Rubinroter Schatten / Die Welt von Cat & Bones Bd.2
Roman
Nach Jahrhunderten ist er seiner Existenz müde - doch ihre Liebe verleiht ihm neue Lebenskraft!
Das Leben von Kira Graceling liegt in den Händen des uralten und mächtigen Vampirs Mencheres. Doch er ist seiner untoten Existenz müde,...
Das Leben von Kira Graceling liegt in den Händen des uralten und mächtigen Vampirs Mencheres. Doch er ist seiner untoten Existenz müde,...
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Produktinformationen zu „Rubinroter Schatten / Die Welt von Cat & Bones Bd.2 “
Nach Jahrhunderten ist er seiner Existenz müde - doch ihre Liebe verleiht ihm neue Lebenskraft!
Das Leben von Kira Graceling liegt in den Händen des uralten und mächtigen Vampirs Mencheres. Doch er ist seiner untoten Existenz müde, und sein ewiger Kampf mit seinem Rivalen Radjedef hat ihn ausgelaugt. Nicht einmal als Mencheres von dessen neuestem skrupellosen Plan erfährt, durchströmt ihn neue Kraft. Wenn Kira nicht sterben will, muss sie Mencheres Lebenswillen wiedererwecken. Oder hat er längst etwas gefunden, wofür es sich zu kämpfen lohnt?
Das Leben von Kira Graceling liegt in den Händen des uralten und mächtigen Vampirs Mencheres. Doch er ist seiner untoten Existenz müde, und sein ewiger Kampf mit seinem Rivalen Radjedef hat ihn ausgelaugt. Nicht einmal als Mencheres von dessen neuestem skrupellosen Plan erfährt, durchströmt ihn neue Kraft. Wenn Kira nicht sterben will, muss sie Mencheres Lebenswillen wiedererwecken. Oder hat er längst etwas gefunden, wofür es sich zu kämpfen lohnt?
Klappentext zu „Rubinroter Schatten / Die Welt von Cat & Bones Bd.2 “
Nach Jahrhunderten ist er seiner Existenz müde - doch ihre Liebe verleiht ihm neue Lebenskraft!Das Leben von Kira Graceling liegt in den Händen des uralten und mächtigen Vampirs Mencheres. Doch er ist seiner untoten Existenz müde, und sein ewiger Kampf mit seinem Rivalen Radjedef hat ihn ausgelaugt. Nicht einmal als Mencheres von dessen neuestem skrupellosen Plan erfährt, durchströmt ihn neue Kraft. Wenn Kira nicht sterben will, muss sie Mencheres Lebenswillen wiedererwecken. Oder hat er längst etwas gefunden, wofür es sich zu kämpfen lohnt?
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Rubinroter Schatten von Jeaniene Frost... mehr
1
Mencheres roch das Blut, bevor der erdige Geruch der Ghule zu ihm drang, die sich im Erdgeschoss des verfallenen Lagerhauses zusammengerottet hatten. sie zeigten sich unbeeindruckt, als er eintrat. noch ein schnuppern, und er wusste, dass es Vampirblut war, nach dem zwei von ihnen stanken.an den anderen vier klebte das kupfrige Aroma nicht, aber den mordlüsternen Blicken nach, mit denen sie Mencheres musterten, hatten sie vor, das zu ändern.
»Ein junger Vampir ist vor Kurzem hier in der Gegend verschwunden «, sagte Mencheres anstelle einer Begrüßung und ignorierte die Ghule, die ihn zu umschleichen begannen. Sie wirkten wie ältere Teenager, und ihren Energiefeldern nach zu urteilen, waren sie in untoten Jahren nicht älter. »Kurzes blondes Haar, Tribal Tatoos auf den Oberarmen, Silberpiercing in der Augenbraue. nennt sich Trick«, fuhr Mencheres fort. »Habt ihr ihn gesehen?«
»Ziemlich unklug, sich so kurz vor Anbruch der Dämmerung noch draußen herumzutreiben, Vampir«, antwortete der am stärksten nach Blut riechende Ghul gedehnt, ohne auf Mencheres' Frage einzugehen. Dann lächelte er und entblößte seine spitz zugefeilten Zähne.
Sstatt Furcht ließ der Anblick Ärger in Mencheres aufkommen. Die Ghule wähnten sich durch die nahende Dämmerung Im Vorteil, dabei schwächte sie nur junge Vampire. Zwar verbarg Mencheres seine Machtaura, sodass er wie ein junger Vampir wirkte, aber wären die Ghule schlau gewesen, hätte Mencheres' Furchtlosigkeit sie stutzig gemacht.
In diesem Fall hätten sie Trick allerdings auch nicht ausgerechnet in der Gegend ermordet, in der sie auch ihr Quartier hatten. Mencheres hatte nur eine Stunde gebraucht, um sie aufzuspüren. so viel Dummheit stellte nicht nur eine völlige Missachtung vamprisch-ghulischen Rechts dar; sie gefährdete auch die Geheimhaltung der Existenz beider Arten. Wäre Mencheres in einer anderen Gemütsverfassung gewesen, hätte er den Ghul mit dem Haifischgebiss ohne viel Federlesens umgebracht und die übrigen fünf einer öffentlichen Bestrafung zugeführt. so wie sie nach Vampirblut stanken, brauchte er kein Geständnis von ihnen, um zu wissen, dass sie Trick ermordet hatten.
Die Ghule hatten Glück, denn Mencheres stand der Sinn heute nicht nach Rache. Vielleicht war es gut, dass er das zweite Gesicht verloren hatte, überlegte er. Hätte er nämlich geahnt, dass er seine jahrtausendealte Fehde mit dem korrupten Gesetzeshüter Radjedef so beenden würde, hätte er an seinem eigenen Verstand gezweifelt.
Andererseits wäre all das ohne den Verlust seiner Visionen gar nicht nötig gewesen. Zorn stieg in Mencheres auf. nachdem ihm vier Jahrtausende lang immer wieder Blicke in die Zukunft vergönnt gewesen waren, traf ihn der Verlust des zweiten Gesichts so unerwartet wie vernichtend. Oft hatte er sich darüber beklagt, wie frustrierend es war, dass viele seinen Vorahnungen keine Beachtung schenkten. ohne seine Vorahnungen war es ihm nun, seinen anderen Fähigkeiten zum trotz, nicht mehr möglich, die seinen zu schützen. Die vorwurfsvollen Worte eines Freundes klangen ihm noch im Ohr. Warum kannst du mir ausgerechnet jetzt, wo ich dich am meisten brauche, nicht mehr helfen?
Radjedefs Hass auf Mencheres war jahrtausendealt, aber er war zu schlau, um sich mit einem Feind anzulegen, der selbst den vernichtendsten Plänen bereits im Vorfeld entgegenwirken konnte. nun, da Mencheres nicht länger das zweite Gesicht besaß, hatte Radjedef allerdings leichtes Spiel. sie beide wussten, dass Radjedef nicht zögern würde, den beträchtlichen Einfluss, den er durch sein Amt als Gesetzeshüter besaß, zu missbrauchen, um Mencheres Verbrechen zur Last zu legen, die er nie begangen hatte. Radjedef legte das recht gern zu seinen Gunsten aus. Das hatte er schon getan, bevor er dem mächtigen Rat der Vampire beigetreten war.
Seinem Erzfeind hätte die Konfrontation mit ihm und das unvermeidliche Blutvergießen, das stattgefunden hätte, bevor einer von ihnen als Sieger daraus hervorgegangen wäre, sicher großen Spaß gemacht. aber Mencheres würde es erst gar nicht dazu kommen lassen. Die Vorstellung, wie frustriert Radjedef sein würde, wenn er seine ausgeklügelten Rachepläne nicht in die Tat umsetzen konnte, bereitete ihm diebische Freude.
Als die sechs Ghule nun mordlustig grinsend die Silbermesser zückten, rührte Mencheres sich nicht vom Fleck. Die Angelegenheit würde blutig werden, aber mit Blut war Mencheres vertraut. Mit Schmerz auch. Beide begleiteten ihn schon weitaus länger, als die Ghule ahnten.
Sein Blick ging zum noch dunklen Himmel, und kurz fragte er sich, ob im Jenseits die Sonne schien. Bevor der Tag anbrach, würden er oder die Ghule es wissen.
Kira lief die Ashland Avenue entlang. noch zwei Straßen bis zu ihrer Wohnung. ein plötzlicher Windstoß blies ihr das Haar ins Gesicht. Chicago trug nicht ohne Grund den Beinamen Windy City. sie strich sich ein paar der vorwitzigen Strähnen hinter die Ohren und hievte ihren schweren Rucksack auf die andere Schulter. so oft, wie sie ihn schon zur Arbeit und wieder nach Hause geschleppt hatte, hätte man meinen sollen, er wäre ihr inzwischen weniger schwer erschienen. Wenigstens stellte ihr Chef ihr für Observierungen den Firmenwagen zur Verfügung, und andere Leute, die im West Loop wohnten und arbeiteten, hatten auch kein Auto. Nur mussten die nicht so viele Fotoapparate, Camcorder, Ferngläser und andere zur Observierung notwendige Gerätschaften mit sich herumschleppen.
Immerhin hatte sie eine erfolgreiche Nacht hinter sich. Die Observation der untreuen Ehefrau ihres Klienten hatte Früchte in Form von mehreren belastenden Beweisfotos getragen, die Kira ins Büro gebracht hatte, bevor sie mit der Green Line nach Hause gefahren war. Heute konnte sie schlafen, so lange sie wollte, und selbst ihr pingeliger Chef würde nichts zu beanstanden haben.
Als Privatdetektivin achtete sie immer auf alles, was um sie herum geschah, aber als sie um die nächste Ecke bog, wurde sie noch aufmerksamer. am Tag bereitete ihr die Strecke, auf der sie gerade unterwegs war, keine Probleme, jetzt aber war ihr unbehaglich zumute. sie war froh, dass die Sonne allmählich aufging. Die Zeile verfallener Lagerhäuser hätte inzwischen eigentlich gar nicht mehr da sein sollen, aber die anhaltende Rezession hatte Abriss und Wiederaufbau verzögert. Die unansehnlichen Gebäude garantierten jedoch, dass die Mieten in dem Apartmenthaus, in dem sie wohnte, sehr viel niedriger waren, als sie es sein würden, wenn erst einmal schicke neue Apartments den verlassenen, graffitibesprühten Schandfleck ersetzten. Allerdings musste sie stets auf der Hut sein. Überfälle waren in dieser Gegend an der Tagesordnung. sie hatte das letzte Gebäude schon fast hinter sich gelassen, als ein heiseres Lachen sie herumfahren ließ. es war aus einem der Lagerhäuser gekommen und klang eher bedrohlich als belustigt. Geh weiter, befahl sich Kira. Du bist fast daheim.
Wieder erschallte das fiese Lachen, diesmal war ihm ein gequälter schrei vorausgegangen. Kira blieb stehen und lauschte angestrengt. Später am Tag hätte der Lärm von Menschen und Autos jeden Laut aus den Lagerhäusern übertönt; da aber alles noch schlief, hörte sie als nächstes etwas, das wie ein lautes Stöhnen klang. Wer immer es ausgestoßen hatte, war in Not, und als dann wieder dreckiges Gelächter erklang, wusste Kira, dass beides zusammenhing.
Sie ließ den Rucksack von den Schultern gleiten, um ihr Handy herauszuholen, während sie schnellen Schritts die Sicherheit ihres Apartmenthauses anstrebte.
»Neun eins eins, sie haben einen Notfall?«, meldete sich eine stimme, nachdem Kira die Nummer eingetippt hatte.
»ich möchte einen Code 37 melden«, antwortete Kira.
»Wie bitte?«
»Schwere Körperverletzung«, erklärte Kira, überrascht, dass die Vermittlung den Polizeicode nicht kannte. sie gab die Adresse des Lagerhauses durch. »Klingt, als käme es aus dem Erdgeschoss«, fügte sie noch hinzu.
»Einen Augenblick, bitte. ich verbinde sie mit dem zuständigen Revier«, kam die Antwort. Kurze Zeit später wurde sie erneut gefragt, um was für einen Notfall es sich handelte. »Ich möchte einen Fall von schwerer Körperverletzung melden«, erklärte Kira und bemühte diesmal gar nicht erst den Polizeicode. noch einmal gab sie Adresse und Begleitumstände durch, frustriert, alles zum zweiten Mal vortragen zu müssen.
»Sie haben den Vorfall aber nicht persönlich beobachtet?«, wurde sie gefragt.
»Nein, reingegangen bin ich nicht«, gab Kira barsch zurück. Sie war inzwischen stehen geblieben, weil sie fast daheim war.
»Aha«, antworte die inzwischen gelangweilt klingende Stimme. »ihr Name, bitte.«
»Ich möchte lieber anonym bleiben«, sagte Kira nach einer Pause. Bei der Polizei gab es eine Akte über sie, und die war nicht ganz lupenrein.
»Wir schicken einen Streifenwagen vorbei«, vermeldete die Person am anderen Ende der Leitung.
»Danke«, murmelte Kira und legte auf. Sie hatte getan, was sie konnte. Hoffentlich half es dem Unbekannten, der so gepeinigt geklungen hatte. als sie dann aber auf die Tür ihres Apartmenthauses zuging, zögerte sie. ihr Instinkt sagte ihr, dass sie kehrtmachen und zum Lagerhaus zurückkehren sollte. Der Streifenwagen würde erst in fünf bis zehn Minuten eintreffen. Was, wenn dem verletzten Unbekannten nicht mehr so viel Zeit blieb? »Versuche nie, den Helden zu spielen, Kind. Überlass das der Polente.« Die mahnenden Worte ihres Chefs klangen Kira noch im Ohr. Statt ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, machten sie sie allerdings wütend. Wäre ihr Exmann nicht gewesen, hätte sie jetzt auch zur »Polente« gehört. sie hatte die Polizeiakademie mit Bravour durchlaufen, einen fertigen Abschluss in der Tasche und befand sich zwei Straßen vom Tatort entfernt, nicht mehrere Minuten wie die Polizeistreife. Macks tiefe und kratzige stimme hallte ihr als nächstes in den Ohren: Rette ein Leben. Das war das Motto ihres Mentors gewesen. Hätte Mack ähnlich gedacht wie ihr Chef, wäre Kira jetzt womöglich tot und begraben und würde nicht auf Dem Gehweg stehen und sich fragen, ob sie einem Notleidenden helfen sollte oder nicht. Mack hätte nicht gezögert, Polente hin oder her. Wem wollte sie lieber ähnlich sein? ihrem alten Freund Mack oder ihrem abgebrühten Boss Frank? Kira machte auf dem Absatz kehrt und lief auf die Lagerhäuser und den Schrei zu.
Mencheres stieß ein langgezogenes Stöhnen aus, als sich das Silbermesser in seine Brust bohrte. Als die Ghule angefangenen hatten, ihn zu traktieren, hatte er keinen Mucks von sich gegeben, und sie hatten die Klingen nur umso langsamer durch sein Fleisch gezogen, sein Schweigen als Provokation aufgefasst. Also keuchte und stöhnte er, schrie sogar auf. Es half; sie wurden immer eifriger, die Schnitte tiefer.
Bald würde er sich entscheiden müssen. Wollte er seine Energie einsetzen, um zu verbergen, dass er ein Meistervampir war, oder um sich vor dem schlimmsten Schmerz zu schützen? er hatte bereits so viel Blut verloren, dass beides ihm nicht mehr möglich sein würde. Besaßen die Angreifer allerdings einen Funken Verstand, würden sie das Weite suchen, wenn klar war, was in ihm schlummerte. Nein, das konnte er nicht riskieren. Er wählte also den Schmerz.
Mencheres ließ den geistigen Schutzwall zusammenbrechen, den er zwischen sich und den mit gnadenloser Zielsicherheit eingesetzten Messern errichtet hatte. Sofort hatte er das Gefühl, sein Körper würde in Flammen stehen - eine Reaktion auf die silbernen Klingen, die ihn aufschlitzten.
Nun, da die geistige Barriere zwischen ihm und dem Schmerz aufgehoben war, stellte sich ein neues Problem. Jede neue Schnitt- oder Stichwunde löste einen Energiestrudel in ihm aus, der nach Rache schrie. Mencheres unterdrückte ihn, konzentrierte sich darauf, seine Machtaura einzudämmen, und versuchte seine eigenen Mordgelüste zu verdrängen, obwohl die Energie in ihm unbedingt freigesetzt werden wollte.
»Stakes«, sagte Mencheres, den Ghul bei dem Namen nennend, den die anderen benutzt hatten. »Bist du unerfahren oder ist das schon alles, was du draufhast?«
Der Ghul fauchte angesichts der Beleidigung und hackte Mencheres eine tiefe Wunde in den Schenkel. Ein zweiter Ghul griff sich Mencheres' hüftlanges schwarzes Haar und säbelte ein Büschel davon auf Schulterhöhe ab.
Wieder spürte Mencheres Zorn in sich aufsteigen; dunkel und todbringend wollte er mit seiner Macht verschmelzen und Form annehmen. er unterdrückte ihn in dem Wissen, dass schon ein einziger Augenblick des Kontrollverlustes seinerseits den Tod der Ghule zur Folge haben würde. und noch hatten sie ihren Zweck nicht erfüllt.
»Messer runter und Finger weg von ihm«, keuchte jemand. nicht weniger überrascht als die Ghule sah Mencheres in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. War er so mit sich selbst beschäftigt gewesen - genau wie die Ghule -, dass ein Mensch sich ihnen unbemerkt hatte nähern können? Der Beweis stand in klassischer Schusshaltung am anderen Raumende und hatte die Pistole auf die Mencheres umringenden Ghule gerichtet. es war eine Frau. ihre Augen waren weit aufgerissen, das Gesicht bleich, aber ihre Waffe hielt sie mit sicherem Griff.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Gehen sie«, befahl Mencheres. ihr warmer, sterblicher Leib würde für die Körperfresser eine zu große Versuchung darstellen, wenn sie sich nicht auf der Stelle aus dem staub machte.
»na, na«, tönte Stakes und ließ sein Messer in Mencheres' Schenkel stecken. »Seht mal, Leute. Dessert.«
Die Frau spannte mit einem Klicken den Hahn. »Ich schieße «, drohte sie. »Ihr nehmt jetzt alle die Messer runter und schert euch weg von ihm. Die Polizei ist schon unterwegs...« ihre Stimme brach, als Stakes von Mencheres abwich. Bisher hatte der Körper des Ghuls den größten Teil von Mencheres' Verletzungen verdeckt, aber als sie ihn endlich ganz sehen konnte, stutzte sie.
Die Ghule griffen an.
Mencheres wusste, dass er es geschehen lassen sollte. einfach am Stahlträger gefesselt stehen bleiben, den Hilflosen markieren und die Frau den Ghulen überlassen. immerhin hatte er hier etwas zu erledigen, und die Rettung einer leichtsinnigen sterblichen gehörte nicht dazu.
Aber in dem einen Augenblick, den die Ghule brauchten, um die Frau zu erreichen, kam Mencheres noch ein Gedanke und verdrängte alle Rationalität in ihm. Sie hatte ihn retten wollen. Das durfte er sie nicht mit dem Leben bezahlen lassen.
Mit einem Schlag brach seine Macht sich Bahn und traf die Ghule mit Wucht. Die blutigen Stricke, die Mencheres fesselten, lösten sich tanzend wie Schlangen, während Mencheres den sechs Ghulen mit einem weiteren energiestoß zuleibe rückte. So stark wie sonst war er nicht, aber die grellen schreie der Körperfresser endeten genauso abrupt wie ihr Angriff auf die Frau. Als alle Stricke sich gelöst hatten und Mencheres auf die Frau zutrat, rührte sich kein einziger Ghul mehr.
Mit einem Fußtritt beförderte Mencheres Stakes von dem Körper der Frau herunter, auf die er gefallen war. Sie keuchte, Blut lief ihr als dünnes Rinnsal aus dem Mund und ergoss sich aus ihrer klaffenden Bauchwunde. Sein Zögern hatte fatale Folgen gehabt. Der Ghul hatte sie tödlich verwundet, bevor Mencheres ihn aufgehalten hatte. Bald würde die Frau verblutet sein.
Sie starrte zu ihm auf, ihr Gesicht wirkte gequält, doch als sie den Blick auf ihren Bauch senkte, breitete sich angstvolles Verstehen darin aus.
»Tina«, flüsterte sie. Dann verdrehte sie die blassgrünen Augen und wurde bewusstlos.
Diesmal zögerte Mencheres nicht; er schlitzte sich mit den Fängen das Handgelenk auf und hielt ihr die Wunde an die Lippen. Kein Blut floss. natürlich, die Ghule hatten ihn ausbluten lassen. Sofort hob er die Frau hoch und trug sie zu dem Stahlträger, an den er vor so kurzer Zeit noch gefesselt gewesen war. Dort nahm Mencheres etwas von seinem Blut vom Boden auf und ließ es der Fremden in den Mund laufen. ihr Puls war inzwischen unregelmäßig, aber er achtete nicht darauf und zwang sie zu schlucken. Sirenengeheul näherte sich. Die Polizeistreife war fast da, genau wie die Frau gesagt hatte. Mencheres nahm noch eine Handvoll Blut und rieb es in ihre Bauchwunde. Das Blut der Frau mischte sich mit seinem, aber nur kurz. Dann hörte die Wunde auf zu bluten, die Ränder schlossen sich, als die regenerierende Wirkung seines Blutes einsetzte. Das schlagen zweier Autotüren war zu hören. Mencheres ließ die Fremde auf dem blutigen Fußboden zurück und näherte sich den Ghulen. sie konnten nur die Augen bewegen, während er auf sie herunterstarrte. »Hättet ihr mich gleich getötet, hättet ihr vielleicht noch ein paar Tage zu leben gehabt«, bemerkte Mencheres kühl. Dann holte er zu einem kurzen, kontrollierten energetischen Schlag aus. ein ploppendes Geräusch ertönte, und im nächsten Augenblick rollten sechs abgetrennte Köpfe von den Körpern der Ghule weg. Fußtritte näherten sich dem Lagerhaus. Mencheres hielt kurz inne und sah zu der Frau hinüber. sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt und starrte ihn an, ihre hellen Augen wirkten vor Schock und Entsetzen wie gebannt. Sie hatte seine Reißzähne gesehen. Den Mord an den Ghulen. sie wusste zu viel, er konnte sie nicht einfach hierlassen. »Polizei«, hörte er eine Stimme. »irgendjemand verletzt ...?« Mencheres griff sich die Frau und sauste durch ein eingeschlagenes Fenster davon, bevor die Beamten entsetzt das Gemetzel begutachten konnten, das sie erwartete.
Übersetzung: Sandra Müller
Copyright © der deutschsprachigen Originalausgabe 2011 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
1
Mencheres roch das Blut, bevor der erdige Geruch der Ghule zu ihm drang, die sich im Erdgeschoss des verfallenen Lagerhauses zusammengerottet hatten. sie zeigten sich unbeeindruckt, als er eintrat. noch ein schnuppern, und er wusste, dass es Vampirblut war, nach dem zwei von ihnen stanken.an den anderen vier klebte das kupfrige Aroma nicht, aber den mordlüsternen Blicken nach, mit denen sie Mencheres musterten, hatten sie vor, das zu ändern.
»Ein junger Vampir ist vor Kurzem hier in der Gegend verschwunden «, sagte Mencheres anstelle einer Begrüßung und ignorierte die Ghule, die ihn zu umschleichen begannen. Sie wirkten wie ältere Teenager, und ihren Energiefeldern nach zu urteilen, waren sie in untoten Jahren nicht älter. »Kurzes blondes Haar, Tribal Tatoos auf den Oberarmen, Silberpiercing in der Augenbraue. nennt sich Trick«, fuhr Mencheres fort. »Habt ihr ihn gesehen?«
»Ziemlich unklug, sich so kurz vor Anbruch der Dämmerung noch draußen herumzutreiben, Vampir«, antwortete der am stärksten nach Blut riechende Ghul gedehnt, ohne auf Mencheres' Frage einzugehen. Dann lächelte er und entblößte seine spitz zugefeilten Zähne.
Sstatt Furcht ließ der Anblick Ärger in Mencheres aufkommen. Die Ghule wähnten sich durch die nahende Dämmerung Im Vorteil, dabei schwächte sie nur junge Vampire. Zwar verbarg Mencheres seine Machtaura, sodass er wie ein junger Vampir wirkte, aber wären die Ghule schlau gewesen, hätte Mencheres' Furchtlosigkeit sie stutzig gemacht.
In diesem Fall hätten sie Trick allerdings auch nicht ausgerechnet in der Gegend ermordet, in der sie auch ihr Quartier hatten. Mencheres hatte nur eine Stunde gebraucht, um sie aufzuspüren. so viel Dummheit stellte nicht nur eine völlige Missachtung vamprisch-ghulischen Rechts dar; sie gefährdete auch die Geheimhaltung der Existenz beider Arten. Wäre Mencheres in einer anderen Gemütsverfassung gewesen, hätte er den Ghul mit dem Haifischgebiss ohne viel Federlesens umgebracht und die übrigen fünf einer öffentlichen Bestrafung zugeführt. so wie sie nach Vampirblut stanken, brauchte er kein Geständnis von ihnen, um zu wissen, dass sie Trick ermordet hatten.
Die Ghule hatten Glück, denn Mencheres stand der Sinn heute nicht nach Rache. Vielleicht war es gut, dass er das zweite Gesicht verloren hatte, überlegte er. Hätte er nämlich geahnt, dass er seine jahrtausendealte Fehde mit dem korrupten Gesetzeshüter Radjedef so beenden würde, hätte er an seinem eigenen Verstand gezweifelt.
Andererseits wäre all das ohne den Verlust seiner Visionen gar nicht nötig gewesen. Zorn stieg in Mencheres auf. nachdem ihm vier Jahrtausende lang immer wieder Blicke in die Zukunft vergönnt gewesen waren, traf ihn der Verlust des zweiten Gesichts so unerwartet wie vernichtend. Oft hatte er sich darüber beklagt, wie frustrierend es war, dass viele seinen Vorahnungen keine Beachtung schenkten. ohne seine Vorahnungen war es ihm nun, seinen anderen Fähigkeiten zum trotz, nicht mehr möglich, die seinen zu schützen. Die vorwurfsvollen Worte eines Freundes klangen ihm noch im Ohr. Warum kannst du mir ausgerechnet jetzt, wo ich dich am meisten brauche, nicht mehr helfen?
Radjedefs Hass auf Mencheres war jahrtausendealt, aber er war zu schlau, um sich mit einem Feind anzulegen, der selbst den vernichtendsten Plänen bereits im Vorfeld entgegenwirken konnte. nun, da Mencheres nicht länger das zweite Gesicht besaß, hatte Radjedef allerdings leichtes Spiel. sie beide wussten, dass Radjedef nicht zögern würde, den beträchtlichen Einfluss, den er durch sein Amt als Gesetzeshüter besaß, zu missbrauchen, um Mencheres Verbrechen zur Last zu legen, die er nie begangen hatte. Radjedef legte das recht gern zu seinen Gunsten aus. Das hatte er schon getan, bevor er dem mächtigen Rat der Vampire beigetreten war.
Seinem Erzfeind hätte die Konfrontation mit ihm und das unvermeidliche Blutvergießen, das stattgefunden hätte, bevor einer von ihnen als Sieger daraus hervorgegangen wäre, sicher großen Spaß gemacht. aber Mencheres würde es erst gar nicht dazu kommen lassen. Die Vorstellung, wie frustriert Radjedef sein würde, wenn er seine ausgeklügelten Rachepläne nicht in die Tat umsetzen konnte, bereitete ihm diebische Freude.
Als die sechs Ghule nun mordlustig grinsend die Silbermesser zückten, rührte Mencheres sich nicht vom Fleck. Die Angelegenheit würde blutig werden, aber mit Blut war Mencheres vertraut. Mit Schmerz auch. Beide begleiteten ihn schon weitaus länger, als die Ghule ahnten.
Sein Blick ging zum noch dunklen Himmel, und kurz fragte er sich, ob im Jenseits die Sonne schien. Bevor der Tag anbrach, würden er oder die Ghule es wissen.
Kira lief die Ashland Avenue entlang. noch zwei Straßen bis zu ihrer Wohnung. ein plötzlicher Windstoß blies ihr das Haar ins Gesicht. Chicago trug nicht ohne Grund den Beinamen Windy City. sie strich sich ein paar der vorwitzigen Strähnen hinter die Ohren und hievte ihren schweren Rucksack auf die andere Schulter. so oft, wie sie ihn schon zur Arbeit und wieder nach Hause geschleppt hatte, hätte man meinen sollen, er wäre ihr inzwischen weniger schwer erschienen. Wenigstens stellte ihr Chef ihr für Observierungen den Firmenwagen zur Verfügung, und andere Leute, die im West Loop wohnten und arbeiteten, hatten auch kein Auto. Nur mussten die nicht so viele Fotoapparate, Camcorder, Ferngläser und andere zur Observierung notwendige Gerätschaften mit sich herumschleppen.
Immerhin hatte sie eine erfolgreiche Nacht hinter sich. Die Observation der untreuen Ehefrau ihres Klienten hatte Früchte in Form von mehreren belastenden Beweisfotos getragen, die Kira ins Büro gebracht hatte, bevor sie mit der Green Line nach Hause gefahren war. Heute konnte sie schlafen, so lange sie wollte, und selbst ihr pingeliger Chef würde nichts zu beanstanden haben.
Als Privatdetektivin achtete sie immer auf alles, was um sie herum geschah, aber als sie um die nächste Ecke bog, wurde sie noch aufmerksamer. am Tag bereitete ihr die Strecke, auf der sie gerade unterwegs war, keine Probleme, jetzt aber war ihr unbehaglich zumute. sie war froh, dass die Sonne allmählich aufging. Die Zeile verfallener Lagerhäuser hätte inzwischen eigentlich gar nicht mehr da sein sollen, aber die anhaltende Rezession hatte Abriss und Wiederaufbau verzögert. Die unansehnlichen Gebäude garantierten jedoch, dass die Mieten in dem Apartmenthaus, in dem sie wohnte, sehr viel niedriger waren, als sie es sein würden, wenn erst einmal schicke neue Apartments den verlassenen, graffitibesprühten Schandfleck ersetzten. Allerdings musste sie stets auf der Hut sein. Überfälle waren in dieser Gegend an der Tagesordnung. sie hatte das letzte Gebäude schon fast hinter sich gelassen, als ein heiseres Lachen sie herumfahren ließ. es war aus einem der Lagerhäuser gekommen und klang eher bedrohlich als belustigt. Geh weiter, befahl sich Kira. Du bist fast daheim.
Wieder erschallte das fiese Lachen, diesmal war ihm ein gequälter schrei vorausgegangen. Kira blieb stehen und lauschte angestrengt. Später am Tag hätte der Lärm von Menschen und Autos jeden Laut aus den Lagerhäusern übertönt; da aber alles noch schlief, hörte sie als nächstes etwas, das wie ein lautes Stöhnen klang. Wer immer es ausgestoßen hatte, war in Not, und als dann wieder dreckiges Gelächter erklang, wusste Kira, dass beides zusammenhing.
Sie ließ den Rucksack von den Schultern gleiten, um ihr Handy herauszuholen, während sie schnellen Schritts die Sicherheit ihres Apartmenthauses anstrebte.
»Neun eins eins, sie haben einen Notfall?«, meldete sich eine stimme, nachdem Kira die Nummer eingetippt hatte.
»ich möchte einen Code 37 melden«, antwortete Kira.
»Wie bitte?«
»Schwere Körperverletzung«, erklärte Kira, überrascht, dass die Vermittlung den Polizeicode nicht kannte. sie gab die Adresse des Lagerhauses durch. »Klingt, als käme es aus dem Erdgeschoss«, fügte sie noch hinzu.
»Einen Augenblick, bitte. ich verbinde sie mit dem zuständigen Revier«, kam die Antwort. Kurze Zeit später wurde sie erneut gefragt, um was für einen Notfall es sich handelte. »Ich möchte einen Fall von schwerer Körperverletzung melden«, erklärte Kira und bemühte diesmal gar nicht erst den Polizeicode. noch einmal gab sie Adresse und Begleitumstände durch, frustriert, alles zum zweiten Mal vortragen zu müssen.
»Sie haben den Vorfall aber nicht persönlich beobachtet?«, wurde sie gefragt.
»Nein, reingegangen bin ich nicht«, gab Kira barsch zurück. Sie war inzwischen stehen geblieben, weil sie fast daheim war.
»Aha«, antworte die inzwischen gelangweilt klingende Stimme. »ihr Name, bitte.«
»Ich möchte lieber anonym bleiben«, sagte Kira nach einer Pause. Bei der Polizei gab es eine Akte über sie, und die war nicht ganz lupenrein.
»Wir schicken einen Streifenwagen vorbei«, vermeldete die Person am anderen Ende der Leitung.
»Danke«, murmelte Kira und legte auf. Sie hatte getan, was sie konnte. Hoffentlich half es dem Unbekannten, der so gepeinigt geklungen hatte. als sie dann aber auf die Tür ihres Apartmenthauses zuging, zögerte sie. ihr Instinkt sagte ihr, dass sie kehrtmachen und zum Lagerhaus zurückkehren sollte. Der Streifenwagen würde erst in fünf bis zehn Minuten eintreffen. Was, wenn dem verletzten Unbekannten nicht mehr so viel Zeit blieb? »Versuche nie, den Helden zu spielen, Kind. Überlass das der Polente.« Die mahnenden Worte ihres Chefs klangen Kira noch im Ohr. Statt ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, machten sie sie allerdings wütend. Wäre ihr Exmann nicht gewesen, hätte sie jetzt auch zur »Polente« gehört. sie hatte die Polizeiakademie mit Bravour durchlaufen, einen fertigen Abschluss in der Tasche und befand sich zwei Straßen vom Tatort entfernt, nicht mehrere Minuten wie die Polizeistreife. Macks tiefe und kratzige stimme hallte ihr als nächstes in den Ohren: Rette ein Leben. Das war das Motto ihres Mentors gewesen. Hätte Mack ähnlich gedacht wie ihr Chef, wäre Kira jetzt womöglich tot und begraben und würde nicht auf Dem Gehweg stehen und sich fragen, ob sie einem Notleidenden helfen sollte oder nicht. Mack hätte nicht gezögert, Polente hin oder her. Wem wollte sie lieber ähnlich sein? ihrem alten Freund Mack oder ihrem abgebrühten Boss Frank? Kira machte auf dem Absatz kehrt und lief auf die Lagerhäuser und den Schrei zu.
Mencheres stieß ein langgezogenes Stöhnen aus, als sich das Silbermesser in seine Brust bohrte. Als die Ghule angefangenen hatten, ihn zu traktieren, hatte er keinen Mucks von sich gegeben, und sie hatten die Klingen nur umso langsamer durch sein Fleisch gezogen, sein Schweigen als Provokation aufgefasst. Also keuchte und stöhnte er, schrie sogar auf. Es half; sie wurden immer eifriger, die Schnitte tiefer.
Bald würde er sich entscheiden müssen. Wollte er seine Energie einsetzen, um zu verbergen, dass er ein Meistervampir war, oder um sich vor dem schlimmsten Schmerz zu schützen? er hatte bereits so viel Blut verloren, dass beides ihm nicht mehr möglich sein würde. Besaßen die Angreifer allerdings einen Funken Verstand, würden sie das Weite suchen, wenn klar war, was in ihm schlummerte. Nein, das konnte er nicht riskieren. Er wählte also den Schmerz.
Mencheres ließ den geistigen Schutzwall zusammenbrechen, den er zwischen sich und den mit gnadenloser Zielsicherheit eingesetzten Messern errichtet hatte. Sofort hatte er das Gefühl, sein Körper würde in Flammen stehen - eine Reaktion auf die silbernen Klingen, die ihn aufschlitzten.
Nun, da die geistige Barriere zwischen ihm und dem Schmerz aufgehoben war, stellte sich ein neues Problem. Jede neue Schnitt- oder Stichwunde löste einen Energiestrudel in ihm aus, der nach Rache schrie. Mencheres unterdrückte ihn, konzentrierte sich darauf, seine Machtaura einzudämmen, und versuchte seine eigenen Mordgelüste zu verdrängen, obwohl die Energie in ihm unbedingt freigesetzt werden wollte.
»Stakes«, sagte Mencheres, den Ghul bei dem Namen nennend, den die anderen benutzt hatten. »Bist du unerfahren oder ist das schon alles, was du draufhast?«
Der Ghul fauchte angesichts der Beleidigung und hackte Mencheres eine tiefe Wunde in den Schenkel. Ein zweiter Ghul griff sich Mencheres' hüftlanges schwarzes Haar und säbelte ein Büschel davon auf Schulterhöhe ab.
Wieder spürte Mencheres Zorn in sich aufsteigen; dunkel und todbringend wollte er mit seiner Macht verschmelzen und Form annehmen. er unterdrückte ihn in dem Wissen, dass schon ein einziger Augenblick des Kontrollverlustes seinerseits den Tod der Ghule zur Folge haben würde. und noch hatten sie ihren Zweck nicht erfüllt.
»Messer runter und Finger weg von ihm«, keuchte jemand. nicht weniger überrascht als die Ghule sah Mencheres in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. War er so mit sich selbst beschäftigt gewesen - genau wie die Ghule -, dass ein Mensch sich ihnen unbemerkt hatte nähern können? Der Beweis stand in klassischer Schusshaltung am anderen Raumende und hatte die Pistole auf die Mencheres umringenden Ghule gerichtet. es war eine Frau. ihre Augen waren weit aufgerissen, das Gesicht bleich, aber ihre Waffe hielt sie mit sicherem Griff.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Gehen sie«, befahl Mencheres. ihr warmer, sterblicher Leib würde für die Körperfresser eine zu große Versuchung darstellen, wenn sie sich nicht auf der Stelle aus dem staub machte.
»na, na«, tönte Stakes und ließ sein Messer in Mencheres' Schenkel stecken. »Seht mal, Leute. Dessert.«
Die Frau spannte mit einem Klicken den Hahn. »Ich schieße «, drohte sie. »Ihr nehmt jetzt alle die Messer runter und schert euch weg von ihm. Die Polizei ist schon unterwegs...« ihre Stimme brach, als Stakes von Mencheres abwich. Bisher hatte der Körper des Ghuls den größten Teil von Mencheres' Verletzungen verdeckt, aber als sie ihn endlich ganz sehen konnte, stutzte sie.
Die Ghule griffen an.
Mencheres wusste, dass er es geschehen lassen sollte. einfach am Stahlträger gefesselt stehen bleiben, den Hilflosen markieren und die Frau den Ghulen überlassen. immerhin hatte er hier etwas zu erledigen, und die Rettung einer leichtsinnigen sterblichen gehörte nicht dazu.
Aber in dem einen Augenblick, den die Ghule brauchten, um die Frau zu erreichen, kam Mencheres noch ein Gedanke und verdrängte alle Rationalität in ihm. Sie hatte ihn retten wollen. Das durfte er sie nicht mit dem Leben bezahlen lassen.
Mit einem Schlag brach seine Macht sich Bahn und traf die Ghule mit Wucht. Die blutigen Stricke, die Mencheres fesselten, lösten sich tanzend wie Schlangen, während Mencheres den sechs Ghulen mit einem weiteren energiestoß zuleibe rückte. So stark wie sonst war er nicht, aber die grellen schreie der Körperfresser endeten genauso abrupt wie ihr Angriff auf die Frau. Als alle Stricke sich gelöst hatten und Mencheres auf die Frau zutrat, rührte sich kein einziger Ghul mehr.
Mit einem Fußtritt beförderte Mencheres Stakes von dem Körper der Frau herunter, auf die er gefallen war. Sie keuchte, Blut lief ihr als dünnes Rinnsal aus dem Mund und ergoss sich aus ihrer klaffenden Bauchwunde. Sein Zögern hatte fatale Folgen gehabt. Der Ghul hatte sie tödlich verwundet, bevor Mencheres ihn aufgehalten hatte. Bald würde die Frau verblutet sein.
Sie starrte zu ihm auf, ihr Gesicht wirkte gequält, doch als sie den Blick auf ihren Bauch senkte, breitete sich angstvolles Verstehen darin aus.
»Tina«, flüsterte sie. Dann verdrehte sie die blassgrünen Augen und wurde bewusstlos.
Diesmal zögerte Mencheres nicht; er schlitzte sich mit den Fängen das Handgelenk auf und hielt ihr die Wunde an die Lippen. Kein Blut floss. natürlich, die Ghule hatten ihn ausbluten lassen. Sofort hob er die Frau hoch und trug sie zu dem Stahlträger, an den er vor so kurzer Zeit noch gefesselt gewesen war. Dort nahm Mencheres etwas von seinem Blut vom Boden auf und ließ es der Fremden in den Mund laufen. ihr Puls war inzwischen unregelmäßig, aber er achtete nicht darauf und zwang sie zu schlucken. Sirenengeheul näherte sich. Die Polizeistreife war fast da, genau wie die Frau gesagt hatte. Mencheres nahm noch eine Handvoll Blut und rieb es in ihre Bauchwunde. Das Blut der Frau mischte sich mit seinem, aber nur kurz. Dann hörte die Wunde auf zu bluten, die Ränder schlossen sich, als die regenerierende Wirkung seines Blutes einsetzte. Das schlagen zweier Autotüren war zu hören. Mencheres ließ die Fremde auf dem blutigen Fußboden zurück und näherte sich den Ghulen. sie konnten nur die Augen bewegen, während er auf sie herunterstarrte. »Hättet ihr mich gleich getötet, hättet ihr vielleicht noch ein paar Tage zu leben gehabt«, bemerkte Mencheres kühl. Dann holte er zu einem kurzen, kontrollierten energetischen Schlag aus. ein ploppendes Geräusch ertönte, und im nächsten Augenblick rollten sechs abgetrennte Köpfe von den Körpern der Ghule weg. Fußtritte näherten sich dem Lagerhaus. Mencheres hielt kurz inne und sah zu der Frau hinüber. sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt und starrte ihn an, ihre hellen Augen wirkten vor Schock und Entsetzen wie gebannt. Sie hatte seine Reißzähne gesehen. Den Mord an den Ghulen. sie wusste zu viel, er konnte sie nicht einfach hierlassen. »Polizei«, hörte er eine Stimme. »irgendjemand verletzt ...?« Mencheres griff sich die Frau und sauste durch ein eingeschlagenes Fenster davon, bevor die Beamten entsetzt das Gemetzel begutachten konnten, das sie erwartete.
Übersetzung: Sandra Müller
Copyright © der deutschsprachigen Originalausgabe 2011 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
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Autoren-Porträt von Jeaniene Frost
Jeaniene Frost ist eine »New York Times«- und SPIEGEL-Bestsellerautorin, ihre Romane erscheinen in 20 Sprachen. Neben dem Schreiben liest Jeaniene gerne, schaut sich Filme an, erkundet alte Friedhöfe und macht Roadtrips. Sie lebt mit ihrem Mann in Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jeaniene Frost
- 2013, Erstmals im TB., 400 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Müller, Sandra
- Übersetzer: Sandra Müller
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442269237
- ISBN-13: 9783442269235
- Erscheinungsdatum: 15.04.2013
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