Steinbecks Klassiker in der Erzählerbibliothek:
Die schöne Edition bietet die ideale Einführung in »ein Meisterwerk amerikanischer Erzählkunst, das vielleicht den besten und eigentümlichsten Beitrag Amerikas zum englischen Schrifttum unserer Tage darstellt.« Neue Zürcher Zeitung
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Steinbecks Klassiker in der Erzählerbibliothek:
Die schöne Edition bietet die ideale Einführung in »ein Meisterwerk amerikanischer Erzählkunst, das vielleicht den besten und eigentümlichsten Beitrag Amerikas zum englischen Schrifttum unserer Tage darstellt.« Neue Zürcher Zeitung
Dramatische Geschichte um zwei ungleiche Freunde
Steinbecks Klassiker in der ErzählerbibliothekDer bärenstarke, aber geistig zurückgebliebene Lennie zieht mit George durchs Land, um sich als Erntehelfer eine paar Dollar zu verdienen. Ihr großer Traum ist es, sich auf einer eigenen Farm zur Ruhe zu setzen und Kaninchen zu züchten. Doch Lennies Bedürfnis, junge Hunde, Mäuse und andere kleine Tiere zu »streicheln«, bringt die beiden in Schwierigkeiten. Auf der Suche nach neuen Jobs verflucht George seinen Gefährten Lennie, bringt es aber nicht übers Herz, ihn alleine zu lassen. Als Lennie beginnt, die Frau des Gutsbesitzers zu »streicheln«, ist das Unheil vorprogrammiert.
Aus dem Amerikanischen von Mirjam Pressler
Einige Meilen südlich von Soledad fließt der Salinas River bergab und strömt tief und grün das hügelige Ufer entlang. Das Wasser ist hier warm, denn es plätschert glitzernd in der Sonne über den gelben Sand, bevor es das enge Becken erreicht. An der einen Seite des Flusses winden sich die goldenen Hügel hinauf zu den mächtigen und felsigen Gabilan Mountains, aber auf der Talseite wird das Wasser von Bäumen gesäumt - von Weiden, frisch und grün in jedem Frühling, während in ihren unteren Zweigen und Blättern noch die Überbleibsel der winterlichen Überschwemmungen hängen; und von Platanen mit weiß gesprenkelten Stämmen und mit Ästen, die sich über dem Flussbecken wölben. Am sandigen Ufer liegen die Blätter so tief und so dürr, dass es laut raschelt, wenn eine Eidechse darüber läuft. Abends kommen Hasen aus dem Gebüsch und sitzen auf dem Sand und der feuchte Sand ist bedeckt mit den nächtlichen Spuren von Waschbären und mit den verstreuten Fährten der Hunde von den Farmen und den gespaltenen, keilförmigen Abdrücken des Wildes, das in der Dunkelheit zur Tränke kommt.
Zwischen den Weiden und den Platanen hindurch führt ein Trampelpfad, hart getreten von Jungen, die von den Farmhäusern kommen, um im tiefen Teich zu schwimmen, oder auch von Landstreichern, die abends müde die Straße verlassen, um im Uferdickicht zu rasten. Vor dem niedrigen, geraden Ast einer riesigen Platane liegt ein Aschenhaufen von vielen Feuern; der Ast ist glatt poliert von den vielen Männern, die darauf gesessen haben.
Am Abend eines heißen Tages kam ein leichter Wind auf und strich durch die Blätter. Schatten kroch die Hänge hinauf zum Gipfel. Auf dem sandigen Ufer saßen die Hasen so ruhig wie kleine, graue, behauene Steine. Da kam vom Highway herunter das Geräusch von Schritten, raschelnd auf dem dürren Laub der Platanen. Die Hasen suchten lautlos Deckung. Ein stelzbeiniger Reiher erhob sich in die Luft und flog flussabwärts. Einen Augenblick war der Ort unbelebt, dann kamen zwei Männer den Pfad herunter und traten auf die Lichtung an dem grünen Flussbecken.
Den Pfad herunter waren sie hintereinander gegangen und auch jetzt, auf der Lichtung, blieb einer hinter dem andern. Beide hatten sie Baumwollhosen und Baumwolljacken mit Messingknöpfen an. Beide hatten schwarze, formlose Hüte und beide trugen fest zusammengerollte Decken über den Schultern. Der erste Mann war klein und flink, mit dunklem Gesicht, unruhigen Augen und scharfen, kräftigen Zügen. Alles an ihm war eindeutig: kleine, kräftige Hände, schlanke Arme, eine schmale, knochige Nase. Hinter ihm ging sein Gegenbild, ein hoch gewachsener Mann mit einem formlosen Gesicht und großen, farblosen Augen und mit breiten, schlaffen Schultern; er ging schwerfällig, zog seine Füße leicht nach, so wie ein Bär seine Pfoten nachzieht. Seine Arme schwangen nicht vor und zurück, sie hingen einfach herab.
Der erste Mann blieb auf der Lichtung plötzlich stehen, sodass sein Hintermann ihn fast umgerannt hätte. Er nahm seinen Hut ab, strich mit dem Zeigefinger über das Schweißband und schnippte die Feuchtigkeit ab. Sein riesiger Begleiter warf seine Decke ab, streckte sich der Länge nach aus und trank aus dem grünen Flussbecken; trank mit langen, gierigen Zügen und schnaubte dabei ins Wasser wie ein Pferd. Der Kleinere trat nervös neben ihn.
»Lennie«, sagte er scharf. »Lennie, um Gottes willen, trink nicht so viel.« Lennie schnaubte weiter in das Flussbecken hinein. Der andere beugte sich über ihn und schüttelte ihn an der Schulter. »Lennie! Dir wird schlecht werden, so wie gestern Abend.«
Lennie tauchte seinen ganzen Kopf ins Wasser, mit Hut und allem, und dann setzte er sich in den Sand und von seinem Hut tropfte es auf seine blaue Jacke und lief ihm den Rücken hinunter. »Das ist gut«, sagte er. »Trink was, George. Tu du auch einen großen Schluck nehmen.« Er lächelte glücklich.
George griff nach seinem Bündel und ließ es sanft aufs Ufer fallen. »Bin nicht sicher, ob es gutes Wasser ist«, sagte er. »Sieht irgendwie schaumig aus.«
Lennie tauchte seine Pranke ins Wasser und bewegte die Finger, sodass kleine Fontänen hochspritzten; Ringe zogen sich über das Flussbecken bis zur anderen Seite und kamen zurück. Lennie beobachtete sie. »Guck, George. Guck, was ich gemacht hab.«
George kniete neben dem Wasser und trank in schnellen Zügen aus der Hand. »Schmeckt ganz in Ordnung«, gab er zu. »Scheint aber trotzdem nicht richtig zu fließen. Du solltest nie Wasser trinken, das nicht fließt, Lennie. Aber du würdest aus einem Rinnstein trinken, wenn du Durst hast«, sagte er hoffnungslos. Er schöpfte sich eine Hand voll Wasser ins Gesicht und verteilte es unter dem Kinn und hinten im Nacken. Dann setzte er seinen Hut wieder auf, rutschte vom Fluss weg, zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. Lennie hatte ihn beobachtet und machte ihm alles genau nach. Er rutschte rückwärts, zog die Knie an, umschlang sie mit den Armen und schaute hinüber zu George, um zu sehen, ob alles richtig war. Er zog seinen Hut etwas tiefer über die Augen, so wie George es getan hatte.
George starrte trübsinnig ins Wasser. Seine Augenränder waren von der grellen Sonne gerötet. Böse sagte er: »Wir hätten leicht bis zur Farm fahren können, wenn dieser Schweinehund von Busfahrer gewusst hätte, wovon er redet. ›Nur ein kleines Stück die Straße runter‹, sagt er. ›Nur ein kleines Stück.‹ Dabei waren es fast vier verdammte Meilen! Der Kerl wollte nicht am Hoftor halten, das war alles. Zu faul zum Anhalten. Ein Wunder, dass er sich nicht zu gut war, überhaupt in Soledad zu halten. Schmeißt uns raus und sagt: ›Nur ein kleines Stück die Straße runter.‹ Ich wette, es waren mehr als vier Meilen. Verdammt heißer Tag heute.«
Lennie sah schüchtern zu ihm hinüber. »George?«
»Ja, was ist?«
»Wohin gehn wir, George?«
Der kleinere Mann zog sich die Hutkrempe tiefer und schaute Lennie missbilligend an. »Du hast es schon wieder vergessen, was? Muss ich dir's noch mal sagen, ja? Du lieber Gott, was für ein Dummkopf du bist!«
»Ich hab's vergessen«, sagte Lennie sanft. »Hab ja versucht, es nicht zu vergessen. Bei Gott, George, wirklich.«
»Schon gut, schon gut. Ich sag's dir noch mal. Ich hab ja sowieso nichts zu tun. Da kann ich mir die Zeit auch da mit vertreiben, dass ich dir Sachen sag und du vergisst sie wieder und ich sag sie dir noch mal.«
»Hab's ja probiert und probiert«, sagte Lennie, »trotzdem, hat nichts genützt. Aber an die Kaninchen erinner ich mich, George.«
»Zum Teufel mit den Kaninchen. Das ist alles, woran du dich erinnern kannst, an die Kaninchen. Gut, hör zu, diesmal musst du's dir merken, damit wir nicht in Schwierigkeiten kommen. Du weißt doch noch, wie wir in der Howard Street am Rinnstein gesessen und das Anschlagbrett betrachtet haben?«
Auf Lennies Gesicht erschien ein verzücktes Lächeln. »Na klar, George. Ich weiß noch, dass ... aber ... was war dann? Ich weiß noch, dass ein paar Mädchen gekommen sind und du hast gesagt ... du hast gesagt ...«
»Zum Teufel mit dem, was ich gesagt hab. Weißt du noch, dass wir zu Murray und Ready reingegangen sind und wie sie uns Arbeitskarten und Busfahrscheine gegeben haben?«
»Doch, natürlich, George. Jetzt erinner ich mich.« Schnell schob er die Hand in seine Jackentasche. Leise sagte er: »George ... ich hab meine nicht. Muss ich verloren haben.« Verzweifelt blickte er zu Boden.
»Du hast sie nie gehabt, du verrückter Kerl. Ich hab sie beide bei mir. Glaubst du, ich würd dich deine eigene Arbeitskarte tragen lassen?«
Lennie grinste erleichtert. »Hab gedacht, ich hätt sie in die Jackentasche getan.« Er schob die Hand zurück in die Tasche.
George warf ihm einen scharfen Blick zu. »Was hast du da aus der Tasche genommen?«
»Ich hab nichts in der Tasche«, sagte Lennie schlau.
»Ich weiß, dass da nichts drin ist. Du hast es in der Hand. Was versteckst du da in der Hand?«
»Nichts, gar nichts, George. Ehrlich.«
»Los, gib's her.«
Lennie hielt die geschlossene Hand von George weg. »Ist bloß eine Maus, George.«
»Eine Maus? Eine lebendige Maus?«
»Och, bloß eine tote Maus, George. Hab sie nicht tot gemacht, ehrlich! Hab sie schon tot gefunden.«
»Gib sie her!«, sagte George.
»Och, lass sie mir doch, George.«
»Her damit!«
Lennies geschlossene Hand gehorchte langsam. George nahm die Maus und warf sie über das Flussbecken hinweg zur anderen Seite, ins Gebüsch. »Was willst du überhaupt mit einer toten Maus?«
»Konnt sie beim Gehen mit dem Daumen streicheln«, sagte Lennie.
»Solange du mit mir gehst, wirst du keine Mäuse streicheln. Weißt du noch, wohin wir jetzt gehen?«
Lennie schreckte hoch, dann legte er verlegen sein Gesicht auf die Knie. »Hab's schon wieder vergessen.«
»Du lieber Himmel«, sagte George resigniert. »Na gut, schau, wir werden auf einer Farm arbeiten, so wie die oben im Norden, von der wir gekommen sind.«
»Oben im Norden?«
»In Weed.«
»Ach ja, na klar erinner ich mich. In Weed.«
»Die Farm, zu der wir gehen, ist dort unten, ungefähr eine viertel Meile entfernt. Wir müssen uns dem Boss vorstellen. Pass auf, ich werde ihm die Arbeitskarten geben, aber du sagst kein Wort. Du stehst einfach da und machst das Maul nicht auf. Wenn er herausfindet, was für ein Spinner du bist, kriegen wir die Arbeit nie, aber wenn er dich arbeiten sieht, bevor er dich reden hört, haben wir's geschafft. Hast du das kapiert?«
»Klar, George, klar hab ich's kapiert.«
»Okay. Also, wenn wir uns dem Boss vorstellen, was musst du da tun?«
»Ich ... ich ...«, Lennie dachte nach. Sein Gesicht wurde starr vor Anstrengung. »Ich ... ich werd keinen Ton sagen. Nur dastehen.«
»Braves Kerlchen. So ist's recht. Sag's noch zwei, drei Mal, damit du's nicht vergisst.«
Lennie murmelte leise vor sich hin: »Keinen Ton sagen ... keinen Ton sagen ... keinen Ton sagen.«
»Okay«, sagte George. »Und du wirst auch nichts Schlimmes anstellen, so wie in Weed.«
Lennie sah verdutzt drein. »Wie in Weed?«
»Oh, das hast du also auch schon vergessen, was? Nun, ich werd dich nicht dran erinnern, sonst tust du's gleich noch mal.«
Ein Hauch von Verständnis zog über Lennies Gesicht. »Sie haben uns rausgeschmissen in Weed«, platzte er triumphierend heraus.
»Rausgeschmissen, zum Teufel«, sagte George entrüstet. »Wir sind abgehauen. Sie waren hinter uns her, aber sie haben uns nicht gekriegt.«
Lennie kicherte glücklich. »Ich hab's nicht vergessen, darauf kannst du wetten.«
George legte sich zurück in den Sand und verschränkte die Arme unter dem Kopf und Lennie tat es ihm nach und hob den Kopf, um zu sehen, ob er es auch richtig machte. »Mein Gott, mit dir hat man schon seine Last«, sagte George. »Ich könnte es so leicht und schön haben, wenn ich dich nicht am Hals hätte. Ich könnte bequem leben und vielleicht ein Mädchen haben.«
Einen Moment lag Lennie ruhig da, dann sagte er hoffnungsvoll: »Wir kriegen Arbeit auf einer Farm, George.«
»Richtig. Das hast du kapiert. Aber wir werden hier schlafen, weil ich einen Grund dafür hab.«
Der Tag neigte sich schnell dem Ende zu. Nur die Gipfel der Gabilan Mountains flammten noch im Sonnenlicht, das sich schon aus dem Tal zurückgezogen hatte. Eine Wasserschlange schlüpfte im Flussbecken vorbei, den Kopf gereckt wie ein kleines Teleskop. Das Schilf bog sich leicht in der Strömung. Weit weg, nahe der Straße, rief ein Mann etwas und ein anderer Mann rief etwas zurück. Die Äste der Platane bewegten sich unter einem leichten Windstoß, der sofort wieder abflaute.
»George, warum gehn wir nicht zu der Farm und kriegen was zu essen? Auf der Farm tut's Abendessen geben.«
George rollte auf die Seite. »Das ist doch kein Grund. Mir gefällt es hier. Morgen werden wir arbeiten gehen. Ich hab unterwegs hierher schon Dreschmaschinen gesehen. Das heißt, dass wir Getreidesäcke schleppen werden, bis uns die Eingeweide platzen. Heute Abend will ich einfach hier liegen und in die Luft gucken. Das mag ich.«
Lennie erhob sich auf die Knie und blickte auf George hinunter. »Tun wir heut Abend nichts zu essen kriegen?«
»Doch, natürlich, wenn du ein paar dürre Weidenzweige sammelst. Ich hab drei Büchsen Bohnen im Bündel. Bereit du das Feuer vor. Ich geb dir ein Streichholz, wenn du die Zweige beisammen hast. Dann wärmen wir die Bohnen auf und essen zu Abend.«
Lennie sagte: »Ich mag Bohnen mit Ketchup.«
»Schön, aber wir haben kein Ketchup. Du sammelst jetzt Holz. Und trödel nicht rum. Es dauert nicht mehr lang, dann ist es dunkel.«
Lennie erhob sich schwerfällig und verschwand im Gebüsch. George blieb liegen und pfiff leise vor sich hin. Plötzlich hörte er weiter unten am Fluss, aus der Richtung, die Lennie eingeschlagen hatte, Wasser plätschern. George unterbrach sein Pfeifen und lauschte. »Armer Kerl«, sagte er sanft und fuhr fort zu pfeifen.
Eine Weile später brach Lennie wieder durch die Büsche. Er trug einen einzigen Weidenstock in der Hand. George setzte sich auf. »Na los«, sagte er schroff. »Gib mir die Maus!«
Aber Lennie spielte geschickt die Rolle des Unschuldslamms. »Was für 'ne Maus, George? Ich hab keine Maus nicht.«
George streckte die Hand aus. »Los, gib sie schon her. Mich legst du nicht rein.«
Lennie zögerte, drehte sich weg, blickte wild die Büsche entlang, als überlege er, ob er der Freiheit zuliebe fortrennen sollte. George sagte kalt: »Du wirst mir jetzt die Maus geben, oder muss ich dich erst verprügeln?«
»Was denn geben, George?«
»Du weißt verdammt genau, was. Ich will die Maus.«
Widerwillig griff Lennie in seine Tasche. Seine Stimme kippte fast. »Weiß gar nicht, warum ich sie nicht behalten darf. Die gehört doch niemand. Hab sie nicht gestohlen. Hab sie bloß am Weg liegen sehen.«
Georges Hand blieb fordernd ausgestreckt. Langsam, wie ein Terrier, der seinem Herrn den Ball nicht zurückbringen will, kam Lennie näher, wich zurück, kam wieder. George schnipste scharf mit den Fingern und bei diesem Ton legte Lennie ihm die Maus in die Hand.
»Hab ihr doch nichts Böses tun wollen, George. Bloß bisschen streicheln.«
George erhob sich und schleuderte die Maus, so weit er konnte, in das dunkler werdende Gebüsch, dann ging er zum Flussbecken und wusch sich die Hände. »Du dummer Narr. Glaubst du denn, ich hätt nicht gesehen, dass deine Füße nass sind, weil du durch den Fluss gegangen bist, um sie zu holen?« Er hörte Lennies wimmerndes Jammern und drehte sich um. »Heulen wie ein Baby! Du lieber Himmel! Ein großer Kerl wie du.« Lennies Lippen zitterten, Tränen liefen ihm aus den Augen. »Ach, Lennie!« George legte die Hand auf Lennies Schulter. »Ich hab sie dir doch nicht aus Gemeinheit weggenommen. Die Maus war nicht mehr am Leben, Lennie; außerdem hast du sie beim Streicheln kaputt gemacht. Wenn du eine Maus findest, die noch frisch ist, kannst du sie eine Weile behalten.«
Lennie setzte sich auf den Boden und ließ den Kopf hängen. »Weiß doch nicht, wo 'ne andre Maus ist. Weiß noch, dass die Lady mir immer eine gegeben hat ... jede Maus, die sie gefangen hat. Aber die Lady ist nicht hier.«
George höhnte. »Eine Lady, so? Du erinnerst dich nicht mal, wer die Lady war. Das war deine Tante Clara. Und sie hat aufgehört, dir welche zu geben. Weil du sie nämlich immer totgemacht hast.«
Lennie sah traurig zu ihm auf. »Sie waren so klein«, sagte er entschuldigend. »Hab sie gestreichelt und dann haben sie mich in die Finger gebissen und ich hab 'n bisschen ihren Kopf gezwickt und da waren sie tot ... weil sie so klein waren. Ich wünschte, wir könnten bald die Kaninchen kriegen, George. Die sind nicht so klein.«
»Zum Teufel mit den Kaninchen. Und dir kann man keine lebende Maus anvertrauen. Deine Tante Clara hat dir eine Gummimaus gegeben, aber mit der hast du nichts zu tun haben wollen.«
»War nicht schön zu streicheln«, sagte Lennie.
Das flammende Licht des Sonnenuntergangs stieg von den Berggipfeln auf und Dämmerung kroch ins Tal, ein Halbdunkel senkte sich zwischen die Weiden und die Platanen. Ein großer Karpfen stieg an die Oberfläche, schnappte nach Luft und versank geheimnisvoll wieder in dem dunklen Wasser, wobei er oben immer größer werdende Ringe hinterließ. Darüber fegten Blätter hin und kleine Flocken Weidenwolle schwebten nieder und landeten auf der Wasseroberfläche.
»Gehst du jetzt das Holz holen?«, fragte George. »Dort hinter der Platane gibt's einen ganzen Haufen. Angeschwemmtes Holz. Geh und hol's.«
Lennie ging hinter den Baum und brachte einen Arm voll trockene Blätter und kleine Zweige. Er schichtete sie zu einem Haufen über der alten Asche, dann ging er nochmals los, um mehr zu holen. Inzwischen war es fast Nacht geworden. Eine Taube flog über das Wasser. George ging zu dem Haufen und zündete die dürren Blätter an. Die Flammen stiegen durch die Zweige und breiteten sich aus. George machte sein Bündel auf und förderte drei Büchsen Bohnen zutage. Er stellte sie dicht ans Feuer, fast an die Glut, aber so, dass die Flammen sie nicht berührten.
»Genug Bohnen für vier Mann«, sagte George.
Lennie beobachtete ihn über das Feuer hinweg. »Ich mag Bohnen mit Ketchup«, sagte er geduldig.
»Wir haben aber keins«, brauste George auf. »Du willst immer das, was wir gerade nicht haben. Mein Gott, wie leicht könnte ich's haben, wenn ich allein wär. Ich hätte einen Job, ich könnte arbeiten und hätte keine Probleme. Kein Durcheinander, und am Monatsende könnt ich meine fünfzig Dollar oder mehr einstreichen und in die Stadt gehen und alles kriegen, was mir einfällt. Ich könnt die ganze Nacht in einem Puff bleiben. Ich könnt essen, wo ich wollte, in einem Hotel oder sonst wo, und alles bestellen, was mir einfiele. Jeden verdammten Monat könnt ich das alles machen. Ich könnt 'ne Gallone Whisky trinken oder in einer Spielhalle sitzen und Karten oder Billard spielen.«
Lennie kniete sich hin und blickte über das Feuer hinweg den wütenden George an. Sein Gesicht war vor Schreck verzerrt.
»Und was hab ich?«, fuhr George wütend fort. »Dich hab ich! Du behältst nicht einen Job und deinetwegen verlier ich auch jede Arbeit, die ich kriege. So schieb ich die ganze Zeit übers Land. Und das ist noch nicht das Schlimmste. Du gerätst in Schwierigkeiten. Du stellst schlimme Sachen an und ich muss dich raushauen.« Seine Stimme erhob sich fast zum Schreien. »Du verrücktes Arschloch. Wegen dir gerat ich immer in Teufels Küche.« Er nahm den gezierten Ton kleiner Mädchen an, wenn sie sich gegenseitig nachmachen. »Ich hab doch nur das Kleid von dem Mädchen anfassen wollen - ich hab's nur streicheln wollen, als wär's eine Maus ... Wie zum Teufel hätte sie wissen können, dass du bloß ihr Kleid befühlen wolltest? Sie weicht zurück und du hältst das Kleid fest, als wär's tatsächlich 'ne Maus. Sie schreit los und wir müssen uns in einem Bewässerungsgraben verstecken und die Kerle suchen uns den ganzen Tag und wir müssen uns im Dunkeln rausschleichen und aus dem Staub machen. Die ganze Zeit gibt's solche Sachen - die ganze Zeit. Ich wünschte, ich könnte dich in einen Käfig stecken, mit einer Million Mäusen, damit du deinen Spaß hast.«
Plötzlich war sein Ärger verflogen. Er betrachtete durch das Feuer hindurch Lennies ängstliches Gesicht, dann starrte er beschämt in die Flammen.
Jetzt war es ziemlich dunkel, aber das Feuer erleuchtete die Baumstämme und die gebogenen Äste darüber. Lennie kroch langsam und vorsichtig um das Feuer herum, bis er dicht bei George war. Er hockte sich auf die Fersen. George drehte die Bohnenbüchsen um, sodass eine andere Stelle zum Feuer gekehrt war. Er tat, als bemerke er nicht, dass Lennie so nah bei ihm war.
»George«, klang es sehr sanft. Keine Antwort. »George!«
»Was willst du?«
»Ich hab nur Spaß gemacht, George. Ich will gar kein Ketchup. Würd kein Ketchup essen wollen, auch wenn es da neben mir stehen tät.«
»Wenn welches hier wär, könntest du's haben.«
»Aber ich würd keins wollen, George. Ich würd's dir geben. Dann könntst du deine Bohnen ganz mit dem Ketchup bedecken und ich würd nichts davon anrühren.«
George betrachtete immer noch trübsinnig das Feuer. »Wenn ich denk, wie toll ich es ohne dich haben könnt, werd ich verrückt. Ich komm nie zur Ruhe.«
Lennie kniete noch immer. Er schaute in die Dunkelheit über dem Fluss. »George, willst du, dass ich weggeh und dich allein lass?«
»Wohin, zum Teufel, könntest du denn gehen?«
»Ich könnt schon. Ich könnt in die Hügel da gehen. Irgendwo tät ich sicher 'ne Höhle finden.«
»Ja, und? Was würdest du essen? Du hast doch nicht genug Verstand, um was zu essen zu finden.«
»Ich würd schon was finden, George. Ich brauch kein feines Essen mit Ketchup. Ich würd in der Sonne liegen und keiner tät mir wehtun. Und wenn ich 'ne Maus finden tät, könnt ich sie behalten. Keiner würd sie mir wegnehmen. «
George blickte ihn ruhig und forschend an. »Ich war gemein, was?«
»Wenn du mich nicht mehr willst, kann ich zu den Hügeln gehen und mir 'ne Höhle suchen. Ich kann jederzeit fortgehen.«
»Aber nein! Ich hab doch bloß Spaß gemacht, Lennie. Ich will doch, dass du bei mir bleibst. Das Schlimme mit den Mäusen ist, dass du sie immer umbringst.« Er hielt inne. »Weißt du was, Lennie, sobald es geht, verschaff ich dir einen kleinen Hund. Vielleicht machst du den nicht tot. Der wär besser als Mäuse. Und du könntest ihn fester streicheln.«
Lennie fiel nicht auf den Köder rein. Er hatte seinen Vorteil gespürt. »Wenn du mich nicht mehr willst, brauchst du's bloß zu sagen, und weg bin ich da in den Hügeln - da kann ich für mich leben. Und keiner stiehlt mir meine Mäuse.«
George antwortete: »Ich will, dass du bei mir bleibst. Du lieber Himmel, wenn du allein wärst, würd dich jemand abknallen wie einen Präriewolf. Nein, du bleibst bei mir. Deine Tante Clara würd es nicht wollen, dass du allein rumläufst, auch wenn sie tot ist.«
Lennie sagte schlau: »Erzähl mir, so wie früher.«
»Was soll ich dir erzählen?«
»Von den Kaninchen.«
George schnauzte. »Ich lass mich von dir nicht immer rumkriegen.«
Lennie bettelte: »Komm, George, erzähl. Bitte, George, wie früher.«
»Das macht dir Spaß, nicht wahr? Meinetwegen, ich erzähl dir's und dann essen wir zu Abend.«
Georges Stimme wurde tiefer. Er sprach die Worte rhythmisch, als habe er sie schon viele Male gesagt. »Kerle wie wir, die auf Farmen arbeiten, sind die einsamsten Männer der Welt. Sie haben keine Familie. Sie gehören nirgends hin. Sie kommen auf eine Farm und legen was auf die hohe Kante und dann gehen sie in die Stadt und vergeuden ihr Geld und das Nächste ist, dass sie auf einer andern Farm schuften. Sie haben nichts zu erwarten.«
Lennie war entzückt. »So ist es ... so ist es. Aber jetzt sag, wie's bei uns ist.«
George fuhr fort. »Bei uns ist es anders. Wir haben eine Zukunft. Wir haben jemand, mit dem wir reden können, der sich um uns kümmert. Wir brauchen nicht im Wirtshaus zu sitzen und unser Geld in die Luft zu blasen, bloß weil wir nicht wissen, wo wir sonst hingehen sollen. Wenn diese andern Kerle im Kittchen landen, kann es passieren, dass sie dort verfaulen, ohne dass sich jemand drum kümmert. Aber uns kann das nicht passieren.«
Hier fiel Lennie ein. »Aber uns nicht! Und warum nicht? Weil... weil,ich hab dich und du passt auf mich auf und du hast mich und ich pass auf dich auf, darum!« Er lachte entzückt. »Jetzt erzähl weiter, George.«
»Du kannst es auswendig. Du kannst allein weitermachen. «
»Nein, du. Ich vergess manchmal was. Erzähl, wie es sein wird.«
»Okay. Eines Tages schmeißen wir unser Geld zusammen und kaufen ein kleines Anwesen und ein paar Hektar Land und eine Kuh und ein paar Schweine und ...«
»Und leben in Saus und Braus«, rief Lennie. »Und haben Kaninchen. Los, George, erzähl, was wir im Garten haben und von den Kaninchenställen und vom Regen im Winter und vom Ofen und wie dick der Rahm auf der Milch ist, dass man ihn kaum schneiden kann. Erzähl's, George.«
»Warum tust du's nicht? Du weißt doch alles.«
»Nein, erzähl du. Ist nicht dasselbe, wenn ich's erzähl. Weiter, George. Wie ich die Kaninchen versorgen muss.«
»Also«, sagt George. »Wir werden ein großes Gemüsebeet haben und einen Kaninchenstall und Hühner. Und wenn es im Winter regnet, dann sagen wir ›Zum Teufel mit der Arbeit‹ und machen uns ein Feuer im Ofen und sitzen drum rum und horchen, wie der Regen aufs Dach platscht. Ach, Mist!« Er nahm sein Taschenmesser heraus. »Ich hab keine Zeit mehr für so was.« Er steckte sein Messer durch den Deckel von einer der Bohnenbüchsen, säbelte ihn heraus und reichte Lennie die Büchse. Dann öffnete er eine zweite. Aus der Seitentasche zog er zwei Löffel und hielt Lennie einen hin.
Sie saßen am Feuer und stopften sich den Mund mit Bohnen voll und kauten heftig. Ein paar Bohnen rutschten aus Lennies Mundwinkel. George machte ihm ein Zeichen mit dem Löffel. »Was sagst du morgen, wenn der Boss dich was fragt?«
Lennie hörte auf zu kauen und schluckte. Sein Gesicht war konzentriert. »Ich ... ich ... werd kein Wort nicht sagen.«
Copyright © Ungekürzte Ausgabe 2012 Veröffentlicht 2002 im Deutschen Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
- Autor: John Steinbeck
- 2012, 10. Aufl., 128 Seiten, Maße: 12,1 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Pressler, Mirjam
- Übersetzer: Mirjam Pressler
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423142111
- ISBN-13: 9783423142113
- Erscheinungsdatum: 01.12.2012
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