Suite française
Der wiederentdeckte Roman "Suite francaise"...
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Der wiederentdeckte Roman "Suite francaise" von Irène Némirovsky wurde 2005 zur literarischen Sensation. Über 60 Jahre lag das Vermächtnis der französischen Starautorin der 30er Jahre unerkannt in einem Koffer - bis der Zufall dieses eindrucksvolle Sittengemälde aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ans Licht brachte.
Sommer 1940: Die deutsche Armee steht vor Paris. Voller Panik packen die Menschen ihre letzten Habseligkeiten zusammen und fliehen. Angesichts der existentiellen Bedrohung zeigen sie ihren wahren Charakter ...
Der wiederentdeckte Roman "Suite française" von Irène Némirovsky wurde 2005 zur literarischen Sensation. Über 60 Jahre lag das Vermächtnis der französischen Starautorin der 30er Jahre unerkannt in einem Koffer - bis der Zufall dieses eindrucksvolle Sittengemälde aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ans Licht brachte.
Sommer 1940: Die deutsche Armee steht vor Paris. Voller Panik packen die Menschen ihre letzten Habseligkeiten zusammen und fliehen. Angesichts der existentiellen Bedrohung zeigen sie ihren wahren Charakter ...
Der wiederentdeckte Roman 'Suite française' von Irène Némirovsky wurde 2005 zur literarischen Sensation. Über 60 Jahre lag das Vermächtnis der französischen Starautorin der 30er Jahre unerkannt in einem Koffer - bis der Zufall dieses eindrucksvolle Sittengemälde aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ans Licht brachte.
"Eines der besten Bücher, das je über die Zeit des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurde." - Brigitte
"Geradezu eine Aufforderung an alle Liebhaber großer Erzählliteratur, in ihren Regalen reichlich Platz für die viel zu schnell vergessene Autorin freizuräumen." - Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Ein großartiges, bewegendes, überaus kluges Buch." - Frankfurter Rundschau
Suite française von Irène Némirovsky
LESEPROBE
Der Krieg
Warm,dachten die Pariser. Frühlingsluft. Es war Nacht im Krieg, Alarm. Aber dieNacht vergeht, der Krieg ist weit. Alle, die nicht schliefen, die Kranken inihrem Bett, die Mütter, deren Söhne an der Front waren, die liebenden Frauenmit ihren tränenwelken Augen hörten den ersten Atemzug der Sirene. Noch war eserst ein tiefes Einatmen gleich dem Seufzer, der einer beklommenenBrust entweicht. Einige Augenblicke würden vergehen, ehe der ganze Himmel sichmit Geheul füllte. Es kam aus der Ferne, aus der Weite des Horizonts, ohneHast, hätte man meinen können! Die Schlafenden träumten vom Meer, das seineWellen und seine Kiesel vor sich herschiebt, vom Sturm, der im März den Wald schüttelt,von einer Rinderherde, die schwerfällig rennt und den Boden mit ihren Hufenerschüttert, bis endlich der Schlaf zurückwich und der Mann, kaum die Augenöffnend, murmelte: «Alarm?»
Nervöser,flinker, waren die Frauen schon auf den Beinen. Einige legten sich wieder hin,nachdem sie Fenster und Läden geschlossen hatten. Tags zuvor, am Montag, dem 3.Juni, waren zum ersten Mal seit Beginn dieses Krieges in Paris Bomben gefallen;aber die Bevölkerung blieb ruhig. Dabei waren die Nachrichten schlecht. Manglaubte nicht daran. Ebensowenig hätte man derAnkündigung eines Sieges geglaubt. «Davon verstehen wir nichts», sagten dieLeute. Im Licht einer Taschenlampe zog man die Kinder an. Mit beiden Armenhoben die Mütter die schweren und warmen kleinen Körper hoch: «Nicht doch, habkeine Angst, weine nicht.» Es war Alarm. Alle Lampen erloschen, aber unterdiesem goldenen, durchsichtigen Junihimmel war jedes Haus, jede Straße zusehen. Und die Seine schien alle verstreuten Lichter in sich zu vereinen undsie wie ein Facettenspiegel hundertfach zu reflektieren. Die unzureichend abgedunkeltenFenster, die im leichten Dunkel schimmernden Dächer, die Eisenbeschläge derTüren, von denen jede einzelne Wölbung schwach glänzte, einige Rotlichter, diewer weiß warum länger brannten als die anderen - die Seine zog sie an, fing sieein und ließ sie in ihren Fluten tanzen. Von oben sah man sie sicher weiß wieein Fluß aus Milch dahinfließen.Sie lenkte die feindlichen Flugzeuge, dachten einige. Andere behaupteten, dassei unmöglich. In Wirklichkeit wußte man nichts. «Ichbleibe im Bett», murmelten schläfrige Stimmen, «ich habe keine Angst.» -«Trotzdem, einmal ist genug», antworteten die vernünftigen Leute.
Durch dieGlasscheiben, die in den neuen Wohnhäusern die Hintertreppen schützten, sah manein, zwei, drei kleine Flammen hinabsteigen: Die Bewohner des sechsten Stocksflohen diese großen Höhen; ungeachtet der Vorschriften hatten sie ihre Taschenlampenangemacht. «Ich will mir auf der Treppe lieber nicht den Hals brechen, kommstdu, Emile?» Instinktiv senkte man die Stimme, als wäre der Raum vollfeindlicher Blicke und Ohren. Man hörte nacheinander die Türen zuschlagen. Inden stark bevölkerten Vierteln wimmelte es in den Metros, in den übelriechenden Schutzräumen immer von Menschen, während dieReichen sich damit begnügten, bei ihren Pförtnern zu bleiben, auf dieEinschläge und die Explosionen horchend, die das Fallen der Bomben verkündenwürden, aufmerksam, die Körper aufgerichtet wie unruhige Tiere in den Wäldern,wenn die Nacht der Jagd naht. Die Armen waren nicht furchtsamer als dieReichen; sie hingen nicht stärker am Leben, aber sie folgten dem Herdentrieb ingrößerem Maße als sie, sie brauchten einander, hatten das Bedürfnis, einanderbeizustehen, gemeinsam zu stöhnen oder zu lachen. Bald würde es Tag werden; einsilbergrüner Schimmer legte sich auf die Pflastersteine, auf die Brüstungen derKaimauern, auf die Türme von Notre-Dame. Sandsäckeum- schlossen die wichtigsten Gebäude bis zur halben Höhe, verhüllten dieTänzerinnen von Carpeaux auf der Fassade der Oper,erstickten den Schrei der Marseillaise auf dem Arcde Triomphe.
Nochziemlich weit entfernt dröhnten Kanonenschüsse, dann rückten sie näher, undjede Fensterscheibe erbebte als Antwort. Kinder kamen in warmen Zimmern zurWelt, deren Fenster man abgedunkelt hatte, damit kein Licht nach außen drang,und ihr Weinen ließ die Frauen den Lärm der Sirenen und den Krieg vergessen. Inden Ohren der Sterbenden klang der Kanonendonner schwach und schien keinerleiBedeutung zu haben, ein Geräusch mehr in jenem schaurigen, vagen Rauschen, dasden Sterbenden empfängt wie eine Flut. Die an die warme Hüfte ihrer Muttergeschmiegten Kleinen schliefen friedlich und schnalzten leicht mit den Lippenwie ein saugendes Lamm. Während des Alarms im Stich gelassen, blieben dieKarren der fliegenden Händler mit ihrer Fracht frischer Blumen auf der Straßestehen.
Die Sonneging noch hochrot an einem wolkenlosen Himmel auf. Ein Kanonenschußwurde abgefeuert, jetzt so nahe bei Paris, daß vonjedem Denkmal die Vögel aufflogen. Hoch oben schwebten große schwarze Vögel,die in der übrigen Zeit unsichtbar sind, und breiteten unter der Sonne ihrerosa glasierten Flügel aus, dann kamen die fetten und gurrenden schönen Tauben unddie Schwalben, die Spatzen hüpften in aller Ruhe in den menschenleeren Straßen.Am Ufer der Seine trug jede Pappel eine Traube kleiner brauner Vögel, die ausLeibeskräften zwitscherten. In der Tiefe der Keller vernahm man schließlicheinen sehr fernen, durch die Distanz gedämpften Ruf, eine Art Fanfarenstoß mitdrei Tönen.
Der Alarmwar vorüber.
© btb Verlag
Übersetzung:Eva Moldenhauer
- Autor: Irène Némirovsky
- 2007, 6. Aufl., 508 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Eva Moldenhauer
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442736447
- ISBN-13: 9783442736447
- Erscheinungsdatum: 10.04.2007