Siebzig verweht I-V
Die Tagebücher 1965 - 1996
Als Höhepunkt des Tagebuchwerkes, das Ernst Jünger im Zweiten Weltkrieg mit den »Gärten und Straßen« begann, können die fünf Bände von »Siebzig verweht« gelten.
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Produktinformationen zu „Siebzig verweht I-V “
Als Höhepunkt des Tagebuchwerkes, das Ernst Jünger im Zweiten Weltkrieg mit den »Gärten und Straßen« begann, können die fünf Bände von »Siebzig verweht« gelten.
Klappentext zu „Siebzig verweht I-V “
Jünger ist wie kein anderer Schriftsteller zum Repräsentanten seines Jahrhunderts geworden, weil er die ungeheuren Möglichkeiten ebenso in ihm wahrnahm wie die dämonischen Abgründe, und weil es ihm gelang, beide Wahrnehmungen von seiner Person abzulösen und in die Objektivität einer erzählenden und einer essayistischen Darstellung zu überführen. Er ist den Herausforderungen seiner Zeit mit Herausforderung begegnet und hat damit drei Generationen von Kritikern in Atem gehalten. Fast jedes seiner Bücher ließ das alte Feld von Zustimmung und Widerspruch neu entstehen und bewies gerade damit die unvergleichliche Lebendigkeit dieses Autors. Ein großes Werk der deutschen Literatur wird hier erstmals als Gesamtausgabe veröffentlicht.
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Siebzig verweht I-V “
Siebzig verwehtWilflingen, 30. März 1965
Das biblische Alter ist erreicht - merkwürdig genug für einen, der in der Jugend niemals das dreißigste Jahr zu erleben gehofft hatte. Noch kurz vor dem dreiundzwanzigsten Geburtstag, im März 1918, hätte ich mit dem Teufel paktiert: »Gib mir dreißig Jahre, die aber sicher, und damit Punktum!«
Das aber nicht wegen der unmittelbar bevorstehenden großen Offensive, der ich eher mit Spannung und in der Hoffnung, daß wir das Schicksal noch einmal für uns wenden würden, entgegensah. In der Jugend ist eine trübe Grundstimmung häufig, als ob der Herbst seine Schatten vorauswürfe. Die Welt ist neblig, dunkle Blöcke ragen hervor. Allmählich wird die Sicht klarer; auch Leben muß gelernt werden.
Kann ich eine Erfahrung anläßlich des Datums mitteilen? Vielleicht diese: Die großen Abschnitte der Geschichte beginnen mit einer neuen eligion und jene im Leben des Einzelnen mit einem neuen Gebet. Das ist eine Wahrheit, aber kein Rezeot. Beter und Träumer ist jeder,auch wenn er es nicht weiß. Er vergißt, was er im Schlaf getrieben und im Namenlosen vernichtet hat. Wenn es ernst wird, zerbricht auch die Form des Gebets. [...]
Wilflingen, 17. November 1970
Erster Schnee. Ich legte Sonnenblumenscheiben vors Fenster; schon delektieren sich daran die Grünfinken. Aber die Kohlmeise pickte bereits an die Scheiben, als die Bretter noch leer waren.
Wilflingen, 12. Dezember 1970
[...] Die Drogenszene. Ein Vorpostengefecht mit enormen Verlusten; hier fehlt ein Clausewitz.
Oder: Streufeuer; ein Treffer ins Zentrum genügt. Tausend Eicheln fallen im Herbststurm, aus einer wächst ein Baum.
*
Im Märchen sind die Dinge von sich aus tätig, dem Menschen gegenüber autonom. Relikte davon haben sich in den Sprichwärtern erhalten: Der Krug »geht« so lange zum Brunnen, bis er bricht.
Er ist also lebendig, nicht nur belebt, und bildet kein exogenes, sondern ein endogenes Ganzes in Barnicks System.
Auch hinsichtlich der Unbefangenheit den
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Dingen gegenüber gibt es eine verlorene Unschuld, eine Riß, der sie wie Traum und Erwachen trennt. Von nun an wird die Welt aus Scherben zusammengesetzt. Sie gewinnt in den Teilen, was sie als Ganzes verliert. Herodot und Thukydides.
*
Auch im Verhältnis des Lesers zu seinem Autor gibt es Unterschiede wie zwischen Sexus und Eros: hier überwältigende Aktualität, dort stille, wachsende Liebe von Jahr zu Jahr.
Wilflingen, 3. April 1971
Gesät: Spinat, Mangold, Weiße Rüben, Braun- und Rosenkohl, Zuckermais, Petersilie. In der stahlblauen Nieswurz leuchten die weißen Staubfäden.
Korfu, 30. April 1976
[...] Wir fuhren an einem Eiland vorüber, das Böcklin als Modell zur »Toteninsel« gedient haben soll. Das schien mir glaubwürdig, obwohl ich das gleiche im Golf von Neapel gehört habe. Immerhin ein Zeichen dafür, daß ein Typus getroffen worden ist.
*
Abends wieder Leuchtkäferjagd. Auch Kinder, die sich daraus ein Vergnügen machten, trugen dazu bei und brachten ihre Beute in Streichholzschachteln an.
Wilflingen, 28. Oktober 1979
Nachmittags in Saulgau, zu einer Ausstellung des uvres von Otto Dix, dem ich leider nur ein Mal im Leben begegnet bin.
Gut gefiel mir ein Selbstbildnis von unerbittlicher Präzision, gut auch eine Szene mit Dämonen im Stil des Isenheimer Altars. Allerdings ergibt sich das Dilemma des Vergleiches in der Konfrontation. Diesen Einwand hat Horst Janssen in seinem genialischen Werk »Die Kopie« (1977) »nach« Goya, Watteau, Hokusai und ein paar Dutzend a
*
Auch im Verhältnis des Lesers zu seinem Autor gibt es Unterschiede wie zwischen Sexus und Eros: hier überwältigende Aktualität, dort stille, wachsende Liebe von Jahr zu Jahr.
Wilflingen, 3. April 1971
Gesät: Spinat, Mangold, Weiße Rüben, Braun- und Rosenkohl, Zuckermais, Petersilie. In der stahlblauen Nieswurz leuchten die weißen Staubfäden.
Korfu, 30. April 1976
[...] Wir fuhren an einem Eiland vorüber, das Böcklin als Modell zur »Toteninsel« gedient haben soll. Das schien mir glaubwürdig, obwohl ich das gleiche im Golf von Neapel gehört habe. Immerhin ein Zeichen dafür, daß ein Typus getroffen worden ist.
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Abends wieder Leuchtkäferjagd. Auch Kinder, die sich daraus ein Vergnügen machten, trugen dazu bei und brachten ihre Beute in Streichholzschachteln an.
Wilflingen, 28. Oktober 1979
Nachmittags in Saulgau, zu einer Ausstellung des uvres von Otto Dix, dem ich leider nur ein Mal im Leben begegnet bin.
Gut gefiel mir ein Selbstbildnis von unerbittlicher Präzision, gut auch eine Szene mit Dämonen im Stil des Isenheimer Altars. Allerdings ergibt sich das Dilemma des Vergleiches in der Konfrontation. Diesen Einwand hat Horst Janssen in seinem genialischen Werk »Die Kopie« (1977) »nach« Goya, Watteau, Hokusai und ein paar Dutzend a
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Autoren-Porträt von Ernst Jünger
Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 1901-1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen 1914-1918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens »Pour le Mérite«. 1919-1923 Dienst in der Reichswehr. Veröffentlichung seines Erstlings »In Stahlgewittern«. Studium in Leipzig, 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 1936-1938 Reisen nach Brasilien und Marokko. »Afrikanische Spiele« und »Das Abenteuerliche Herz«. Übersiedlung nach Überlingen. 1939-1941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 1946-1947 »Der Friede«. 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluß der zehnbändigen »Werke«. 1966-1981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französischen Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ernst Jünger
- 1998, 1. Auflage, 2534 Seiten, Maße: 15,3 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-10: 360893457X
- ISBN-13: 9783608934571
- Erscheinungsdatum: 31.08.1998
Rezension zu „Siebzig verweht I-V “
»Die Sammlung von Aufzeichnungen und Zeugnissen, Erinnerungen und Briefen ist ein literarisches Dokument von beachtlichem Rang, eine Schatzkammer von Entwürfen und Analysen unserer Zeit, gerade dadurch eine spannende und anregende Lektüre.« Saarländischer Rundfunk »Die sorgfältigen Aufzeichnungen Jüngers atmen die Freiheit seines Geistes ...« Focus
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