Um Leben und Tod
Wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten? - Der Fall Jakob von Metzler - Protokoll eines Verbrechens
Ein Ermittler trifft die schwerste Entscheidung seines Lebens
Ein Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach tagelangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes...
Ein Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach tagelangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes...
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Produktinformationen zu „Um Leben und Tod “
Ein Ermittler trifft die schwerste Entscheidung seines Lebens
Ein Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach tagelangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes fürchten, drohen ihm schließlich Gewalt an, sollte er nicht endlich das Versteck preisgeben. Sie haben zwischen dem Recht des Opfers auf Leben und dem Recht des Täters auf körperliche Unversehrtheit abgewägt - und entschieden. Doch wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?
Noch nie hat es einen Fall wie diesen gegeben: Nach tagelangen Vernehmungen hatte Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit auf Weisung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner dem Entführer des elfjährigen Jakob von Metzler die »Zufügung von Schmerzen« angedroht, falls er nicht endlich das Versteck des Kindes verrate. Zur tatsächlichen Anwendung von Gewalt kam es nicht, die Drohung genügte. Doch die Hoffnung, den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen und Jakobs Leben zu retten, erfüllte sich nicht: Magnus Gäfgen hatte den Jungen bereits unmittelbar nach der Entführung getötet. In der Folge entbrannte eine beispiellose rechtspolitische Diskussion über »Folter«: In wahren Leserbrieffluten wurden die Ermittler als Helden gefeiert, während sie sich vor Gericht wegen Verletzung der Menschenwürde verantworten mussten.
Zum ersten Mal erzählt der Ermittler Ortwin Ennigkeit von der schwersten Entscheidung seines Lebens: Was wiegt schwerer? Die Menschenwürde des Tatverdächtigen oder die Menschenwürde des entführten Kindes?
Ein Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach tagelangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes fürchten, drohen ihm schließlich Gewalt an, sollte er nicht endlich das Versteck preisgeben. Sie haben zwischen dem Recht des Opfers auf Leben und dem Recht des Täters auf körperliche Unversehrtheit abgewägt - und entschieden. Doch wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?
Noch nie hat es einen Fall wie diesen gegeben: Nach tagelangen Vernehmungen hatte Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit auf Weisung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner dem Entführer des elfjährigen Jakob von Metzler die »Zufügung von Schmerzen« angedroht, falls er nicht endlich das Versteck des Kindes verrate. Zur tatsächlichen Anwendung von Gewalt kam es nicht, die Drohung genügte. Doch die Hoffnung, den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen und Jakobs Leben zu retten, erfüllte sich nicht: Magnus Gäfgen hatte den Jungen bereits unmittelbar nach der Entführung getötet. In der Folge entbrannte eine beispiellose rechtspolitische Diskussion über »Folter«: In wahren Leserbrieffluten wurden die Ermittler als Helden gefeiert, während sie sich vor Gericht wegen Verletzung der Menschenwürde verantworten mussten.
Zum ersten Mal erzählt der Ermittler Ortwin Ennigkeit von der schwersten Entscheidung seines Lebens: Was wiegt schwerer? Die Menschenwürde des Tatverdächtigen oder die Menschenwürde des entführten Kindes?
Klappentext zu „Um Leben und Tod “
Ein Ermittler trifft die schwerste Entscheidung seines LebensEin Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach tagelangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes fürchten, drohen ihm schließlich Gewalt an, sollte er nicht endlich das Versteck preisgeben. Sie haben zwischen dem Recht des Opfers auf Leben und dem Recht des Täters auf körperliche Unversehrtheit abgewägt - und entschieden. Doch wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?
Noch nie hat es einen Fall wie diesen gegeben: Nach tagelangen Vernehmungen hatte Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit auf Weisung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner dem Entführer des elfjährigen Jakob von Metzler die »Zufügung von Schmerzen« angedroht, falls er nicht endlich das Versteck des Kindes verrate. Zur tatsächlichen Anwendung von Gewalt kam es nicht, die Drohung genügte. Doch die Hoffnung, den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen und Jakobs Leben zu retten, erfüllte sich nicht: Magnus Gäfgen hatte den Jungen bereits unmittelbar nach der Entführung getötet. In der Folge entbrannte eine beispiellose rechtspolitische Diskussion über »Folter«: In wahren Leserbrieffluten wurden die Ermittler als Helden gefeiert, während sie sich vor Gericht wegen Verletzung der Menschenwürde verantworten mussten.
Zum ersten Mal erzählt der Ermittler Ortwin Ennigkeit von der schwersten Entscheidung seines Lebens: Was wiegt schwerer? Die Menschenwürde des Tatverdächtigen oder die Menschenwürde des entführten Kindes?
Lese-Probe zu „Um Leben und Tod “
Um Leben und Tod von Ortwin Ennigkeit & Barbara HöhnProlog
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Der elfjährige Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler ist am 27. September 2002 entführt und ermordet worden. Magnus Gäfgen hat auf Nachfragen der Polizei nach Jakobs Verbleib geschwiegen oder gelogen. Erst nach einer Befragung durch mich hat Gäfgen mitgeteilt, wo wir Jakob schließlich - zu unserem Entsetzen nur noch tot - finden würden. Über diese Befragung, durch die wir ausschließlich den Aufenthaltsort des womöglich noch lebendigen Jakob erfahren wollten, wurden viele Unwahrheiten in die Welt gesetzt. Gäfgen hat es zusammen mit seinen Anwälten geschafft , seine Vernehmung durch mich als »Folter« zu etikettieren und sich auf diesem Nebenschauplatz vom Täter zum Opfer hochzustilisieren. Sein durchsichtiges Bemühen, den damaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und mich auf diese Weise zu »Tätern« und Angeklagten zu machen, hatte Erfolg. Der Prozess gegen Daschner und mich schleppte sich hin bis zum Ende des Jahres 2004. Am 21. Dezember 2004 wurden wir schließlich in Form einer Verwarnung mit Strafvorbehalt verurteilt. Schon damals beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, ein Buch über das gesamte Geschehen zu schreiben. Dafür hatte ich zwei entscheidende Gründe:
Am Ende der Hauptverhandlung wurde deutlich, dass ein »politisches Urteil« über uns gefällt wurde, in einem Prozess, in den die Gräueltaten der nationalsozialistischen deutschen Vergangenheit miteinbezogen wurden. Dass es sich hier um ein politisches Urteil gehandelt hat und die Verurteilung falsch gewesen ist, stellt nur meine eigene, persönliche Meinung und nicht die der Behörde bzw. des Landes Hessen dar. Bestimmte Sachverhalte, die zu unserer Entlastung enorm wichtig gewesen wären, nämlich die Frage, ob es überhaupt noch Alternativen zur letzten, nunmehr so umstrittenen Befragung Gäfgens gegeben hätte, wurden deshalb nur unvollständig oder überhaupt nicht erörtert. Darum wollte ich die über den Fall Gäfgen hinausreichende Problematik - Wie weit darf und muss man gehen, um das Leben eines Menschen zu retten? - weiter diskutieren und möglicherweise zu einem Ergebnis kommen. Mit dem Ziel vor Augen, eine Handlungssicherheit für mögliche zukünftige ähnliche Situationen zu erreichen. Es sollte geklärt werden, ob in unserer Rechtsordnung in extremen Ausnahmefällen wie dem vorliegenden die Menschenwürde des Opfers geringer bewertet werden darf als die des Täters und ob das Wohlbefinden eines Verbrechers Vorrang haben soll vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit seines Opfers.
Es war für mich selbstverständlich, dass ich nur schreiben würde, wenn die Familie des Opfers damit einverstanden wäre. Ich wollte ihr auf keinen Fall zusätzliche Schmerzen zufügen, indem ich alte, schwer heilende Wunden aufriss. Der Vater Friedrich von Metzler hatte jedoch Verständnis für mein Anliegen. Auch vertraute Kollegen, Juristen, Gewerkschaftler und nicht zuletzt meine Familie bestärkten mich in meiner Absicht. Nach der Urteilsverkündung dauerte es allerdings eine Weile, bis ich mich halbwegs von dem Geschehen erholt hatte. Immer wieder setzte ich mich hin, um mit dem Schreiben anzufangen; aber die Gedanken an das Erlebte belasteten mich noch zu sehr und so schob ich es hinaus. Ich musste erst den nötigen Abstand gewinnen. Am Rande bekam ich mit, dass Gäfgen Ende 2005 Prozesskostenhilfe beantragt hatte, um einen Zivilprozess gegen das Land Hessen zu führen; er wollte auf diese Art und Weise Schmerzensgeld und Schadenersatz für die angeblich erlittene Folter erhalten. Im Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht trotz erheblicher Zweifel an dessen Erfolgsaussicht, dass Gäfgen für das Amtshaftungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Nur so sei es möglich, die schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen des Hauptverfahrens nicht schon im dafür nicht geeigneten Kostenverfahren vorab zu entscheiden. Gäfgen und sein erster Anwalt Endres hatten in Teilen der öffentlichen Wahrnehmung aus einem Kindsmörder ein Folteropfer gemacht, und er und sein neuer Anwalt Heuchemer hatten
das politische Urteil gegen Daschner und mich prozessual geschickt benutzt, um vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten mit dem Vorwurf, dass sie die Folter erlaubt hätte. Gäfgen wäre dadurch das Recht auf ein faires Verfahren verweigert worden, weil er zu seinem Geständnis erpresst worden wäre, so argumentierten sie.
Über die Beschwerde selbst entschied der EGMR. Dem Tenor nach wurde festgestellt, dass Gäfgen nicht geltend machen könne, Opfer einer Verletzung von Artikel (Art). 3 der Menschenrechtskonvention, dem Verbot der Folter, zu sein. Gegen diesen Beschluss hat Gäfgen um Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nachgesucht. Die mündliche Verhandlung hierüber hat am 18. März 2009 stattgefunden, und das Verfahren endete mit einem für Juristen typischen Kompromiss. Der EGMR hat am 1. Juni 2010 - zwar meines Erachtens unter völliger Verkennung der Fakten - entschieden, dass Gäfgen »unmenschlicher Behandlung« ausgesetzt gewesen sei. Das Gericht entschied aber auch, dass seine Verurteilung gleichwohl auf gesetzliche Weise zustande kam, also im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention »fair« ist, weil Gäfgen sein angeblich erpresstes Geständnis später aus völlig freien Stücken wiederholt hatte. Gäfgens Schmerzensgeldverfahren gegen das Land Hessen macht mich wütend. Er hat unzählige Personen durch die Tötung Jakobs und seine folgenden Lügen und falschen Verdächtigungen traumatisiert, Familie von Metzler und viele andere Menschen nachhaltig geprägt. Keiner von ihnen hat versucht, soweit mir bekannt ist, dafür eine finanzielle Entschädigung zu erlangen. Die erlittenen Ängste und Schmerzen mit all ihren Folgen wären durch Geld auch nicht wieder gut zumachen. Auch deswegen habe ich mich entschlossen, meine Sicht der Ermittlungen und des Ablaufs jener so verzerrt wahrgenommenen Vernehmung vom 1. Oktober 2002 zum ersten Mal öffentlich zu schildern. Im Sommer 2008 lernte ich Barbara Höhn, Mitarbeiterin des ORF-Büros in Rom, kennen. Ich sprach mit ihr über meine Absicht, ein Buch über diese Thematik zu schreiben, und meine Bedenken, dass es mir schwerfallen würde, alles alleine zu Papier zu bringen. Sie bot mir ihre Unterstützung an, und so setzten wir uns hin, studierten Akten, Gutachten, Zeitungsartikel, juristische Abhandlungen und sprachen mit Betroffenen. Dann begannen wir zu schreiben. An dem, was geschah, seit Gäfgen in Untersuchungshaft kam, bis zur Hauptverhandlung gegen Daschner und mich, war ich nicht immer persönlich beteiligt. Aus Unterlagen und Gesprächen im Zusammenhang mit meiner Verteidigung erhielt ich jedoch einen tiefen Einblick in das Gesamtgeschehen. Alle Dialoge im Buch sind an die Wirklichkeit, an Unterlagen, an Gespräche mit Betroffenen angelehnt. Nach so vielen Jahren kann das eine oder andere Wort in der Erinnerung verändert worden sein. Der Sinn ist jedoch erhalten geblieben. Es ist mir ein großes Anliegen, allen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt und beraten haben, großen Dank auszusprechen. Ich verzichte dabei auf eine namentliche Aufzählung. Einige Beteiligte möchten vermeiden, eventuell neu oder wieder in das Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden. Deshalb wurden deren Namen geändert. Trotz allem, was Wolfgang Daschner und mir widerfahren ist, möchte ich den Glauben an das Recht aufrechterhalten. Es ist die Basis unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens, auch
wenn manchmal Zweifel an der Auslegung angebracht sind.
Ortwin Ennigkeit
Frankfurt am Main im Juni 2011
Vier Tage lang hatten wir uns pausenlos eingesetzt, bis an die Grenzen unserer Kraft gearbeitet, bis zur letzten Minute gehofft, gebangt - und wir haben alle verloren: Jakob ist tot, er hatte keine Chance. Es gibt keine Worte, die den Schmerz seiner Familie beschreiben können. Aber es gibt Worte, um seinen Mörder, der jetzt Opfer spielen möchte, zu entlarven. Er hat das Leben eines elfjährigen Jungen ausgelöscht, Jakobs Familie zutiefst verwundet, seine eigene Familie beschämt, seine Freundin für ihr Leben gezeichnet, Freunde und Bekannte an ihrer Menschenkenntnis zweifeln lassen. Doch anscheinend war es ihm nicht genug. War es sein Narzissmus oder die Gefühllosigkeit, die ihn immer weiter trieben, von Anklage zu Anklage, von Prozess zu Prozess? Im Laufe der Zeit verwandelte sich eine angedachte Notlösung, deren erste Stufe eine intensive Befragung war, zu Polizeifolter, Falschinformationen wurden zu Realität, Lügen wurden zu Wahrheit. Das verlorene Leben eines Kindes verblasste neben den abgründigen Fantasien seines Mörders. Und durch die meines Erachtens fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts wurde aus dem Lügengebäude eines Mörders ein internationaler Foltervorwurf, den wir mit einem politischen
Urteil bezahlten. Ich möchte beschreiben, was war, und daran glauben, dass unser Justizsystem sich nicht dauerhaft von diesem heimtückischen, eiskalten und gewissenlosen Verbrecher blenden lassen wird.
21. Dezember 2004, 9.10 Uhr
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Strafsache gegen
1. den Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner geboren am 03.04.1943 in Happareute
2. den Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit, geboren am 24.08.1953 in Castrop-Rauxel.
hat die 27. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der am 18. November begonnenen Hauptverhandlung, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Landgericht Stock als Vorsitzende, Richter am Landgericht Michalke und Richter am Landgericht Rögler als beisitzende Richter, Kurt Schmidt und Emil Hohmann als Schöffen, Staatsanwalt Möllers als Beamter der Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt Hild und Rechtsanwalt Dr. Steinke als Verteidiger des Angeklagten Daschner, Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Dr. Simon als Verteidiger des Angeklagten Ennigkeit, Justizangestellte Schäffner als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.
Am 20. Dezember 2004 für Recht erkannt:
Der Angeklagte Ennigkeit ist der Nötigung schuldig.
Der Angeklagte Daschner ist der Verleitung eines Untergebenen zu einer Nötigung im Amt schuldig.
Die Angeklagten werden verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe, für den Angeklagten Daschner von 90 Tagessätzen zu je 120,-- Euro und für den Angeklagten Ennigkeit von 60 Tagessätzen zu je 60,-- Euro, bleibt vorbehalten.
Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Angewandte Vorschriften §§ 240 Abs. 1 und 2, 357 Abs.1, 59 Abs. 1 StGB
Wir sind mit Vorbehalt verwarnt, nicht vorbestraft , im Namen des Volkes, das dieses Urteil nicht wollte und auch nicht verstehen konnte, im Namen des Gesetzes. »Der Angeklagte Ennigkeit ist der Nötigung schuldig. Der Angeklagte Daschner ist der Verleitung eines Untergebenen zu einer Nötigung im Amt schuldig.« Die Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Das Urteil wurde sofort rechtskräftig, da wir nach Rücksprache mit unseren Anwälten sowie die Staatsanwaltschaft auf weitere Rechtsmittel verzichtet hatten. Wolfgang Daschner konnte nicht mehr, seine Familie konnte nicht mehr. Die monatelange Durchleuchtung ihres Privatlebens durch die
Medien, die zwei Jahre dauernde teilweise unwahre und populistische Berichterstattung, die Diffamierungen und gewollten Übertreibungen sowie die daraus resultierenden Morddrohungen grenzten an psychische Gewalt und hatten sie ausgelaugt. Ich wollte auch nicht mehr, die monatelange Ungewissheit hatte mich zermürbt. Es ist Gerechtigkeit geübt worden, so heißt es doch, »Gerechtigkeit üben«. Wir sind nicht freigesprochen worden, wir sind und bleiben schuldig. Wir sollen die Menschenwürde eines Mörders verletzt haben, weil wir die Menschenwürde eines elfjährigen Jungen bewahren und sein Leben retten wollten. Wer seit über 30 Jahren als Polizist arbeitet, hat keine Illusionen mehr, hat zu viel erlebt, zu viel im Elend gewühlt, dem Abstoßenden, Unmenschlichen ins Auge geschaut. Und trotz allem glaube ich, dass kein Mensch als Mörder, Vergewaltiger, Folterer oder Kinderschänder geboren wird. Ohne diese grundsätzliche Einsicht könnte ich meine Arbeit nicht machen. Wenn ich einem Verdächtigen im Verhör gegenübersitze, ist das mein erster Gedanke. Damit ebne ich mir den Weg, einen Zugang zu ihm und eine Antwort, bisweilen auch ein wenig Empathie, zu finden. Ein Versuch, sich in seine Denkweise hineinzuversetzen. Je grausamer die Straftaten sind, desto schwieriger ist es. Und oftmals stehen dahinter furchtbare ungelöste traumatische Erlebnisse oder die absolute Morallosigkeit der Familie. 98 Prozent aller Tötungsdelikte werden im Affekt verübt. Eine Entführung, ein Mord aus Geldgier, ist ein völlig anderer Fall. Ein kalkulierender Verstand plant monatelang minuziös jede Einzelheit des Tatablaufs. Verwischt Spuren. Kalt und überlegt nähert sich der Täter seinem Opfer, lockt es in die Falle. Das widerliche Streben nach dem Reichtum des anderen wird über das Leben erhoben. Das ist eine Entscheidung aus freiem Willen. Am 27. September 2002 öffnete mir die Pförtnerin im Polizeipräsidium Frankfurt um 7.15 Uhr die Schranken. Während ich mit meiner freien Hand nach dem Dienstausweis in der Jackentasche angelte, winkte sie mich durch. Ich freute mich, dass sie mich erkannt hatte. Langsam fuhr ich über den Innenhof zu meinem Parkplatz. Ein ganz normaler Freitag. Manfred, unser Kommissariatsleiter, machte Urlaub an der Nordsee, und ich sollte ihn vertreten. Ich lief die drei Stockwerke hinauf und roch sogleich den frisch aufgegossenen Kaffee. Damit wusste ich, dass Angelika, die gute Seele der Dienststelle, wie immer früh gekommen war und sicher schon den ganzen Papierkram ausgedruckt und geordnet haben würde. Nachdem ich meine Jacke in mein Büro gebracht hatte, ging ich in Manfreds großräumiges Zimmer und setzte mich hinter den grauen Schreibtisch, schaltete den Computer ein und las die Berichte des KDD, des Kriminaldauerdienstes. Die chronologisch aufgelisteten Fälle des Tagdienstes vom Vortag und der letzten Nachtschicht gaben mir einen Überblick, was in den vergangenen 24 Stunden außerhalb meines Kommissariates in Frankfurt passiert war.
Copyright © 2011 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Der elfjährige Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler ist am 27. September 2002 entführt und ermordet worden. Magnus Gäfgen hat auf Nachfragen der Polizei nach Jakobs Verbleib geschwiegen oder gelogen. Erst nach einer Befragung durch mich hat Gäfgen mitgeteilt, wo wir Jakob schließlich - zu unserem Entsetzen nur noch tot - finden würden. Über diese Befragung, durch die wir ausschließlich den Aufenthaltsort des womöglich noch lebendigen Jakob erfahren wollten, wurden viele Unwahrheiten in die Welt gesetzt. Gäfgen hat es zusammen mit seinen Anwälten geschafft , seine Vernehmung durch mich als »Folter« zu etikettieren und sich auf diesem Nebenschauplatz vom Täter zum Opfer hochzustilisieren. Sein durchsichtiges Bemühen, den damaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und mich auf diese Weise zu »Tätern« und Angeklagten zu machen, hatte Erfolg. Der Prozess gegen Daschner und mich schleppte sich hin bis zum Ende des Jahres 2004. Am 21. Dezember 2004 wurden wir schließlich in Form einer Verwarnung mit Strafvorbehalt verurteilt. Schon damals beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, ein Buch über das gesamte Geschehen zu schreiben. Dafür hatte ich zwei entscheidende Gründe:
Am Ende der Hauptverhandlung wurde deutlich, dass ein »politisches Urteil« über uns gefällt wurde, in einem Prozess, in den die Gräueltaten der nationalsozialistischen deutschen Vergangenheit miteinbezogen wurden. Dass es sich hier um ein politisches Urteil gehandelt hat und die Verurteilung falsch gewesen ist, stellt nur meine eigene, persönliche Meinung und nicht die der Behörde bzw. des Landes Hessen dar. Bestimmte Sachverhalte, die zu unserer Entlastung enorm wichtig gewesen wären, nämlich die Frage, ob es überhaupt noch Alternativen zur letzten, nunmehr so umstrittenen Befragung Gäfgens gegeben hätte, wurden deshalb nur unvollständig oder überhaupt nicht erörtert. Darum wollte ich die über den Fall Gäfgen hinausreichende Problematik - Wie weit darf und muss man gehen, um das Leben eines Menschen zu retten? - weiter diskutieren und möglicherweise zu einem Ergebnis kommen. Mit dem Ziel vor Augen, eine Handlungssicherheit für mögliche zukünftige ähnliche Situationen zu erreichen. Es sollte geklärt werden, ob in unserer Rechtsordnung in extremen Ausnahmefällen wie dem vorliegenden die Menschenwürde des Opfers geringer bewertet werden darf als die des Täters und ob das Wohlbefinden eines Verbrechers Vorrang haben soll vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit seines Opfers.
Es war für mich selbstverständlich, dass ich nur schreiben würde, wenn die Familie des Opfers damit einverstanden wäre. Ich wollte ihr auf keinen Fall zusätzliche Schmerzen zufügen, indem ich alte, schwer heilende Wunden aufriss. Der Vater Friedrich von Metzler hatte jedoch Verständnis für mein Anliegen. Auch vertraute Kollegen, Juristen, Gewerkschaftler und nicht zuletzt meine Familie bestärkten mich in meiner Absicht. Nach der Urteilsverkündung dauerte es allerdings eine Weile, bis ich mich halbwegs von dem Geschehen erholt hatte. Immer wieder setzte ich mich hin, um mit dem Schreiben anzufangen; aber die Gedanken an das Erlebte belasteten mich noch zu sehr und so schob ich es hinaus. Ich musste erst den nötigen Abstand gewinnen. Am Rande bekam ich mit, dass Gäfgen Ende 2005 Prozesskostenhilfe beantragt hatte, um einen Zivilprozess gegen das Land Hessen zu führen; er wollte auf diese Art und Weise Schmerzensgeld und Schadenersatz für die angeblich erlittene Folter erhalten. Im Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht trotz erheblicher Zweifel an dessen Erfolgsaussicht, dass Gäfgen für das Amtshaftungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Nur so sei es möglich, die schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen des Hauptverfahrens nicht schon im dafür nicht geeigneten Kostenverfahren vorab zu entscheiden. Gäfgen und sein erster Anwalt Endres hatten in Teilen der öffentlichen Wahrnehmung aus einem Kindsmörder ein Folteropfer gemacht, und er und sein neuer Anwalt Heuchemer hatten
das politische Urteil gegen Daschner und mich prozessual geschickt benutzt, um vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten mit dem Vorwurf, dass sie die Folter erlaubt hätte. Gäfgen wäre dadurch das Recht auf ein faires Verfahren verweigert worden, weil er zu seinem Geständnis erpresst worden wäre, so argumentierten sie.
Über die Beschwerde selbst entschied der EGMR. Dem Tenor nach wurde festgestellt, dass Gäfgen nicht geltend machen könne, Opfer einer Verletzung von Artikel (Art). 3 der Menschenrechtskonvention, dem Verbot der Folter, zu sein. Gegen diesen Beschluss hat Gäfgen um Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nachgesucht. Die mündliche Verhandlung hierüber hat am 18. März 2009 stattgefunden, und das Verfahren endete mit einem für Juristen typischen Kompromiss. Der EGMR hat am 1. Juni 2010 - zwar meines Erachtens unter völliger Verkennung der Fakten - entschieden, dass Gäfgen »unmenschlicher Behandlung« ausgesetzt gewesen sei. Das Gericht entschied aber auch, dass seine Verurteilung gleichwohl auf gesetzliche Weise zustande kam, also im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention »fair« ist, weil Gäfgen sein angeblich erpresstes Geständnis später aus völlig freien Stücken wiederholt hatte. Gäfgens Schmerzensgeldverfahren gegen das Land Hessen macht mich wütend. Er hat unzählige Personen durch die Tötung Jakobs und seine folgenden Lügen und falschen Verdächtigungen traumatisiert, Familie von Metzler und viele andere Menschen nachhaltig geprägt. Keiner von ihnen hat versucht, soweit mir bekannt ist, dafür eine finanzielle Entschädigung zu erlangen. Die erlittenen Ängste und Schmerzen mit all ihren Folgen wären durch Geld auch nicht wieder gut zumachen. Auch deswegen habe ich mich entschlossen, meine Sicht der Ermittlungen und des Ablaufs jener so verzerrt wahrgenommenen Vernehmung vom 1. Oktober 2002 zum ersten Mal öffentlich zu schildern. Im Sommer 2008 lernte ich Barbara Höhn, Mitarbeiterin des ORF-Büros in Rom, kennen. Ich sprach mit ihr über meine Absicht, ein Buch über diese Thematik zu schreiben, und meine Bedenken, dass es mir schwerfallen würde, alles alleine zu Papier zu bringen. Sie bot mir ihre Unterstützung an, und so setzten wir uns hin, studierten Akten, Gutachten, Zeitungsartikel, juristische Abhandlungen und sprachen mit Betroffenen. Dann begannen wir zu schreiben. An dem, was geschah, seit Gäfgen in Untersuchungshaft kam, bis zur Hauptverhandlung gegen Daschner und mich, war ich nicht immer persönlich beteiligt. Aus Unterlagen und Gesprächen im Zusammenhang mit meiner Verteidigung erhielt ich jedoch einen tiefen Einblick in das Gesamtgeschehen. Alle Dialoge im Buch sind an die Wirklichkeit, an Unterlagen, an Gespräche mit Betroffenen angelehnt. Nach so vielen Jahren kann das eine oder andere Wort in der Erinnerung verändert worden sein. Der Sinn ist jedoch erhalten geblieben. Es ist mir ein großes Anliegen, allen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt und beraten haben, großen Dank auszusprechen. Ich verzichte dabei auf eine namentliche Aufzählung. Einige Beteiligte möchten vermeiden, eventuell neu oder wieder in das Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden. Deshalb wurden deren Namen geändert. Trotz allem, was Wolfgang Daschner und mir widerfahren ist, möchte ich den Glauben an das Recht aufrechterhalten. Es ist die Basis unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens, auch
wenn manchmal Zweifel an der Auslegung angebracht sind.
Ortwin Ennigkeit
Frankfurt am Main im Juni 2011
Vier Tage lang hatten wir uns pausenlos eingesetzt, bis an die Grenzen unserer Kraft gearbeitet, bis zur letzten Minute gehofft, gebangt - und wir haben alle verloren: Jakob ist tot, er hatte keine Chance. Es gibt keine Worte, die den Schmerz seiner Familie beschreiben können. Aber es gibt Worte, um seinen Mörder, der jetzt Opfer spielen möchte, zu entlarven. Er hat das Leben eines elfjährigen Jungen ausgelöscht, Jakobs Familie zutiefst verwundet, seine eigene Familie beschämt, seine Freundin für ihr Leben gezeichnet, Freunde und Bekannte an ihrer Menschenkenntnis zweifeln lassen. Doch anscheinend war es ihm nicht genug. War es sein Narzissmus oder die Gefühllosigkeit, die ihn immer weiter trieben, von Anklage zu Anklage, von Prozess zu Prozess? Im Laufe der Zeit verwandelte sich eine angedachte Notlösung, deren erste Stufe eine intensive Befragung war, zu Polizeifolter, Falschinformationen wurden zu Realität, Lügen wurden zu Wahrheit. Das verlorene Leben eines Kindes verblasste neben den abgründigen Fantasien seines Mörders. Und durch die meines Erachtens fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts wurde aus dem Lügengebäude eines Mörders ein internationaler Foltervorwurf, den wir mit einem politischen
Urteil bezahlten. Ich möchte beschreiben, was war, und daran glauben, dass unser Justizsystem sich nicht dauerhaft von diesem heimtückischen, eiskalten und gewissenlosen Verbrecher blenden lassen wird.
21. Dezember 2004, 9.10 Uhr
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Strafsache gegen
1. den Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner geboren am 03.04.1943 in Happareute
2. den Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit, geboren am 24.08.1953 in Castrop-Rauxel.
hat die 27. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der am 18. November begonnenen Hauptverhandlung, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Landgericht Stock als Vorsitzende, Richter am Landgericht Michalke und Richter am Landgericht Rögler als beisitzende Richter, Kurt Schmidt und Emil Hohmann als Schöffen, Staatsanwalt Möllers als Beamter der Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt Hild und Rechtsanwalt Dr. Steinke als Verteidiger des Angeklagten Daschner, Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Dr. Simon als Verteidiger des Angeklagten Ennigkeit, Justizangestellte Schäffner als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.
Am 20. Dezember 2004 für Recht erkannt:
Der Angeklagte Ennigkeit ist der Nötigung schuldig.
Der Angeklagte Daschner ist der Verleitung eines Untergebenen zu einer Nötigung im Amt schuldig.
Die Angeklagten werden verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe, für den Angeklagten Daschner von 90 Tagessätzen zu je 120,-- Euro und für den Angeklagten Ennigkeit von 60 Tagessätzen zu je 60,-- Euro, bleibt vorbehalten.
Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Angewandte Vorschriften §§ 240 Abs. 1 und 2, 357 Abs.1, 59 Abs. 1 StGB
Wir sind mit Vorbehalt verwarnt, nicht vorbestraft , im Namen des Volkes, das dieses Urteil nicht wollte und auch nicht verstehen konnte, im Namen des Gesetzes. »Der Angeklagte Ennigkeit ist der Nötigung schuldig. Der Angeklagte Daschner ist der Verleitung eines Untergebenen zu einer Nötigung im Amt schuldig.« Die Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Das Urteil wurde sofort rechtskräftig, da wir nach Rücksprache mit unseren Anwälten sowie die Staatsanwaltschaft auf weitere Rechtsmittel verzichtet hatten. Wolfgang Daschner konnte nicht mehr, seine Familie konnte nicht mehr. Die monatelange Durchleuchtung ihres Privatlebens durch die
Medien, die zwei Jahre dauernde teilweise unwahre und populistische Berichterstattung, die Diffamierungen und gewollten Übertreibungen sowie die daraus resultierenden Morddrohungen grenzten an psychische Gewalt und hatten sie ausgelaugt. Ich wollte auch nicht mehr, die monatelange Ungewissheit hatte mich zermürbt. Es ist Gerechtigkeit geübt worden, so heißt es doch, »Gerechtigkeit üben«. Wir sind nicht freigesprochen worden, wir sind und bleiben schuldig. Wir sollen die Menschenwürde eines Mörders verletzt haben, weil wir die Menschenwürde eines elfjährigen Jungen bewahren und sein Leben retten wollten. Wer seit über 30 Jahren als Polizist arbeitet, hat keine Illusionen mehr, hat zu viel erlebt, zu viel im Elend gewühlt, dem Abstoßenden, Unmenschlichen ins Auge geschaut. Und trotz allem glaube ich, dass kein Mensch als Mörder, Vergewaltiger, Folterer oder Kinderschänder geboren wird. Ohne diese grundsätzliche Einsicht könnte ich meine Arbeit nicht machen. Wenn ich einem Verdächtigen im Verhör gegenübersitze, ist das mein erster Gedanke. Damit ebne ich mir den Weg, einen Zugang zu ihm und eine Antwort, bisweilen auch ein wenig Empathie, zu finden. Ein Versuch, sich in seine Denkweise hineinzuversetzen. Je grausamer die Straftaten sind, desto schwieriger ist es. Und oftmals stehen dahinter furchtbare ungelöste traumatische Erlebnisse oder die absolute Morallosigkeit der Familie. 98 Prozent aller Tötungsdelikte werden im Affekt verübt. Eine Entführung, ein Mord aus Geldgier, ist ein völlig anderer Fall. Ein kalkulierender Verstand plant monatelang minuziös jede Einzelheit des Tatablaufs. Verwischt Spuren. Kalt und überlegt nähert sich der Täter seinem Opfer, lockt es in die Falle. Das widerliche Streben nach dem Reichtum des anderen wird über das Leben erhoben. Das ist eine Entscheidung aus freiem Willen. Am 27. September 2002 öffnete mir die Pförtnerin im Polizeipräsidium Frankfurt um 7.15 Uhr die Schranken. Während ich mit meiner freien Hand nach dem Dienstausweis in der Jackentasche angelte, winkte sie mich durch. Ich freute mich, dass sie mich erkannt hatte. Langsam fuhr ich über den Innenhof zu meinem Parkplatz. Ein ganz normaler Freitag. Manfred, unser Kommissariatsleiter, machte Urlaub an der Nordsee, und ich sollte ihn vertreten. Ich lief die drei Stockwerke hinauf und roch sogleich den frisch aufgegossenen Kaffee. Damit wusste ich, dass Angelika, die gute Seele der Dienststelle, wie immer früh gekommen war und sicher schon den ganzen Papierkram ausgedruckt und geordnet haben würde. Nachdem ich meine Jacke in mein Büro gebracht hatte, ging ich in Manfreds großräumiges Zimmer und setzte mich hinter den grauen Schreibtisch, schaltete den Computer ein und las die Berichte des KDD, des Kriminaldauerdienstes. Die chronologisch aufgelisteten Fälle des Tagdienstes vom Vortag und der letzten Nachtschicht gaben mir einen Überblick, was in den vergangenen 24 Stunden außerhalb meines Kommissariates in Frankfurt passiert war.
Copyright © 2011 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Ortwin Ennigkeit, Barbara Höhn
Ortwin Ennigkeit, Jahrgang 1953, ist seit 37 Jahren im Polizeidienst tätig, 10 davon als stellvertretender Kommissariatsleiter im K 12 (zuständig für Raub, Erpressung, Geiselnahme und Entführung) in Frankfurt. Nach seiner Verurteilung wegen Nötigung im Zusammenhang mit der Entführung des Bankiersohnes Jakob von Metzler wurde er mit anderen Aufgaben betraut und ist seit 2007 Leiter eines Kommissariates zur Bekämpfung der Eigentumskriminalität. Ortwin Ennigkeit wohnt in der Nähe von Gießen und hat vier Töchter.Barbara Höhn, 1962 in München geboren, lebt seit 1988 in Rom und gründete dort die Künstlergruppe Molo 15 , mit der sie zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland organisiert. Sie ist als Designerin für eine Papierfabrik und als Bühnenbildnerin tätig, zudem seit 2008 als freie Mitarbeiterin des ORF in Rom. Barbara Höhn hat zwei Kinder und lebt in Anguillara.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Ortwin Ennigkeit , Barbara Höhn
- 2011, 269 Seiten, Maße: 13,5 x 20,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453172167
- ISBN-13: 9783453172166
Kommentar zu "Um Leben und Tod"
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