Spuk in Wien
Mysteriöse Orte und Begegnungen
Ein Klopfspuk im Tiergarten Schönbrunn, der Geist Franz Schuberts und kopflose Tote am Hundsturmer Friedhof ...
Die bekannte Spuk-Autorin Gabriele Hasmann hat die unheimlichsten Orte in Wien besucht und erzählt wahre Geschichten von mysteriösen...
Die bekannte Spuk-Autorin Gabriele Hasmann hat die unheimlichsten Orte in Wien besucht und erzählt wahre Geschichten von mysteriösen...
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Produktinformationen zu „Spuk in Wien “
Klappentext zu „Spuk in Wien “
Ein Klopfspuk im Tiergarten Schönbrunn, der Geist Franz Schuberts und kopflose Tote am Hundsturmer Friedhof ...Die bekannte Spuk-Autorin Gabriele Hasmann hat die unheimlichsten Orte in Wien besucht und erzählt wahre Geschichten von mysteriösen Begegnungen, verwoben mit historischen Hintergründen und persönlichen Erlebnisberichten, die den Gruselfaktor noch weiter steigern. Dazu liefert die Autorin praktische Informationen, sodass Sie die Schauplätze selbst in Augenschein nehmen und sich auf Ihr eigenes Spukabenteuer begeben können. Gänsehaut garantiert!
Lese-Probe zu „Spuk in Wien “
Gabriele Hasmann: Spuk in WienMeidling: Haydnpark
Zwei kopflose Tote am Hundsturmer Friedhof
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In Meidling, 12. Bezirk, befindet sich der Haydnpark, den das Stadtgartenamt als kommunale
Grünanlage im Jahr 1926 auf dem Areal des ehemaligen Hundsturmer Friedhofs anlegte.
Der Namensgeber des etwa 26 500 Quadratmeter großen Parks am Gaudenzdorfer Gürtel ist der
Komponist Franz Joseph Haydn (1732–1809), der hier einst seine letzte Ruhe fand. Im Jahr 1820
hat man den Künstler zwar exhumiert und danach in Eisenstadt beerdigt, doch im
Haydnpark erinnert der 1814 gestiftete originale Grabstein in Resten der Umfassungsmauer noch
heute an den berühmten Komponisten.
Der Hundsturmer Friedhof wurde, wie auch noch einige andere Grabanlagen in Wien, um 1783 auf
Geheiß Joseph II. errichtet, und zwar anstelle der zahlreichen „Totenäcker“ innerhalb des
Linienwalls (Befestigungsanlage zwischen den Vororten und Vorstädten Wiens, der heutige
Gürtel), die aus hygienischen Gründen geschlossen werden mussten.
Mit seinen 31 000 Quadratmetern war der „Hundsthurmer“ damals der kleinste „communale“ Friedhof
der Stadt. Hier lagen einfache Hofangestellte neben K.-u.-k.-Luxusbäckern und
Seidenfabrikanten sowie an der Seite von Berühmtheiten wie dem Kupferstecher Jakob Gauermann,
dem Maler Josef Danhauser und dem ersten Wiener Polizeipräsidenten Anton Ritter
von Le Monnier.
Mit der Eröffnung des Zentralfriedhofs im Jahre 1874 wurden dann alle „communalen“ Friedhöfe
stillgelegt.
Joseph Haydn, ein führender Vertreter der Wiener Klassik, lebte neun Jahre lang als Chorknabe in
Wien und arbeitete danach, neben seiner Tätigkeit als freier Musiker, als Kammerdiener
oder als Begleiter anerkannter Künstler. Ab 1761 verbrachte er fast 30 Jahre als Haus- und
Hofmusiker der Esterházys in Eisenstadt, Wien und Ungarn, wo er Orchester und Oper der
wohlhabenden, ungarischen Familie leitete. Danach feierte Haydn, der wie sein Freund Wolfgang
Amadeus Mozart einer Freimaurerloge angehörte, mehrere Jahre lang große Erfolge in
England. 1795 kehrte er endgültig nach Wien zurück, wo er sich im Gebiet „Obere Windmühle“ im
Westen von Mariahilf ein Haus mit Garten in der Unteren Steingasse Nr. 73 kaufte, das er
1797 bezog. Im Jahr 1800 verstarb Maria Anna, die treue Gattin des Komponisten, während
eines Kuraufenthalts in Baden bei Wien, wo ihre Arthritis gelindert werden sollte.
Joseph Haydn erlag 1809 nach bereits längerer Krankheit seinem Leiden, das als allgemeine
Entkräftung bezeichnet wurde. Seine letzten Worte sollen Beschwichtigungsversuche gewesen
sein, gerichtet an die Dienerschaft, als in der nahen Umgebung Kanonenschüsse zu hören
waren,
abgefeuert von der französischen Armee unter Napoleon Bonaparte, die zu diesem
Zeitpunkt Wien angriff. Der Künstler dürfte beruhigend auf seine Angestellten eingeredet
haben, damit sie nicht in Panik gerieten.
Haydn war ein gläubiger Katholik, beendete seine Kompositionen oft mit einem schriftlichen „Laus
deo“ (Gelobt sei Gott) und ging in seiner Freizeit gerne jagen und angeln. Der Musiker
galt rein äußerlich als eher unattraktiv; er war klein und hatte Pockennarben im Gesicht,
wurde aber dennoch von den Frauen umschwärmt. Wahrscheinlich lag das an seinem freundlichen
Wesen, denn Haydn soll ein vornehmer, liebenswürdiger, optimistischer und humorvoller
Zeitgenosse gewesen sein, der mit seinen Freunden auch den einen oder anderen Schabernack
trieb. Den Streich, den man ihm selbst jedoch nach seinem Tode spielte, hätte allerdings nicht
einmal der oft zu Späßen aufgelegte Musiker lustig gefunden: Man hat ihm nämlich den
Schädel gestohlen.
Festgestellt wurde das Fehlen des Kopfes, nachdem sich Fürst Nikolaus II. Esterházy im Jahr 1820
beim Ausruf des Duke von Cambridge, „Wie glücklich der Mann, der diesen Haydn im
Leben besessen hat und noch im Besitz seiner irdischen Reste ist!“, während einer Aufführung
von Haydns „Die Schöpfung“ an seinen ehemaligen Bediensteten erinnert hatte und daraufhin
den Leichnam des Künstlers exhumieren und nach Eisenstadt überführen lassen
wollte. Groß war die Bestürzung, als die Friedhofsbediensteten beim Ausgraben des Leichnams
entdeckten, dass Haydns Kopf fehlte und an dessen Stelle eine Perücke im Grab lag. Trotz
der unvorhergesehenen Ereignisse transportierte man Haydns sterbliche Überreste nach
Eisenstadt und beerdigte ihn in einer Gruft unter der Bergkirche. Später stellte sich heraus,
dass der Kopfdiebstahl acht Tage nach Haydns Beisetzung stattfand und auf das
Konto des ehemaligen Sekretärs des Fürsten Esterházy, Joseph Karl Rosenbaum (1770–1829), ging.
Der Mann hatte den Totengräber wie auch einige Wiener Beamte geschmiert, um an die
heiß begehrte Trophäe zu gelangen.
Vermeintlich wurde Haydns Kopf allerdings schon bald retourniert, und zwar vom späteren Direktor
des niederösterreichischen Provinzialstrafhauses Johann Nepomuk Peter, einem Freund
Rosenbaums, der an dem Diebstahl beteiligt gewesen war. Doch diesen Schädel hat man sogleich
als Fälschung entlarvt, er stammte von einem 20-Jährigen. Dennoch startete die Polizei
eine Hausdurchsuchung bei der von Anfang an verdächtigen Familie Rosenbaum, die jedoch
erfolglos verlief. Angeblich hatte Josephs Frau Therese den Kopf im Strohsack ihres Bettes
versteckt. Johann Nepomuk Peter überreichte der Justiz daraufhin erneut einen falschen Kopf,
dieses Mal den eines alten Mannes, der nach Eisenstadt gebracht und in Haydns Grab gelegt
wurde. Nach Rosenbaums Tod traute sich Peter aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen
nicht, das geerbte Haupt des Komponisten dem Musikkonservatorium auszuhändigen, obwohl er
es seinem Freund auf dem Totenbett versprochen hatte. Peter schob die Verantwortung auf
seine Frau ab, indem er testamentarisch festlegte: „Übergeben an das genannte
Musikkonservatorium soll dieser Kopf des Haydn, welches ich mit dem Eid, so wahr mir Gott
helfe, beteuere, dass er derselbe ist, erst nach meinem Tode aus dem Grunde werden, um wegen
dieser Handlung, die mir gut scheint, vor Verfolgung mich zu bewahren.“ Nach seinem
Ableben war aber auch die Witwe zu feige, die Reliquie an den Wiener Musikverein
auszuhändigen, sie überließ sie vielmehr dem Leibarzt ihres Mannes, Dr. Karl Haller, der ihn
an den Anatom Dr. Karl Rokitansky weiterreichte. Dessen Nachfolger Richard Heschl übergab
den Kopf 1878 dem Pathologisch-Anatomischen Museum in Wien. Heschls Nachfolger wiederum
holte den Schädel 1893 wieder aus dem Museum und ließ ihn Rokitanskys Söhnen zukommen.
Hans von Rokitansky, der letzte private Schädelverwahrer, und seine Brüder überreichten den
Kopf zwei Jahre später, wie von Rosenbaum gewünscht, dem Musikkonservatorium. Im Jahre
1932, anlässlich des 200. Geburtstages von Joseph Haydn, setzten Bestrebungen ein, den Schädel
mit dem Körper zu vereinen. Die Gesellschaft der Musikfreunde war nicht abgeneigt,
die Reliquie abzugeben, woraufhin die Esterházys ein Mausoleum in der
Bergkirche für Haydn errichteten. Doch im letzten Moment wurde die Kopfübergabe verhindert, da
ein Musikwissenschaftler von der Gesellschaft der Musikfreunde behauptete, dass es laut
einem Wiener Gesetz verboten sei, Leichenteile über die Stadtgrenzen hinaus zu
transportieren. Man munkelte jedoch, der Verein wollte mit diesem Manöver von den Gerüchten,
dass sie sich den Schädel abkaufen ließen, ablenken. 1954 klappte die Aushändigung dann
endlich, und so wurde das Haupt des großen Komponisten nach Eisenstadt gebracht, dort im
Mausoleum gegen den falschen Kopf ausgetauscht und feierlich mit Haydns Gebeinen vereint.
Und warum das alles? Weil Joseph Karl Rosenbaum ein fanatischer Anhänger von Franz Joseph Gall
und dessen Schädellehre war, ebenso wie sein Freund und Verbündeter Johann Nepomuk Peter.
Franz Joseph Gall (1758–1828), ein deutscher Arzt und Anatom, begründete unter dem Begriff
„Phrenologie“ die Lehre, dass das Gehirn das Zentrum aller mentalen Funktionen sei, geistige
Eigenschaften und Zustände also klar abgegrenzten, bestimmten Hirnarealen zuzuordnen
wären. Er behauptete außerdem, dass sich die Gehirnform von der Schädelform ableiten ließe
(spätere Kraniometrie, die Lehre von der Schädelvermessung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts
im Zusammenhang mit rassistischen Theorien populär wurde).
Franz Joseph Gall hatte viele Fans: hohe Staatsbeamte, Gelehrte, Priester, Künstler, in- und
ausländische Ärzte, Wiener Bürger und Studenten … Sogar der Dichter Johann Wolfgang von Goethe
outete sich als „höchst Interessierter“. Und da Gall behauptete, dass besonders
ausgeprägte oder im Gegensatz dazu auffällig unterentwickelte Gehirnpartien an der
Schädeldecke als Buckel oder eben als Delle erkennbar seien, was wiederum Rückschlüsse auf
Talente, Charakterzüge und Wesenseigenschaften eines Menschen zuließe, wollten alle wissen und
lernen, wie man an der Form des Schädels Verbrecher, Künstler, Geizkragen, Ehebrecher,
Philosophen usw. erkennen könnte.
Für seine Untersuchungen sammelte Gall in Wien eine Unmenge von Schädeln. Die meisten Schädel
stammten von „Irrsinnigen“, Selbstmördern und Verbrechern, da diese für die Forschung am
interessantesten waren. 1805, nachdem Galls Theorien in Wien „nicht mehr erwünscht“ waren,
weil sie laut Kaiser Franz II. gegen die Grundsätze der Moral und Religion
verstießen, übersiedelte der Anatom nach Paris. Dort fiel er nach einiger Zeit wiederum
Napoleon unangenehm auf, sodass er sich 1820 endgültig auf seinen französischen Landsitz in
Montrouge zurückzog, wo er bis zu seinem Tode als Praktiker ordinierte.
Die Wiener Schädelsammlung, ebenso wie acht Afrikaner-Büsten, darunter jene von Angelo Soliman,
überließ Gall 1824 seinem Freund Anton Franz Rollett, einem Badener
Landesgerichtsarzt, Naturforscher und Schriftsteller, für dessen Museum. In diesem Badener
Rollettmuseum (Weikersdorfer Platz 1), der ältesten Ausstellung historischer Exponate in
Niederösterreich, kann die Gallsche Schädelsammlung täglich außer dienstags von 15 bis 18 Uhr
besichtigt werden.
Doch nicht nur Haydns Kopf ist vom Hundsturmer Friedhof gestohlen worden, sondern auch jener der
an den Folgen einer Geburt verstorbenen deutschen Schauspielerin Betty Roose (1778–1808),
und zwar nur wenige Monate zuvor.
Nach dem tragischen Ableben der Künstlerin schrieb der damals 17-jährige Franz Grillparzer in
sein Tagebuch: „Madame Roose ist todt und mit ihr meine schönsten Hoffnungen. Blanka von
Kastilien kann nie aufgeführt werden, auch Robert nicht, und was weiß ich, was alles!
Es ist sehr traurig!“
Niemand ahnte, dass bereits während der Beisetzung Pläne zur Entwendung des Kopfes der „Madame“
geschmiedet wurden. Auch in diesem Fall war Joseph Karl Rosenbaum der Drahtzieher des
Verbrechens.
Der Anhänger der Gallschen Schädellehre führte ein wenig aufregendes gutbürgerliches Leben, so
schien es jedenfalls. Er wohnte in einem frühbarocken Giebelhaus am Ledererhof 9 und ging
dort, gemeinsam mit Gattin Therese, seinem morbiden Hobby nach. Die Rosenbaums hatten vor
allem eine große Vorliebe für berühmte Totenköpfe, offensichtlich eine Art Reliquienkult,
und benutzten Galls Theorie offenbar als Legitimation für die Aneignung echter Schädel zu
„Forschungszwecken“. Die ersten noch unbekannten Köpfe hat sich das Ehepaar Rosenbaum aus
der Prosektur des Allgemeinen Krankenhauses Wien besorgt. Bei den spektakuläreren Trophäen
musste bei der Beschaffung dann auch Freund Peter mithelfen.
Den Ablauf bei der Jagd auf Betty Rooses Kopf notierte Joseph Karl Rosenbaum detailgenau in
seinem Tagebuch (Quelle: „Mystisches Wien. Verborgene Schätze, versunkene Welten, Orte der
Nacht“, von Robert Bouchal und Johannes Sachslehner, Pichler Verlag, Wien 2004).
Donnerstag, 27. Oktober (1808):
Heute entwarf ich den Plan zur Abnahme des Kopfes.
Sonnabend, 29. Oktober:
Peter, der heute wegen Kopf der Roose mit Jungmann (Michael Jungmann, ein Beamter des Magistrats-
Taxamts – J. S.) auf dem Kirchhof war, konnte ich nicht sprechen.
Dienstag, 1. November:
Ich ließ einspannen und wir fuhren zur Hundsthurmer Linie, dann in den nahen Gottesacker. Unser
erster Gang war zu Rooses Grab. Da vollendeten wird den Plan zur Ausgrabung und
Abschneidung ihres Kopfes, beratschlagten uns über die Hebung so vieler und mächtiger
Hindernisse, und verabredeten mit dem Todtengräber, der ein alter verschmitzter Kerl ist und
durch 25 fl. und extra „Douceur“ gewonnen wurde, die Donnerstagnacht zwischen 12 und 1
Uhr zum Einsteigen in den Kirchhof, Ausgraben und Abschneiden des Kopfes
Donnerstag, 3. November:
In der Geisterstunde, in einer düsteren sehr umwölkten Mondnacht wandelten wir zur Linie hinaus
durch Sechshaus, giengen durch die Wien zur Hundsthurmer Linie vorbei, in den
Kirchhof, bestiegen die Mauer bei Rooses Grab und fanden den Todtengräber auf dem Grabe
schlafend. Es war Schlag 12 Uhr, kein lebendes Wesen, nur hie und da das Bellen der Hunde
regte sich. Als er wach wurde, gab ihm Peter eine Flasche Wein. Er sagte, sein Schwiegersohn,
der Halunke, sei noch nicht zu Haus, komme vielleicht erst um 2 Uhr; bis der nicht
schliefe, sei er nicht sicher und könne nicht aufgraben. (…) Ich ärgerte mich außerordentlich.
Es wurde mit dem Trunkenbold ausgemacht, dass wir morgen Vormittag hinauskommen, um mit
ihm noch mal und mit allem Ernste zu reden. Dies alles wurde auf der Kirchhofmauer
verhandelt.
Freitag am 4. November:
[…] Abends 8 Uhr begann das große Werk. Da fieng unser Kirchhofherr das Grab zu öffnen an, wurde
zwar unterbrochen, doch war nach 10 Uhr schon die Abnahme des Kopfes vorüber.
Über alle Beschreibung und Begriffe war der üble Geruch, der gleich einer Wolke bei Eröffnung
des Sarges herausdrang und uns für des Todtengräbers Leben wirklich zittern machte. Sie
war schon sehr in Verwesung übergegangen. Er wickelte den Kopf in sein Vortuch und wir
bestimmten der Gefahr bei der Linie wegen, den Kopf morgen abzuholen. Er verbarg ihn sehr
sorgfältig unter alten Todtentruhen in seiner Hütte. Wir staunten über unsere eigene Kühnheit,
noch mehr aber über die verwegene Arbeit dieses Mannes.
Sonnabend am 5. November:
Vor 8 Uhr holten Peter und Jungmann mich ab und wir fuhren bis zur Hundsthurmer Linie in dem
gelben Fiaker Batard Nr. 209, ließen innerhalb den Wagen warten, schlichen zum Kirchhof, damit
uns unser alter Ami bemerkt, er wartete unser schon. Indessen er seinen Mantel nahm und
den Kopf holte, sahen wir über die Mauer, das noch in der Erde ganz frisch und die
Eröffnung sehr kennbar ist. […] Er ging mit unserer in aller Hinsicht theuer erkauften Beute
unter weitem braunen Mantel mit uns zur Linie herein bis zur Durchfahrt durch die Wien
beim Leimsieder Haus. Hier übernahmen wir den theueren Schatz, ließen den Fiaker hinkommen und
fuhren über Gumpendorf durch die Stadt gleich zum Peter. Ich trug selben unter Mantel in
den Garten, legte ihn im Tempel auf den Tisch und trugen ihn dann in die Grotte, sahen und
untersuchten ihn noch mal und legten selben in das dazu neu gemachte, mit Wasser gefüllte
und mit einem Deckel versehene Schaf. Das Gesicht war kennbar. Die linke Seite und auch
ein Theil der rechten schwarzgrün, die Stirne grün und schwarz gestreift, die rechte Seite
weißgelb und so wie die Nase am wenigsten entstellt und bestimmt zu kennen, die Augen zwar
geschlossen, doch sehr herausgetrieben.
Voller Stolz präsentierten die Eheleute Rosenbaum die stinkende Trophäe ihren Freunden, von
denen so manch einer daraufhin schlaflose Nächte verbrachte. Rosenbaum notierte in seinem
Tagebuch:
„[…] führte ich beim Schein der Rauchpfanne die Geißler und Goldmann (Anm.: Bekannte Rosenbaums)
in die Grotte und zeigte ihnen den vom Fleische entblößten Kopf […]. Sehr ruhig bin ich
jetzt, daß dies große in aller Hinsicht gefahrvolle Werk vollbracht ist.“
Am 6. November 1808 wurden alle restlichen Weichteile vom Schädel abgelöst, in eine Urne gegeben
und im Garten der Rosenbaums „nahe eines Zwetschkenbaumes und der Blumenstelle zur
Rechten“ bestattet.
Acht Monate später, nach dem Tod Haydns, schlugen die Schädeldiebe erneut zu – dieses Mal mit
dabei auch Florian Gassmann, Rosenbaums Schwiegervater, der mit dem Komponisten befreundet
gewesen war. Der Kopf wurde nach dem erfolgreichen Coup und der Säuberung im Garten der
Rosenbaums in einem hölzernen schwarzen Sarkophag auf ein weißes Seidenkissen gebettet und
als Kultgegenstand ausgewählten Freunden präsentiert. Johann Nepomuk Peter erzählte bei
diesen Gelegenheiten, dass er an Haydns Schädel den von Gall lokalisierten „Thonsinn“,
also die musische Begabung, nachgewiesen hätte.
Hundert Jahre später behauptete allerdings der Anatom Julius Tandler (1869–1936), der Haydns
Schädel 1909 untersuchte, dass die Tagebuchaufzeichnungen von Joseph Karl Rosenbaum falsch
sein mussten, da er behauptet hatte, das Gehirn gesehen zu haben. Tandler konnte jedoch
nachweisen, dass die Schädelkalotte nie entfernt worden war. Wo sich der Kopf der
Schauspielerin Betty Roose heute befindet, ist nicht bekannt.
Tatsächlich konnte nie restlos geklärt werden, wo sich Haydns Kopf während all der Jahre
tatsächlich aufhielt und ob in Eisenstadt heute wirklich der echte Schädel in Haydns Sarkophag
liegt.
Vielleicht ist genau das der Grund, warum Joseph Haydns Geist bis heute im Haydnpark, im Bereich
Flurschützstraße/Gaudenzdorfer Gürtel (erreichbar mit der Straßenbahnlinie 6 oder 18,
Station Arbeitergasse/Margartengürtel) herumirrt. Der kleine, alte Mann mit dem vernarbten
Gesicht wurde bereits mehrmals in der Nähe seines Grabmals gesichtet, und auch seine Energie
sei in der gesamten Grünanlage extrem stark zu spüren, wie uns ein Medium bestätigte,
nachdem es sich mehrere Stunden in dem Park aufgehalten hatte. Es liegt außerdem der
Augenzeugenbericht eines Pärchens vor. Die heute 26-jährige Susanne Gumela aus Wien ist gemeinsam mit ihrem Freund Fritz dem toten Komponisten in einer lauen Sommernacht im Juli 2009
begegnet.
„Als wir damals gegen 22 Uhr Arm in Arm durch den Park spazierten, bewegte sich plötzlich ein
grauer Schatten neben uns her. Wir befanden uns in diesem Moment etwa in Höhe von Haydns
Grabmal, was ich zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht wusste. Die Gestalt war klein und
zuerst noch unidentifizierbar, wie eine Art dunkler Nebel, der durch die Luft wabert und sich
Schritt für Schritt vorwärtsbewegt. Ich wollte die Flucht ergreifen, aber Fritz hinderte
mich daran. Er war fasziniert von dem unförmigen Gebilde und sprach es sogar an: „Na, wer
bist du denn?“ Ich habe dann trotz eines Panikanfluges gesehen, wie sich der Nebel
Sekunden nach Fritz’ Frage ganz langsam verdichtete, sodass ich schließlich tatsächlich ein
Gesicht erkennen konnte: Der Mann hatte dicke Lippen und eine große Nase, außerdem waren
Narben in seinem Gesicht. Er sah irgendwie sehr traurig aus. Danach griff sich die Gestalt
an den Kopf und löste sich gleich darauf in Luft auf.“
Der 32-jährige Fritz ergänzt:
„Ich war eher fasziniert als verschreckt, eher neugierig als ängstlich. Susanne benahm sich zwar
etwas panisch, doch sie ist bei mir geblieben, worüber ich jetzt noch sehr froh bin, sonst
hätte ich später vielleicht an meinem Verstand gezweifelt.“
Das Pärchen recherchierte am nächsten Tag, wer ihnen im Haydnpark über den Weg gelaufen sein
konnte, denn sie hatten keine Ahnung von dem Grabmal des Komponisten und kannten auch die
tragische Geschichte des Schädeldiebstahls nicht. Als Susanne, so erzählt sie, das Bild des
Musikers im Internet sah, wurde ihr klar, dass dieser Mann sie ein Stück des Weges
begleitet hatte.
„Als ich die Story über diese furchtbare Sache mit seinem Schädel las, musste ich weinen, denn
da verstand ich, warum er so traurig ausgesehen und sich zuletzt an den Kopf gegriffen
hat. Ich werde aber trotzdem nie wieder in diesen Park gehen, denn ich will dem toten Haydn
nicht noch einmal begegnen. Ich habe ihn zwar mit meinen eigenen Augen gesehen, verdränge
mittlerweile allerdings die Tatsache, dass wir mit einem Geist Kontakt hatten.“
Fritz meinte, dass er seit diesem Sommertag im Jahre 2009 noch öfter nachts im Park war, die
Gestalt aber nie mehr wahrnehmen konnte.
„Trotzdem spüre ich eine starke Verbundenheit zu ihm, er hat sich uns gezeigt, hat vielleicht
darauf vertraut, dass wir ihm helfen.“
Bereits erwähntes Medium, das anonym zu bleiben wünscht, hat versucht, Haydn „zu erlösen“, doch
leider ist das Experiment nicht gelungen.
„Seine Energie ist extrem stark, er möchte nicht gehen. Ich kann nur die Seelen auf die Reise
schicken, die zwar ins Jenseits gelangen wollen, es aber ohne fremde Hilfe nicht schaffen.
Haydn will aber hierbleiben, das spüre ich ganz deutlich. Vielleicht hat er immer noch
nicht den richtigen Kopf und sucht ihn hier auf dem Friedhof, auf dem er einst beerdigt wurde.
Ohne seinen Schädel wird er diesen Ort nicht verlassen. Oder aber er kommt nicht
zur Ruhe, weil die Diebe damals für die Störung seiner Totenruhe nicht bestraft wurden.“
Sicher ist, dass es immer wieder ähnliche Berichte wie die von Susanne und Fritz gegeben hat und
gibt.
Dass es sich bei der Gestalt in allen Fällen um den toten Haydn handelt, ist sehr wahrscheinlich.
© Carl Ueberreuter Verlag GmbH
In Meidling, 12. Bezirk, befindet sich der Haydnpark, den das Stadtgartenamt als kommunale
Grünanlage im Jahr 1926 auf dem Areal des ehemaligen Hundsturmer Friedhofs anlegte.
Der Namensgeber des etwa 26 500 Quadratmeter großen Parks am Gaudenzdorfer Gürtel ist der
Komponist Franz Joseph Haydn (1732–1809), der hier einst seine letzte Ruhe fand. Im Jahr 1820
hat man den Künstler zwar exhumiert und danach in Eisenstadt beerdigt, doch im
Haydnpark erinnert der 1814 gestiftete originale Grabstein in Resten der Umfassungsmauer noch
heute an den berühmten Komponisten.
Der Hundsturmer Friedhof wurde, wie auch noch einige andere Grabanlagen in Wien, um 1783 auf
Geheiß Joseph II. errichtet, und zwar anstelle der zahlreichen „Totenäcker“ innerhalb des
Linienwalls (Befestigungsanlage zwischen den Vororten und Vorstädten Wiens, der heutige
Gürtel), die aus hygienischen Gründen geschlossen werden mussten.
Mit seinen 31 000 Quadratmetern war der „Hundsthurmer“ damals der kleinste „communale“ Friedhof
der Stadt. Hier lagen einfache Hofangestellte neben K.-u.-k.-Luxusbäckern und
Seidenfabrikanten sowie an der Seite von Berühmtheiten wie dem Kupferstecher Jakob Gauermann,
dem Maler Josef Danhauser und dem ersten Wiener Polizeipräsidenten Anton Ritter
von Le Monnier.
Mit der Eröffnung des Zentralfriedhofs im Jahre 1874 wurden dann alle „communalen“ Friedhöfe
stillgelegt.
Joseph Haydn, ein führender Vertreter der Wiener Klassik, lebte neun Jahre lang als Chorknabe in
Wien und arbeitete danach, neben seiner Tätigkeit als freier Musiker, als Kammerdiener
oder als Begleiter anerkannter Künstler. Ab 1761 verbrachte er fast 30 Jahre als Haus- und
Hofmusiker der Esterházys in Eisenstadt, Wien und Ungarn, wo er Orchester und Oper der
wohlhabenden, ungarischen Familie leitete. Danach feierte Haydn, der wie sein Freund Wolfgang
Amadeus Mozart einer Freimaurerloge angehörte, mehrere Jahre lang große Erfolge in
England. 1795 kehrte er endgültig nach Wien zurück, wo er sich im Gebiet „Obere Windmühle“ im
Westen von Mariahilf ein Haus mit Garten in der Unteren Steingasse Nr. 73 kaufte, das er
1797 bezog. Im Jahr 1800 verstarb Maria Anna, die treue Gattin des Komponisten, während
eines Kuraufenthalts in Baden bei Wien, wo ihre Arthritis gelindert werden sollte.
Joseph Haydn erlag 1809 nach bereits längerer Krankheit seinem Leiden, das als allgemeine
Entkräftung bezeichnet wurde. Seine letzten Worte sollen Beschwichtigungsversuche gewesen
sein, gerichtet an die Dienerschaft, als in der nahen Umgebung Kanonenschüsse zu hören
waren,
abgefeuert von der französischen Armee unter Napoleon Bonaparte, die zu diesem
Zeitpunkt Wien angriff. Der Künstler dürfte beruhigend auf seine Angestellten eingeredet
haben, damit sie nicht in Panik gerieten.
Haydn war ein gläubiger Katholik, beendete seine Kompositionen oft mit einem schriftlichen „Laus
deo“ (Gelobt sei Gott) und ging in seiner Freizeit gerne jagen und angeln. Der Musiker
galt rein äußerlich als eher unattraktiv; er war klein und hatte Pockennarben im Gesicht,
wurde aber dennoch von den Frauen umschwärmt. Wahrscheinlich lag das an seinem freundlichen
Wesen, denn Haydn soll ein vornehmer, liebenswürdiger, optimistischer und humorvoller
Zeitgenosse gewesen sein, der mit seinen Freunden auch den einen oder anderen Schabernack
trieb. Den Streich, den man ihm selbst jedoch nach seinem Tode spielte, hätte allerdings nicht
einmal der oft zu Späßen aufgelegte Musiker lustig gefunden: Man hat ihm nämlich den
Schädel gestohlen.
Festgestellt wurde das Fehlen des Kopfes, nachdem sich Fürst Nikolaus II. Esterházy im Jahr 1820
beim Ausruf des Duke von Cambridge, „Wie glücklich der Mann, der diesen Haydn im
Leben besessen hat und noch im Besitz seiner irdischen Reste ist!“, während einer Aufführung
von Haydns „Die Schöpfung“ an seinen ehemaligen Bediensteten erinnert hatte und daraufhin
den Leichnam des Künstlers exhumieren und nach Eisenstadt überführen lassen
wollte. Groß war die Bestürzung, als die Friedhofsbediensteten beim Ausgraben des Leichnams
entdeckten, dass Haydns Kopf fehlte und an dessen Stelle eine Perücke im Grab lag. Trotz
der unvorhergesehenen Ereignisse transportierte man Haydns sterbliche Überreste nach
Eisenstadt und beerdigte ihn in einer Gruft unter der Bergkirche. Später stellte sich heraus,
dass der Kopfdiebstahl acht Tage nach Haydns Beisetzung stattfand und auf das
Konto des ehemaligen Sekretärs des Fürsten Esterházy, Joseph Karl Rosenbaum (1770–1829), ging.
Der Mann hatte den Totengräber wie auch einige Wiener Beamte geschmiert, um an die
heiß begehrte Trophäe zu gelangen.
Vermeintlich wurde Haydns Kopf allerdings schon bald retourniert, und zwar vom späteren Direktor
des niederösterreichischen Provinzialstrafhauses Johann Nepomuk Peter, einem Freund
Rosenbaums, der an dem Diebstahl beteiligt gewesen war. Doch diesen Schädel hat man sogleich
als Fälschung entlarvt, er stammte von einem 20-Jährigen. Dennoch startete die Polizei
eine Hausdurchsuchung bei der von Anfang an verdächtigen Familie Rosenbaum, die jedoch
erfolglos verlief. Angeblich hatte Josephs Frau Therese den Kopf im Strohsack ihres Bettes
versteckt. Johann Nepomuk Peter überreichte der Justiz daraufhin erneut einen falschen Kopf,
dieses Mal den eines alten Mannes, der nach Eisenstadt gebracht und in Haydns Grab gelegt
wurde. Nach Rosenbaums Tod traute sich Peter aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen
nicht, das geerbte Haupt des Komponisten dem Musikkonservatorium auszuhändigen, obwohl er
es seinem Freund auf dem Totenbett versprochen hatte. Peter schob die Verantwortung auf
seine Frau ab, indem er testamentarisch festlegte: „Übergeben an das genannte
Musikkonservatorium soll dieser Kopf des Haydn, welches ich mit dem Eid, so wahr mir Gott
helfe, beteuere, dass er derselbe ist, erst nach meinem Tode aus dem Grunde werden, um wegen
dieser Handlung, die mir gut scheint, vor Verfolgung mich zu bewahren.“ Nach seinem
Ableben war aber auch die Witwe zu feige, die Reliquie an den Wiener Musikverein
auszuhändigen, sie überließ sie vielmehr dem Leibarzt ihres Mannes, Dr. Karl Haller, der ihn
an den Anatom Dr. Karl Rokitansky weiterreichte. Dessen Nachfolger Richard Heschl übergab
den Kopf 1878 dem Pathologisch-Anatomischen Museum in Wien. Heschls Nachfolger wiederum
holte den Schädel 1893 wieder aus dem Museum und ließ ihn Rokitanskys Söhnen zukommen.
Hans von Rokitansky, der letzte private Schädelverwahrer, und seine Brüder überreichten den
Kopf zwei Jahre später, wie von Rosenbaum gewünscht, dem Musikkonservatorium. Im Jahre
1932, anlässlich des 200. Geburtstages von Joseph Haydn, setzten Bestrebungen ein, den Schädel
mit dem Körper zu vereinen. Die Gesellschaft der Musikfreunde war nicht abgeneigt,
die Reliquie abzugeben, woraufhin die Esterházys ein Mausoleum in der
Bergkirche für Haydn errichteten. Doch im letzten Moment wurde die Kopfübergabe verhindert, da
ein Musikwissenschaftler von der Gesellschaft der Musikfreunde behauptete, dass es laut
einem Wiener Gesetz verboten sei, Leichenteile über die Stadtgrenzen hinaus zu
transportieren. Man munkelte jedoch, der Verein wollte mit diesem Manöver von den Gerüchten,
dass sie sich den Schädel abkaufen ließen, ablenken. 1954 klappte die Aushändigung dann
endlich, und so wurde das Haupt des großen Komponisten nach Eisenstadt gebracht, dort im
Mausoleum gegen den falschen Kopf ausgetauscht und feierlich mit Haydns Gebeinen vereint.
Und warum das alles? Weil Joseph Karl Rosenbaum ein fanatischer Anhänger von Franz Joseph Gall
und dessen Schädellehre war, ebenso wie sein Freund und Verbündeter Johann Nepomuk Peter.
Franz Joseph Gall (1758–1828), ein deutscher Arzt und Anatom, begründete unter dem Begriff
„Phrenologie“ die Lehre, dass das Gehirn das Zentrum aller mentalen Funktionen sei, geistige
Eigenschaften und Zustände also klar abgegrenzten, bestimmten Hirnarealen zuzuordnen
wären. Er behauptete außerdem, dass sich die Gehirnform von der Schädelform ableiten ließe
(spätere Kraniometrie, die Lehre von der Schädelvermessung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts
im Zusammenhang mit rassistischen Theorien populär wurde).
Franz Joseph Gall hatte viele Fans: hohe Staatsbeamte, Gelehrte, Priester, Künstler, in- und
ausländische Ärzte, Wiener Bürger und Studenten … Sogar der Dichter Johann Wolfgang von Goethe
outete sich als „höchst Interessierter“. Und da Gall behauptete, dass besonders
ausgeprägte oder im Gegensatz dazu auffällig unterentwickelte Gehirnpartien an der
Schädeldecke als Buckel oder eben als Delle erkennbar seien, was wiederum Rückschlüsse auf
Talente, Charakterzüge und Wesenseigenschaften eines Menschen zuließe, wollten alle wissen und
lernen, wie man an der Form des Schädels Verbrecher, Künstler, Geizkragen, Ehebrecher,
Philosophen usw. erkennen könnte.
Für seine Untersuchungen sammelte Gall in Wien eine Unmenge von Schädeln. Die meisten Schädel
stammten von „Irrsinnigen“, Selbstmördern und Verbrechern, da diese für die Forschung am
interessantesten waren. 1805, nachdem Galls Theorien in Wien „nicht mehr erwünscht“ waren,
weil sie laut Kaiser Franz II. gegen die Grundsätze der Moral und Religion
verstießen, übersiedelte der Anatom nach Paris. Dort fiel er nach einiger Zeit wiederum
Napoleon unangenehm auf, sodass er sich 1820 endgültig auf seinen französischen Landsitz in
Montrouge zurückzog, wo er bis zu seinem Tode als Praktiker ordinierte.
Die Wiener Schädelsammlung, ebenso wie acht Afrikaner-Büsten, darunter jene von Angelo Soliman,
überließ Gall 1824 seinem Freund Anton Franz Rollett, einem Badener
Landesgerichtsarzt, Naturforscher und Schriftsteller, für dessen Museum. In diesem Badener
Rollettmuseum (Weikersdorfer Platz 1), der ältesten Ausstellung historischer Exponate in
Niederösterreich, kann die Gallsche Schädelsammlung täglich außer dienstags von 15 bis 18 Uhr
besichtigt werden.
Doch nicht nur Haydns Kopf ist vom Hundsturmer Friedhof gestohlen worden, sondern auch jener der
an den Folgen einer Geburt verstorbenen deutschen Schauspielerin Betty Roose (1778–1808),
und zwar nur wenige Monate zuvor.
Nach dem tragischen Ableben der Künstlerin schrieb der damals 17-jährige Franz Grillparzer in
sein Tagebuch: „Madame Roose ist todt und mit ihr meine schönsten Hoffnungen. Blanka von
Kastilien kann nie aufgeführt werden, auch Robert nicht, und was weiß ich, was alles!
Es ist sehr traurig!“
Niemand ahnte, dass bereits während der Beisetzung Pläne zur Entwendung des Kopfes der „Madame“
geschmiedet wurden. Auch in diesem Fall war Joseph Karl Rosenbaum der Drahtzieher des
Verbrechens.
Der Anhänger der Gallschen Schädellehre führte ein wenig aufregendes gutbürgerliches Leben, so
schien es jedenfalls. Er wohnte in einem frühbarocken Giebelhaus am Ledererhof 9 und ging
dort, gemeinsam mit Gattin Therese, seinem morbiden Hobby nach. Die Rosenbaums hatten vor
allem eine große Vorliebe für berühmte Totenköpfe, offensichtlich eine Art Reliquienkult,
und benutzten Galls Theorie offenbar als Legitimation für die Aneignung echter Schädel zu
„Forschungszwecken“. Die ersten noch unbekannten Köpfe hat sich das Ehepaar Rosenbaum aus
der Prosektur des Allgemeinen Krankenhauses Wien besorgt. Bei den spektakuläreren Trophäen
musste bei der Beschaffung dann auch Freund Peter mithelfen.
Den Ablauf bei der Jagd auf Betty Rooses Kopf notierte Joseph Karl Rosenbaum detailgenau in
seinem Tagebuch (Quelle: „Mystisches Wien. Verborgene Schätze, versunkene Welten, Orte der
Nacht“, von Robert Bouchal und Johannes Sachslehner, Pichler Verlag, Wien 2004).
Donnerstag, 27. Oktober (1808):
Heute entwarf ich den Plan zur Abnahme des Kopfes.
Sonnabend, 29. Oktober:
Peter, der heute wegen Kopf der Roose mit Jungmann (Michael Jungmann, ein Beamter des Magistrats-
Taxamts – J. S.) auf dem Kirchhof war, konnte ich nicht sprechen.
Dienstag, 1. November:
Ich ließ einspannen und wir fuhren zur Hundsthurmer Linie, dann in den nahen Gottesacker. Unser
erster Gang war zu Rooses Grab. Da vollendeten wird den Plan zur Ausgrabung und
Abschneidung ihres Kopfes, beratschlagten uns über die Hebung so vieler und mächtiger
Hindernisse, und verabredeten mit dem Todtengräber, der ein alter verschmitzter Kerl ist und
durch 25 fl. und extra „Douceur“ gewonnen wurde, die Donnerstagnacht zwischen 12 und 1
Uhr zum Einsteigen in den Kirchhof, Ausgraben und Abschneiden des Kopfes
Donnerstag, 3. November:
In der Geisterstunde, in einer düsteren sehr umwölkten Mondnacht wandelten wir zur Linie hinaus
durch Sechshaus, giengen durch die Wien zur Hundsthurmer Linie vorbei, in den
Kirchhof, bestiegen die Mauer bei Rooses Grab und fanden den Todtengräber auf dem Grabe
schlafend. Es war Schlag 12 Uhr, kein lebendes Wesen, nur hie und da das Bellen der Hunde
regte sich. Als er wach wurde, gab ihm Peter eine Flasche Wein. Er sagte, sein Schwiegersohn,
der Halunke, sei noch nicht zu Haus, komme vielleicht erst um 2 Uhr; bis der nicht
schliefe, sei er nicht sicher und könne nicht aufgraben. (…) Ich ärgerte mich außerordentlich.
Es wurde mit dem Trunkenbold ausgemacht, dass wir morgen Vormittag hinauskommen, um mit
ihm noch mal und mit allem Ernste zu reden. Dies alles wurde auf der Kirchhofmauer
verhandelt.
Freitag am 4. November:
[…] Abends 8 Uhr begann das große Werk. Da fieng unser Kirchhofherr das Grab zu öffnen an, wurde
zwar unterbrochen, doch war nach 10 Uhr schon die Abnahme des Kopfes vorüber.
Über alle Beschreibung und Begriffe war der üble Geruch, der gleich einer Wolke bei Eröffnung
des Sarges herausdrang und uns für des Todtengräbers Leben wirklich zittern machte. Sie
war schon sehr in Verwesung übergegangen. Er wickelte den Kopf in sein Vortuch und wir
bestimmten der Gefahr bei der Linie wegen, den Kopf morgen abzuholen. Er verbarg ihn sehr
sorgfältig unter alten Todtentruhen in seiner Hütte. Wir staunten über unsere eigene Kühnheit,
noch mehr aber über die verwegene Arbeit dieses Mannes.
Sonnabend am 5. November:
Vor 8 Uhr holten Peter und Jungmann mich ab und wir fuhren bis zur Hundsthurmer Linie in dem
gelben Fiaker Batard Nr. 209, ließen innerhalb den Wagen warten, schlichen zum Kirchhof, damit
uns unser alter Ami bemerkt, er wartete unser schon. Indessen er seinen Mantel nahm und
den Kopf holte, sahen wir über die Mauer, das noch in der Erde ganz frisch und die
Eröffnung sehr kennbar ist. […] Er ging mit unserer in aller Hinsicht theuer erkauften Beute
unter weitem braunen Mantel mit uns zur Linie herein bis zur Durchfahrt durch die Wien
beim Leimsieder Haus. Hier übernahmen wir den theueren Schatz, ließen den Fiaker hinkommen und
fuhren über Gumpendorf durch die Stadt gleich zum Peter. Ich trug selben unter Mantel in
den Garten, legte ihn im Tempel auf den Tisch und trugen ihn dann in die Grotte, sahen und
untersuchten ihn noch mal und legten selben in das dazu neu gemachte, mit Wasser gefüllte
und mit einem Deckel versehene Schaf. Das Gesicht war kennbar. Die linke Seite und auch
ein Theil der rechten schwarzgrün, die Stirne grün und schwarz gestreift, die rechte Seite
weißgelb und so wie die Nase am wenigsten entstellt und bestimmt zu kennen, die Augen zwar
geschlossen, doch sehr herausgetrieben.
Voller Stolz präsentierten die Eheleute Rosenbaum die stinkende Trophäe ihren Freunden, von
denen so manch einer daraufhin schlaflose Nächte verbrachte. Rosenbaum notierte in seinem
Tagebuch:
„[…] führte ich beim Schein der Rauchpfanne die Geißler und Goldmann (Anm.: Bekannte Rosenbaums)
in die Grotte und zeigte ihnen den vom Fleische entblößten Kopf […]. Sehr ruhig bin ich
jetzt, daß dies große in aller Hinsicht gefahrvolle Werk vollbracht ist.“
Am 6. November 1808 wurden alle restlichen Weichteile vom Schädel abgelöst, in eine Urne gegeben
und im Garten der Rosenbaums „nahe eines Zwetschkenbaumes und der Blumenstelle zur
Rechten“ bestattet.
Acht Monate später, nach dem Tod Haydns, schlugen die Schädeldiebe erneut zu – dieses Mal mit
dabei auch Florian Gassmann, Rosenbaums Schwiegervater, der mit dem Komponisten befreundet
gewesen war. Der Kopf wurde nach dem erfolgreichen Coup und der Säuberung im Garten der
Rosenbaums in einem hölzernen schwarzen Sarkophag auf ein weißes Seidenkissen gebettet und
als Kultgegenstand ausgewählten Freunden präsentiert. Johann Nepomuk Peter erzählte bei
diesen Gelegenheiten, dass er an Haydns Schädel den von Gall lokalisierten „Thonsinn“,
also die musische Begabung, nachgewiesen hätte.
Hundert Jahre später behauptete allerdings der Anatom Julius Tandler (1869–1936), der Haydns
Schädel 1909 untersuchte, dass die Tagebuchaufzeichnungen von Joseph Karl Rosenbaum falsch
sein mussten, da er behauptet hatte, das Gehirn gesehen zu haben. Tandler konnte jedoch
nachweisen, dass die Schädelkalotte nie entfernt worden war. Wo sich der Kopf der
Schauspielerin Betty Roose heute befindet, ist nicht bekannt.
Tatsächlich konnte nie restlos geklärt werden, wo sich Haydns Kopf während all der Jahre
tatsächlich aufhielt und ob in Eisenstadt heute wirklich der echte Schädel in Haydns Sarkophag
liegt.
Vielleicht ist genau das der Grund, warum Joseph Haydns Geist bis heute im Haydnpark, im Bereich
Flurschützstraße/Gaudenzdorfer Gürtel (erreichbar mit der Straßenbahnlinie 6 oder 18,
Station Arbeitergasse/Margartengürtel) herumirrt. Der kleine, alte Mann mit dem vernarbten
Gesicht wurde bereits mehrmals in der Nähe seines Grabmals gesichtet, und auch seine Energie
sei in der gesamten Grünanlage extrem stark zu spüren, wie uns ein Medium bestätigte,
nachdem es sich mehrere Stunden in dem Park aufgehalten hatte. Es liegt außerdem der
Augenzeugenbericht eines Pärchens vor. Die heute 26-jährige Susanne Gumela aus Wien ist gemeinsam mit ihrem Freund Fritz dem toten Komponisten in einer lauen Sommernacht im Juli 2009
begegnet.
„Als wir damals gegen 22 Uhr Arm in Arm durch den Park spazierten, bewegte sich plötzlich ein
grauer Schatten neben uns her. Wir befanden uns in diesem Moment etwa in Höhe von Haydns
Grabmal, was ich zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht wusste. Die Gestalt war klein und
zuerst noch unidentifizierbar, wie eine Art dunkler Nebel, der durch die Luft wabert und sich
Schritt für Schritt vorwärtsbewegt. Ich wollte die Flucht ergreifen, aber Fritz hinderte
mich daran. Er war fasziniert von dem unförmigen Gebilde und sprach es sogar an: „Na, wer
bist du denn?“ Ich habe dann trotz eines Panikanfluges gesehen, wie sich der Nebel
Sekunden nach Fritz’ Frage ganz langsam verdichtete, sodass ich schließlich tatsächlich ein
Gesicht erkennen konnte: Der Mann hatte dicke Lippen und eine große Nase, außerdem waren
Narben in seinem Gesicht. Er sah irgendwie sehr traurig aus. Danach griff sich die Gestalt
an den Kopf und löste sich gleich darauf in Luft auf.“
Der 32-jährige Fritz ergänzt:
„Ich war eher fasziniert als verschreckt, eher neugierig als ängstlich. Susanne benahm sich zwar
etwas panisch, doch sie ist bei mir geblieben, worüber ich jetzt noch sehr froh bin, sonst
hätte ich später vielleicht an meinem Verstand gezweifelt.“
Das Pärchen recherchierte am nächsten Tag, wer ihnen im Haydnpark über den Weg gelaufen sein
konnte, denn sie hatten keine Ahnung von dem Grabmal des Komponisten und kannten auch die
tragische Geschichte des Schädeldiebstahls nicht. Als Susanne, so erzählt sie, das Bild des
Musikers im Internet sah, wurde ihr klar, dass dieser Mann sie ein Stück des Weges
begleitet hatte.
„Als ich die Story über diese furchtbare Sache mit seinem Schädel las, musste ich weinen, denn
da verstand ich, warum er so traurig ausgesehen und sich zuletzt an den Kopf gegriffen
hat. Ich werde aber trotzdem nie wieder in diesen Park gehen, denn ich will dem toten Haydn
nicht noch einmal begegnen. Ich habe ihn zwar mit meinen eigenen Augen gesehen, verdränge
mittlerweile allerdings die Tatsache, dass wir mit einem Geist Kontakt hatten.“
Fritz meinte, dass er seit diesem Sommertag im Jahre 2009 noch öfter nachts im Park war, die
Gestalt aber nie mehr wahrnehmen konnte.
„Trotzdem spüre ich eine starke Verbundenheit zu ihm, er hat sich uns gezeigt, hat vielleicht
darauf vertraut, dass wir ihm helfen.“
Bereits erwähntes Medium, das anonym zu bleiben wünscht, hat versucht, Haydn „zu erlösen“, doch
leider ist das Experiment nicht gelungen.
„Seine Energie ist extrem stark, er möchte nicht gehen. Ich kann nur die Seelen auf die Reise
schicken, die zwar ins Jenseits gelangen wollen, es aber ohne fremde Hilfe nicht schaffen.
Haydn will aber hierbleiben, das spüre ich ganz deutlich. Vielleicht hat er immer noch
nicht den richtigen Kopf und sucht ihn hier auf dem Friedhof, auf dem er einst beerdigt wurde.
Ohne seinen Schädel wird er diesen Ort nicht verlassen. Oder aber er kommt nicht
zur Ruhe, weil die Diebe damals für die Störung seiner Totenruhe nicht bestraft wurden.“
Sicher ist, dass es immer wieder ähnliche Berichte wie die von Susanne und Fritz gegeben hat und
gibt.
Dass es sich bei der Gestalt in allen Fällen um den toten Haydn handelt, ist sehr wahrscheinlich.
© Carl Ueberreuter Verlag GmbH
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Autoren-Porträt von Gabriele Hasmann
Gabriele Hasmann war viele Jahre lang als Zeitungs-, Radio- und TV-Journalistin tätig, ist Trägerin mehrerer Literaturpreise und Autorin zahlreicher Bücher. Als Ghostwriterin, Autorenbetreuerin, Lektorin und Leiterin von Schreibkursen gibt sie ihr Wissen auch an andere weiter.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gabriele Hasmann
- 2014, 128 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 12 x 19 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Carl Ueberreuter Verlag
- ISBN-10: 3800075989
- ISBN-13: 9783800075980
- Erscheinungsdatum: 18.08.2014
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