Heiße Erde / Tal der Lagunen Bd.2
Ein Australien-Roman
Queensland, 19. Jh.: wie ein Buschfeuer flammt die Leidenschaft auf zwischen der Politikerstochter Laura und dem Farmer Paul. Doch im Kampf um das Land stehen sie auf verschiedenen Seiten. Der Sturm der Ereignisse reißt alle mit: Pioniere, Aborigines und die Frauen des Grenzlandes ...
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Produktinformationen zu „Heiße Erde / Tal der Lagunen Bd.2 “
Queensland, 19. Jh.: wie ein Buschfeuer flammt die Leidenschaft auf zwischen der Politikerstochter Laura und dem Farmer Paul. Doch im Kampf um das Land stehen sie auf verschiedenen Seiten. Der Sturm der Ereignisse reißt alle mit: Pioniere, Aborigines und die Frauen des Grenzlandes ...
Klappentext zu „Heiße Erde / Tal der Lagunen Bd.2 “
Queensland um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Leidenschaft flammt wie ein Buschfeuer auf zwischen der jungen Politikertochter Laura und dem Farmer Paul McNamara. Doch im Kampf um die heiße Erde des Landes stehen sie auf verschiedenen Seiten ...
Lese-Probe zu „Heiße Erde / Tal der Lagunen Bd.2 “
Heiße Erde von Patricia ShawProlog
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Missmutig ritten die beiden jungen Mädchen den Pfad zur Hauptstraße entlang, die stadtauswärts führte. Beide saßen im Damensattel und trugen einfache weiße Blusen und lange dunkle Röcke. Laura hatte einen unauffälligen Filzhut aufgesetzt, Amelia einen Strohhut, dessen bunte Bänder in der feuchten Luft schlaff herunterhingen.
Sie waren, nicht zuletzt dank der Bemühungen ihrer Väter, eng befreundet - herzlich wenig Familien in dieser kleinen ländlichen Gemeinde konnten es sich leisten, ein Pferd für ihre Töchter zu halten, geschweige denn solch edle Vollblüter, wie sie jetzt ihre Reiterinnen willig durch das rauhe Gestrüpp trugen. War Amelias Vater allein schon wegen seines Wohlstands geachtet, so hatte Lauras Vater sich darüber hinaus auch als Parlamentarier einen Namen gemacht.
Wie Amelia häufig und beharrlich zu sagen pflegte, gehörten sie und Laura zur jungen Elite von Rockhampton, und sie konnte böse werden, wenn Laura sie wegen dieser Anmaßung auslachte und meinte: »Sei nicht albern! Von wegen gute Gesellschaft! Das sind alles Menschen wie du und ich.« Ihre gesellschaftliche Stellung war Anlass langer und heftiger Auseinandersetzungen, zumal es nicht viel gab, worüber sie sich sonst hätten streiten können. Und jedes Mal führte eine solche Diskussion zum gleichen Ergebnis: dass Amelia Roberts, im Gegensatz zu Laura Maskey, großen Wert auf derlei Dinge legte.
»Warum mussten wir diesen langweiligen Weg nehmen?«, maulte Amelia.
»Ist eine Abkürzung«, erklärte Laura. »Außerdem ist es hier kühler und viel interessanter.«
»Was du nicht sagst. Die Fliegen sind entsetzlich lästig.« »Dann bind dir das Netz um.«
»Ich werd' doch nicht dieses hässliche Ding über meinen guten Hut ziehen. Komm, wir reiten zu mir, mir ist heiß, und mir reicht's.«
»Was sollen wir denn bei dir?«
»Ich weiß nicht, wie's mit dir ist, aber ich werde ein kaltes Bad nehmen. Es dürften bereits an die achtunddreißig Grad sein.«
»Wie schön wäre es jetzt am Meer!«, seufzte Laura. »Ich würde so gerne schwimmen gehen. Es ist ein herrliches Gefühl, im Salzwasser zu baden.«
»Ja, und dir die Haut ordentlich von der Sonne versengen zu lassen.«
»Mir doch egal.«
Die Pferde trugen sie aus dem Buschwerk auf die offene Straße. Amelia atmete erleichtert auf. »Hier weht wenigstens ein kleines Lüftchen.«
»Und jede Menge Staub fliegt in der Luft herum. Wir brauchen Regen.«
»Kommst du nun mit zu mir?«
»Meinetwegen«, stimmte Laura, die jetzt gleichauf mit Amelia ritt, zu. »Wenn ich nach Hause komme, wird mich Mutter nur in Arbeit einspannen. Sie erwartet ein paar Damen zum Tee.«
Amelia nickte verständnisvoll. Ihr Vater war verwitwet; bei ihr daheim würde keine Mutter ein aufmerksames Auge auf die beiden jungen Damen haben.
An einer Straßenbiegung bemerkte Laura einen abzweigenden Pfad. »Wohin führt der?«, fragte sie Amelia.
»Runter zur Murray-Lagune.«
Beim Weiterreiten meinte Laura: »Zu ärgerlich, dass Frauen nicht zur See hinunterdürfen. Warum eigentlich?«
»Weil da die Herren der Schöpfung schwimmen und Damen dort nichts verloren haben.«
»Eben. Und warum dürfen wir dort nicht schwimmen? Warum müssen wir diese Hitze ertragen, während die sich in der Lagune erfrischen? Ungerecht ist das.«
»Dir bleibt ja immer noch der Fluss, vorausgesetzt, du lässt
die Krokodile nicht an dich rankommen«, grinste Amelia. »Sehr komisch! In der Lagune soll es übrigens auch eine Art
Floß geben, von dem aus man ins Wasser springen kann.« Amelia hielt ihr Pferd an. »Was die wohl anhaben?« »Wer?«
»Die Männer, du Dummkopf. Beim Baden.«
»Woher soll ich das wissen?« Laura wartete, bis Amelia einen Steigbügel zurechtgerückt hatte, dann nahm sie den Hut ab und schüttelte die vom Schweiß feuchten Locken.
»Hat dir das dein Bruder nicht verraten?«, fragte Amelia.
»Leon würde mir nicht mal sagen, wie spät es ist.« Sie lachte. »Wahrscheinlich tragen sie lange Unterhosen. Carter Franklin, unser Bankdirektor, geht auch dorthin zum Schwimmen. Es muss ein Bild für die Götter sein, dieser Fettwanst in Unterzeug.«
»Du bist gemein«, kicherte Amelia. »Vielleicht haben sie ja auch gar nichts an. Würde mich schon interessieren.«
»Mich auch«, feixte Laura.
»Dann trau dich doch und überzeug dich selbst.«
Laura starrte sie an. »Du bist wohl übergeschnappt. Ich kann doch nicht einfach dort aufkreuzen. Die würden mich auf der Stelle erschießen.«
»Dann versteck dich im Gebüsch, damit man dich nicht sieht.«
»Du meinst, sie heimlich beobachten?«
»Warum nicht? Wäre doch ein Mordsspaß. Und wir wären die einzigen Mädchen, die Bescheid wüssten.«
»Warum tust du es dann nicht?«
»Weil ich dich zuerst herausgefordert habe. Na los, Laura Maskey. Nur Mut!«
Laura, die dazu neigte, erst zu handeln und dann zu denken, zögerte nicht lange. Amelia hatte ja recht. Die Männer zu bespitzeln war bestimmt ein Spaß. Es geschah diesen selbstsüchtigen Kerlen ganz recht. »Und wo bleibst du so lange?«, fragte sie Amelia.
»Um hier zu warten, ist es zu heiß. Ich reit' schon mal vor und sorge dafür, dass uns die Köchin einen leckeren Nachmittagstee zubereitet.«
»Mit warmen Hefebrötchen und Brombeermarmelade«, forderte Laura als Belohnung für ihr Wagnis.
»Geht in Ordnung«, lachte Amelia.
Laura ließ ihr Pferd wenden und galoppierte die Straße zurück, bis zur Abzweigung, die zur Lagune führte. Willig trabte der Vollblüter den ausgetretenen Pfad entlang, beschleunigte das Tempo jedoch, als er die Witterung von Wasser aufnahm, so dass Laura ihn am kurzen Zügel nehmen musste. Den Hut unter den Sattel geschoben, dirigierte sie das Tier behutsam in den Schutz des Unterholzes, umsichtig Zweige zur Seite biegend, geduckt, wo es galt, dicken Ästen auszuweichen.
Die Rufe und das Lachen vor ihr bestärkten sie nur in ihrem Vorhaben. Das Pferd schien zu verstehen, dass ein prickelndes Abenteuer angesagt war; leichtfüßig bewegte es sich durch das spärliche grüne Unterholz, bis ihm Laura den Kopf tätschelte. »Pst jetzt«, flüsterte sie. »Ganz ruhig. Nicht weiter.«
Unendlich vorsichtig bog sie einen belaubten Ast zur Seite, um zu sehen, wo sie sich befand, und fuhr zusammen, als sie direkt zu einer kleinen Mole hinüberblickte. »Es geht los!«, murmelte sie zufrieden, denn ihr Versteck gewährte volle Sicht auf die nicht weiter als fünfzig Schritt von ihr entfernten Schwimmer.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Warum war Amelia bloß nicht mitgekommen! Hier gab es etwas zu sehen, mehr als ein Dutzend Mannsbilder, die sich in der Lagune, an der Mole und auf einer im tieferen Wasser verankerten Plattform tummelten, die als Sprungbrett diente.
Mit schweißüberströmtem Gesicht saß Laura, von Insekten umschwirrt, in ihrem heißen Versteck und setzte ihre Beobachtungen fort. Der große See wirkte so kühl und einladend, dass sie darüber beinahe vergaß, weshalb sie gekommen war. Als sie jetzt die Schwimmer genauer musterte, war sie erst einmal perplex, um kurz darauf loszuprusten und in ihrem Bemühen, sich nicht zu verraten, schier am Lachen zu ersticken. Keiner der Männer trug auch nur einen Faden am Leibe! Wie Gott sie erschaff en hatte, planschten sie herum! Männer, ob dick oder dünn, groß oder klein, rannten die Mole entlang und sprangen zwischen die Schwimmenden; andere wiederum kletterten auf die Plattform und scherzten ausgelassen mit ihren Kumpanen, allesamt im Adamskostüm.
»Wie obszön!«, kicherte Laura in sich hinein und wischte sich das Gesicht mit dem Taschentuch ab. Laura Maskey, die mit ihren zwanzig Jahren noch nie einen nackten Mann gesehen hatte, war hingerissen.
Unvermittelt raschelte etwas im Unterholz. Laura, die im Busch aufgewachsen war, reagierte instinktiv. Eine Schlange? Das Pferd jedoch war noch schneller. Wie von der Tarantel gestochen, bäumte es sich auf und brach durch das schützende Geäst. Laura klammerte sich an den Kastanienbraunen, der nun ins Freie schoss - auf verbotenes Terrain! Es gelang ihr, ihn zu bändigen, noch ehe er allzu weit das sandige Ufer entlanggaloppiert war, aber als sie ihn kehrtmachen ließ, konnte sie das wütende Geschrei der Männer hören. Na, wenn schon! Ihr blondes Haar wehte im Wind, als sie dem Pferd die Zügel freigab und sich, übermütig lachend, aus dem Staub machte. Gewonnen! Sollten die jählings Überraschten ihrer Empörung doch Luft machen. Was konnten sie ihr schon anhaben? Sie waren entdeckt, sie hatte sie in ihrer ganzen Pracht gesehen.
Für die beiden jungen Mädchen war dies lediglich ein weiterer Schabernack. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, und die Eskapade sollte für die Tochter von Fowler Maskey, dem Parlamentsmitglied und Wahlkreisabgeordneten, weitreichende und tragische Folgen haben. Provinzstädte sind nun einmal in der Regel konservativ und anfällig für Tratsch, ganz besonders, wenn sie wie diese hier am Fluss gerade erst vor zehn Jahren gegründet worden waren und um Anerkennung kämpften. Ihre Bewohner, die das Stigma einer Goldgräbersiedlung ablegen wollten, achteten auf ihren guten Ruf - um mit Amelia zu sprechen, »auf ihre gesellschaftliche Stellung« - und strebten nach Ansehen und Geltung. Nachbarn wurden scharf beobachtet, Familienzwiste hinter geschlossenen Fensterläden ausgetragen, manche Kirchgänger benahmen sich auffällig, und keiner war sich der angespannten Stimmung deutlicher bewusst als Lauras Vater, dessen Zukunft als Abgeordneter vom Wohlwollen der Bevölkerung abhing. Und Fowler Maskey war ein ehrgeiziger Mann.
Erstes Kapitel
Die Sonne ging wie geschmolzenes Gold über dem Meer um Moreton Island auf, ließ das klare Wasser der Bucht noch intensiver funkeln. Singende Wale tummelten sich nach ihrer langen Reise aus südlicheren Gefilden darin, ohne zu ahnen, dass todbringende Harpunen ihrer harrten. Die abklingende Flut hob glitzernde Mangroven aus der dampfenden Dunkelheit; Scharen aufgeregt zwitschernder Vögel flatterten auf, um ihr Tagewerk an den Uferböschungen und den flachen Gestaden der vielen Flussläufe zu beginnen. Unbehelligt überflogen sie die kleinen Boote, die sich auf über dreißig Meilen von der Küste zur Stadt drängten, labten sich am Nektar der roten und weißen Blüten der Lampenputzerbäume, die den Strand säumten, und stießen aus dem hohen Eukalyptus hinunter auf alles, was nach Beute aussah.
Es war das Zeitalter der großen Kanäle; der breite Brisbane River war zu einer wichtigen Wasserstraße für die Hauptstadt des riesigen neuen Staates Queensland geworden. Die Bewohner der blühenden Stadt erinnerten sich ungern daran, dass ihr an einer Biegung des Flusses gelegenes Zuhause früher einmal eine Strafkolonie gewesen war. Und wenn sie spazieren gingen, dachten sie längst nicht mehr daran, dass Männer in Ketten, von der Peitsche angetrieben, sich abgemüht hatten, in einer subtropischen Wildnis Straßen zu planieren und wuchtige Regierungsgebäude zu errichten. Sie kamen von den Britischen Inseln, hatten unter Fieber, Unterernährung und den Misshandlungen ihrer Aufseher gelitten und waren gestorben, ohne dass ihnen irgendjemand eine Träne nachgeweint hatte, ohne je zu erfahren, dass ihre Schinderei nicht umsonst gewesen war. Sie hatten den Grundstein zu einer Stadt gelegt und den Weg für ihre Nachfahren und andere unerschrockene, zähe Pioniere geebnet.
Erst dreißig Jahre waren vergangen, seit das Strafgefangenenlager von Moreton Bay nach wütenden Protesten aus der Bevölkerung aufgelöst und das Grenzland von Brisbane für Siedler zugänglich gemacht worden war. Vielen Häftlingen fehlte nach ihrer Entlassung das für die Heimfahrt nötige Geld, und so blieben sie zwangsläufig in Australien. Andere ließen sich aus freien Stücken dort nieder, bis an ihr Lebensende von ihren früheren Bewachern argwöhnisch beobachtet. Sie wurden Zeuge, wie der neue, immer noch vom ersten Premier, Sir Robert Herbert, regierte Staat einen Tiefschlag einstecken musste, den ihm ausgerechnet das Mutterland verpasste.
Gouverneur Sir George Ferguson Bowen, der sich mit Herbert das Privileg teilte, an der Spitze der noch jungen Kolonie zu stehen, verließ sein trautes Heim am Fluss und bestieg in Begleitung seines Adjutanten, Captain Leslie Soames, seine Kutsche. Wäre es ihm als Repräsentant Ihrer Majestät nicht verboten gewesen, hätte er, wie jeder gewöhnliche Sterbliche, die kurze Strecke auf der staubigen Straße zu Fuß zurückgelegt.
Sein Verhalten war ungewöhnlich. Normalerweise rief er die Parlamentarier in seinem Amtssitz zusammen, aber diesmal wollte Bowen vermeiden, die Herren der Presse aufzuscheuchen. Eine Versammlung im Regierungsgebäude deutete auf politische oder gesellschaftliche Veränderungen hin, und in beiden Fällen sorgten die davon betroffenen Abgeordneten - allein schon, um sich wichtig zu machen - für Verbreitung, noch ehe sie tatsächlich Bescheid wussten.
Um jedem Verdacht zuvorzukommen, sein Erscheinen habe offiziellen Charakter, hatte er sich für einen seiner Meinung nach schlichten Anzug entschieden. Doch seine Gattin, Gräfin Diamentina, sorgte dafür, dass er sich jederzeit als Inbegriff der Eleganz präsentierte. Selbst in dem schwülen Klima verwarf er Anzüge aus Seide oder Baumwolltuch, wie sie in Mode gekommen waren; er fand sie hässlich und für seine exponierte Stellung unangebracht. An diesem Tag trug er einen schwarzen Rock, am Stehkragen mit einer Borte verbrämt, Kniehosen und spiegelblanke Stiefel und über dem Seidenhemd eine leichte Wollweste sowie eine seidene Krawatte, die von einer Perlennadel gehalten wurde.
Als er lächelnd das Portal des Parlamentsgebäudes betrat, entledigte er sich nonchalant seines grauen Zylinders und der Handschuhe. Die Leute in der Eingangshalle starrten ihn an, verbeugten sich kurz und machten ihm Platz. Lediglich einer, der vorwitzige Reporter des Brisbane Courier, verstieg sich zu der Frage »Was führt Sie hierher, Herr Gouverneur?«.
Bowen neigte huldvoll das Haupt, um zu zeigen, dass er gut gelaunt und durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. »Ach, Sie sind's, Mr. Kemp! Bestimmt wissen Sie schon, dass die Regatta wegen des unvorhersehbaren Regens heute Morgen abgesagt werden musste.«
Die Umstehenden kicherten. Jeder wusste, dass Tyler Kemp ein begeisterter Kanute war.
»Der Premier erwartet Sie?« Kemp ließ sich nicht beirren.
»Das möchte ich doch annehmen.« Bowens Lächeln war noch immer verbindlich. Für eine Terminabsprache war keine Zeit geblieben, die Angelegenheit war dringend.
»Was steht denn heute an?«, wollte Kemp wissen.
»Ein rein freundschaftlicher Besuch. Wissen Sie, ich habe noch nie etwas davon gehalten, mich im Elfenbeinturm zu verschanzen, und was wäre an einem trüben Tag anregender als unser Parlament?«
Kemp gab nicht so leicht auf. »Das Parlament tagt, Sir. Werden Sie darauf bestehen, vorgelassen zu werden?«
Bowen warf einen Blick auf seine goldene Taschenuhr, schob sie wieder ein. »Die Sitzung dürfte eben zu Ende gegangen sein.«
Wie zu erwarten, war der Premier von seiner Anwesenheit unterrichtet worden und hatte, wie Bowen erleichtert feststellte, keine Zeit verloren, dem Besucher entgegenzueilen.
»Exzellenz! Guten Tag. Treten Sie doch näher. Wir gehen wohl am besten in mein Arbeitszimmer.«
»Gerne.« Der Premier musste über sein plötzliches Auftauchen überrascht sein, war allerdings klug genug, es sich nicht anmerken zu lassen. Politiker durch und durch, pflegte er in Gegenwart unbeteiligter Dritter häufig zu bemerken: »Nicht vor den Kindern.« Auch heute hielt er sich an diese Regel.
Bowen verkörperte, was man allgemein unter einem ranken, schlanken Mann verstand, Herbert dagegen war um einiges größer und auch sehr viel kräftiger gebaut. Als er, gefolgt von einem Adjutanten, mit dem Gouverneur auf sein Arbeitszimmer zusteuerte, trat Tyler Kemp den Rückzug an. Nicht einmal er mischte sich in die Angelegenheiten dieser beiden imponierenden Persönlichkeiten.
»Tee oder Kaffee?«, fragte der Premier.
»Kaffee bitte. Für Soames auch.«
Mit vizeköniglichem Segen nahm Herbert seinen Platz hinter dem ausladenden Mahagonischreibtisch ein und tauschte mit dem Gouverneur ein paar Belanglosigkeiten aus, wohl wissend, dass der eigentliche Grund des Besuchs beizeiten zur Sprache kommen würde. Bowen war dankbar für den Aufschub; er hatte schlechte Nachrichten zu überbringen und wollte dabei nicht unterbrochen werden.
Schon bald darauf war Herberts junger Sekretär mit einem Servierwagen zurück, auf dem oben ein silbernes Kaffeeservice und unten eine Schale mit Keksen stand. »Soll ich eingießen, Sir?«, fragte er.
Herbert nickte. »Exzellenz, darf ich Ihnen meinen neuen Sekretär, Joe Barrett, vorstellen?«
Die Porzellantassen klirrten gefährlich, als sich der Gouverneur erhob. Barrett, der mit dem Eingießen beschäftigt war und jetzt einen Händedruck tauschen sollte, geriet in Verlegenheit.
Herbert lachte. »Als Sekretär macht er sich gut, als Kellner weniger. Soames, wenn Sie so nett wären, ihm zur Hand zu gehen?«
Der Captain zog die Augenbrauen hoch, und seine dünne Nase kräuselte sich angesichts einer derart unverschämten Bitte, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als - schon um diese unwürdige Aufgabe so rasch wie möglich hinter sich zu bringen - seinem Gouverneur eilfertig und gekonnt die Tasse zu füllen.
»Hat Jura studiert, unser Joe, an der Universität von Sydney«, sagte der Premier stolz. »Sogar mit Auszeichnung. Nicht wahr, mein Sohn?«
»Ja, Sir. Benötigen Sie mich hier noch, Sir?«
»Nein danke. Wenn Sie dafür mal einen Blick auf diese Rechnung werfen könnten, die der Bauminister durchboxen möchte. Sie hat mehr Löcher als ein Paar alte Socken.«
»Sofort, Sir.« Barrett, noch unerfahren im Umgang mit solch hohem Besuch, floh.
»Die im Norden lassen sich auf blutige Auseinandersetzungen ein«, erklärte Herbert dem Gouverneur freundlich, »denn sie siedeln auf Land, das weit außerhalb der Grenzen liegt. Ich selbst stamme aus der Gegend und gönne ihnen durchaus ihre großen Grundstücke. Auch wenn uns dadurch Einkünfte verlorengehen, weil sie sich davor drücken, Pacht zu bezahlen.« Er trank zügig seinen Kaffee aus. »Wir müssen mehr Inspektoren einstellen, weitaus mehr, um dies alles zu überwachen.«
»Das hat Zeit«, winkte der Gouverneur ab. Er stand auf, musterte die Tuschezeichnungen mit Ansichten von Brisbane und rückte einen der Rahmen zurecht. »Hervorragend. Von wem stammen die?«
»Sie werden es nicht glauben.« Herbert grinste. »Von unserem Freund, Mr. Kemp.«
»Was Sie nicht sagen! Sehr talentiert. Schade, dass er sich nicht auf seine künstlerischen Fähigkeiten konzentriert.« Die Zeichnungen schienen Erinnerungen in ihm zu wecken. »Als ich zum ersten Mal hier war, wurde mir der Bericht des Finanzministers vorgelegt.«
»Ach ja.« Herbert lächelte. »Das muss ein Schock gewesen sein. Was hatten wir denn vorzuweisen? Kaum fünf Shilling in der Kasse, um einen neuen Staat zu gründen. Nicht gerade ein vielversprechender Start.« Er seufzte. »Die mageren Tage liegen ja wohl längst hinter uns. Es sei denn, Ihre Bemerkung, dass keine weiteren Inspektoren eingestellt werden können, lässt wirklich nichts Gutes ahnen.«
»Sie sagen es.«
»Dann raus damit! Vergällen Sie mir das Weihnachtsfest.«
»Es geht das Gerücht um - wohlgemerkt, bisher ist es tatsächlich nichts weiter als ein Gerücht dass die Agra und Masterman Bank in London in Schwierigkeiten steckt.«
»Allmächtiger! Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand! Wir wären ruiniert. Wir haben eine Kreditzusage über eine Million Pfund, für den Eisenbahnbau und andere Dinge. Sollten diese Gelder eingefroren werden ... Nicht auszudenken!« Er zog ein großes Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
»Deswegen halte ich es für angebracht, im Augenblick jede weitere Ausgabe einzusparen.«
»Ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Für heute Abend habe ich eine Ausschusssitzung anberaumt, die letzte in diesem Jahr. Ich werde unverzüglich die Zügel anziehen. Und beten.«
Mit Befriedigung nahm der Gutsbesitzer und Abgeordnete von Rockhampton, Fowler Maskey, Anfang Februar zur Kenntnis, dass in Herberts Kabinett Uneinigkeit herrschte. Der jetzt fünfzigjährige Fowler war ein einflussreicher Mann, nicht zuletzt dank des Vermögens, das er von seinem Vater, einem der bedeutendsten Schafzüchter und Großgrundbesitzer von New South Wales, geerbt hatte. Vor seinem Tod hatte John Dunning Maskey im Vertrauen darauf, dass in dem neuen Staat beste Zukunftsaussichten bestanden, in der Gegend von Rockhampton weitere Ländereien erworben.
Fowler hatte seinem Vater rückhaltlos vertraut. Er war mit seiner Familie in den Norden gezogen, hatte sich, ehrgeizig wie er war, ein Haus gebaut und sich als einer der Ersten in der neuen Stadt niedergelassen, obwohl seine Frau Hilda die Hitze im Sommer unerträglich und sein inzwischen zweiundzwanzigjähriger Sohn Leon die provisorische, nicht besonders hübsche Ansiedlung am Fluss grässlich fand. Leons Proteste waren auf taube Ohren gestoßen. Weder verstand er sich aufs Argumentieren, noch konnte man ihm, mangels Interesse für Schafe oder Rinder, die Verwaltung einer der Maskeyschen Ländereien anvertrauen. Er war ein drahtiger, gutaussehender junger Mann mit blondem Haar und den blauen Augen seiner Mutter. Fowler zeigte sich gern mit ihm. Er war gesellig, ein passabler Kricketspieler, wusste mit Karten geschickt umzugehen, und jede Gastgeberin schätzte ihn als Bereicherung ihrer Feste. Sein Vater verglich ihn mit einer umherschwirrenden Biene, die die neuesten Nachrichten, Stimmungen und Entwicklungen auskundschaftete.
Fowlers Gattin Hilda war dafür, dem Sohn mehr Verantwortung zu übertragen. »Was soll denn aus ihm werden, wenn er weiterhin nur seine Zeit vertrödelt?« Fowler kümmerte das nicht. Er hatte nichts mit Dynastien im Sinn, dachte nur an sich und seine ehrgeizigen Ziele. Wenn er einmal nicht mehr da war, orakelte er, würde Leon ein paar Jahre in Saus und Braus leben, so lange eben, bis das Erbe verprasst war.
Als Leon erklärt hatte, er wolle lieber in Brisbane leben, war Fowler einverstanden gewesen. »Aber ja doch. Wo immer du willst, sofern du für dich selbst aufkommst.«
»Das ist nicht fair«, hatte ihm Leon vorgehalten. »In Rockhampton hab' ich nichts weiter zu tun, als deinen Diener zu spielen.«
»Du trägst dazu bei, dass dein Vater Karriere macht«, hatte Fowler geantwortet, »und wenn du ohne mein Einverständnis woanders leben willst, bekommst du nicht einen Penny von mir.«
Leon war geblieben. Nachmittags traf man ihn meist an der Murray-Lagune, in der dort entstandenen Männerbadeanstalt. Die Abende verbrachte er im Criterion Hotel oder im Herrenclub auf der Quay Street, beides vom elterlichen Haus aus zu Fuß gut zu erreichen.
Zu Fowlers Überraschung sagte seiner Tochter Laura die Stadt durchaus zu. Sie liebte das stattliche Haus mit dem schmiedeeisernen Geländer um die vordere Veranda und dem umlaufenden Balkon im oberen Stockwerk. Direkt an der Quay Street gelegen, ermöglichte es zu Hilda Maskeys Leidwesen kein zurückgezogenes Leben, während Laura ganz und gar nichts dagegenhatte, das pulsierende Treiben um sich herum zu spüren. Im Gegensatz zu ihrem Bruder genoss sie es, auf der Veranda zu sitzen und mit den Vorbeikommenden, Freunden oder Fremden, zu plaudern.
Sie war ein eigensinniges junges Mädchen, groß und kerngesund, mit ebenso seidenweichem Blondhaar wie ihr Bruder. Nur war sie ungestümer als er, hin und wieder sogar mehr als ihr guttat, aber sie würde ja sowieso bald heiraten, und dann wäre Fowler diese Sorgen los. Kürzlich hatte sie ihn bestürmt, sie zu den Goldfeldern außerhalb Rockhamptons mitzunehmen, doch sie musste warten, er war zu beschäftigt. Gold. Fowler lächelte. Rockhampton hatte sich über Nacht zu einer Stadt gemausert, dank des Goldrauschs im nahe gelegenen Canoona. In kurzen Zeitabständen war man auf weitere Minen gestoßen. Großartig, dass neben der bereits blühenden Viehwirtschaft auch noch Goldfelder im eigenen Wahlkreis ausfindig gemacht wurden.
Der alte John Maskey hatte zweifelsohne eine kluge Entscheidung getroffen. Für einen Parlamentarier waren die Zukunftsaussichten in Rockhampton mehr als günstig, sofern er seine Trümpfe richtig ausspielte. Und Fowler würde genau das tun. Zu Hilda hatte er gesagt: »Ich erwarte, dass mich meine Familie voll und ganz unterstützt. Wenn ich hier bin, wirst du so viele Einladungen geben wie möglich, und wenn ich mich in Brisbane aufhalte, kannst du wohltätige Verpflichtungen übernehmen. So was macht immer einen guten Eindruck.«
»Was für wohltätige Verpflichtungen?«
»Woher soll ich das wissen? Das ist Frauensache. Und spann Laura mit ein.«
»Laura?«, war Hilda hochgefahren. »Die tut doch sowieso nicht, was ich ihr sage! Die gibt sich nur mit den Pferden ab, ist ständig unterwegs. Deine Schuld. Du lässt ihr völlige Freiheit.«
»Dann beschaff ihr einen Ehemann, das wird sie zur Ruhe bringen.«
Derart lässig tat Fowler solche »Nebensächlichkeiten« ab, um für seine Pläne einen klaren Kopf zu bewahren. Er stand an dem großen Fenster am Ende des Flurs und tat so, als wolle er frische Luft schnappen, tatsächlich lag er aber zwischen der Tür zum Kabinettszimmer und seinem Büro auf der Lauer. Sobald die ehrenwerten Herren auftauchten, wollte er, der kleine Hinterbänkler, sich auf dem Weg in sein eigenes Zimmer unter sie mischen. Premier Herbert war zwar ein Verfechter von Solidarität im Kabinett, aber frisch gewagt ist halb gewonnen, und vielleicht konnte sich Fowler einen Minister schnappen, in dessen Ohren noch Herberts Standpauke nachhallte und der deshalb mit seinen Gedanken ganz woanders war. Fowler war sich sicher, dass Premier Herbert die Zügel entglitten waren und dass es nicht viel bedurfte, ihn aus dem Sattel zu heben.
Und da drängten sie bereits heraus, mit unheilverkündenden, bestürzten Gesichtern. Er gesellte sich zu ihnen, bestrebt, das Stimmengewirr zu entschlüsseln, mit dem die Parlamentarier ihrem Unmut Luft machten. Ein großer Fisch ging ihm ins Netz: der Finanzminister. »Wir unterstützen voll und ganz Raff s Petition, das Werften-Projekt in Brisbane zu fördern, Sir. Ich hoff e, Sie vergessen das nicht.«
»Alles zu seiner Zeit«, schnappte der Finanzminister und eilte an ihm vorbei.
Fowler passte sich dem Schritt des Postministers an. »Mächtig schwül heute, wie?« Und als der Minister lediglich nickte, fuhr Fowler fort: »Vielleicht interessiert es Sie, dass bei mir ganze Säcke voll Beschwerden wegen der Post eingehen.«
»Sie haben doch den Telegraphen, oder nicht?«, knurrte der Postminister, und Fowler grinste in sich hinein. Natürlich hatten sie den bekommen, obwohl sich dieser alte Knabe hier dagegen ausgesprochen hatte. Ein paar lumpige Pfund als Unkostenbeitrag für die Wahlkampagne der Parlamentarier hatten genügt, um die Bewilligung durchzusetzen. »Haben wir, und wir sind Ihnen auch sehr dankbar dafür, aber die Goldgräber können es sich nicht leisten, jedes Mal zu telegraphieren, wenn sie Verbindung mit ihren Lieben daheim aufnehmen wollen. Reichlich aufgebracht sind sie. Ihrer Meinung nach reicht eine Postzustellung alle zwei Wochen bei weitem nicht aus.«
»Wenden Sie sich doch an den Premier«, meinte der Minister, als sie den Treppenabsatz erreichten. Und dann, als sich ihre Wege trennten, rief er ihm noch über die Schulter nach: »Oder Macalister.«
»An wen?«, fragte Fowler verdutzt, aber die Tür des Ministers fiel bereits ins Schloss.
Arthur Macalister war Abgeordneter für Ipswich und zudem Arbeits- und Landwirtschaftsminister. Wieso sollte er sich an ihn wenden? Er war ein Nichts, ein bärbeißiger Haudegen, auf dessen Meinung keiner etwas gab. Fowler jedoch würde mit ihm sprechen, und zwar sofort. Er kramte in seinem Büro herum, bis er zwei Flaschen Whisky gefunden hatte, verstaute sie in einer Tüte und machte Arthur seine Aufwartung.
»Lieber Freund«, sagte er, nicht ohne die hektische Atmosphäre in Macalisters Büro wahrzunehmen, »verzeihen Sie die Störung, aber meine Nachlässigkeit ... Ich hätte Ihnen dies hier schon zu Weihnachten vorbeibringen sollen, eine kleine Aufmerksamkeit meiner Wähler, aber ich bin nicht dazugekommen. Das Ausbaggern des Fitzroy River geht dank Ihrer tatkräftigen Unterstützung zügig voran.«
»Guter Mann«, sagte Macalister und verstaute den Whisky zwischen Landkarten in einem prallvollen Schrank, ohne Fowler auch nur einen Tropfen anzubieten. »Nehmen Sie Platz, Maskey, ich wollte sowieso mit Ihnen sprechen.«
Eine Messingblumenschale auf einem Sockel hinter seinem Gastgeber reflektierte Fowlers frisches, blühendes Gesicht, das ein breites Grinsen zeigte. Er konnte nur hoff en, dass es von der Zerrspiegelung kam. Wenn es Ärger gab, durfte er keine Schadenfreude zeigen. Er kniff die wulstigen Lippen zusammen, um jeden falschen Eindruck zu vermeiden.
Arthur war Vertreter einer aufmüpfigen Meute von Kohlebergarbeitern. Er konnte seine Erregung nur schwer unterdrücken, und an seinem rechten Auge, oberhalb des buschigen Barts, zuckte es nervös. »Man will ihm das Genick brechen!«, hechelte er.
Das Genick brechen! Großer Gott! Fowlers Gedanken überstürzten sich. Wie sicherlich alle anderen Politiker in diesem Gebäude auch, überlegte er, ob er sich um die Nachfolge bewerben sollte. Mit wem konnte er rechnen? Ob sich der eine oder andere Gunstbeweis jetzt auszahlte? Premier von Queensland werden, der mächtigste Mann im Staat! Dass er einen eigenen Staat im Norden, mit Rockhampton als Hauptstadt und natürlich ihm als Premier, angestrebt hatte, war unwichtig geworden. Sollten die Separatisten doch sehen, wo sie blieben! Dies hier war weitaus lohnender. Beinahe hätte er aufgelacht. Sollte er gewinnen, würde der Staat intakt bleiben, er würde die Spaltung verhindern.
»Menschenskind, haben Sie mich verstanden?«
»Ja. Ich habe es kommen sehen. Herbert ist nicht sehr beliebt, dennoch überrascht es mich.« Es sah ganz danach aus, als könne er sich Macalisters Unterstützung sicher sein, und zudem konnte ihm der Schotte die eine oder andere Stimme im Süden zuschanzen.
»Nicht sehr beliebt? Das ist noch untertrieben. Der Mann ist wahnsinnig. Wenn wir auf ihn hören, werden wir alle unseren Sitz verlieren. Er versteift sich darauf, an allen öffentlichen Baumaßnahmen den Rotstift anzusetzen und höhere Steuern und Abgaben einzuführen.«
»Was Sie nicht sagen.« Jeder wusste, dass Herberts Pfennigfuchserei nicht auf Begeisterung stieß, aber dies ging zu weit.
»Wenn Sie mich fragen«, fuhr Macalister fort, »müssen wir ihm das Handwerk legen. Sind Sie auch dafür?«
»Muss ich wohl«, entgegnete Fowler. »Die Zukunft des Staates ist wichtiger als ein einzelner Mann, der noch dazu nichts von Finanzen versteht. Das habe ich schon immer gesagt. Wir brauchen an der Spitze einen Mann, der sich darüber im Klaren ist, dass die wirtschaftliche Situation in Queensland davon abhängt, ob das Gleichgewicht zwischen Investition und Expansion gefunden werden kann. Wenn er jetzt einen Rückzieher macht, waren alle bisherigen Anstrengungen vergebens.«
»Ganz meine Meinung. Sollte ich gewählt werden, wird genau nach diesem Rezept verfahren.«
»Wie?«, fuhr Fowler hoch. »Sie bewerben sich um das Amt?«
»Gewiss doch, und ich bitte Sie um Ihre Unterstützung. Wenn man bedenkt, was für taube Nüsse einige meiner Kollegen sind, kann ich nur sagen, es war ein Fehler von Herbert, Sie bei der Kabinettsbildung zu übergehen. Sie können sich drauf verlassen, dass mir dieser Fehler nicht unterläuft.«
Das schlug doch dem Fass den Boden aus! Fowler glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Mit Speck fängt man Mäuse - der älteste Trick der Welt. Macalister Premier? Grotesk!
...
Übersetzung: Veronika Cordes und Susanne Dickerhof-Kranz
© 2012 Knaur Paperback. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Missmutig ritten die beiden jungen Mädchen den Pfad zur Hauptstraße entlang, die stadtauswärts führte. Beide saßen im Damensattel und trugen einfache weiße Blusen und lange dunkle Röcke. Laura hatte einen unauffälligen Filzhut aufgesetzt, Amelia einen Strohhut, dessen bunte Bänder in der feuchten Luft schlaff herunterhingen.
Sie waren, nicht zuletzt dank der Bemühungen ihrer Väter, eng befreundet - herzlich wenig Familien in dieser kleinen ländlichen Gemeinde konnten es sich leisten, ein Pferd für ihre Töchter zu halten, geschweige denn solch edle Vollblüter, wie sie jetzt ihre Reiterinnen willig durch das rauhe Gestrüpp trugen. War Amelias Vater allein schon wegen seines Wohlstands geachtet, so hatte Lauras Vater sich darüber hinaus auch als Parlamentarier einen Namen gemacht.
Wie Amelia häufig und beharrlich zu sagen pflegte, gehörten sie und Laura zur jungen Elite von Rockhampton, und sie konnte böse werden, wenn Laura sie wegen dieser Anmaßung auslachte und meinte: »Sei nicht albern! Von wegen gute Gesellschaft! Das sind alles Menschen wie du und ich.« Ihre gesellschaftliche Stellung war Anlass langer und heftiger Auseinandersetzungen, zumal es nicht viel gab, worüber sie sich sonst hätten streiten können. Und jedes Mal führte eine solche Diskussion zum gleichen Ergebnis: dass Amelia Roberts, im Gegensatz zu Laura Maskey, großen Wert auf derlei Dinge legte.
»Warum mussten wir diesen langweiligen Weg nehmen?«, maulte Amelia.
»Ist eine Abkürzung«, erklärte Laura. »Außerdem ist es hier kühler und viel interessanter.«
»Was du nicht sagst. Die Fliegen sind entsetzlich lästig.« »Dann bind dir das Netz um.«
»Ich werd' doch nicht dieses hässliche Ding über meinen guten Hut ziehen. Komm, wir reiten zu mir, mir ist heiß, und mir reicht's.«
»Was sollen wir denn bei dir?«
»Ich weiß nicht, wie's mit dir ist, aber ich werde ein kaltes Bad nehmen. Es dürften bereits an die achtunddreißig Grad sein.«
»Wie schön wäre es jetzt am Meer!«, seufzte Laura. »Ich würde so gerne schwimmen gehen. Es ist ein herrliches Gefühl, im Salzwasser zu baden.«
»Ja, und dir die Haut ordentlich von der Sonne versengen zu lassen.«
»Mir doch egal.«
Die Pferde trugen sie aus dem Buschwerk auf die offene Straße. Amelia atmete erleichtert auf. »Hier weht wenigstens ein kleines Lüftchen.«
»Und jede Menge Staub fliegt in der Luft herum. Wir brauchen Regen.«
»Kommst du nun mit zu mir?«
»Meinetwegen«, stimmte Laura, die jetzt gleichauf mit Amelia ritt, zu. »Wenn ich nach Hause komme, wird mich Mutter nur in Arbeit einspannen. Sie erwartet ein paar Damen zum Tee.«
Amelia nickte verständnisvoll. Ihr Vater war verwitwet; bei ihr daheim würde keine Mutter ein aufmerksames Auge auf die beiden jungen Damen haben.
An einer Straßenbiegung bemerkte Laura einen abzweigenden Pfad. »Wohin führt der?«, fragte sie Amelia.
»Runter zur Murray-Lagune.«
Beim Weiterreiten meinte Laura: »Zu ärgerlich, dass Frauen nicht zur See hinunterdürfen. Warum eigentlich?«
»Weil da die Herren der Schöpfung schwimmen und Damen dort nichts verloren haben.«
»Eben. Und warum dürfen wir dort nicht schwimmen? Warum müssen wir diese Hitze ertragen, während die sich in der Lagune erfrischen? Ungerecht ist das.«
»Dir bleibt ja immer noch der Fluss, vorausgesetzt, du lässt
die Krokodile nicht an dich rankommen«, grinste Amelia. »Sehr komisch! In der Lagune soll es übrigens auch eine Art
Floß geben, von dem aus man ins Wasser springen kann.« Amelia hielt ihr Pferd an. »Was die wohl anhaben?« »Wer?«
»Die Männer, du Dummkopf. Beim Baden.«
»Woher soll ich das wissen?« Laura wartete, bis Amelia einen Steigbügel zurechtgerückt hatte, dann nahm sie den Hut ab und schüttelte die vom Schweiß feuchten Locken.
»Hat dir das dein Bruder nicht verraten?«, fragte Amelia.
»Leon würde mir nicht mal sagen, wie spät es ist.« Sie lachte. »Wahrscheinlich tragen sie lange Unterhosen. Carter Franklin, unser Bankdirektor, geht auch dorthin zum Schwimmen. Es muss ein Bild für die Götter sein, dieser Fettwanst in Unterzeug.«
»Du bist gemein«, kicherte Amelia. »Vielleicht haben sie ja auch gar nichts an. Würde mich schon interessieren.«
»Mich auch«, feixte Laura.
»Dann trau dich doch und überzeug dich selbst.«
Laura starrte sie an. »Du bist wohl übergeschnappt. Ich kann doch nicht einfach dort aufkreuzen. Die würden mich auf der Stelle erschießen.«
»Dann versteck dich im Gebüsch, damit man dich nicht sieht.«
»Du meinst, sie heimlich beobachten?«
»Warum nicht? Wäre doch ein Mordsspaß. Und wir wären die einzigen Mädchen, die Bescheid wüssten.«
»Warum tust du es dann nicht?«
»Weil ich dich zuerst herausgefordert habe. Na los, Laura Maskey. Nur Mut!«
Laura, die dazu neigte, erst zu handeln und dann zu denken, zögerte nicht lange. Amelia hatte ja recht. Die Männer zu bespitzeln war bestimmt ein Spaß. Es geschah diesen selbstsüchtigen Kerlen ganz recht. »Und wo bleibst du so lange?«, fragte sie Amelia.
»Um hier zu warten, ist es zu heiß. Ich reit' schon mal vor und sorge dafür, dass uns die Köchin einen leckeren Nachmittagstee zubereitet.«
»Mit warmen Hefebrötchen und Brombeermarmelade«, forderte Laura als Belohnung für ihr Wagnis.
»Geht in Ordnung«, lachte Amelia.
Laura ließ ihr Pferd wenden und galoppierte die Straße zurück, bis zur Abzweigung, die zur Lagune führte. Willig trabte der Vollblüter den ausgetretenen Pfad entlang, beschleunigte das Tempo jedoch, als er die Witterung von Wasser aufnahm, so dass Laura ihn am kurzen Zügel nehmen musste. Den Hut unter den Sattel geschoben, dirigierte sie das Tier behutsam in den Schutz des Unterholzes, umsichtig Zweige zur Seite biegend, geduckt, wo es galt, dicken Ästen auszuweichen.
Die Rufe und das Lachen vor ihr bestärkten sie nur in ihrem Vorhaben. Das Pferd schien zu verstehen, dass ein prickelndes Abenteuer angesagt war; leichtfüßig bewegte es sich durch das spärliche grüne Unterholz, bis ihm Laura den Kopf tätschelte. »Pst jetzt«, flüsterte sie. »Ganz ruhig. Nicht weiter.«
Unendlich vorsichtig bog sie einen belaubten Ast zur Seite, um zu sehen, wo sie sich befand, und fuhr zusammen, als sie direkt zu einer kleinen Mole hinüberblickte. »Es geht los!«, murmelte sie zufrieden, denn ihr Versteck gewährte volle Sicht auf die nicht weiter als fünfzig Schritt von ihr entfernten Schwimmer.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Warum war Amelia bloß nicht mitgekommen! Hier gab es etwas zu sehen, mehr als ein Dutzend Mannsbilder, die sich in der Lagune, an der Mole und auf einer im tieferen Wasser verankerten Plattform tummelten, die als Sprungbrett diente.
Mit schweißüberströmtem Gesicht saß Laura, von Insekten umschwirrt, in ihrem heißen Versteck und setzte ihre Beobachtungen fort. Der große See wirkte so kühl und einladend, dass sie darüber beinahe vergaß, weshalb sie gekommen war. Als sie jetzt die Schwimmer genauer musterte, war sie erst einmal perplex, um kurz darauf loszuprusten und in ihrem Bemühen, sich nicht zu verraten, schier am Lachen zu ersticken. Keiner der Männer trug auch nur einen Faden am Leibe! Wie Gott sie erschaff en hatte, planschten sie herum! Männer, ob dick oder dünn, groß oder klein, rannten die Mole entlang und sprangen zwischen die Schwimmenden; andere wiederum kletterten auf die Plattform und scherzten ausgelassen mit ihren Kumpanen, allesamt im Adamskostüm.
»Wie obszön!«, kicherte Laura in sich hinein und wischte sich das Gesicht mit dem Taschentuch ab. Laura Maskey, die mit ihren zwanzig Jahren noch nie einen nackten Mann gesehen hatte, war hingerissen.
Unvermittelt raschelte etwas im Unterholz. Laura, die im Busch aufgewachsen war, reagierte instinktiv. Eine Schlange? Das Pferd jedoch war noch schneller. Wie von der Tarantel gestochen, bäumte es sich auf und brach durch das schützende Geäst. Laura klammerte sich an den Kastanienbraunen, der nun ins Freie schoss - auf verbotenes Terrain! Es gelang ihr, ihn zu bändigen, noch ehe er allzu weit das sandige Ufer entlanggaloppiert war, aber als sie ihn kehrtmachen ließ, konnte sie das wütende Geschrei der Männer hören. Na, wenn schon! Ihr blondes Haar wehte im Wind, als sie dem Pferd die Zügel freigab und sich, übermütig lachend, aus dem Staub machte. Gewonnen! Sollten die jählings Überraschten ihrer Empörung doch Luft machen. Was konnten sie ihr schon anhaben? Sie waren entdeckt, sie hatte sie in ihrer ganzen Pracht gesehen.
Für die beiden jungen Mädchen war dies lediglich ein weiterer Schabernack. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, und die Eskapade sollte für die Tochter von Fowler Maskey, dem Parlamentsmitglied und Wahlkreisabgeordneten, weitreichende und tragische Folgen haben. Provinzstädte sind nun einmal in der Regel konservativ und anfällig für Tratsch, ganz besonders, wenn sie wie diese hier am Fluss gerade erst vor zehn Jahren gegründet worden waren und um Anerkennung kämpften. Ihre Bewohner, die das Stigma einer Goldgräbersiedlung ablegen wollten, achteten auf ihren guten Ruf - um mit Amelia zu sprechen, »auf ihre gesellschaftliche Stellung« - und strebten nach Ansehen und Geltung. Nachbarn wurden scharf beobachtet, Familienzwiste hinter geschlossenen Fensterläden ausgetragen, manche Kirchgänger benahmen sich auffällig, und keiner war sich der angespannten Stimmung deutlicher bewusst als Lauras Vater, dessen Zukunft als Abgeordneter vom Wohlwollen der Bevölkerung abhing. Und Fowler Maskey war ein ehrgeiziger Mann.
Erstes Kapitel
Die Sonne ging wie geschmolzenes Gold über dem Meer um Moreton Island auf, ließ das klare Wasser der Bucht noch intensiver funkeln. Singende Wale tummelten sich nach ihrer langen Reise aus südlicheren Gefilden darin, ohne zu ahnen, dass todbringende Harpunen ihrer harrten. Die abklingende Flut hob glitzernde Mangroven aus der dampfenden Dunkelheit; Scharen aufgeregt zwitschernder Vögel flatterten auf, um ihr Tagewerk an den Uferböschungen und den flachen Gestaden der vielen Flussläufe zu beginnen. Unbehelligt überflogen sie die kleinen Boote, die sich auf über dreißig Meilen von der Küste zur Stadt drängten, labten sich am Nektar der roten und weißen Blüten der Lampenputzerbäume, die den Strand säumten, und stießen aus dem hohen Eukalyptus hinunter auf alles, was nach Beute aussah.
Es war das Zeitalter der großen Kanäle; der breite Brisbane River war zu einer wichtigen Wasserstraße für die Hauptstadt des riesigen neuen Staates Queensland geworden. Die Bewohner der blühenden Stadt erinnerten sich ungern daran, dass ihr an einer Biegung des Flusses gelegenes Zuhause früher einmal eine Strafkolonie gewesen war. Und wenn sie spazieren gingen, dachten sie längst nicht mehr daran, dass Männer in Ketten, von der Peitsche angetrieben, sich abgemüht hatten, in einer subtropischen Wildnis Straßen zu planieren und wuchtige Regierungsgebäude zu errichten. Sie kamen von den Britischen Inseln, hatten unter Fieber, Unterernährung und den Misshandlungen ihrer Aufseher gelitten und waren gestorben, ohne dass ihnen irgendjemand eine Träne nachgeweint hatte, ohne je zu erfahren, dass ihre Schinderei nicht umsonst gewesen war. Sie hatten den Grundstein zu einer Stadt gelegt und den Weg für ihre Nachfahren und andere unerschrockene, zähe Pioniere geebnet.
Erst dreißig Jahre waren vergangen, seit das Strafgefangenenlager von Moreton Bay nach wütenden Protesten aus der Bevölkerung aufgelöst und das Grenzland von Brisbane für Siedler zugänglich gemacht worden war. Vielen Häftlingen fehlte nach ihrer Entlassung das für die Heimfahrt nötige Geld, und so blieben sie zwangsläufig in Australien. Andere ließen sich aus freien Stücken dort nieder, bis an ihr Lebensende von ihren früheren Bewachern argwöhnisch beobachtet. Sie wurden Zeuge, wie der neue, immer noch vom ersten Premier, Sir Robert Herbert, regierte Staat einen Tiefschlag einstecken musste, den ihm ausgerechnet das Mutterland verpasste.
Gouverneur Sir George Ferguson Bowen, der sich mit Herbert das Privileg teilte, an der Spitze der noch jungen Kolonie zu stehen, verließ sein trautes Heim am Fluss und bestieg in Begleitung seines Adjutanten, Captain Leslie Soames, seine Kutsche. Wäre es ihm als Repräsentant Ihrer Majestät nicht verboten gewesen, hätte er, wie jeder gewöhnliche Sterbliche, die kurze Strecke auf der staubigen Straße zu Fuß zurückgelegt.
Sein Verhalten war ungewöhnlich. Normalerweise rief er die Parlamentarier in seinem Amtssitz zusammen, aber diesmal wollte Bowen vermeiden, die Herren der Presse aufzuscheuchen. Eine Versammlung im Regierungsgebäude deutete auf politische oder gesellschaftliche Veränderungen hin, und in beiden Fällen sorgten die davon betroffenen Abgeordneten - allein schon, um sich wichtig zu machen - für Verbreitung, noch ehe sie tatsächlich Bescheid wussten.
Um jedem Verdacht zuvorzukommen, sein Erscheinen habe offiziellen Charakter, hatte er sich für einen seiner Meinung nach schlichten Anzug entschieden. Doch seine Gattin, Gräfin Diamentina, sorgte dafür, dass er sich jederzeit als Inbegriff der Eleganz präsentierte. Selbst in dem schwülen Klima verwarf er Anzüge aus Seide oder Baumwolltuch, wie sie in Mode gekommen waren; er fand sie hässlich und für seine exponierte Stellung unangebracht. An diesem Tag trug er einen schwarzen Rock, am Stehkragen mit einer Borte verbrämt, Kniehosen und spiegelblanke Stiefel und über dem Seidenhemd eine leichte Wollweste sowie eine seidene Krawatte, die von einer Perlennadel gehalten wurde.
Als er lächelnd das Portal des Parlamentsgebäudes betrat, entledigte er sich nonchalant seines grauen Zylinders und der Handschuhe. Die Leute in der Eingangshalle starrten ihn an, verbeugten sich kurz und machten ihm Platz. Lediglich einer, der vorwitzige Reporter des Brisbane Courier, verstieg sich zu der Frage »Was führt Sie hierher, Herr Gouverneur?«.
Bowen neigte huldvoll das Haupt, um zu zeigen, dass er gut gelaunt und durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. »Ach, Sie sind's, Mr. Kemp! Bestimmt wissen Sie schon, dass die Regatta wegen des unvorhersehbaren Regens heute Morgen abgesagt werden musste.«
Die Umstehenden kicherten. Jeder wusste, dass Tyler Kemp ein begeisterter Kanute war.
»Der Premier erwartet Sie?« Kemp ließ sich nicht beirren.
»Das möchte ich doch annehmen.« Bowens Lächeln war noch immer verbindlich. Für eine Terminabsprache war keine Zeit geblieben, die Angelegenheit war dringend.
»Was steht denn heute an?«, wollte Kemp wissen.
»Ein rein freundschaftlicher Besuch. Wissen Sie, ich habe noch nie etwas davon gehalten, mich im Elfenbeinturm zu verschanzen, und was wäre an einem trüben Tag anregender als unser Parlament?«
Kemp gab nicht so leicht auf. »Das Parlament tagt, Sir. Werden Sie darauf bestehen, vorgelassen zu werden?«
Bowen warf einen Blick auf seine goldene Taschenuhr, schob sie wieder ein. »Die Sitzung dürfte eben zu Ende gegangen sein.«
Wie zu erwarten, war der Premier von seiner Anwesenheit unterrichtet worden und hatte, wie Bowen erleichtert feststellte, keine Zeit verloren, dem Besucher entgegenzueilen.
»Exzellenz! Guten Tag. Treten Sie doch näher. Wir gehen wohl am besten in mein Arbeitszimmer.«
»Gerne.« Der Premier musste über sein plötzliches Auftauchen überrascht sein, war allerdings klug genug, es sich nicht anmerken zu lassen. Politiker durch und durch, pflegte er in Gegenwart unbeteiligter Dritter häufig zu bemerken: »Nicht vor den Kindern.« Auch heute hielt er sich an diese Regel.
Bowen verkörperte, was man allgemein unter einem ranken, schlanken Mann verstand, Herbert dagegen war um einiges größer und auch sehr viel kräftiger gebaut. Als er, gefolgt von einem Adjutanten, mit dem Gouverneur auf sein Arbeitszimmer zusteuerte, trat Tyler Kemp den Rückzug an. Nicht einmal er mischte sich in die Angelegenheiten dieser beiden imponierenden Persönlichkeiten.
»Tee oder Kaffee?«, fragte der Premier.
»Kaffee bitte. Für Soames auch.«
Mit vizeköniglichem Segen nahm Herbert seinen Platz hinter dem ausladenden Mahagonischreibtisch ein und tauschte mit dem Gouverneur ein paar Belanglosigkeiten aus, wohl wissend, dass der eigentliche Grund des Besuchs beizeiten zur Sprache kommen würde. Bowen war dankbar für den Aufschub; er hatte schlechte Nachrichten zu überbringen und wollte dabei nicht unterbrochen werden.
Schon bald darauf war Herberts junger Sekretär mit einem Servierwagen zurück, auf dem oben ein silbernes Kaffeeservice und unten eine Schale mit Keksen stand. »Soll ich eingießen, Sir?«, fragte er.
Herbert nickte. »Exzellenz, darf ich Ihnen meinen neuen Sekretär, Joe Barrett, vorstellen?«
Die Porzellantassen klirrten gefährlich, als sich der Gouverneur erhob. Barrett, der mit dem Eingießen beschäftigt war und jetzt einen Händedruck tauschen sollte, geriet in Verlegenheit.
Herbert lachte. »Als Sekretär macht er sich gut, als Kellner weniger. Soames, wenn Sie so nett wären, ihm zur Hand zu gehen?«
Der Captain zog die Augenbrauen hoch, und seine dünne Nase kräuselte sich angesichts einer derart unverschämten Bitte, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als - schon um diese unwürdige Aufgabe so rasch wie möglich hinter sich zu bringen - seinem Gouverneur eilfertig und gekonnt die Tasse zu füllen.
»Hat Jura studiert, unser Joe, an der Universität von Sydney«, sagte der Premier stolz. »Sogar mit Auszeichnung. Nicht wahr, mein Sohn?«
»Ja, Sir. Benötigen Sie mich hier noch, Sir?«
»Nein danke. Wenn Sie dafür mal einen Blick auf diese Rechnung werfen könnten, die der Bauminister durchboxen möchte. Sie hat mehr Löcher als ein Paar alte Socken.«
»Sofort, Sir.« Barrett, noch unerfahren im Umgang mit solch hohem Besuch, floh.
»Die im Norden lassen sich auf blutige Auseinandersetzungen ein«, erklärte Herbert dem Gouverneur freundlich, »denn sie siedeln auf Land, das weit außerhalb der Grenzen liegt. Ich selbst stamme aus der Gegend und gönne ihnen durchaus ihre großen Grundstücke. Auch wenn uns dadurch Einkünfte verlorengehen, weil sie sich davor drücken, Pacht zu bezahlen.« Er trank zügig seinen Kaffee aus. »Wir müssen mehr Inspektoren einstellen, weitaus mehr, um dies alles zu überwachen.«
»Das hat Zeit«, winkte der Gouverneur ab. Er stand auf, musterte die Tuschezeichnungen mit Ansichten von Brisbane und rückte einen der Rahmen zurecht. »Hervorragend. Von wem stammen die?«
»Sie werden es nicht glauben.« Herbert grinste. »Von unserem Freund, Mr. Kemp.«
»Was Sie nicht sagen! Sehr talentiert. Schade, dass er sich nicht auf seine künstlerischen Fähigkeiten konzentriert.« Die Zeichnungen schienen Erinnerungen in ihm zu wecken. »Als ich zum ersten Mal hier war, wurde mir der Bericht des Finanzministers vorgelegt.«
»Ach ja.« Herbert lächelte. »Das muss ein Schock gewesen sein. Was hatten wir denn vorzuweisen? Kaum fünf Shilling in der Kasse, um einen neuen Staat zu gründen. Nicht gerade ein vielversprechender Start.« Er seufzte. »Die mageren Tage liegen ja wohl längst hinter uns. Es sei denn, Ihre Bemerkung, dass keine weiteren Inspektoren eingestellt werden können, lässt wirklich nichts Gutes ahnen.«
»Sie sagen es.«
»Dann raus damit! Vergällen Sie mir das Weihnachtsfest.«
»Es geht das Gerücht um - wohlgemerkt, bisher ist es tatsächlich nichts weiter als ein Gerücht dass die Agra und Masterman Bank in London in Schwierigkeiten steckt.«
»Allmächtiger! Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand! Wir wären ruiniert. Wir haben eine Kreditzusage über eine Million Pfund, für den Eisenbahnbau und andere Dinge. Sollten diese Gelder eingefroren werden ... Nicht auszudenken!« Er zog ein großes Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
»Deswegen halte ich es für angebracht, im Augenblick jede weitere Ausgabe einzusparen.«
»Ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Für heute Abend habe ich eine Ausschusssitzung anberaumt, die letzte in diesem Jahr. Ich werde unverzüglich die Zügel anziehen. Und beten.«
Mit Befriedigung nahm der Gutsbesitzer und Abgeordnete von Rockhampton, Fowler Maskey, Anfang Februar zur Kenntnis, dass in Herberts Kabinett Uneinigkeit herrschte. Der jetzt fünfzigjährige Fowler war ein einflussreicher Mann, nicht zuletzt dank des Vermögens, das er von seinem Vater, einem der bedeutendsten Schafzüchter und Großgrundbesitzer von New South Wales, geerbt hatte. Vor seinem Tod hatte John Dunning Maskey im Vertrauen darauf, dass in dem neuen Staat beste Zukunftsaussichten bestanden, in der Gegend von Rockhampton weitere Ländereien erworben.
Fowler hatte seinem Vater rückhaltlos vertraut. Er war mit seiner Familie in den Norden gezogen, hatte sich, ehrgeizig wie er war, ein Haus gebaut und sich als einer der Ersten in der neuen Stadt niedergelassen, obwohl seine Frau Hilda die Hitze im Sommer unerträglich und sein inzwischen zweiundzwanzigjähriger Sohn Leon die provisorische, nicht besonders hübsche Ansiedlung am Fluss grässlich fand. Leons Proteste waren auf taube Ohren gestoßen. Weder verstand er sich aufs Argumentieren, noch konnte man ihm, mangels Interesse für Schafe oder Rinder, die Verwaltung einer der Maskeyschen Ländereien anvertrauen. Er war ein drahtiger, gutaussehender junger Mann mit blondem Haar und den blauen Augen seiner Mutter. Fowler zeigte sich gern mit ihm. Er war gesellig, ein passabler Kricketspieler, wusste mit Karten geschickt umzugehen, und jede Gastgeberin schätzte ihn als Bereicherung ihrer Feste. Sein Vater verglich ihn mit einer umherschwirrenden Biene, die die neuesten Nachrichten, Stimmungen und Entwicklungen auskundschaftete.
Fowlers Gattin Hilda war dafür, dem Sohn mehr Verantwortung zu übertragen. »Was soll denn aus ihm werden, wenn er weiterhin nur seine Zeit vertrödelt?« Fowler kümmerte das nicht. Er hatte nichts mit Dynastien im Sinn, dachte nur an sich und seine ehrgeizigen Ziele. Wenn er einmal nicht mehr da war, orakelte er, würde Leon ein paar Jahre in Saus und Braus leben, so lange eben, bis das Erbe verprasst war.
Als Leon erklärt hatte, er wolle lieber in Brisbane leben, war Fowler einverstanden gewesen. »Aber ja doch. Wo immer du willst, sofern du für dich selbst aufkommst.«
»Das ist nicht fair«, hatte ihm Leon vorgehalten. »In Rockhampton hab' ich nichts weiter zu tun, als deinen Diener zu spielen.«
»Du trägst dazu bei, dass dein Vater Karriere macht«, hatte Fowler geantwortet, »und wenn du ohne mein Einverständnis woanders leben willst, bekommst du nicht einen Penny von mir.«
Leon war geblieben. Nachmittags traf man ihn meist an der Murray-Lagune, in der dort entstandenen Männerbadeanstalt. Die Abende verbrachte er im Criterion Hotel oder im Herrenclub auf der Quay Street, beides vom elterlichen Haus aus zu Fuß gut zu erreichen.
Zu Fowlers Überraschung sagte seiner Tochter Laura die Stadt durchaus zu. Sie liebte das stattliche Haus mit dem schmiedeeisernen Geländer um die vordere Veranda und dem umlaufenden Balkon im oberen Stockwerk. Direkt an der Quay Street gelegen, ermöglichte es zu Hilda Maskeys Leidwesen kein zurückgezogenes Leben, während Laura ganz und gar nichts dagegenhatte, das pulsierende Treiben um sich herum zu spüren. Im Gegensatz zu ihrem Bruder genoss sie es, auf der Veranda zu sitzen und mit den Vorbeikommenden, Freunden oder Fremden, zu plaudern.
Sie war ein eigensinniges junges Mädchen, groß und kerngesund, mit ebenso seidenweichem Blondhaar wie ihr Bruder. Nur war sie ungestümer als er, hin und wieder sogar mehr als ihr guttat, aber sie würde ja sowieso bald heiraten, und dann wäre Fowler diese Sorgen los. Kürzlich hatte sie ihn bestürmt, sie zu den Goldfeldern außerhalb Rockhamptons mitzunehmen, doch sie musste warten, er war zu beschäftigt. Gold. Fowler lächelte. Rockhampton hatte sich über Nacht zu einer Stadt gemausert, dank des Goldrauschs im nahe gelegenen Canoona. In kurzen Zeitabständen war man auf weitere Minen gestoßen. Großartig, dass neben der bereits blühenden Viehwirtschaft auch noch Goldfelder im eigenen Wahlkreis ausfindig gemacht wurden.
Der alte John Maskey hatte zweifelsohne eine kluge Entscheidung getroffen. Für einen Parlamentarier waren die Zukunftsaussichten in Rockhampton mehr als günstig, sofern er seine Trümpfe richtig ausspielte. Und Fowler würde genau das tun. Zu Hilda hatte er gesagt: »Ich erwarte, dass mich meine Familie voll und ganz unterstützt. Wenn ich hier bin, wirst du so viele Einladungen geben wie möglich, und wenn ich mich in Brisbane aufhalte, kannst du wohltätige Verpflichtungen übernehmen. So was macht immer einen guten Eindruck.«
»Was für wohltätige Verpflichtungen?«
»Woher soll ich das wissen? Das ist Frauensache. Und spann Laura mit ein.«
»Laura?«, war Hilda hochgefahren. »Die tut doch sowieso nicht, was ich ihr sage! Die gibt sich nur mit den Pferden ab, ist ständig unterwegs. Deine Schuld. Du lässt ihr völlige Freiheit.«
»Dann beschaff ihr einen Ehemann, das wird sie zur Ruhe bringen.«
Derart lässig tat Fowler solche »Nebensächlichkeiten« ab, um für seine Pläne einen klaren Kopf zu bewahren. Er stand an dem großen Fenster am Ende des Flurs und tat so, als wolle er frische Luft schnappen, tatsächlich lag er aber zwischen der Tür zum Kabinettszimmer und seinem Büro auf der Lauer. Sobald die ehrenwerten Herren auftauchten, wollte er, der kleine Hinterbänkler, sich auf dem Weg in sein eigenes Zimmer unter sie mischen. Premier Herbert war zwar ein Verfechter von Solidarität im Kabinett, aber frisch gewagt ist halb gewonnen, und vielleicht konnte sich Fowler einen Minister schnappen, in dessen Ohren noch Herberts Standpauke nachhallte und der deshalb mit seinen Gedanken ganz woanders war. Fowler war sich sicher, dass Premier Herbert die Zügel entglitten waren und dass es nicht viel bedurfte, ihn aus dem Sattel zu heben.
Und da drängten sie bereits heraus, mit unheilverkündenden, bestürzten Gesichtern. Er gesellte sich zu ihnen, bestrebt, das Stimmengewirr zu entschlüsseln, mit dem die Parlamentarier ihrem Unmut Luft machten. Ein großer Fisch ging ihm ins Netz: der Finanzminister. »Wir unterstützen voll und ganz Raff s Petition, das Werften-Projekt in Brisbane zu fördern, Sir. Ich hoff e, Sie vergessen das nicht.«
»Alles zu seiner Zeit«, schnappte der Finanzminister und eilte an ihm vorbei.
Fowler passte sich dem Schritt des Postministers an. »Mächtig schwül heute, wie?« Und als der Minister lediglich nickte, fuhr Fowler fort: »Vielleicht interessiert es Sie, dass bei mir ganze Säcke voll Beschwerden wegen der Post eingehen.«
»Sie haben doch den Telegraphen, oder nicht?«, knurrte der Postminister, und Fowler grinste in sich hinein. Natürlich hatten sie den bekommen, obwohl sich dieser alte Knabe hier dagegen ausgesprochen hatte. Ein paar lumpige Pfund als Unkostenbeitrag für die Wahlkampagne der Parlamentarier hatten genügt, um die Bewilligung durchzusetzen. »Haben wir, und wir sind Ihnen auch sehr dankbar dafür, aber die Goldgräber können es sich nicht leisten, jedes Mal zu telegraphieren, wenn sie Verbindung mit ihren Lieben daheim aufnehmen wollen. Reichlich aufgebracht sind sie. Ihrer Meinung nach reicht eine Postzustellung alle zwei Wochen bei weitem nicht aus.«
»Wenden Sie sich doch an den Premier«, meinte der Minister, als sie den Treppenabsatz erreichten. Und dann, als sich ihre Wege trennten, rief er ihm noch über die Schulter nach: »Oder Macalister.«
»An wen?«, fragte Fowler verdutzt, aber die Tür des Ministers fiel bereits ins Schloss.
Arthur Macalister war Abgeordneter für Ipswich und zudem Arbeits- und Landwirtschaftsminister. Wieso sollte er sich an ihn wenden? Er war ein Nichts, ein bärbeißiger Haudegen, auf dessen Meinung keiner etwas gab. Fowler jedoch würde mit ihm sprechen, und zwar sofort. Er kramte in seinem Büro herum, bis er zwei Flaschen Whisky gefunden hatte, verstaute sie in einer Tüte und machte Arthur seine Aufwartung.
»Lieber Freund«, sagte er, nicht ohne die hektische Atmosphäre in Macalisters Büro wahrzunehmen, »verzeihen Sie die Störung, aber meine Nachlässigkeit ... Ich hätte Ihnen dies hier schon zu Weihnachten vorbeibringen sollen, eine kleine Aufmerksamkeit meiner Wähler, aber ich bin nicht dazugekommen. Das Ausbaggern des Fitzroy River geht dank Ihrer tatkräftigen Unterstützung zügig voran.«
»Guter Mann«, sagte Macalister und verstaute den Whisky zwischen Landkarten in einem prallvollen Schrank, ohne Fowler auch nur einen Tropfen anzubieten. »Nehmen Sie Platz, Maskey, ich wollte sowieso mit Ihnen sprechen.«
Eine Messingblumenschale auf einem Sockel hinter seinem Gastgeber reflektierte Fowlers frisches, blühendes Gesicht, das ein breites Grinsen zeigte. Er konnte nur hoff en, dass es von der Zerrspiegelung kam. Wenn es Ärger gab, durfte er keine Schadenfreude zeigen. Er kniff die wulstigen Lippen zusammen, um jeden falschen Eindruck zu vermeiden.
Arthur war Vertreter einer aufmüpfigen Meute von Kohlebergarbeitern. Er konnte seine Erregung nur schwer unterdrücken, und an seinem rechten Auge, oberhalb des buschigen Barts, zuckte es nervös. »Man will ihm das Genick brechen!«, hechelte er.
Das Genick brechen! Großer Gott! Fowlers Gedanken überstürzten sich. Wie sicherlich alle anderen Politiker in diesem Gebäude auch, überlegte er, ob er sich um die Nachfolge bewerben sollte. Mit wem konnte er rechnen? Ob sich der eine oder andere Gunstbeweis jetzt auszahlte? Premier von Queensland werden, der mächtigste Mann im Staat! Dass er einen eigenen Staat im Norden, mit Rockhampton als Hauptstadt und natürlich ihm als Premier, angestrebt hatte, war unwichtig geworden. Sollten die Separatisten doch sehen, wo sie blieben! Dies hier war weitaus lohnender. Beinahe hätte er aufgelacht. Sollte er gewinnen, würde der Staat intakt bleiben, er würde die Spaltung verhindern.
»Menschenskind, haben Sie mich verstanden?«
»Ja. Ich habe es kommen sehen. Herbert ist nicht sehr beliebt, dennoch überrascht es mich.« Es sah ganz danach aus, als könne er sich Macalisters Unterstützung sicher sein, und zudem konnte ihm der Schotte die eine oder andere Stimme im Süden zuschanzen.
»Nicht sehr beliebt? Das ist noch untertrieben. Der Mann ist wahnsinnig. Wenn wir auf ihn hören, werden wir alle unseren Sitz verlieren. Er versteift sich darauf, an allen öffentlichen Baumaßnahmen den Rotstift anzusetzen und höhere Steuern und Abgaben einzuführen.«
»Was Sie nicht sagen.« Jeder wusste, dass Herberts Pfennigfuchserei nicht auf Begeisterung stieß, aber dies ging zu weit.
»Wenn Sie mich fragen«, fuhr Macalister fort, »müssen wir ihm das Handwerk legen. Sind Sie auch dafür?«
»Muss ich wohl«, entgegnete Fowler. »Die Zukunft des Staates ist wichtiger als ein einzelner Mann, der noch dazu nichts von Finanzen versteht. Das habe ich schon immer gesagt. Wir brauchen an der Spitze einen Mann, der sich darüber im Klaren ist, dass die wirtschaftliche Situation in Queensland davon abhängt, ob das Gleichgewicht zwischen Investition und Expansion gefunden werden kann. Wenn er jetzt einen Rückzieher macht, waren alle bisherigen Anstrengungen vergebens.«
»Ganz meine Meinung. Sollte ich gewählt werden, wird genau nach diesem Rezept verfahren.«
»Wie?«, fuhr Fowler hoch. »Sie bewerben sich um das Amt?«
»Gewiss doch, und ich bitte Sie um Ihre Unterstützung. Wenn man bedenkt, was für taube Nüsse einige meiner Kollegen sind, kann ich nur sagen, es war ein Fehler von Herbert, Sie bei der Kabinettsbildung zu übergehen. Sie können sich drauf verlassen, dass mir dieser Fehler nicht unterläuft.«
Das schlug doch dem Fass den Boden aus! Fowler glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Mit Speck fängt man Mäuse - der älteste Trick der Welt. Macalister Premier? Grotesk!
...
Übersetzung: Veronika Cordes und Susanne Dickerhof-Kranz
© 2012 Knaur Paperback. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Patricia Shaw
Shaw, PatriciaPatricia Shaw wurde 1929 in Melbourne geboren und lebt heute in Queensland an der Goldküste Australiens. Über viele Jahre leitete sie das Archiv für "Oral History" in Queensland und schrieb zwei Sachbücher über die Erschließung Australiens. Erst mit 52 Jahren entschied sie sich ganz für das freie Schriftstellerleben und hat seither 19 Romane veröffentlicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Patricia Shaw
- 2012, 652 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Cordes, Veronika; Dickerhof-Kranz, Susanne
- Übersetzer: Veronika Cordes, Susanne Dickerhof-Kranz
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426213583
- ISBN-13: 9783426213582
- Erscheinungsdatum: 20.08.2012
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