Tante Inge haut ab
Roman. Originalausgabe
Endlich Urlaub auf Sylt. Denkt Christine. Doch alles kommt anders. Als Christine ihren Johann auf Sylt vom Bahnhof abholt, trifft sie fast der Schlag. Was will denn Tante Inge, die Schwester ihres Vaters, hier? Noch dazu mit all dem Gepäck? Na, das...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Tante Inge haut ab “
Endlich Urlaub auf Sylt. Denkt Christine. Doch alles kommt anders. Als Christine ihren Johann auf Sylt vom Bahnhof abholt, trifft sie fast der Schlag. Was will denn Tante Inge, die Schwester ihres Vaters, hier? Noch dazu mit all dem Gepäck? Na, das kann was werden. Christine befürchtet schon das Schlimmste. Doch trotzdem wird sie bald von Inges Lebenslust angesteckt.
Klappentext zu „Tante Inge haut ab “
Für einen Neuanfang ist man nie zu alt. Die Frau am Ende des Bahnsteigs trug einen roten Hut und sah aus wie meine Tante Inge. Nur dass die niemals Hüte und schon gar nicht ihr Gepäck tragen würde.
Urlaub auf Sylt! Freudig begrüßt Christine (46) am Bahnhof ihren Johann, da tippt das Unheil ihr auf die Schulter: Die Frau mit dem roten Hut ist tatsächlich Tante Inge (64), Papas jüngere Schwester. Aber was macht sie allein auf Sylt? Noch dazu mit so vielen Koffern? Für Papa Heinz kann dies nur eines bedeuten: Inge will Walter, den pensionierten Finanzbeamten, samt gemeinsamem Reihenhaus verlassen. Als dann auch noch Inges neue Freundin Renate mit ihrem Faible für (nicht nur alleinstehende) ältere Männer auftaucht, platzt Mama Charlotte der Kragen: Walter muss her, und zwar sofort!
Christine indessen stimmt Inges Lebenslust nachdenklich. Mit Mitte 60 wagt ihre Patentante einen Neuanfang - und sie selbst?
Lese-Probe zu „Tante Inge haut ab “
Tante Inge haut ab von Dora HeldtDie Frau am Ende des Bahnsteigs trug einen roten
Hut und sah aus wie Tante Inge. Nur dass die nie
Hüte und nur im äußersten Notfall ihr Gepäck
tragen würde. Christine kniff die Augen zusammen, um sie
besser sehen zu können. Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend.
Aber es konnte nicht sein. Schließlich stand sie hier
in Westerland.
Christine verlor die Frau aus dem Blick und konzentrierte
sich auf die Zugtüren. In einer von ihnen würde er auftauchen,
Johann, der wunderbarste Mann überhaupt. Sie hatten sich in
letzter Zeit viel zu selten gesehen. Aber heutewar der erste Tag
ihres gemeinsamen Urlaubs. ZweiWochen Sylt im Mai, es war
einfach grandios. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Immer
mehr Menschen bevölkerten den Bahnsteig, der Zug musste
brechend voll gewesen sein. Endlich sah sie ihn. Er stieg aus
einem der hinterenWagen. Christine versuchte, ihm entgegenzulaufen.
Die Menschenmassen machten das Vorhaben fast
unmöglich, zumal Johann aus irgendeinem Grund stehen geblieben
war. Christine hatte ihn fast erreicht, als sie sah, dass
sich der Strom um ein Hindernis teilte. Mitten auf dem Bahnsteig
stand ein voll beladener Gepäckwagen. Die Frau mit dem
roten Hut saß darauf und ignorierte die Flüche und irritierten
Gesichter derjenigen, die plötzlich ausweichen mussten oder
gleich dagegengerannt waren. Sie lächelte einfach alles weg.
Johann rieb sich schmerzverzerrt das Schienbein. Christine
hatte nur Augen für ihn, kam endlich bei ihm an, fasste nach
seiner Schulter, er drehte sich um, sie sah sein Lächeln, fühlte
plötzlich seine Hände und Arme, roch sein Rasierwasser und
schloss die Augen beim Kuss. Die Welt versank, das Leben
war großartig.
Bis sich jemand hinter ihr räusperte. Und eine Stimme, die
wie Tante Inge klang, sagte:
... mehr
»Na? Ist das dein neuer Freund?«
Christine zuckte zusammen, löste sich von Johann und sah
die Frau auf dem Gepäckwagen an. Es war Tante Inge. Nur
mit Hut. Und ohne Onkel Walter. Aber bestens gelaunt und
mit sehr viel Gepäck. Sie legte den Kopf schief und musterte
den verblüfften Johann.
»Sehen Sie, man sollte immer so freundlich wie möglich pöbeln,
man weiß nie, wen man vor sich hat. Ich bin Christines
Patentante. Ich halte den Westerländer Bahnhof zwar nicht
für den idealen Ort, um sich kennenzulernen, aber bitte. Seid
ihr nicht etwas zu alt, um hier öffentlich zu knutschen? Na ja,
müsst ihr wissen.« Sie drehte sich wieder zum Gepäckwagen.
»Habt ihr eine Ahnung, wie man dieses Monstrum in Bewegung
setzt?«
Johann reagierte endlich. »Sie müssen den Griff drücken,
sonst bremst er. Ich habe auch nicht gepöbelt, das war ein
Schmerzensschrei. Kommen Sie, ich schiebe den Wagen, wo
wollen Sie denn hin?«
Christine starrte ihre Tante noch immer an. Sie war dünner
geworden, trug einen engen Rock, eine helle Bluse und
einen vermutlich teuren Mantel. Die Handtasche passte zum
Hut. Inge wirkte irgendwie verändert. Sie nahm die Handtasche
vom Wagen.
»Ach, so einfach? Na, dann mal los. Was ist? Kommst du,
Christine?«
Christine musste zweimal tief Luft holen, bevor sie sprechen
konnte. »Was machst du denn hier? Papa hat gar nicht
erzählt, dass du kommst. Sonst hätten wir uns doch gar nicht
in der Dachwohnung einquartiert. Das ist viel zu eng, zu dritt.
Und wo ist Onkel Walter?«
Tante Inge lächelte ihre Nichte an. »Reg dich nicht auf. Ich
schlafe nicht bei euch auf der Ritze, ich habe mir bei Petra eine
Ferienwohnung gemietet. Mein Bruder weiß gar nicht, dass
ich komme. Und OnkelWalter ist zu Hause,wo sonst. Ich habe
aber nicht die geringste Lust, über ihn zu sprechen. Ich denke,
es ist an der Zeit, mein Leben zu verändern. Und jetzt kommt,
ihr könnt mich zu Petra fahren, diese Taxipreise finde ich sowieso
übertrieben.«
Sie rückte den ungewohnten Hut zurecht, sie hatte ihn viel
zu tief ins Gesicht gezogen, und ging mit schnellen Schritten
zum Ausgang.
Christine sah ihr mit offenem Mund hinterher, während Johann
seine Reisetasche schulterte und sich mit dem voll beladenen
Gepäckwagen in Bewegung setzte.
Sie hatte Tante Inge vor einem knappen Jahr das letzte Mal gesehen,
bei einem Familienfest in Dortmund, als Onkel Walter
seinen 65. Geburtstag gefeiert hatte. Das Lokal hieß »Eichenhof
«, es gab gemischten Braten mit Gemüseplatte und Kroketten,
hinterher Schnaps, und alles war in Ordnung. Bis auf die
Tatsache, dass Tante Inge in ihrer Rede sagte, dass sie Walters
Rentnerdasein in die Gefahr bringen würde, ihn irgendwann
einmal auf dem Sofa zu erschlagen. Es sei denn, er suche sich
endlich ein vernünftiges Hobby. Und damit wären nicht die
Bundesliga und seine Kegelrunde gemeint, das reiche ihr nicht
aus. Onkel Walter guckte zwar etwas beleidigt, doch keiner
hatte es ernst genommen. Tante Inge war noch nie diplomatisch
gewesen.
Christine hatte für einen kurzen Moment das Bild des erschlagenen
Walters auf dem blutgetränkten Sofa vor Augen,
zwang sich aber sofort, es wegzublinzeln und stattdessen Tante
Inge anzusehen, die neben dem Auto stand und beobachtete,
wie Johann ihre Gepäckstücke im Kofferraum verstaute.
»Was heißt, es ist an der Zeit, dein Leben zu verändern?Was
ist denn mit Onkel Walter?«
»Hm?« Ihre Tante betrachtete konzentriert Johanns Packkünste.
»Wenn Sie die rote Tasche längs legen, geht es vielleicht
besser. Oder erst den großen Koffer und dann die Tasche.«
»Ich habe gefragt, was mit Onkel Walter ist.«
»Ich sagte es doch bereits, ich will nicht darüber reden. So,
na bitte, geht doch. Jetzt den Deckel zu und ab. Ihr könnt
mich direkt zu Petra nach Kampen fahren, keine Umwege bitte,
ich muss ganz dringend zur Toilette.«
Johann schlug den Kofferraumdeckel mit Schwung zu und
wischte sich über die Stirn. »Wollen Sie vielleicht hier noch
mal …? Also, wir haben ja Zeit.«
»Nein, schönen Dank.« Inge setzte sich auf den Beifahrersitz
und knöpfte ihren Mantel auf. »Ich gehe nicht auf fremde
Toiletten. Man weiß ja nie … Können wir jetzt fahren?«
Christine sah Johann fragend an, er nickte und stieg hinten
ein. Mit einem Blick auf die vier fast fünf Meter hohen Skulpturen
auf dem Bahnhofsvorplatz öffnete Christine die Fahrertür.
»Reisende Riesen im Wind« hieß dieses Kunstwerk, vier
grüne Gestalten, die sich gegen den Wind stemmten. Hoffentlich
war das kein schlechtes Omen.
Während sie an der Post vorbeifuhren und in den Bahnweg
bogen, drehte sich Inge um und musterte Johann nachdenklich.
Dann lächelte sie freundlich.
»Sie sind also Johann. Wohnen Sie noch in Bremen, oder
haben Sie sich schon bei Christine eingenistet?«
Johann suchte Christines Blick im Rückspiegel. Sie nickte
ihm beruhigend zu.
»Ich wohne in Bremen, ich habe da meinen Job. Es war nie
die Rede davon, mich bei Christine einzunisten.«
Tante Inge sah wieder auf die Straße. »Dann ist ja gut.
Christine hat da nämlich ein Händchen für, sie sucht sich gern
Männer aus, die sie durchbringen muss.«
»Tante Inge!«
Sie lächelte. »Komm, du bist schon mal geschieden. Und
jetzt kannst du dein Geld allein ausgeben. Das geht überhaupt
nicht gegen Sie, Johann, verstehen Sie das bloß nicht falsch,
Sie sind mir ja ganz sympathisch. Ich halte nur nichts davon,
sich in so jungen Jahren zu binden. Wer weiß, was noch alles
passiert.«
Johann antwortete sehr höflich. »Ich bin 48. Und Christine
ist zwei Jahre jünger. So jung sind die Jahre ja nun auch nicht
mehr.«
»Stimmt.« Tante Inge nickte. »Ich vergesse das immer. Meine
Güte, Christine, 46 bist du schon?«
Christine hielt vor einer roten Ampel. Tante Inge deutete
nach links.
»Du musst hier abbiegen, List, Kampen, Wenningstedt.
Hast du gesehen, oder?«
»Tante Inge …«, die Ampel schaltete auf Grün, Christine
bog links ab, »darf ich dich daran erinnern, dass ich mich auf
der Insel auskenne? Guck mal, Johann, dort drüben ist der
Flughafen und dahinter der Marine-Golfplatz.«
»Ah ja.« Johann blickte zum Heckfenster hinaus. Tante
Inge beobachtete ihn dabei. »Falls Sie einen Golfplatz sehen
wollen, müssen Sie sich den Hals nicht so verrenken. Da
kommt gleich noch einer. Der Golfclub Sylt. Sagen Sie bloß,
Sie spielen Golf? So alt sind Sie doch noch gar nicht. Oder machen
Sie dabei windige Geschäfte?«
Christine stöhnte leise auf. »Tante Inge, bitte!«
Inge klappte die Sonnenblende runter und kontrollierte ihre
Frisur. »Wie auch immer. Jedenfalls gibt es hier genug Golfplätze.
Vier insgesamt. Da können Sie sich richtig austoben.«
Johann blieb gelassen. »Ich spiele kein Golf. Ich jogge.«
»Macht ja nichts«, antwortete Inge.
Mittlerweile hatten sie Kampen erreicht. Christine fuhr auf
der Hauptstraße, vorbei an hübschen Reetdachhäusern, und
bog in den Braderuper Weg ein. Sie sah ihre Tante an, die versonnen
aus dem Fenster guckte.
Originalausgabe Mai 2009
(c) 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG,
München
Christine zuckte zusammen, löste sich von Johann und sah
die Frau auf dem Gepäckwagen an. Es war Tante Inge. Nur
mit Hut. Und ohne Onkel Walter. Aber bestens gelaunt und
mit sehr viel Gepäck. Sie legte den Kopf schief und musterte
den verblüfften Johann.
»Sehen Sie, man sollte immer so freundlich wie möglich pöbeln,
man weiß nie, wen man vor sich hat. Ich bin Christines
Patentante. Ich halte den Westerländer Bahnhof zwar nicht
für den idealen Ort, um sich kennenzulernen, aber bitte. Seid
ihr nicht etwas zu alt, um hier öffentlich zu knutschen? Na ja,
müsst ihr wissen.« Sie drehte sich wieder zum Gepäckwagen.
»Habt ihr eine Ahnung, wie man dieses Monstrum in Bewegung
setzt?«
Johann reagierte endlich. »Sie müssen den Griff drücken,
sonst bremst er. Ich habe auch nicht gepöbelt, das war ein
Schmerzensschrei. Kommen Sie, ich schiebe den Wagen, wo
wollen Sie denn hin?«
Christine starrte ihre Tante noch immer an. Sie war dünner
geworden, trug einen engen Rock, eine helle Bluse und
einen vermutlich teuren Mantel. Die Handtasche passte zum
Hut. Inge wirkte irgendwie verändert. Sie nahm die Handtasche
vom Wagen.
»Ach, so einfach? Na, dann mal los. Was ist? Kommst du,
Christine?«
Christine musste zweimal tief Luft holen, bevor sie sprechen
konnte. »Was machst du denn hier? Papa hat gar nicht
erzählt, dass du kommst. Sonst hätten wir uns doch gar nicht
in der Dachwohnung einquartiert. Das ist viel zu eng, zu dritt.
Und wo ist Onkel Walter?«
Tante Inge lächelte ihre Nichte an. »Reg dich nicht auf. Ich
schlafe nicht bei euch auf der Ritze, ich habe mir bei Petra eine
Ferienwohnung gemietet. Mein Bruder weiß gar nicht, dass
ich komme. Und OnkelWalter ist zu Hause,wo sonst. Ich habe
aber nicht die geringste Lust, über ihn zu sprechen. Ich denke,
es ist an der Zeit, mein Leben zu verändern. Und jetzt kommt,
ihr könnt mich zu Petra fahren, diese Taxipreise finde ich sowieso
übertrieben.«
Sie rückte den ungewohnten Hut zurecht, sie hatte ihn viel
zu tief ins Gesicht gezogen, und ging mit schnellen Schritten
zum Ausgang.
Christine sah ihr mit offenem Mund hinterher, während Johann
seine Reisetasche schulterte und sich mit dem voll beladenen
Gepäckwagen in Bewegung setzte.
Sie hatte Tante Inge vor einem knappen Jahr das letzte Mal gesehen,
bei einem Familienfest in Dortmund, als Onkel Walter
seinen 65. Geburtstag gefeiert hatte. Das Lokal hieß »Eichenhof
«, es gab gemischten Braten mit Gemüseplatte und Kroketten,
hinterher Schnaps, und alles war in Ordnung. Bis auf die
Tatsache, dass Tante Inge in ihrer Rede sagte, dass sie Walters
Rentnerdasein in die Gefahr bringen würde, ihn irgendwann
einmal auf dem Sofa zu erschlagen. Es sei denn, er suche sich
endlich ein vernünftiges Hobby. Und damit wären nicht die
Bundesliga und seine Kegelrunde gemeint, das reiche ihr nicht
aus. Onkel Walter guckte zwar etwas beleidigt, doch keiner
hatte es ernst genommen. Tante Inge war noch nie diplomatisch
gewesen.
Christine hatte für einen kurzen Moment das Bild des erschlagenen
Walters auf dem blutgetränkten Sofa vor Augen,
zwang sich aber sofort, es wegzublinzeln und stattdessen Tante
Inge anzusehen, die neben dem Auto stand und beobachtete,
wie Johann ihre Gepäckstücke im Kofferraum verstaute.
»Was heißt, es ist an der Zeit, dein Leben zu verändern?Was
ist denn mit Onkel Walter?«
»Hm?« Ihre Tante betrachtete konzentriert Johanns Packkünste.
»Wenn Sie die rote Tasche längs legen, geht es vielleicht
besser. Oder erst den großen Koffer und dann die Tasche.«
»Ich habe gefragt, was mit Onkel Walter ist.«
»Ich sagte es doch bereits, ich will nicht darüber reden. So,
na bitte, geht doch. Jetzt den Deckel zu und ab. Ihr könnt
mich direkt zu Petra nach Kampen fahren, keine Umwege bitte,
ich muss ganz dringend zur Toilette.«
Johann schlug den Kofferraumdeckel mit Schwung zu und
wischte sich über die Stirn. »Wollen Sie vielleicht hier noch
mal …? Also, wir haben ja Zeit.«
»Nein, schönen Dank.« Inge setzte sich auf den Beifahrersitz
und knöpfte ihren Mantel auf. »Ich gehe nicht auf fremde
Toiletten. Man weiß ja nie … Können wir jetzt fahren?«
Christine sah Johann fragend an, er nickte und stieg hinten
ein. Mit einem Blick auf die vier fast fünf Meter hohen Skulpturen
auf dem Bahnhofsvorplatz öffnete Christine die Fahrertür.
»Reisende Riesen im Wind« hieß dieses Kunstwerk, vier
grüne Gestalten, die sich gegen den Wind stemmten. Hoffentlich
war das kein schlechtes Omen.
Während sie an der Post vorbeifuhren und in den Bahnweg
bogen, drehte sich Inge um und musterte Johann nachdenklich.
Dann lächelte sie freundlich.
»Sie sind also Johann. Wohnen Sie noch in Bremen, oder
haben Sie sich schon bei Christine eingenistet?«
Johann suchte Christines Blick im Rückspiegel. Sie nickte
ihm beruhigend zu.
»Ich wohne in Bremen, ich habe da meinen Job. Es war nie
die Rede davon, mich bei Christine einzunisten.«
Tante Inge sah wieder auf die Straße. »Dann ist ja gut.
Christine hat da nämlich ein Händchen für, sie sucht sich gern
Männer aus, die sie durchbringen muss.«
»Tante Inge!«
Sie lächelte. »Komm, du bist schon mal geschieden. Und
jetzt kannst du dein Geld allein ausgeben. Das geht überhaupt
nicht gegen Sie, Johann, verstehen Sie das bloß nicht falsch,
Sie sind mir ja ganz sympathisch. Ich halte nur nichts davon,
sich in so jungen Jahren zu binden. Wer weiß, was noch alles
passiert.«
Johann antwortete sehr höflich. »Ich bin 48. Und Christine
ist zwei Jahre jünger. So jung sind die Jahre ja nun auch nicht
mehr.«
»Stimmt.« Tante Inge nickte. »Ich vergesse das immer. Meine
Güte, Christine, 46 bist du schon?«
Christine hielt vor einer roten Ampel. Tante Inge deutete
nach links.
»Du musst hier abbiegen, List, Kampen, Wenningstedt.
Hast du gesehen, oder?«
»Tante Inge …«, die Ampel schaltete auf Grün, Christine
bog links ab, »darf ich dich daran erinnern, dass ich mich auf
der Insel auskenne? Guck mal, Johann, dort drüben ist der
Flughafen und dahinter der Marine-Golfplatz.«
»Ah ja.« Johann blickte zum Heckfenster hinaus. Tante
Inge beobachtete ihn dabei. »Falls Sie einen Golfplatz sehen
wollen, müssen Sie sich den Hals nicht so verrenken. Da
kommt gleich noch einer. Der Golfclub Sylt. Sagen Sie bloß,
Sie spielen Golf? So alt sind Sie doch noch gar nicht. Oder machen
Sie dabei windige Geschäfte?«
Christine stöhnte leise auf. »Tante Inge, bitte!«
Inge klappte die Sonnenblende runter und kontrollierte ihre
Frisur. »Wie auch immer. Jedenfalls gibt es hier genug Golfplätze.
Vier insgesamt. Da können Sie sich richtig austoben.«
Johann blieb gelassen. »Ich spiele kein Golf. Ich jogge.«
»Macht ja nichts«, antwortete Inge.
Mittlerweile hatten sie Kampen erreicht. Christine fuhr auf
der Hauptstraße, vorbei an hübschen Reetdachhäusern, und
bog in den Braderuper Weg ein. Sie sah ihre Tante an, die versonnen
aus dem Fenster guckte.
Originalausgabe Mai 2009
(c) 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG,
München
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Autoren-Porträt von Dora Heldt
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, hat sich mit ihren Romanen und Krimis auf die Spitzenplätze der Bestsellerlisten und in die Herzen von Millionen von Leserinnen und Lesern geschrieben. Wie kaum eine andere Autorin in Deutschland kennt sie den Buchmarkt von allen Seiten: Die gelernte Buchhändlerin war über 30 Jahre lang Verlagsvertreterin für einen großen Publikumsverlag. Neben humorvollen Familien- und Frauenromanen (u.a. 'Urlaub mit Papa', 'Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt' oder 'Drei Frauen am See', 'Drei Frauen, vier Leben') begeistert sie ihr Publikum mit lustig-skurrilen Sylt-Krimis, Erzählungen und Kolumnen. Die Liebe zu ihrer norddeutschen Heimat ebenso wie die zu den Menschen dort fängt Dora Heldt auf unnachahmliche Weise in all ihren Büchern ein.
Bibliographische Angaben
- Autor: Dora Heldt
- 2009, 9. Aufl., 340 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423247231
- ISBN-13: 9783423247238
- Erscheinungsdatum: 23.04.2009
Rezension zu „Tante Inge haut ab “
»Humorvolle und leichte Lektüre für sonnige Frühlingstage.« Kölner Illustrierte Nr. 5/ 2010
Pressezitat
Dora Heldt schreibt über das, was Frauen bewegt und worüber sie schmunzeln. Roger Lindhorst NDR 1 Niedersachsen 20170903
Kommentar zu "Tante Inge haut ab"