Sieben Seiten der Wahrheit
Roman
Seit zehn Jahren kommt Simon nicht über den Verlust seiner großen Liebe hinweg, obwohl sie sich seit der Trennung nie wiedergesehen haben. Und so verfällt er eines Nachmittags einer aberwitzigen Idee und begeht eine Tat, die nicht folgenlos...
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Produktinformationen zu „Sieben Seiten der Wahrheit “
Seit zehn Jahren kommt Simon nicht über den Verlust seiner großen Liebe hinweg, obwohl sie sich seit der Trennung nie wiedergesehen haben. Und so verfällt er eines Nachmittags einer aberwitzigen Idee und begeht eine Tat, die nicht folgenlos bleiben wird: Er entführt den kleinen Sohn seiner ehemaligen Freundin. Die Entführung, vielleicht nur ein Akt der Verzweiflung, löst einen Skandal aus und zwingt alle Beteiligten, ihr Leben auf den Prüfstand zu stellen ...
Klappentext zu „Sieben Seiten der Wahrheit “
Seit zehn Jahren kommt Simon nicht über den Verlust seiner großen Liebe hinweg, obwohl sie sich seit der Trennung nie wiedergesehen haben. Und so verfällt er eines Nachmittags einer aberwitzigen Idee und begeht eine Tat, die nicht folgenlos bleiben wird: Er entführt den kleinen Sohn seiner ehemaligen Freundin. Die Entführung, vielleicht nur ein Akt der Verzweiflung, löst einen Skandal aus und zwingt alle Beteiligten, ihr Leben auf den Prüfstand zu stellen ...
Lese-Probe zu „Sieben Seiten der Wahrheit “
Fast hätte er Sie gestern abend wieder angerufen. Können Sie sich das vorstellen, nach all den Jahren? Er schon. Er stellt sich vor, wie er Sie anruft oder Ihnen zufällig über den Weg läuft. Je nach Wetter sieht er Sie dann in einem geblümten Sommerkleid vor sich oder in ausgewaschenen Jeans und einer dicken Strickjacke über einem karierten Hemd, wie Sie einen Becher Kaffee trinken, während es regnet, und in einem Gedichtband lesen, mit Ihrer Schildpattbrille auf der Nase. Er stellt Sie sich mit zurückgebundenem Haar vor, und Ihr Hals duftet seltsam, lieblich, wie immer. So sieht er Sie vor sich, wenn er im Zug ist, im Supermarkt, bei seinen Eltern oder wenn er nachts allein ist. Oder mit einer Frau zusammen.Doch er irrt sich. Sie haben nie Gedichte gelesen - er wollte das von Ihnen, aber Sie wollten nicht. Auf Nachfragen gibt er zu, nicht mehr genau zu wissen, was Sie gelesen haben. Und überhaupt, die ganze Sache hat nicht damit angefangen, was Sie gelesen haben. Sondern mit Ihrem Lachen, diesem sorglosen Lachen, als wären Sie einer Werbung für Coca-Cola entsprungen, mit den Freunden, die alles mal ausprobieren mußten, mit Ihrer Gleichgültigkeit gegenüber allen Frauen, die vor Ihnen da waren, mit den Telefonketten, den Insiderwitzen, der Musik und dem Sonnenschein, der Ihnen anhaftete. Mit seinen Gefühlen, wenn Sie mit seinen Eltern redeten, mit den Einführungsseminaren an der Uni, mit Ihrem unvermeidlichen Erfolg, mit den Strandhäusern, der weißen Spitzenunterwäsche, dem Tanzen nur für ihn, mit der Selbstverständlichkeit, mit der Sie ihre studentischen Aushilfsjobs hinnahmen, mit dem scheinbaren Mangel an Erwartungen, mit den ewig wechselnden und doch entbehrlichen Ritualen des Landlebens, mit der Familie, der Ostküste, der Klassik, der Moderne, der Postmoderne, mit den Verarmten, den elegant Deregulierten, mit dem Orgasmus, dem Femininen und dem Feministischen. Und schließlich mit der Art, wie Sie mit ihm Schluß machten, so beiläufig, als mischten Sie gerade
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den Salat.
Wie er Sie sieht, würde Ihnen gefallen: Er benutzt Sie als Waffe gegen sich selbst - und das nicht nur, weil Sie das auch getan haben. Manchmal, wenn er die Stadt verläßt, sitzt er in seinem Wagen vor einer roten Ampel und überlegt, wie oft er wohl schon dagesessen haben mag, vor dieser Ampel, ohne Sie, allein unterwegs, irgendwohin, wo er hoffte, eine Frau kennenzulernen, damit Sie zu einer bloßen Erinnerung würden verblassen können, zu einer Geschichte, die er irgendwann mit anderen Geschichten verwechseln würde. Er denkt an Sie, während die Frau neben ihm glaubt, er schlafe. Daß es viele Frauen gab, dürfte Sie nicht überraschen. Wissen Sie noch, daß Sie ihn schön fanden? Gesagt haben Sie ihm das nie. Er mußte es sich denken. Aber er war tatsächlich schön und ist nun, gut neun Jahre später, noch schöner. Die Jahre haben ihn reifen lassen, und das gutaussehende Jungengesicht von einst überzieht nun ein glatter, makelloser Charme. Allerdings nicht immer: Gleich morgens nach dem Aufwachen - oder wenn er getrunken hat -ist der Charme verschwunden. Das Trinken ist eigentlich nicht das Problem, jedenfalls nicht zur Zeit, nicht in diesen Tagen. In letzter Zeit hat er damit nicht mehr Probleme gehabt als, sagen wir, Ihr Mann - was heißen soll, die Menge an sich stellt in letzter Zeit keinen Grund zur Besorgnis dar. Aber beide Männer haben insgeheim das Bedürfnis, das zu hemmen, was sie hemmt. In Simons Fall ist das Trinken nur die Spitze eines älteren Eisbergs, der unter allem liegt.
Oft ist Simon selbst mit alltäglichen Aufgaben überfordert: zu duschen und sich zu rasieren, sich anzuziehen, die Wäsche zu waschen, etwas zu essen, Empson zu füttern. Ihm geht das Essen aus, bis auf die einfachsten Grundnahrungsmittel, und er unternimmt nichts dagegen, bis der Hund nichts mehr zu fressen hat. Sie können Empson nicht kennen. Simon hat ihn als jungen Welpen bekommen, er dürfte jetzt etwa dreieinhalb sein. Simon hat ihn gewöhnlich zur Schule mitgenommen. Solche Sachen waren typisch für ihn. Die Kinder haben Empson fast so sehr geliebt, wie sie Simon liebten. Auch Sie haben Simon geliebt. Ich kann mir vorstellen, daß er ein wunderbarer Lehrer war. Vielleicht erinnern Sie sich, daß Simons Vater, William (oder nannten Sie ihn Mr. Heywood?), enttäuscht war, als Simon Lehrer werden wollte, vor allem Grundschullehrer. Er fand, ein solcher Beruf sei nicht männlich genug für seinen Sohn und Simon vergeude nur sein Talent. Ironischerweise hätte William, wäre Simon nach wie vor Lehrer, womöglich keine Notwendigkeit gesehen, mich anzurufen.
An jenem Abend war es schon sehr spät, und ich hörte an Williams Stimme, daß es ihm peinlich war. Er war zu Hause, und ich war, wie hätte es auch anders sein können, in meiner Praxis und kratzte die letzten Reste meines Abendessens aus einem tiefen Plastikteller. Keine Ahnung, warum er dachte, ich könne noch dort sein. Fast flüsterte er ins Telefon, er rufe für seinen Sohn an, aber ohne dessen Wissen. Trotz seiner Verlegenheit (und ich habe seither festgestellt, daß dies typisch für ihn ist) kam er sehr schnell zum Punkt: Er habe einen zweiunddreißigjährigen Sohn, der allein lebe, nur mit einem Hund, in einem Apartment am Meer, in Elwood. Sein Sohn, der schon immer von Lyrik besessen gewesen sei, verlasse die Wohnung nur noch selten, seit er im Zuge der ersten Welle der wirtschaftlichen Gesundschrumpfungsepidemie seine Arbeit verloren habe. Indem William gleich zum Punkt kam, entgingen ihm sehr viele andere Punkte. Simon hat gesagt, daß sein Vater deshalb keine Zeit für Lyrik habe, weil er sich vor der Unordnung des Lebens fürchte. Lyrik aber speise sich aus allem, was über die Grenzen des Normalen, des Alltäglichen hinausgeht. Aus all jenen Dingen also, von denen die meisten Menschen besessen sind. Deshalb hat William keine Zeit für Lyrik. Er kann sich nichts vorstellen, was überflüssiger wäre. Und Sie? Wie lautet Ihre Entschuldigung?
Das Gespräch dürfte etwa eine halbe Stunde gedauert haben. Die meiste Zeit verging damit, daß William Beispiele für das mangelnde Interesse seines Sohnes an Dingen nannte, die weder Lyrik noch "diesen verdammten Hund" betrafen.
Wie er Sie sieht, würde Ihnen gefallen: Er benutzt Sie als Waffe gegen sich selbst - und das nicht nur, weil Sie das auch getan haben. Manchmal, wenn er die Stadt verläßt, sitzt er in seinem Wagen vor einer roten Ampel und überlegt, wie oft er wohl schon dagesessen haben mag, vor dieser Ampel, ohne Sie, allein unterwegs, irgendwohin, wo er hoffte, eine Frau kennenzulernen, damit Sie zu einer bloßen Erinnerung würden verblassen können, zu einer Geschichte, die er irgendwann mit anderen Geschichten verwechseln würde. Er denkt an Sie, während die Frau neben ihm glaubt, er schlafe. Daß es viele Frauen gab, dürfte Sie nicht überraschen. Wissen Sie noch, daß Sie ihn schön fanden? Gesagt haben Sie ihm das nie. Er mußte es sich denken. Aber er war tatsächlich schön und ist nun, gut neun Jahre später, noch schöner. Die Jahre haben ihn reifen lassen, und das gutaussehende Jungengesicht von einst überzieht nun ein glatter, makelloser Charme. Allerdings nicht immer: Gleich morgens nach dem Aufwachen - oder wenn er getrunken hat -ist der Charme verschwunden. Das Trinken ist eigentlich nicht das Problem, jedenfalls nicht zur Zeit, nicht in diesen Tagen. In letzter Zeit hat er damit nicht mehr Probleme gehabt als, sagen wir, Ihr Mann - was heißen soll, die Menge an sich stellt in letzter Zeit keinen Grund zur Besorgnis dar. Aber beide Männer haben insgeheim das Bedürfnis, das zu hemmen, was sie hemmt. In Simons Fall ist das Trinken nur die Spitze eines älteren Eisbergs, der unter allem liegt.
Oft ist Simon selbst mit alltäglichen Aufgaben überfordert: zu duschen und sich zu rasieren, sich anzuziehen, die Wäsche zu waschen, etwas zu essen, Empson zu füttern. Ihm geht das Essen aus, bis auf die einfachsten Grundnahrungsmittel, und er unternimmt nichts dagegen, bis der Hund nichts mehr zu fressen hat. Sie können Empson nicht kennen. Simon hat ihn als jungen Welpen bekommen, er dürfte jetzt etwa dreieinhalb sein. Simon hat ihn gewöhnlich zur Schule mitgenommen. Solche Sachen waren typisch für ihn. Die Kinder haben Empson fast so sehr geliebt, wie sie Simon liebten. Auch Sie haben Simon geliebt. Ich kann mir vorstellen, daß er ein wunderbarer Lehrer war. Vielleicht erinnern Sie sich, daß Simons Vater, William (oder nannten Sie ihn Mr. Heywood?), enttäuscht war, als Simon Lehrer werden wollte, vor allem Grundschullehrer. Er fand, ein solcher Beruf sei nicht männlich genug für seinen Sohn und Simon vergeude nur sein Talent. Ironischerweise hätte William, wäre Simon nach wie vor Lehrer, womöglich keine Notwendigkeit gesehen, mich anzurufen.
An jenem Abend war es schon sehr spät, und ich hörte an Williams Stimme, daß es ihm peinlich war. Er war zu Hause, und ich war, wie hätte es auch anders sein können, in meiner Praxis und kratzte die letzten Reste meines Abendessens aus einem tiefen Plastikteller. Keine Ahnung, warum er dachte, ich könne noch dort sein. Fast flüsterte er ins Telefon, er rufe für seinen Sohn an, aber ohne dessen Wissen. Trotz seiner Verlegenheit (und ich habe seither festgestellt, daß dies typisch für ihn ist) kam er sehr schnell zum Punkt: Er habe einen zweiunddreißigjährigen Sohn, der allein lebe, nur mit einem Hund, in einem Apartment am Meer, in Elwood. Sein Sohn, der schon immer von Lyrik besessen gewesen sei, verlasse die Wohnung nur noch selten, seit er im Zuge der ersten Welle der wirtschaftlichen Gesundschrumpfungsepidemie seine Arbeit verloren habe. Indem William gleich zum Punkt kam, entgingen ihm sehr viele andere Punkte. Simon hat gesagt, daß sein Vater deshalb keine Zeit für Lyrik habe, weil er sich vor der Unordnung des Lebens fürchte. Lyrik aber speise sich aus allem, was über die Grenzen des Normalen, des Alltäglichen hinausgeht. Aus all jenen Dingen also, von denen die meisten Menschen besessen sind. Deshalb hat William keine Zeit für Lyrik. Er kann sich nichts vorstellen, was überflüssiger wäre. Und Sie? Wie lautet Ihre Entschuldigung?
Das Gespräch dürfte etwa eine halbe Stunde gedauert haben. Die meiste Zeit verging damit, daß William Beispiele für das mangelnde Interesse seines Sohnes an Dingen nannte, die weder Lyrik noch "diesen verdammten Hund" betrafen.
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Autoren-Porträt von Elliot Perlman
Elliot Perlman wurde 1964 in Melbourne geboren. Er praktizierte einige Jahre als Anwalt, bis er nach dem Erfolg von "Drei Dollar", seinem ersten Roman, nach New York zog, wo er sich ausschließlich dem Schreiben widmete. Perlmans literarisches Werk ist preisgekrönt. Sein zweiter Roman "Sieben Seiten der Wahrheit", der ihm international den Durchbruch bescherte, wurde von der Presse als "große Literatur" (Deutschlandradio Kultur) gefeiert; sein dritter Roman "Tonspuren" erschien 2013. Elliot Perlman lebt heute wieder in Melbourne.
Bibliographische Angaben
- Autor: Elliot Perlman
- 2010, 878 Seiten, Maße: 11,5 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Jendis, Matthias
- Übersetzer: Matthias Jendis
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442740193
- ISBN-13: 9783442740192
Rezension zu „Sieben Seiten der Wahrheit “
"Ein kolossales Werk, ein Marathon von einem Buch... In gewisser Weise steht jede Figur in diesem Buch unter Anklage, und die Spannung ist so groß wie im besten Gerichtsthriller... Folgerichtig und in beinahe Shakespeare'scher Manier nimmt Perlman am Ende alle losen Fäden auf und verknotet sie miteinander. ... Perlman ist ein brillanter Erzähler."
Kommentar zu "Sieben Seiten der Wahrheit"
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