Sterben sollst du für dein Glück
Die Muslimin Sabatina ist in Österreich aufgewachsen. Mit 16 schicken ihre Eltern sie auf eine Koranschule nach Pakistan, wo sie misshandelt wird. Sie flieht zurück nach Europa doch auch hier holt sie der Islam ein - denn ihre Familie droht sie zu töten.
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Die Muslimin Sabatina ist in Österreich aufgewachsen. Mit 16 schicken ihre Eltern sie auf eine Koranschule nach Pakistan, wo sie misshandelt wird. Sie flieht zurück nach Europa doch auch hier holt sie der Islam ein - denn ihre Familie droht sie zu töten.
Sterben sollst Du für Dein Glück von Sabatina James
LESEPROBE
Manchmal,wenn ich allein auf der Straße gehe, bekomme ich Angst. Waren da nichtSchritte? Verfolgt mich jemand? Ich drehe mich abrupt um und suche mit denAugen die Straße nach möglichen Verfolgern ab, ehe ich so schnell wie möglichnach Hause laufe, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Ich geheselten allein auf die Straße.
Manchmal,wenn ich allein in der U-Bahn sitze und ein Pakistani in meinen Waggon steigt,zucke ich zusammen. Sucht er mich? Ist er auf mich angesetzt? Und wenn ja, vonwem? Von meinen Eltern? Meinen Verwandten? Dann steige ich an der nächstenStation aus und warte ab, was er tut. Erst wenn der Zug weiterfährt und derPakistani an mir vorbeirollt, ohne mich anzusehen, entspanne ich mich einwenig.
Ich fahreselten allein mit der U-Bahn.
Manchmal,wenn ich abends im Bett liege und mein Handy läutet, schrecke ich hoch. Habensie schon wieder meine Nummer herausgefunden? Wollen sie mich wiedereinschüchtern? Wissen sie vielleicht sogar, wo ich wohne? Ich habe schonmehrmals meine Handynummer gewechselt, trotzdem haben sie sie jedes Malherausgefunden und gewählt. Nachts, meist gegen Mitternacht, wenn ichnormalerweise schon schlafe. Ich sage kein Wort, wenn ich abhebe, trotzdemwissen sie, dass ich am Apparat bin. »Wir finden dich«, schreien sie insTelefon. »Wir erwischen dich. Bald holen wir dich.«Dann weiß ich, dass ich mir eine neue Bleibe suchen muss.
Wiedereinmal.
Imvergangenen November bin ich einundzwanzig Jahre alt geworden. Ich wurde ineinem kleinen Dorf im Nordosten Pakistans geboren und lebe heute in einerfremden Stadt, wo ich niemanden kenne und mich hoffentlich niemand erkennt. Ichbin das, was Kriminalisten ein »U-Boot« nennen: Ich habe keinen festenWohnsitz, kaum Freunde, wenig Kontakt zur Außenwelt. Ich bin österreichische Staatsbürgerin- und ich habe große Angst, meinen nächsten Geburtstag nicht mehr zu erleben.
Das magübertrieben klingen. Unrealistisch vielleicht. Und genauso reagierten dieBehörden, als ich zum ersten Mal zur Polizei ging, um den Beamten meineGeschichte zu erzählen. Wahrscheinlich hielten sie mich für einen Teenager, derzu viele schlechte Filme gesehen und noch mehr Schundromane gelesen hatte.
Ich musszugeben, dass meine Geschichte für Europäer tatsächlich schwer zu begreifenist. Sie beginnt in Sarleinsbach, einem kleinen Dorfin der oberösterreichischen Provinz. Sie spielt in Linz, einer Großstadt mitimmerhin zweihunderttausend Einwohnern, in Lahore,der drittgrößten Stadt Pakistans, und in einer Koranschule, in die gläubigePakistanis ihre Kinder stecken, damit sie so gläubig werden wie sie selbst. Esgeht um Liebe, um Glauben, um die Konflikte, die entstehen, wenn man in Europaaufwächst und immer noch so leben muss, als wäre man in Pakistan.
Ich habenichts getan, wofür man sich schämen müsste; nichts, was in Europa verbotenwäre. Natürlich gab es ein paar Momente in meinem Leben, die meinem Vater undseinen streng pakistanischen Vorstellungen nicht zur Ehre gereicht hätten. Aberdafür bedroht man niemanden mit dem Tod - noch nicht einmal in Pakistan. MeineJugendzeit unterscheidet sich kaum von der vieler anderer österreichischerKinder. Ich ging zur Schule, hatte manchmal gute, manchmal schlechte Noten, ichhatte Freunde, ging ins Kino, saß in Kaffeehäusern herum und hatte meinenersten Freund, als ich sechzehn war.
Doch meineEltern wollten, dass ich in Pakistan meinen Cousin heirate. Ich wollte dasnicht, und deswegen riss ich von zu Hause aus. Ich flüchtete vor ihnen, vorihren pakistanischen Wertvorstellungen, vor allem aber vor dem, was der Koranvon mir als Frau verlangt. Ich begann am Islam zu zweifeln, begann zuhinterfragen - und fand die Antwort in einem neuen Glauben. Nachdem ichmonatelang meine Zweifel mit mir herumgetragen hatte, konvertierte ich zumChristentum. »Komm zurück. Du weißt, was auf den Glaubenswechsel in Pakistansteht«, sagte mein Vater damals zu mir.
Mir warklar, was er damit meinte: die Todesstrafe.
In Pakistangilt die Scharia, das islamische Rechtssystem. Undnach dieser Scharia, der sich meine Eltern inPakistan verpflichtet fühlen, wird eine islamische Frau, die zum Christentumwechselt, zu Tode gesteinigt.
Muss ichmich wirklich fürchten? Ich weiß es nicht, und niemand kann es mir sagen. Nichtdie Sozialarbeiter, an die ich mich vor zwei Jahren gewandt habe, nicht meineBekannten und auch nicht die Polizei. Ich habe von Mädchen gehört, dieÄhnliches durchlebt hatten und von ihren Verwandten tatsächlich getötet wurden:Mädchen, die wie ich in Europa aufgewachsen sind und dann von ihren Eltern nachPakistan verschleppt wurden. Dort endet ihre Geschichte jedes Mal mit dem Tod.
Ich weißnicht, ob sie es in letzter Konsequenz tun werden. Was ich jedoch weiß, ist,dass ich Angst habe. Eine Angst, mit der ich tagtäglich leben muss. Und ichweiß, dass mein Leben seit dieser Zeit nicht mehr normal ist.
Seit ichChristin wurde, bin ich fünf Mal umgezogen. Zuerst von meinen Eltern in eineNotschlafstelle und von dort in eine kleine Wohnung. Als sie mich fanden, zogich in die nächste Wohnung. Als sie mich wieder fanden, zog ich in eine andereStadt. Mittlerweile lebe ich im Hinterzimmer eines Büros. Es ist nicht sehrgroß, aber ich habe dort einen Fernseher, einen Computer und ein Telefon. Esist mein Zuhause, zumindest solange ich mich hier sicher fühle.
Ich habeAngstzustände, wenn ich allein bin, und ich bin sehr oft allein. Vor allem dieWochenenden sind schwer, wenn ich auf dem Sofa im Büro sitze und die Menschen,die normalerweise hier arbeiten, bei ihren Familien sind. Ich sitze untätigherum, starre in den Fernseher und warte, bis es wieder Montag wird.
Ich gehenicht gerne nach draußen, und wenn ich es doch tue, dann nur in Begleitung. Ichgehe selten ins Kino, weil ich mich im Dunklen nicht wohl fühle. Es ist mehrals ein Jahr her, dass ich mich länger in einem Lokal aufgehalten habe. Ichlebe weit weg von meinen Verwandten, und dennoch ist es mir unmöglich, ihnenganz zu entkommen. Bei meinem letzten Besuch in einem Lokal kam einJugendlicher zu mir, den ich noch nie gesehen hatte, und fragte mich, ob ichnicht die Pakistani sei, die von ihren Eltern davongelaufen ist.
Ich gingsofort zurück in mein Versteck.
Wäre ichso, wie meine Eltern es wollen, dann würde mir meine Isolation wenig ausmachen.Dann wäre ich ein braves pakistanisches Mädchen, würde mich um den Haushalt kümmern,eine Schar Kinder großziehen und meinem Mann, der auch mein Cousin ist, eineanständige Frau sein.
Aber dasbin ich nicht, denn ich bin kein pakistanisches Mädchen mehr. Ich habe Pakistanmit zehn Jahren verlassen, bin in Österreich aufgewachsen, habe hier gelebt,und vor allem habe ich im Gegensatz zu meinen Eltern verstanden, wie man hierlebt. Ich spreche nicht nur so wie alle österreichischen Mädchen in meinemAlter, sondern ziehe mich an wie sie, schminke mich wie sie, ich höre diegleiche Musik, lese die gleichen Bücher und sehe mir die gleichen Sendungen imFernsehen an. Ich bin Österreicherin geworden, doch ich habe Eltern, die nochimmer nach Wertvorstellungen leben, die nicht mehr die meinen sind.
Ich weißnicht, wie real die Bedrohung ist: Ich kenne meine Eltern, und ich weiß, dasssie im Grunde liebenswerte Menschen sind. Aber gleichzeitig bin ich mir darüberim Klaren, wie wichtig Pakistanis ihre Ehre ist - eine Ehre, die ich verletzthabe.
Ich binnoch immer am Leben. Doch die Bedrohung sitzt in meinem Kopf, die Angst ist somassiv, dass sie mich am Leben hindert. An einem Leben, wie es westlicheMädchen leben. An einem Leben, wie ich es gerne leben würde.
MeineEltern haben gedroht, mich zu töten. Ich bin gefangen zwischen zwei Kulturen, dienicht kompatibel sind. Mein Name ist Sabatina James.Und das ist meine Geschichte.
© Droemer/Knaur
Sabatina James (Pseudonym) wurde 1982 als Muslimin in Pakistan geboren und kam im Alter von 10 Jahren mit ihrer Familie nach Österreich. Als sie vor der Zwangsheirat mit ihrem Cousin floh und zum Christentum konvertierte, fällte ihre Familie das Todesurteil über sie. Seitdem lebt die Autorin an geheimem Ort und wird von der Polizei beschützt. Mit ihrer Organisation Sabatina e. V. hilft sie Frauen aus islamischen Ländern, wenn sie aus Angst vor einer Zwangsehe oder gar einem Ehrenmord vor ihrer Familie fliehen müssen.
Interview mit Sabatina
Sie haben in den letzten Jahreneinen schweren Weg zurückgelegt. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Erlebnisse alsBuch zu veröffentlichen?
Ichwollte jenen Frauen Mut und Hoffnung geben, die sich in einer aussichtslosenSituation befinden. So wie es bei mir einmal der Fall war.
Wie ist Ihre Lage heute?
Durchmein Buch und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist die Gefahr für michgeringer geworden. Ich muss nicht mehr unter Polizeischutz leben.
Was können Sie Mädchen oderjungen Frauen in ähnlicher Situation raten?
DerSchritt in die Freiheit ist mit viel Schmerz verbunden, denn oft ist der Preisdafür sehr hoch. Man muss mit dem Verlust der Familie, dem Verstoßenwerden ausFamilie und Gesellschaft und mitunter sogar mit einem Todesurteil rechnen.
Sie haben über IhreLebensgeschichte auch in öffentlichen Auftritten berichtet. Viele Zuhörerzeigten Mitgefühl und Hochachtung, doch immer wieder fühlten sich Menschen auchprovoziert. Wie erklären Sie sich diese Reaktionen?
VieleEuropäer denken, Schicksale wie meines gibt es nur in weit entferntenmuslimischen Ländern. Doch dann kommeich daher und konfrontiere sie mit einer anderen Realität. Ich kann mirdurchaus vorstellen, dass sich deswegen viele überfordert fühlen.
Können Sie sich vorstellen,wie der drohende Konflikt zwischen Islam und Christentum sich entschärfenlassen könnte?
DieAussage: "Liebe den Herrn von ganzem Herzen und liebe deinen Nächsten, wiedich selbst" fasst nicht nur mehr als 1.000 Bibelseiten in wenigen Worten zusammen,sondern ist auch die Grundlage für jede ehrliche Diskussion.
Die Fragen stellte Ulrike Künnecke, literaturtest.de.
- Autor: Sabatina James
- 2010, 24. Aufl., 239 Seiten, Maße: 12,3 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426777541
- ISBN-13: 9783426777541
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