... und fahr'n wir ohne Wiederkehr
Fritz Blankenhorn sah die ausgemergelten Gesichter des...
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Fritz Blankenhorn sah die ausgemergelten Gesichter des Krieges, war selbst eines davon. 1944 kommt er an die Ostfront.
Er nimmt teil an sinnlosen Rückzugsgefechten der deutschen Wehrmacht in Ostpreußen und gelangt schließlich ins eingeschlossene Königsberg, wo er in Gefangenschaft gerät. Es folgen vier unerbittliche Jahre in Lagern diesseits und jenseits des Urals.
Fritz Blankenhorn hat seine erschütternden Erlebnisse im 2. Weltkrieg ohne Pathos und doch ergreifend beschrieben - ein Buch, das unter die Haut geht!
Nach dem Krieg arbeitete er 30 als Verlagsgrafiker und Buchgestalter.
Der junge Leutnant Blankenhorn kommt 1944 mit 22 Jahren an die Ostfront. Er nimmt teil an den sinnlosen Rückzugsgefechten der deutschen Wehrmacht in Ostpreußen und gelangt schließlich ins eingeschlossene Königsberg, wo er in Gefangenschaft gerät. Es folgen vier unerbittliche Jahre in Lagern diesseits und jenseits des Urals, bevor er endlich nach Deutschland zurückkehren kann.
Fritz Blankenhorn hat seine Erlebnisse ohne Pathos und doch ergreifend beschrieben. Ein Buch, das unter die Haut geht.
Fritz Blankenhorn war bereits über 80 Jahre alt, als er 2004 seine Erinnerungen an die Jahre der Kriegsgefangenschaft veröffentlichte. Das Buch wurde ein großer Erfolg und hat bereits zahlreiche Auflagen erlebt. Nach dem Krieg war er über 30 Jahre lang als Verlagsgrafiker und Buchgestalter tätig. Fritz Blankenhorn ist am 22. April 2011 im Alter von 89 Jahren verstorben.
...und fahrn wir ohne Wiederkehr von Fritz Blankenhorn
LESEPORBE
Ruhe vor dem Sturm
Der Spuk von Augustow ist vorbei. Was da wirklich passiertist, lässt sich nicht mehr klären. Ob der Kübelwagen den Russen in die Händegefallen ist? Keiner denkt mehr darüber nach. Schon am nächsten Tag kommt derBefehl vom Regiment: Stellungswechsel der ganzen Abteilung in den RaumFilipow. Also zieht die Batterie in langer Kolonne auf schmaler Landstraßedurch Wald und Feld die dreißig Kilometer nach Nordwesten. WillkommeneGelegenheit, mich mit der Struktur der Einheit vertraut zu machen, derenSchicksal von jetzt an auch meines sein wird. Ich rede, während wir im Schrittnebeneinanderher reiten, mit dem Futtermeister und dem Munitionsstaffelführer,mit den Geschützführern und dem B-Offizier - der, genau wie der Batterieoffizier,noch immer nach dem alten Reglement so heißt, obwohl die Stelle aus Mangel anOffizieren schon längst mit einem Wachtmeister besetzt ist -, frage allen einLoch in den Bauch und bitte sie, mir zu helfen, weil so vieles neu für michist. Alle sind freundlich zu mir, offen, hilfsbereit:
«Kein Problem, Herr Leutnant. Können Se doch nich alles wissen,wenn Se von der Beobachtungsabteilung kommen. Waffenschule? Is doch allestheoretischer Kram. Kennen wir doch.»
Links von der Straße auf einer Anhöhe ein Bauernhof, verlassen,wie die meisten hier im Grenzgebiet zu Polen. Wo die Leute sind, die hiergewohnt haben? Wachtmeister Machold, der neben mir reitet, zuckt mit denSchultern. Die Front, die noch vor wenigen Wochen dreißig, vierzig Kilometerweit weg war, ist nahe gerückt. Die Bauersleute sind wohl längst auf der Fluchtnach Westen.
Der Spieß und der Futtermeister blinzeln sich zu und galoppieren,ohne lange zu fragen, übers Feld auf den einsam daliegenden Hof zu. Es knalltein paar Mal. Da kommen sie auch schon wieder zurück. Jeder hat ein totesSchwein vor sich quer über dem Sattel liegen. Der Küchenbulle wird sich freuen ...
Abends gegen fünf: Ganze Batterie haaalt! Mitten auf der Straßesteht der Ordonnanzoffizier der Abteilung vor seinem Kübelwagen. Hat er dendoch noch gerettet? Oder hat er einen neuen besorgt? Absitzen. Einweisung indie neue Stellung anhand der Karte. Fünf Minuten später sitzt der Batteriechefschon wieder im Sattel und streckt den rechten Arm in die Luft:
«Batterietrupp zu mir!»
Im Nu ist die kleine Gruppe auf ihren Pferden zur Stelle.Auf der Hinterhand kehrt und los im Galopp. Etwas anderes kennt der Hauptmannanscheinend nicht. Staub hängt über der Schotterstraße. Die Gruppe eng beisammen,ich mittendrin. Weg von der Straße. Querfeldein. Aus den Wiesen steigt Nebelauf. Dämmerung. Galopp. Über Gräben, über Hecken, über Drahtzäune. Dass manein Pferd so beanspruchen kann. Ich lasse die Zügel lang. Wenn der Gaul nun inein Maulwurfsloch tritt und stürzt? Und ich mit? Stahlhelm auf dem Kopf,Kartentasche und Fernglas um den Hals, Gasmaske am Band über der Schulter und -seit gestern - auch noch die Maschinenpistole. Die Wiesen und Hecken neben mirverschwimmen in nebligem Grau. Galopp, Galopp. Nur nicht den Anschluss an dieGruppe verlieren.
Endlich Laufgräben. Die neue Stellung. Absitzen. Drei Soldatensammeln die Pferde ein. Leise Befehle. Den Zickzackgraben hinauf auf dieHügelkuppe. Unterstände. Bunker. Ein Beobachtungsstand. Die neue B-Stelle.
Zwei Tage später habe ich mit meinem VB-Trupp meine eigeneVB-Stelle eingerichtet, knapp einen Kilometer rechts von der B-Stelle desChefs. Sie liegt nicht oben auf dem Kamm der Hügelkette, sondern amVorderhang, in der zweiten Linie der Infanteriekompanie, der ich zugeteilt bin- genau nach Heeresdienstvorschrift und wie ich es auf der Waffenschulegelernt habe. Das Scherenfernrohr ist im Giebel eines kleinen, halbzerschossenen Bauernhauses installiert. Freier Blick über die ganze Talebene nachOsten. Neben mir der braune Bakelitkasten des Feldtelefons mit der Kurbel.Unten neben der schmalen Stiege die beiden Funkgeräte. Schröder und seinebeiden Strippenzieher haben gestern den ganzen Tag bis in die Nacht dieTelefonleitungen gelegt, eine rüber zur B-Stelle des Chefs, die andere zurFeuerstellung, die im Schutz der Hügelkette einen Kilometer hinter mir liegt.Die «Feuerstellung» ist der Kern der Batterie, der Platz, auf dem unsere dreiFeldhaubitzen stehen.
Heute Morgen gehe ich mit dem Kompaniechef, OberleutnantMalchow, durch den vordersten Graben seines Abschnitts. Ich habe Glück: Malchowist kein junger, schneidiger Berufsoffizier wie mein Batteriechef. Er istsicher schon Mitte dreißig, Lehrer von Beruf, Reserveoffizier wie ich, einbesonnener Mann, immer darauf bedacht, seinen Haufen ohne Verluste durchdiesen Schlamassel zu bringen. Das EK 1, das Infanteriesturmabzeichen und dasVerwundetenabzeichen sind für ihn eher Begleiterscheinungen von Situationen,durch die man einfach hindurchmuss.
Ich nehme das Fernglas vor die Augen.
«Und wo verläuft nun die vorderste russische Linie?» «SehenSie den Waldrand da drüben?»
«Aber der ist doch mindestens sechshundert Meter weit weg»,sage ich.
«Richtig. Aber weiter vorn in dem Gelände gibt's noch einzelneSchützenlöcher. Man sieht allerdings keine Bewegung, auch dahinten am Waldrandnicht. Ich habe nachts Doppelposten eingeteilt. Wir müssen vorsichtig sein.»
Er macht mich mit seinen Zug- und Truppführern bekannt, allesgestandene Feldwebel und Unteroffiziere mit dem schwarzweißroten Band imKnopfloch. Die atmen hörbar auf, als sie das Rot an meinem Kragenspiegel sehen:
«Gott sei Dank, die Artillerie ist da! »
Nun fühlen sie sich geborgen wie in Abrahams Schoß. Wenn siewüssten, wie verdammt wenig Munition wir noch für unsere Haubitzen haben! Undkeine Aussicht auf Nachschub! Zwei Schuss hat mir der Chef gestern bewilligtzum Einschießen des Sperrfeuers. Zwei Schuss! Sieben Schuss braucht man mindestens,haben wir auf der Waffenschule gelernt. Ich wundere mich nicht, dass ich, auchwenn ich mit der Stoppuhr in der Hand den ersten Abschuss verfolge, keinenAufschlag da drüben sehe und nur ein paar Sekunden später ein dumpfes «Wumm»höre. Der Schuss lag zu weit. Aber auch beim zweiten Schuss mit dem Kommando«Vierhundert Meter abbrechen!» sehe ich nur ein helles Wölkchen aus dem Wald aufsteigen.Ich müsste mindestens noch ein- oder zweimal eine kürzere Entfernungeinstellen lassen, damit die Batterie im Ernstfall wirklich ein Sperrfeuer vordie eigene Linie legen kann. Aber der Chef am Telefon ist kurz angebunden:
«Schluss! Mehr gibt's nicht!»
© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
- Autor: Fritz Blankenhorn
- 2016, 9. Aufl., 288 Seiten, 15 Abbildungen, Maße: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349923548X
- ISBN-13: 9783499235481
- Erscheinungsdatum: 01.03.2004
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