Tagebuch einer Berghebamme
Berghebamme Marianne hat in 35 Berufsjahren über 3.000 Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken. Sie war bei Wind und Wetter, zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Stelle, wenn es darum ging, Mutter und Kind die Geburt zu erleichtern. Und sie...
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Produktinformationen zu „Tagebuch einer Berghebamme “
Berghebamme Marianne hat in 35 Berufsjahren über 3.000 Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken. Sie war bei Wind und Wetter, zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Stelle, wenn es darum ging, Mutter und Kind die Geburt zu erleichtern. Und sie erlebte fast täglich, wie nah Freud und Leid beieinanderliegen.
Lese-Probe zu „Tagebuch einer Berghebamme “
Tagebuch einer Berghebamme von Roswitha GruberHeimliche Entbindung
Zu einer Zeit, als Telefone in meinem Sprengel noch eine Mangelware darstellten, war es üblich, dass ich von einem Familienmitglied benachrichtigt wurde, sobald die Wehen eingesetzt hatten. In der Mehrzahl der Fälle war es der Ehemann, der an meiner Tür läutete, und meist nahm er mich gleich mit, sofern er ein Gefährt dabeihatte. Das konnte eine Kutsche oder im Winter ein Schlitten sein – wer so etwas nicht besaß, kam mit dem Traktor. Jedenfalls war ich froh, vor allem in kalten Winternächten, wenn ich nicht zu Fuß gehen oder auf vereisten Straßen mit einem zweirädrigen Untersatz fahren musste.
Es war in einem Jahr, in dem der Winter schon früh eingesetzt hatte. Bereits im November war reichlich Schnee gefallen, der Dezember hatte ebenfalls sein Bestes gegeben und der Januar noch eins draufgesetzt. Über Wochen blieben die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, sodass von der weißen Pracht nichts wegtaute. Der Februar überraschte uns zu allem Überfluss mit einer sibirischen Kälte, in der niemand mehr freiwillig nach draußen ging. Selbst den Kindern war die Lust am Schlittenfahren oder Eislaufen vergangen.
Am späten Abend eines solchen Tages läutete es bei mir – ich war bereits ausgezogen und schickte mich an, ins Bett zugehen. Diesmal war es nicht die Türglocke, sondern das Telefon. Eine aufgeregte Frauenstimme meldete sich am anderen Ende der Leitung: „Bist du die Hebamme?“ Ich bejahte. Ohne ihren Namen zu nennen, sprudelte sie los: „Du musst so- fort kommen! Wir kriegen ein Kind. Es pressiert.“
Routinemäßig fragte ich: „Das wievielte?“
„Das erste“, war die knappe Antwort. Dann haben wir Zeit, dachte ich, vergewisserte mich aber lieber,
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um ganz sicherzugehen: „In welchem Abstand kommen die Wehen?“
„So alle zehn Minuten, vielleicht auch häufiger.“
Falls es sich so verhielt, war Eile angesagt. Insgeheim wunderte ich mich, dass man mich erst so spät benachrichtigte, denn normalerweise wurde ich zu Erstgebärenden immer viel zu früh gerufen.
„Von wo rufst du an?“, wollte ich wissen.
„Von daheim“, sagte sie.
Ich war überrascht, denn wer von den Privatleuten leistete sich schon ein Telefon. Es war üblich, wenn ich überhaupt telefonisch zu einer Entbindung gerufen wurde, von der Post, einer Telefonzelle oder einer Gastwirtschaft aus anzurufen.
„Und wo bist du daheim?“, fragte ich, weil ich ja immer noch nicht wusste, wo ich mich hinbegeben sollte.
Endlich nannte sie ihren Namen und ihre Anschrift. Ich erschrak, denn die angegebene Adresse befand sich in den Bergen. Im Sommer hätte das schon über eine Stunde Fußmarsch bedeutet, wenn ich mit dem Moped bis zur Abzweigung hätte fahren können. Wie lange ich jetzt im Winter, dazu bei diesen Schneeverhältnissen brauchen würde, noch dazu in der Dunkelheit, konnte ich nicht einmal ausrechnen. Deshalb wagte ich die Frage: „Ist denn niemand da, der mich mit dem Schlitten abholen könnte?“
ja, gehen tät das schon“, kam es gedehnt von der anderen Seite zurück. „Mein Mann könnte dich abholen. Aber das wird schwierig. Er soll doch von der ganzen Geschichte nichts mitkriegen. Deshalb hab ich mit dem Anrufen auch gewartet, bis er eingeschlafen ist.“
Eine sonderbare Rücksichtnahme war das! Doch die Anruferin fuhr fort: „Außerdem, wenn ich den jetzt wecke, ist er stocksauer. Und wenn ich ihn dann zur Hebamme schicken tät, würde er sich sehr wundern.“
Nun verstand ich gar nichts mehr. „Dann soll er sich halt wundern. Irgendwann wird er doch dahinterkommen, dass du ein Kind gekriegt hast“, sagte ich grob.
Dazu gab sie keinen Kommentar ab. Sie sicherte mir nur zu, sie werde ihren Mann bis zur Hauptstraße schicken. Keinesfalls dürfe er zu meinem Haus kommen, denn da würde er ja mein Schild sehen.
Mit meinem Koffer stapfte ich also hinaus in die kalte Nacht. Ich marschierte mitten auf der Straße, die wenigstens einigermaßen geräumt war, während sich an den Rändern der Schnee von Monaten türmte. Autos waren weit und breit nicht zu sehen – die Menschen hatten Besseres zu tun, als in einer solchen Nacht umherzufahren.
Im Schein der letzten Straßenlaterne des Dorfes sah ich an der Weggabelung einen Pferdeschlitten anhalten.
© Rosenheimer Verlagshaus
„So alle zehn Minuten, vielleicht auch häufiger.“
Falls es sich so verhielt, war Eile angesagt. Insgeheim wunderte ich mich, dass man mich erst so spät benachrichtigte, denn normalerweise wurde ich zu Erstgebärenden immer viel zu früh gerufen.
„Von wo rufst du an?“, wollte ich wissen.
„Von daheim“, sagte sie.
Ich war überrascht, denn wer von den Privatleuten leistete sich schon ein Telefon. Es war üblich, wenn ich überhaupt telefonisch zu einer Entbindung gerufen wurde, von der Post, einer Telefonzelle oder einer Gastwirtschaft aus anzurufen.
„Und wo bist du daheim?“, fragte ich, weil ich ja immer noch nicht wusste, wo ich mich hinbegeben sollte.
Endlich nannte sie ihren Namen und ihre Anschrift. Ich erschrak, denn die angegebene Adresse befand sich in den Bergen. Im Sommer hätte das schon über eine Stunde Fußmarsch bedeutet, wenn ich mit dem Moped bis zur Abzweigung hätte fahren können. Wie lange ich jetzt im Winter, dazu bei diesen Schneeverhältnissen brauchen würde, noch dazu in der Dunkelheit, konnte ich nicht einmal ausrechnen. Deshalb wagte ich die Frage: „Ist denn niemand da, der mich mit dem Schlitten abholen könnte?“
ja, gehen tät das schon“, kam es gedehnt von der anderen Seite zurück. „Mein Mann könnte dich abholen. Aber das wird schwierig. Er soll doch von der ganzen Geschichte nichts mitkriegen. Deshalb hab ich mit dem Anrufen auch gewartet, bis er eingeschlafen ist.“
Eine sonderbare Rücksichtnahme war das! Doch die Anruferin fuhr fort: „Außerdem, wenn ich den jetzt wecke, ist er stocksauer. Und wenn ich ihn dann zur Hebamme schicken tät, würde er sich sehr wundern.“
Nun verstand ich gar nichts mehr. „Dann soll er sich halt wundern. Irgendwann wird er doch dahinterkommen, dass du ein Kind gekriegt hast“, sagte ich grob.
Dazu gab sie keinen Kommentar ab. Sie sicherte mir nur zu, sie werde ihren Mann bis zur Hauptstraße schicken. Keinesfalls dürfe er zu meinem Haus kommen, denn da würde er ja mein Schild sehen.
Mit meinem Koffer stapfte ich also hinaus in die kalte Nacht. Ich marschierte mitten auf der Straße, die wenigstens einigermaßen geräumt war, während sich an den Rändern der Schnee von Monaten türmte. Autos waren weit und breit nicht zu sehen – die Menschen hatten Besseres zu tun, als in einer solchen Nacht umherzufahren.
Im Schein der letzten Straßenlaterne des Dorfes sah ich an der Weggabelung einen Pferdeschlitten anhalten.
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Autoren-Porträt von Roswitha Gruber
Roswitha Gruber lebt und arbeitet in Reit im Winkl und arbeitet in ihrem alten Bauernhof unermüdlich an neuen Buchideen. Bereits als 15-Jährige hat sie ihre ersten schriftstellerischen Versuche zu Papier gebracht. Heute widmet sie sich schwerpunktmäßig der Schilderung starker Frauen mit außergewöhnlichen Lebensgeschichten, die sich enormer Beliebtheit erfreuen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Roswitha Gruber
- 2009, 286 Seiten, Maße: 12,1 x 19,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ROSENHEIMER VERLAGSHAUS
- ISBN-10: 3475539810
- ISBN-13: 9783475539817
- Erscheinungsdatum: 11.02.2009
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