoffnungsvoll zur Seite, aber Karens Profil war eine Wand. Wenn sie so war, wusste er, gab es kein Durchkommen. Er seufzte und ließ ihre Hand los. Eifersucht, was für ein blödes, sinnloses Gefühl. Warum? Warum, zur Hölle, durfte er seine Freundin wie verrückt begehren, aber keine andere Frau? Er war ganz sicher, dass die Unglücksformel, an der so viele Beziehungen scheiterten, sich in eine Glücksformel umschreiben ließ:
Nicht mehr
Wir lieben uns, und wir wollen trotzdem mit anderen schlafen sondern
Wir lieben uns, und wir wollen trotzdem mit anderen schlafen.
Aber die Definition der Liebe besagte, das hatte er gelernt, dass man eine unsichtbare Flagge auf seinen Partner pflanzte, auf der »Privatgelände« stand, und um sich selbst einen Zaun mit »Berühren verboten«. So sah es aus, und obwohl er dieses seltsame Gesetz nie unterschrieben hatte, galt es auch für ihn. Wann immer er vorsichtig vorgeschlagen hatte, es zu brechen, war er ins Leere gelaufen. Seine ersten Freundinnen hatten kategorisch abgelehnt, Karen hatte immerhin gesagt, sie würde es sich überlegen, und dann nie wieder ein Wort dazu verloren.
Er lief also brav neben der Frau, die er liebte, während der Frühling an ihm zog und zerrte wie ein betrunkener guter Kumpel, der Jonathan weismachen wollte, dass er ihn ruhig ans Steuer seines Lebens lassen könnte. Vor drei Jahren wäre Jonathan sofort dabei gewesen, hätte mit Vergnügen die irre Mixtur aus Lust und Jagdtrieb gefressen, die seinen Alltag so heftig würzen konnte und die dafür sorgte, dass er immer wieder in den Armen fremder Frauen landete. Aber jetzt war Karen da, und weil er dazugelernt hatte, gab er sich Mühe, ein ganz normaler, ein treuer Mann zu sein. Er hatte sich das Unrechtsbewusstsein mühsam antrainiert wie einer, der lernen muss, dass Bananen böse und Äpfel gute Früchte sind, während ein hartnäckiger Teil in ihm nicht daran glaubte. Dieser Teil bestand darauf, dass Menschen einander begehrten, weil sie Nähe brauchten, und weil das gut für sie war, so gut, wie frische Luft zu atmen.
So viele Menschen waren mit ihnen auf der Straße, aber nur die Pärchen berührten sich. Zwischen den anderen Passanten stand meterdick die Einsamkeit. Er konnte sie spüren, er war selbst so lange allein gewesen, verloren in einer Stadt, die nur aus Langzeitpaaren und Singles zu bestehen schien, die allesamt dazu verdammt waren, ihre ganze Sehnsucht nach körperlicher Nähe auf Sparflamme zu halten und sich an kurzen Umarmungen mit Freunden sattzulieben.
Die Dämmerung fiel über die Stadt, langsam leuchteten die Straßenlaternen auf. Es wurde kühler. Jonathan reichte es. Er legte einen Arm um seine Freundin. Karen machte einen Schritt zur Seite, so dass sie vor ihm stand und auch er stehenbleiben musste. Von oben warf eine Straßenlaterne Schatten in ihr Gesicht und vertiefte den bläulichen Ton ihrer Haut, in letzter Zeit schlief sie wieder zu wenig. Er wusste nicht, was er sagen sollte, spürte nur mit überraschender Heftigkeit den Wunsch, sie könnte ihn so lieben, wie er war. Sie betrachtete ihn unentschlossen, dann küsste sie ihn plötzlich, und erleichtert küsste er sie zurück. Sie drückte sich an ihn, so fest, dass nichts, aber auch gar nichts mehr zwischen sie passen würde. Der frühe Abend umfing sie wie ein warmes Bett, in dem kurz vor ihnen jemand geschlafen hatte. Er seufzte, diesmal erlöst. Endlich hatte er sich selbst da, wo er sein sollte: bei ihr. Sie rückten ein Stück voneinander ab, umarmten sich aber weiter. Er summte leise, eine beruhigende Kindermelodie, die ihm im Kopf umging und in der eine wortlose Entschuldigung für alles lag, was an ihm schwierig und verbesserungswürdig war.
Karen boxte ihm leicht in die Rippen und lächelte. Im nächsten Moment fiel ihr das Lächeln vom Gesicht. »Übermorgen fährst du«, stellte sie fest, als hätte sie gerade eben in einer Schlagzeile diese Neuigkeit gelesen. Er nickte.
»Freust du dich, Jonathan?«
Er nickte noch einmal.
»So siehst du gar nicht aus.« Das Hühnercurry von eben, sagte er, zu scharf. Sein Magen. Er merkte selbst, wie lahm das klang, also zog er Karen schnell wieder an sich, spürte die Wärme ihres Körpers, die Weichheit ihrer Haut. Gleichzeitig, er konnte es nicht verhindern, ging auf der anderen Straßenseite eine sehr große Frau in einem überaus dunklen, einteiligen Anzug vorbei, der ihren langen, mokkafarbenen Rücken freilegte. Ihr dunkles Haar hing wie ein nasser Vorhang darüber. Sekundenlang bildete Jonathan sich ein, das zarte Muster einer Gänsehaut darauf erkennen zu können. Seine Finger krümmten sich sehnsüchtig, wollten über die Wölbungen dieser Haut streichen, sich unter den gespannten Stoff schieben, den schwarzen Anzug von ihr abschälen, diesen ganzen dunklen Körper freilegen und ihn zum Schwitzen bringen, weil er da war, Jonathan, und weil sie ihn haben wollte. Er schloss die Augen und drückte seine Liebe fester. Übermorgen. Das schärfste Hühnercurry war der reinste Magenbalsam gegen das, was dieser Gedanke mit seinen Innereien anstellte.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Theresa Bäuerlein
Theresa Bäuerlein, freie Journalistin und Autorin, geboren 1980 in Bonn, lebt seit einiger Zeit in Tel Aviv, wo auch ihr Debütroman 'Das war der gute Teil des Tages' spielt. Sie hat u.a. für NEON und jetzt.de sowie ein Buch über Vegetarismus geschrieben. Theresa Bäuerlein träumt, unter anderem, von einer Welt ohne dumme Sonnenbrillen und Angst, hält sich für einen Menschen, der vielleicht manches kann, aber große Probleme hat, sich zwischen zwei Sorten Joghurt zu entscheiden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Theresa Bäuerlein
- 2013, 1. Auflage., 272 Seiten, Maße: 12,3 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596182212
- ISBN-13: 9783596182213
- Erscheinungsdatum: 07.03.2013
Rezension zu „Roman ohne Eifersucht “
'Roman ohne Eifersucht' ist ein kluges, schön erzähltes Experiment darüber, was Liebe so alles aushält. Rundfunk Berlin-Brandenburg Radio Fritz 20110810
Kommentar zu "Roman ohne Eifersucht"
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