SUNRISE
Das Buch Joseph. Roman. Roman
Der Mann der Maria, Joseph von Nazaret, ist der Held dieses Romans; Patrick Roth gibt ihm eine Geschichte.Patrick Roth erzählt die unerhörte Geschichte des Joseph von Nazaret als die eines Zweifelnden, er erzählt von Josephs tiefem Glauben und seinem...
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Produktinformationen zu „SUNRISE “
Klappentext zu „SUNRISE “
Der Mann der Maria, Joseph von Nazaret, ist der Held dieses Romans; Patrick Roth gibt ihm eine Geschichte.Patrick Roth erzählt die unerhörte Geschichte des Joseph von Nazaret als die eines Zweifelnden, er erzählt von Josephs tiefem Glauben und seinem Ungehorsam wider Gott. Zugleich spürt »SUNRISE« der Möglichkeit eines Neuanfangs nach.Jerusalem im Jahre 70 nach Christus: Römische Truppen drohen die Schutzmauern zu durchbrechen. Die Belagerung der heiligen Stadt bildet den Ausgangspunkt dieses bildmächtigen Romans, dessen Bogen sich bis in die Zeit vor Jesu Geburt spannt. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Joseph, der Mann der Maria, von dem die Evangelien berichten, dass er Träumen gehorchte, als er Frau und Kind annahm. Patrick Roth entwirft ihm ein Leben voller Spannungen, ein Drama zwischen Mensch und dem Numinosen. Dreizehn Jahre nach Jesu Geburt fordert Gott ein äußerstes Opfer von Joseph. »Wo ist da Gerechtigkeit, dass ich`s verstünde?« klagt er angesichts des ungründlichen Willens Gottes. Wird Joseph dieses Opfer wirklich auf sich nehmen können?In raffiniert ineinander verwobenen Passagen zwischen Traum und Realität dringt der Roman in Erfahrungsräume vor, in denen vermeintliche Gewissheiten brüchig werden.Patrick Roths Erzählkunst geht von existenziellen Erfahrungen aus und zeugt von einer außergewöhnlichen Sprachkraft. Ein ästhetisches Erlebnis.»Die Literatur darf das Erhabene und das Pathos reiten wie ein Sternenross - wenn sie kann. Und Roth kann es wie niemand sonst.«Hubert Winkels, Die ZEITNominiert für den Deutschen Buchpreis 2012www.christus-trilogie.de
Lese-Probe zu „SUNRISE “
Sunrise - Das Buch Joseph von Patrick RothKapitel 5
Der Garten
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Und Neith gab uns zur Antwort:
»ich kenne einen Menschen, dessentwegen Himmel und Erde geworden sind. Der hieß Joseph. Er war aber noch nicht Vater des Jesus, eures Herrn. Ausersehen war er, das heißt aber: geschaut im Gedanken Gottes von Anfang. sieben und siebzig Jahre, bevor euch das Seil zu mir zog, ward derselbe vom Wege entrückt ins Paradies und sah unaussprechliche Worte.
Es geschah noch vor Sonnenuntergang, auf der Wegstunde nach Nazaret.
Joseph kam von der Arbeit aus Sepphoris, der galiläischen Stadt, und schritt auf gewohntem Wege hinabwärts, der Ebene zu, gen Nazaret.
Da streift er auch an der Steinmauer vorbei, die am Rande des Weges ragt. Die umschloß, hoch angelegt, Landhaus und Garten eines römischen Herrn.
Und wie er entlanggeht, kommt ihn seitlich an: Hitze des sonnengewärmten Gesteins, das gehäuft war zur Mauer. Und es schien Joseph, als sei vom Mahle zu riechen, hin durch die Ritzen der Steine, als habe man eben noch Fladen gebacken auf ihnen. Und ihn hungerte, obschon er kaum hungrig gewesen.
Da hört er von hinter ihm kommen über ihn her ein Rauschen, mächtigen Flügelschlag.
Und ward überschattet.
Und hebt auf die Augen und sieht erschrocken den Vogel mit prächtigen schwingen, der über ihn hin jenseits der Mauer ins Geäst eines Baums fliegt, nicht mehr zu sehen, aber mächtig dort landend, daß bis hinaufhin die Kronblätter zittern des Baums.
Da will Joseph die Mauer erklimmen und setzt den Fuß auf das heiße Gestein.
Leise, vorsichtig steigt er, will nochmals sehen den Vogel, ihn betrachten im Baum. Denn ihm war, als blickten und blinkten im Flug die Federn der schwingen voll farbiger Augen nach ihm. Und hinaufsteigend, siebenmal sucht er Halt und findet hinauf.
Und Joseph blickt über die Mauer in einen breiten Garten. Wohlbewässert und blühend war der, um den Baum in der Mitte gelegt, dessen äußerste Zweige das Dach noch des Landhauses streiften.
Und zu Joseph betrachtend stieg auf die Ruhe des Gartens. Und sie war wundersam.
Denn sie stieg hinauf zu ihm und legte sich an ihn dort auf die Höhe der Mauer und strich ihm über die Augen, als sei er Kind wieder und habe hier Anfang und als habe mit seinem Anfang hier alles Anfang genommen. Und sie strich ihm über die Augen und menschwärts, friedlich und weich wie Teig, wärmte das Kissen der steine der Mauer.
Und so begann es mit ihm aus dem Stein. Aus der Hitze des Steins, in der sich eingerollt aufhob der Anfang, begann es mit ihm.
Und er hörte und sah: Bewegung im Laub jenes Baums.
Da erwachten in ihm die gefiederten Augen des prächtigen Vogels, die er zu sehen hinaufgestiegen.
Und er, Joseph, reckte linkshin den Körper gebannt, daß er beim Erscheinen sehe den Vogel und sich ersehe nochmals die Augenpracht. Denn er wünschte sich heimlich und es hungerte Joseph: wiedergesehen zu werden von ihr.
Da aber, sicheren Halt vernachlässigend, rutscht er ab, stürzt von der Mauer.
Und er fällt in den Staub der Straße. Richtet sich auf, noch ist er unverletzt.
Ohne es zu bedenken, klettert er nochmals nach oben. setzt den Fuß vorsichtiger jetzt, setzt ihn, um ein weniges verschoben, nach links.
Und hinauf, vorsichtig um sicheren Halt, setzt er neunmal den Fuß auf die steinernen sprossen und kommt nochmals nach oben.
Da liegt der Garten, da stehen Landhaus und Baum. Um ein weniges nur sieht verschoben er sie, Garten und Landhaus und Baum. Und doch, von der neuen Warte aus, scheint ihm alles verändert.
Und Joseph hört aus der Richtung des Baums: Wassergeräusch. Als schöpfe dort eine im Rücken des Baums.
Und jetzt, nicht wie vorhin sieht er den Baum.
sondern erkennt einen Menschen, einen Ägypter, der, mit dem Rücken zu Joseph, wie reife Frucht daran hängt.
Aber nicht sich klammernd am Ast hängt der, sondern blutig an schultern, an Rücken und Beinen hängt er, daß seine Fingerspitzen nicht erreichen den Querast, darunter er hängt.
Lederne Riemen umfesseln das Gelenk beider Hände, und wie windgeschoben - aber bei stille des Winds -, leicht hin und leicht her schwingt der schwere. Daß der Ast unterm Wiegedruck tönt solcher Last, und die rotbetunkten Halme zu Erden, daß sie hinweichen vor ihm und her, dessen Fußspitzen sie nicht berühren.
Da bricht aus dem Schatten hinterm ägyptischen Sklaven einer hervor.
Erschrocken duckt sich Joseph hinab, sieht aber noch, sieht noch hinüber.
Es ist der Aufseher der Hausknechte. Der kommt mit dem Wasser, das er soeben geschöpft, schüttet's hinaufwärts heraus, daß es
klatschend antrifft auf
Schultern und Nacken des
Hängenden.
so daß es herabrinnt, eilig
sich mischend in Wundstreif,
schnittief hier rennend, dort
kreuzend zerfetzte Bahn,
durchlösend querhin und
schräghin,
daß es rotsämig wässert die
Halme zu Erden,
erwacht
der Ohnmächtige.
Kaum regen sich wieder die Finger überm Strang der Gelenkriemen, wirft der Aufseher den Kübel, daß er ausrollt beiseit, an der gabligen Wurzel des Baums sich verfängt.
Da einpeitscht der Aufseher von neuem auf den Ägypter.
Und der es sieht, Joseph, sieht weg, will hinabsteigen, spricht bei sich: ›Wem sehe ich zu? Gott sei mein Zeuge: Weiß ich, was hier geschieht? Daran gerührt hab ich nicht. Und also, was ginge's mich an?‹
Wie gebunden verharrt er, verharren die Hände Josephs am Steinmauerrand, als sein Fuß sich den Halt hinabwärts zu steigen schon sucht.
Da hört er Stimmengeschnatter, Frauengelächter - sieht hin.
Von hinter dem Aufseher, aus dem Eingang der Küche des Hauses kam's her. Aber niemand zu sehen, denn die Mägde beobachteten sicher im Schatten, und keine wagte's heraus an den Baum. Rief aber eine dem Aufseher zu: >Jetzt tu, wie du uns versprochen!‹
Da zieht der Aufseher, dessen Schläge den Sklaven wieder angeschoben hatten, die Peitsche ein. Wischt sich die Stirn, steckt die Riemen in seinen Gurt. Er wendet sich um, geht los, am Haus dort entlang, und verschwindet hinein durch die ferne Tür.
Stille des Gartens.
Nur das leise Tönen des Asts unterm schwingen der Last. Und bei sich sprach Joseph:
>Genug. Was dich nichts anging, ist nun vorüber. Genug jetzt. Steig hinab, längst ist es Zeit.‹
Da, beim letzten Blick auf den Baum, im Abstieg begriffen schon, bemerkt er, nur ellenhoch über dem Hängenden: blinkend Bewegung. sieht eine, die langsam, streifend-gleitend hinabwärts sich zieht.
Wie vom blind sich regenden Finger des Sklaven gelockt, aus dem Dunkel des Kronlaubs herabgerufen, rückt und preßt die Schlange den stamm auf den Hängenden zu.
Stille des Gartens.
Still auch die Last.
Da überkommt's Joseph, er will den Mann retten, bevor ihn die Schlange noch beißt.
Und er wagt's, muß doch, springt hinab in den Garten, trifft auf, hastend rennt hin auf den Hängenden zu.
Und im Rennen noch zieht seine Rechte ihm unterm Handwerkszeug aus der Leinentasche hervor das Beil.
Und der Ägypter: Jetzt blickt sein Auge her auf den atemlos ihm zur Seite Kommenden, durchbohrt Joseph belastend, als sage es:
>Du willst mich schlachten.‹
Und Joseph erschrickt vor ihm, denkt: Für seinen Peiniger hält mich der, den ich losschneiden will.
Und kommt daher nicht hinter, sondern vor ihn zu stehen, ihm unter die Augen. Und sah hinauf zu den Augen,
hastig, doch wünschend, die Todesangst wiche aus ihnen, daß der Mann sich beim Zuschlagen nicht sträube.
Josephs Beil aber, das er hinaufreckt, reicht nicht an die Riemen, nicht sie im Schlag zu zertrennen.
Da bemerkt Joseph den hingeworfenen Kübel, den die Gabel der Wurzeln gehalten.
Als er nun zugreift, ihn umkehrt und zurück unter die Augen des Ägypters hinstellt, darauf steigt und jetzt steht, die Fesseln am Ast zu durchhauen: da blickt er hinauf.
Die Schlange zu sehen, wie nah sie gekommen.
im Aufblick aber wird er gehalten. Erkennt durch den Spalt zwischen Arm und Kopf des Gehängten: den Aufseher.
Der schon rennt auf ihn zu.
Joseph schießt die Angst in die Knie, halb rutscht, halb tritt er vom Kübel, weicht hinterm Ägypter hervor, an ihn stoßend, taumelnd, plötzlich erschöpft, wie angesteckt vom zu Tode Erschöpften.
Der Aufseher aber, ein Messer zum Häuten im Griff, stürzt zu auf Joseph.
Joseph stolpert, er fällt schon - fängt sich knapp vor dem Boden. Entkommt so dem Riß des Messers.
Da fährt Joseph auf mit der schneide des Beils. Rechtshin weicht der Aufseher aus.
Die Beilschneide, seitlich verfehlt sie ihn noch - denn rasch wendet der Aufseher den Kopf -, behaucht nur im Fluge die Ader am Hals.
Bricht aber von vorn in die Kehle ein.
Und bleibt stecken in ihr.
Unverrückbar.
Augenblicklang.
Bis der Aufseher sinkt, sich klammernd an Joseph zu halten sucht, das Beil in der Kehle.
Joseph zieht es zurück.
Da fällt der Mann vollends zu Boden. Umhält lautlos, offenen Munds, mit beiden Händen den Hals.
...
© Wallstein Verlag
Und Neith gab uns zur Antwort:
»ich kenne einen Menschen, dessentwegen Himmel und Erde geworden sind. Der hieß Joseph. Er war aber noch nicht Vater des Jesus, eures Herrn. Ausersehen war er, das heißt aber: geschaut im Gedanken Gottes von Anfang. sieben und siebzig Jahre, bevor euch das Seil zu mir zog, ward derselbe vom Wege entrückt ins Paradies und sah unaussprechliche Worte.
Es geschah noch vor Sonnenuntergang, auf der Wegstunde nach Nazaret.
Joseph kam von der Arbeit aus Sepphoris, der galiläischen Stadt, und schritt auf gewohntem Wege hinabwärts, der Ebene zu, gen Nazaret.
Da streift er auch an der Steinmauer vorbei, die am Rande des Weges ragt. Die umschloß, hoch angelegt, Landhaus und Garten eines römischen Herrn.
Und wie er entlanggeht, kommt ihn seitlich an: Hitze des sonnengewärmten Gesteins, das gehäuft war zur Mauer. Und es schien Joseph, als sei vom Mahle zu riechen, hin durch die Ritzen der Steine, als habe man eben noch Fladen gebacken auf ihnen. Und ihn hungerte, obschon er kaum hungrig gewesen.
Da hört er von hinter ihm kommen über ihn her ein Rauschen, mächtigen Flügelschlag.
Und ward überschattet.
Und hebt auf die Augen und sieht erschrocken den Vogel mit prächtigen schwingen, der über ihn hin jenseits der Mauer ins Geäst eines Baums fliegt, nicht mehr zu sehen, aber mächtig dort landend, daß bis hinaufhin die Kronblätter zittern des Baums.
Da will Joseph die Mauer erklimmen und setzt den Fuß auf das heiße Gestein.
Leise, vorsichtig steigt er, will nochmals sehen den Vogel, ihn betrachten im Baum. Denn ihm war, als blickten und blinkten im Flug die Federn der schwingen voll farbiger Augen nach ihm. Und hinaufsteigend, siebenmal sucht er Halt und findet hinauf.
Und Joseph blickt über die Mauer in einen breiten Garten. Wohlbewässert und blühend war der, um den Baum in der Mitte gelegt, dessen äußerste Zweige das Dach noch des Landhauses streiften.
Und zu Joseph betrachtend stieg auf die Ruhe des Gartens. Und sie war wundersam.
Denn sie stieg hinauf zu ihm und legte sich an ihn dort auf die Höhe der Mauer und strich ihm über die Augen, als sei er Kind wieder und habe hier Anfang und als habe mit seinem Anfang hier alles Anfang genommen. Und sie strich ihm über die Augen und menschwärts, friedlich und weich wie Teig, wärmte das Kissen der steine der Mauer.
Und so begann es mit ihm aus dem Stein. Aus der Hitze des Steins, in der sich eingerollt aufhob der Anfang, begann es mit ihm.
Und er hörte und sah: Bewegung im Laub jenes Baums.
Da erwachten in ihm die gefiederten Augen des prächtigen Vogels, die er zu sehen hinaufgestiegen.
Und er, Joseph, reckte linkshin den Körper gebannt, daß er beim Erscheinen sehe den Vogel und sich ersehe nochmals die Augenpracht. Denn er wünschte sich heimlich und es hungerte Joseph: wiedergesehen zu werden von ihr.
Da aber, sicheren Halt vernachlässigend, rutscht er ab, stürzt von der Mauer.
Und er fällt in den Staub der Straße. Richtet sich auf, noch ist er unverletzt.
Ohne es zu bedenken, klettert er nochmals nach oben. setzt den Fuß vorsichtiger jetzt, setzt ihn, um ein weniges verschoben, nach links.
Und hinauf, vorsichtig um sicheren Halt, setzt er neunmal den Fuß auf die steinernen sprossen und kommt nochmals nach oben.
Da liegt der Garten, da stehen Landhaus und Baum. Um ein weniges nur sieht verschoben er sie, Garten und Landhaus und Baum. Und doch, von der neuen Warte aus, scheint ihm alles verändert.
Und Joseph hört aus der Richtung des Baums: Wassergeräusch. Als schöpfe dort eine im Rücken des Baums.
Und jetzt, nicht wie vorhin sieht er den Baum.
sondern erkennt einen Menschen, einen Ägypter, der, mit dem Rücken zu Joseph, wie reife Frucht daran hängt.
Aber nicht sich klammernd am Ast hängt der, sondern blutig an schultern, an Rücken und Beinen hängt er, daß seine Fingerspitzen nicht erreichen den Querast, darunter er hängt.
Lederne Riemen umfesseln das Gelenk beider Hände, und wie windgeschoben - aber bei stille des Winds -, leicht hin und leicht her schwingt der schwere. Daß der Ast unterm Wiegedruck tönt solcher Last, und die rotbetunkten Halme zu Erden, daß sie hinweichen vor ihm und her, dessen Fußspitzen sie nicht berühren.
Da bricht aus dem Schatten hinterm ägyptischen Sklaven einer hervor.
Erschrocken duckt sich Joseph hinab, sieht aber noch, sieht noch hinüber.
Es ist der Aufseher der Hausknechte. Der kommt mit dem Wasser, das er soeben geschöpft, schüttet's hinaufwärts heraus, daß es
klatschend antrifft auf
Schultern und Nacken des
Hängenden.
so daß es herabrinnt, eilig
sich mischend in Wundstreif,
schnittief hier rennend, dort
kreuzend zerfetzte Bahn,
durchlösend querhin und
schräghin,
daß es rotsämig wässert die
Halme zu Erden,
erwacht
der Ohnmächtige.
Kaum regen sich wieder die Finger überm Strang der Gelenkriemen, wirft der Aufseher den Kübel, daß er ausrollt beiseit, an der gabligen Wurzel des Baums sich verfängt.
Da einpeitscht der Aufseher von neuem auf den Ägypter.
Und der es sieht, Joseph, sieht weg, will hinabsteigen, spricht bei sich: ›Wem sehe ich zu? Gott sei mein Zeuge: Weiß ich, was hier geschieht? Daran gerührt hab ich nicht. Und also, was ginge's mich an?‹
Wie gebunden verharrt er, verharren die Hände Josephs am Steinmauerrand, als sein Fuß sich den Halt hinabwärts zu steigen schon sucht.
Da hört er Stimmengeschnatter, Frauengelächter - sieht hin.
Von hinter dem Aufseher, aus dem Eingang der Küche des Hauses kam's her. Aber niemand zu sehen, denn die Mägde beobachteten sicher im Schatten, und keine wagte's heraus an den Baum. Rief aber eine dem Aufseher zu: >Jetzt tu, wie du uns versprochen!‹
Da zieht der Aufseher, dessen Schläge den Sklaven wieder angeschoben hatten, die Peitsche ein. Wischt sich die Stirn, steckt die Riemen in seinen Gurt. Er wendet sich um, geht los, am Haus dort entlang, und verschwindet hinein durch die ferne Tür.
Stille des Gartens.
Nur das leise Tönen des Asts unterm schwingen der Last. Und bei sich sprach Joseph:
>Genug. Was dich nichts anging, ist nun vorüber. Genug jetzt. Steig hinab, längst ist es Zeit.‹
Da, beim letzten Blick auf den Baum, im Abstieg begriffen schon, bemerkt er, nur ellenhoch über dem Hängenden: blinkend Bewegung. sieht eine, die langsam, streifend-gleitend hinabwärts sich zieht.
Wie vom blind sich regenden Finger des Sklaven gelockt, aus dem Dunkel des Kronlaubs herabgerufen, rückt und preßt die Schlange den stamm auf den Hängenden zu.
Stille des Gartens.
Still auch die Last.
Da überkommt's Joseph, er will den Mann retten, bevor ihn die Schlange noch beißt.
Und er wagt's, muß doch, springt hinab in den Garten, trifft auf, hastend rennt hin auf den Hängenden zu.
Und im Rennen noch zieht seine Rechte ihm unterm Handwerkszeug aus der Leinentasche hervor das Beil.
Und der Ägypter: Jetzt blickt sein Auge her auf den atemlos ihm zur Seite Kommenden, durchbohrt Joseph belastend, als sage es:
>Du willst mich schlachten.‹
Und Joseph erschrickt vor ihm, denkt: Für seinen Peiniger hält mich der, den ich losschneiden will.
Und kommt daher nicht hinter, sondern vor ihn zu stehen, ihm unter die Augen. Und sah hinauf zu den Augen,
hastig, doch wünschend, die Todesangst wiche aus ihnen, daß der Mann sich beim Zuschlagen nicht sträube.
Josephs Beil aber, das er hinaufreckt, reicht nicht an die Riemen, nicht sie im Schlag zu zertrennen.
Da bemerkt Joseph den hingeworfenen Kübel, den die Gabel der Wurzeln gehalten.
Als er nun zugreift, ihn umkehrt und zurück unter die Augen des Ägypters hinstellt, darauf steigt und jetzt steht, die Fesseln am Ast zu durchhauen: da blickt er hinauf.
Die Schlange zu sehen, wie nah sie gekommen.
im Aufblick aber wird er gehalten. Erkennt durch den Spalt zwischen Arm und Kopf des Gehängten: den Aufseher.
Der schon rennt auf ihn zu.
Joseph schießt die Angst in die Knie, halb rutscht, halb tritt er vom Kübel, weicht hinterm Ägypter hervor, an ihn stoßend, taumelnd, plötzlich erschöpft, wie angesteckt vom zu Tode Erschöpften.
Der Aufseher aber, ein Messer zum Häuten im Griff, stürzt zu auf Joseph.
Joseph stolpert, er fällt schon - fängt sich knapp vor dem Boden. Entkommt so dem Riß des Messers.
Da fährt Joseph auf mit der schneide des Beils. Rechtshin weicht der Aufseher aus.
Die Beilschneide, seitlich verfehlt sie ihn noch - denn rasch wendet der Aufseher den Kopf -, behaucht nur im Fluge die Ader am Hals.
Bricht aber von vorn in die Kehle ein.
Und bleibt stecken in ihr.
Unverrückbar.
Augenblicklang.
Bis der Aufseher sinkt, sich klammernd an Joseph zu halten sucht, das Beil in der Kehle.
Joseph zieht es zurück.
Da fällt der Mann vollends zu Boden. Umhält lautlos, offenen Munds, mit beiden Händen den Hals.
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© Wallstein Verlag
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Autoren-Porträt von Patrick Roth
Patrick Roth, geb. 1953 in Freiburg/Brsg., lebt als freier Autor in Los Angeles und Mannheim. Auf filmische und dramatische Arbeiten der achtziger Jahre folgte 1991 das Prosadebüt »Riverside«, dem sich »Johnny Shines« und »Corpus Christi« anschlossen. Die autobiographische Erzählung »Meine Reise zu Chaplin« bildete den Auftakt zu den deutsch-amerikanischen Erzählzyklen im Filmmilieu »Die Nacht der Zeitlosen« und »Starlite Terrace« und »Die amerikanische Fahrt«.Er erhielt u. a. den Rauriser Literaturpreis, den Preis der Stiftung Bibel und Kultur, den Hugo-Ball-Preis, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sein 2012 erschienener Roman »SUNRISE« wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Weiterhin wurde er mit Poetikdozenturen an den Universitäten in Frankfurt, Heidelberg und Hildesheim ausgezeichnet. Mehr über Patrick Roth unter: http://www.patroth.info/
Bibliographische Angaben
- Autor: Patrick Roth
- 2012, 5. Aufl., 510 Seiten, Maße: 13,1 x 20,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Wallstein
- ISBN-10: 3835310518
- ISBN-13: 9783835310513
- Erscheinungsdatum: 09.03.2012
Rezension zu „SUNRISE “
»Die Literatur darf das Erhabene und das Pathos reiten wie ein Sternenross - wenn sie kann. Und Roth kann es wie niemand sonst.« Hubert Winkels, Die Zeit
Pressezitat
»Reine Literatur, lebendiges Leben, phantastisch und existentiell.« (Carsten Hueck, Deutschlandradio Radiofeuilleton, 28.05.2012) »Ein spannender Plot nach allen Regeln orientalischer Erzählkunst. Patrick Roths neuer Roman fügt der Bibel neue Geschichten hinzu.« (Eckhard Nordhofen, Die ZEIT, 06.06.2012) »Die Lektüre fordert, überfordert, lässt rätseln und fesselt zunehmend« (Anja Hirsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.05.2012) »Mit über 500 Seiten repräsentiert »Sunrise« in jeder Hinsicht das Opus magnum Roths.« (Uwe Schütte, Wiener Zeitung, 26./27.05. 2012) »SUNRISE erzählt die Geschichte des Joseph von Nazaret, wie sie noch nie erzählt wurde.« (Jutta Person, Süddeutsche Zeitung, 13.03.2012)
Kommentar zu "SUNRISE"