Sagen aus Österreich
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Sagen aus Österreich von Leander Petzoldt
LESEPROBE
Der Erlöser in der Wiege
Im Helenentalebei Baden erheben sich auf drei bewaldeten Felsenbergen die Trümmer dreierSchlösser: Scharfeneck, Rauhenstein und Rauheneck. In den Trümmern der letztgenannten Burg liegtein großer Schatz vergraben, den noch niemand gehoben hat. Der Ritter, welcherden Schatz in die Tiefe senkte, knüpfte an ihn eine Verwünschung, indem er aufder Zinne des hohen Wartturms einen Kirschkern in ein wenig Erde senkte. Ersprach dabei:
»Dem Priester soll einst dieserSchatz werden, der in einer Wiege geschaukelt wird, welche aus dem Kirschbaumgefertigt worden, der aus diesem Kern erwächst. Verdorret das Bäumchen oderbricht es ein Sturm oder eine Menschenhand, so soll der Schatz nicht ehergehoben werden können, bis ein Vogel aufs Neue einen Kern auf den Turm getragenhat, aus diesem ein Baum geworden ist und die übrige Bedingung erfüllt wird.«Auf der Mauer des Turmes der Ruine Rauheneck sprießtdas schwache Reis eines Kirschbaumes, und es wird noch lange dauern, ehe desalten Ritters Verheißung sich erfüllt. An der Stelle aber, wo der Schatz vergrabenliegt, sieht man mitternachts hüpfende Flämmchen, und der Geist des Rittersumschleicht die Trümmer ächzend und klagend, denn er selbst ist nun gebannt andie Erfüllung.
Der Ring im Fischbauch
Im städtischen Museum von WienerNeustadt hängt ein Gemälde, das eine junge Frau darstellt, die einen Fischausweidet und dabei nachdenklich einen Ring, der auf der Spitze des emporgehaltenen Messers steckt, betrachtet. Der GemeinderatFranz Pachner hinterließ seiner Frau ein großes Vermögen.Eines Tages ging die stolze Bürgerin in Gesellschaft anderer Frauen zum Neutorhinaus. Auf der Brücke des Stadtgrabens blieb sie stehen und wähnte sich inihrem Übermute so reich, dass sie nicht verarmen könnte. Eine Frau aber meintedazu, dass es keinem Menschen beschieden sei zu wissen, welches Ende er habenwerde; sie solle daher nicht ein so sündhaftes Gespräch führen. Die stolze Frauwies dieWarnung höhnend zurück, zog einen goldenenRing vom Finger und sagte, indem sie ihn in das Wasser des Stadtgrabens warf:
»Sowenig ich diesen Ring jewiedersehen werde, ebenso wenig werde ich je verarmen.«
Einige Tage darauf brachte einFischer der reichen Bürgerin einen prächtigen Fisch. Als ihre Köchin ihnaufschnitt, spießte sich an das Messer ein goldener Ring, den sie vollErstaunen ihrer Herrin zeigte. Frau Pachner erkannteihren Ring und gedachte des übermütigen Geredes vom ewigen Reichtum. Es dauerteauch nicht lange, so erlitt die Frau einen Verlust nach dem andern und verarmteschließlich derart, dass sie in ihren alten Tagen genötigt war, um Aufnahme indas Bürgerspital zu bitten, wo sie als die ärmste Frau der Stadt verstarb.
Der Liebeszauber
Ein schönes Mädchen in Österreichbegehrte einmal um Mitternacht, unter den nötigen Gebräuchen, seinen Liebstenzu sehen, worauf ein Schuster mit einem Dolche dahertrat,ihr denselben zuwarf und schnell wieder verschwand. Sie hob den nach ihrgeworfenen Dolch auf und schloss ihn in eine Truhe. Bald kam der Schuster undhielt um sie an. Etliche Jahre nach ihrer Verheiratung ging sie einstmals aneinem Sonntag, als die Vesper vorbei war, zu ihrer Truhe, etwas hervorzusuchen,das sie den folgenden Tag zur Arbeit vornehmen wollte. Als sie die Truhegeöffnet, kommt ihr Mann zu ihr und will hineinschauen; sie hält ihn ab, aberer stößt sie mit Gewalt weg, sieht in die Truhe und erblickt seinen verlorenen Dolch.Alsbald ergreift er ihn und begehrt kurz zu wissen, wie sie solchen bekommen,weil er ihn zu einer gewissen Zeit verloren hätte. Sie weiß in der Bestürzungund Angst sich auf keine Ausrede zu besinnen, sondern bekennt frei, es seiderselbe Dolch, den er ihr in jener Nacht hinterlassen, wo sie ihn zu sehenbegehrt. Da ergrimmte der Mann und sprach einen fürchterlichen Fluch:
»Ha, so bist du die Dirne, die michin jener Nacht so unmenschlich geängstigt hat«, und stößt ihr damit denDolchmitten durchs Herz.
Der Riesenfisch im Ostrong
Im Innern des Ostrongbefindet sich ein großer See. Nicht ein gewöhnlicher See, wie andere es sind,nein, ein gar eigenartiger See ist es, der das Innere des Berges ausfüllt. Dunkelund kalt ist seinWasser. So tief ist er, dass man nichtauf den Grund sehen kann. In diesem geheimnisvollen See lebt ein Fisch von ganzungewöhnlicher Größe, ein richtiger Riesenfisch. Manchmal ist in der ganzenGegend ein Dröhnen hörbar. Dann ducken sich die Menschen, als fiele über ihnender Himmel ein. Es ist ja schließlich auch kein Wunder. Weiß doch derEinheimische, woher dieses Rumoren kommt und was es bedeutet. Es ist derRiesenfisch im Ostrong, der mit seinem Schwanz an denBerg rührt. Noch schläft er. Noch steht sein mit goldenen Schuppen überdeckter Körperruhig im Wasser. Noch sind seine Augen aus Riesendiamanten geschlossen. Nurganz selten blinzelt der Riese. Dann geht ein Funkeln wie von tausend Feuerndurch das Innere des Berges und erleuchtet es taghell. Der See erscheint alsein einziges Flammenmeer. Einmal aber wird der Riesenfisch aus seinem Schlafvöllig erwachen. Dann bedeutet dies den Untergang des Yspertales.Mit seinem Schwanz wird er an den Berg schlagen, dass ein Dröhnen, ein Sausenund Brausen die Luft erfüllen wird. Immer stärker werden die Schläge an dieInnenwände des Berges pochen, bis endlich der Ostrongentzweibricht und dasWasser des Sees freien Lauf ins Yspertal hat. Das wird für das ganze Tal die Sintflut bedeuten.Weder für Mensch noch Tier wird Rettung möglichsein. Bis das Wasser vollständig abgelaufen ist, wird sich auch der Berg wiederschließen und auf seinem Rücken Schloss Weißenberg stehen, das vor Zeiten insTal hinabgrüßte.
Die Endzeit
Das Herannahen der schlimmen Zeit,das ist des Weltunterganges, erkennt man an der Tracht des Menschen und ihren Werken.Sobald die Leute anfangen, rote Hüte zu tragen und in der Luft mit Eisen zubauen, wird die Treue unter den Menschen verschwinden. Wenn sich die Männer wieder Krauthahn - so heißt der gefleckte Salamander, der auch noch Moltwurm genannt wird -, also in grelle Farben kleiden unddie Frauen wie Schmetterlinge daherkommen, dann naht die Zeit der Unruhe, desStreites und der Verwirrung unter den Menschen. Die Zeiten, sagen andere,werden immer schlimmer, bis die Welt zugrunde geht. Wann aber das stattfindet,weiß niemand; nur an gewissen Zeichen ist es erkennbar, ob dieser Tag bald erscheinenwerde. Der Untergang der Welt ist dann nahe, wenn die Leute Straßen aus Eisenmachen, wenn sie Weg und Steg mit Eisen belegen und damit doch nicht zustandekommen. Ein fürchterlicher Krieg wird dann ausbrechen, wobei Österreich ingroße Not und Gefahr geraten wird. Das geschieht aber erst, wenn der Wunderbaumauf der Welser Heide dreimal grün und dreimal dürr geworden ist. Ist dann fürdie Österreicher die Gefahr am größten, dann öffnet sich der Wunderberg beiSalzburg, und Karl der Große kommt mit seiner ganzen Macht daraus hervor undhilft ihnen zum Siege.
© Matrix Verlag
- Autor: Leander Petzoldt
- 2007, 320 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben: Leander Petzoldt
- Verlag: marixverlag
- ISBN-10: 3865391184
- ISBN-13: 9783865391186
- Erscheinungsdatum: 01.02.2007
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