Warrior Cats Staffel 3 Band 1: Der geheime Blick
III, Band 1
Drei junge Katzen im DonnerClan werden endlich zu Schülern ernannt: Häherpfote, Löwenpfote und Distelpfote brennen so sehr darauf, Krieger zu sein und zu kämpfen. Doch eine Prophezeiung sagt ihnen und dem DonnerClan eine düstere Zukunft voraus.
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Produktinformationen zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 1: Der geheime Blick “
Drei junge Katzen im DonnerClan werden endlich zu Schülern ernannt: Häherpfote, Löwenpfote und Distelpfote brennen so sehr darauf, Krieger zu sein und zu kämpfen. Doch eine Prophezeiung sagt ihnen und dem DonnerClan eine düstere Zukunft voraus.
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WARRIOR CATS Die Macht der drei - Der geheime Blick von Erin Hunter... mehr
PROLOG
DIE SCHLAMMVERKRUSTETEN WURZELN eines Baumes stützten einen kleinen Durchgang. In den Schatten dahinter hielt ein Gewirr aus Tentakeln die Erde am Boden der Höhle zusammen, die Wind und Wasser über viele Monde ausgewaschen hatten.
Ein Kater kam den steilen Pfad hinaufgetappt und näherte sich dem Eingang. Sein flammenfarbener Pelz leuchtete im Mondschein. Seine Ohren zuckten und sein gesträubter Pelz lief? keinen Zweifel daran, wie unbehaglich er sich fühlte, als er sich vor der Höhle setzte und den Schwanz um die Pfoten legte. »Du hast mich gebeten zu kommen.«
Ein Augenpaar blinzelte ihm aus der Finsternis entgegen - Augen, die so blau waren wie ein See in der Sommersonne. Im Eingang wartete ein grauer Kater, vom Alter und von zahlreichen Kämpfen gezeichnet.
»Feuerstern.« Der Krieger trat vor und streifte die Wange des DonnerClan-Anführers mit seiner weif? gefleckten Schnauze. »Ich will dir danken.« Seine Greisenstimme klang rau. »Du hast den verlorenen Clan wieder aufgebaut. Keine Katze hätte das geschafft.« »Es besteht kein Grund für Dankbarkeit.« Feuerstern neigte den Kopf. »Ich habe nur getan, was ich tun musste.«
Der alte Krieger nickte nachdenklich. »Glaubst du, dass du dem DonnerClan ein guter Anführer gewesen bist?<<
Feuerstern zuckte zusammen. »Ich weif? es nicht<<, miaute er. »Es ist nicht leicht gewesen, aber ich habe immer versucht zu tun, was für meinen Clan richtig war.<<
»Keine Katze würde an deiner Treue zweifeln<<, krächzte der Alte. »Aber wie weit würde sie gehen?<<
Mit einem unsicheren Flackern in den Augen suchte Feuer-stern nach einer Antwort.
»Schwere Zeiten stehen bevor<<, fuhr der Krieger fort, bevor Feuerstern antworten konnte. »Und deine Treue wird auf die äuf?erste Probe gestellt werden. Manchmal ist die Bestimmung einer Katze nicht die Bestimmung des ganzen Clans.<<
Plötzlich erhob sich der Kater mit steifen Pfoten und lief? den Blick an Feuerstern vorbei in die Ferne schweifen. Er schien den Anführer des DonnerClans nicht mehr wahrzunehmen, weil er weit hinter ihm etwas sah, was für Feuerstern im Verborgenen blieb.
Dann sprach er weiter und seine raue Stimme wurde weich, als ob sich eine fremde Katze seiner Zunge bemächtigt hätte.
NDrei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten.K
»Ich verstehe nicht<<, miaute Feuerstern. »Blut von meinem Blut? Warum erzählst du mir das?<<
Der alte Krieger blinzelte, dann ruhten seine Augen wieder auf Feuerstern.
»Du musst mir mehr sagen!<<, protestierte Feuerstern. »Wie kann ich entscheiden, was ich tun soll, wenn du es mir nicht erklärst?<<
Der Greis holte tief Luft, sagte dann aber nur: »Leb wohl,
Feuerstern. Blattwechsel werden kommen, in denen du dich an mich erinnern wirst.«
Erschrocken wachte Feuerstern auf, die Angst saß wie ein fester Knoten in seinem Bauch. Er atmete erleichtert aus, als er die vertrauten Steinwände des Anführerbaus im Felsenkessel beim See erkannte. Durch den Eingangsspalt strömte die Morgensonne herein. Ihre Wärme auf seinem Pelz tröstete ihn.
Mühsam erhob er sich auf die Pfoten und schüttelte den Kopf, um den Traum zu verscheuchen. Aber das war kein gewöhnlicher Traum, denn er sah die Höhle so deutlich vor sich, als ob er erst vor einem Mond dort gewesen wäre und alles, was sich in den vielen, vielen Blattwechseln ereignet hatte, die seither vergangen waren, nicht geschehen wäre. Als der alte Krieger seine Prophezeiung verkündet hatte, waren Feuersterns Töchter noch nicht geboren und die vier Clans hatten noch in ihrem alten Wald gelebt. Die Prophezeiung war ihm auf der großen Reise durch die Berge gefolgt und hatte sich mit ihm in seinem neuen Zuhause am See niedergelassen. Jeden Vollmond kehrte die Erinnerung zurück und bemächtigte sich seiner Träume. Nicht einmal Sandsturm, die neben ihm schlief, wusste davon.
Er steckte den Kopf aus seinem Bau und spähte auf das erwachende Lager hinab. Sein Zweiter Anführer Brombeerkralle streckte sich auf der Lichtung. Eichhornschweif kam zu ihrem Gefährten getappt und begrüßte ihn schnurrend.
Ich will beten, dass ich mich geirrt habe, dachte Feuer-stern. Und doch fühlte er eine Leere in seinem Herzen, weil er fürchtete, dass sich die Prophezeiung jetzt erfüllen könnte.
Die drei waren gekommen ...
1. KAPITEL
BLÄTTER STREIFTEN HÄHERJUNGES' PELZ wie fallender Schnee. Laub raschelte unter seinen Pfoten, steif gefroren bedeckte es den Boden so hoch, dass er sich Pfotenschritt für Pfotenschritt vorwärts kämpfen musste. Ein eisiger Wind kroch ihm unter seinen kinderstubenweichen Pelz und er zitterte.
»Warte auf mich!«, maunzte er. Er hörte die Stimme seiner Mutter, die mit ihrem warmen Körper stets ein paar Pfotenschritte vor ihm unerreichbar blieb.
»Die kriegst du nie!«
Ein hohes Miauen riss ihn aus seinem Traum und Häherjunges schreckte auf. Mit gespitzten Ohren lauschte er auf die vertrauten Geräusche in der Brombeer-Kinderstube. Schwester und Bruder krabbelten verspielt herum. Rauchfell leckte ihre dösenden Jungen. Es gab hier keinen Schnee, er war im Lager, warm und sicher. Der Geruch seiner Mutter wehte aus ihrem Nest zu ihm herüber, immer noch frisch, obwohl sie es längst verlassen hatte.
»Autsch!«, rief er erschrocken, als seine Schwester Disteljunges mit einem Plumps auf ihm landete. »Pass doch auf!«
»Endlich bist du wach!« Sie ließ sich von ihm herunterrollen und stürzte sich auf etwas ganz in der Nähe.
Maus! Häherjunges konnte sie riechen. Sein Bruder und
seine Schwester hatten vermutlich Fangen gespielt, mit der Frischbeute, die gerade ins Lager gebracht worden war. Er sprang auf die Pfoten und streckte sich ausgiebig, bis sein kleiner Körper zitterte.
»Fang, Häherjunges!«, miaute Disteljunges. Pfeifend sauste die Maus an seinem Ohr vorbei.
»Lahme Schnecke!«, foppte sie ihn, als er sich zu spät umdrehte, um danach auszuholen.
»Ich hab sie!«, rief Löwenjunges. Pfoten plumpsten auf den festgetretenen Boden, als er mit der Frischbeute landete.
So einfach würde sich Häherjunges die Beute nicht von seinem Bruder wegschnappen lassen. Er war vielleicht der Kleinste im Wurf, aber er war schnell. Mit einem Satz in Löwenjunges' Richtung schubste er ihn aus dem Weg und streckte eine Vorderpfote nach der Maus aus.
Er rutschte aus und landete ungelenk am Boden, überschlug sich und zuckte vor Schreck zusammen, als er merkte, dass das kein Moos war, was er da unter sich spürte, sondern eins von Rauchfells winzigen Jungen. Rauchfell stief? ihn mit den Hinterläufen beiseite.
Häherjunges schnappte nach Luft. »Habe ich ihr wehgetan?«
»Natürlich nicht«, antwortete Rauchfell schroff. »Du bist so klein, dass du nicht einmal eine Fliege zerquetschen könntest!« Fuchsjunges und Eisjunges maunzten, ihre Mutter schob sie dichter an ihren Bauch. »Aber ihr drei werdet allmählich zu wild für die Kinderstube!«
»Entschuldige, Rauchfell«, miaute Disteljunges.
»Entschuldige,Rauchfell«,echoteHäherjungesverzagt,obwohl ihn Rauchfells Bemerkung über seine Gröf?e gekränkt
hatte. Doch der Ärger der Königin würde schnell verfliegen. Jungen, die sie selbst aufgezogen hatte, konnte sie nie lange böse sein - Rauchfell war es gewesen, die Häherjunges, Disteljunges und Löwenjunges in den Monden vor Fuchsjunges' und Eisjunges' Geburt gesäugt hatte, als bei Eichhornschweif der Milchfluss ausblieb.
»Es wird Zeit, dass euch Feuerstern zu Schülern ernennt, damit ihr in den Bau der Schüler umzieht<<, miaute Rauchfell. »Das wäre schön<<, seufzte Löwenjunges.
»Wird nicht mehr lange dauern<<, verkündete Disteljunges. »Wir sind schon fast sechs Monde alt.<<
Wie immer, wenn er an sein künftiges Schülerdasein dachte, begann Häherjunges' Bauch vor Aufregung zu rumoren. Er konnte es kaum erwarten, mit dem Training zu beginnen. Aber auch ohne Rauchfells Miene zu sehen, spürte er den leisen Zweifel, der sich unter dem Pelz der Königin regte, und wusste, dass sie ihn mitfühlend ansah. Sein Fell sträubte sich vor Enttäuschung - er war für seine Ernennung zum Schüler bereit, genau wie Disteljunges und Löwenjunges!
Ohne zu merken, dass Häherjunges ihr Zögern mitbekommen hatte, antwortete Rauchfell an Disteljunges gewandt: »Noch seid ihr keine sechs Monde alt! Und deshalb müsst ihr vorerst draußen weiterspielen!<<
»Wir gehen schon, Rauchfell<<, antwortete Löwenjunges kleinlaut.
»Komm, Häherjunges<<, rief Disteljunges. »Und nimm die Maus mit.<< Der raschelnde Brombeerstrauch sagte ihm, dass sie durch den Eingang der Kinderstube schlüpfte.
Häherjunges packte die Maus vorsichtig mit den Zähnen. Sie war frisch gefangen und noch weich, er wollte nicht, dass
sie zu bluten anfing - noch konnten sie hübsch mit ihr spielen. Gefolgt von Löwenjunges, kroch er hinter seiner Schwester her. Die Ranken vor dem Ausgangstunnel kratzten ihn im Pelz. Sie waren spitz genug, um sich in seinem Fell zu verhaken, aber nicht so scharf, dass sie ihm wehgetan hätten.
Drauf9en roch die Luft frisch und frostig. Feuerstern gab sich mit Sandsturm unter der Hochnase Zungen. Borkenpelz saf9 auch bei ihnen. »Wir sollten darüber nachdenken, wie wir den Bau der Krieger erweitern können<<, riet der Krieger mit dem dunklen Pelz seinem Anführer. »Er ist jetzt schon überfüllt und die Jungen von Minka und Ampferschweif werden nicht ewig Schüler bleiben.<<
Wir erst recht nicht!, dachte Häherjunges.
Lichtherz und Wolkenschweif putzten sich gegenseitig bei einem Sonnenbad auf der anderen Seite der Lichtung. Häherjunges hörte ihre Zungen stetig lecken. Sie hatten dicke Pelze wie alle DonnerClan-Katzen in der Blattleere, aber darunter waren die Muskeln wegen der spärlichen Beute und der anstrengenden Jagd sehnig geworden.
Auf9er Hunger hatte die Blattleere noch anderes Unheil mitgebracht. Maulwurfpfote, eines von Ampferschweifs Jungen, war an einem Husten gestorben, auf den Blattsees Kräuter nicht angesprochen hatten. Und Regenpelz war in einem Sturm von einem abgebrochenen Ast getötet worden.
Lichtherz hielt im Putzen inne. »Wie fühlst du dich heute, Häherjunges?<<
Häherjunges legte die Maus zwischen seinen Pfoten ab, wo sie vor Disteljunges sicher war. »Gut geht es mir, was sonst?<<, miaute er. Warum musste Lichtherz immer so viel Getue um ihn machen? Er hatte schlief9lich nur eine Nacht in der Kin-
derstube hinter sich und keine wilde Jagd! Ständig schien sie ihn mit ihrem einen gesunden Auge zu überwachen. Um zu zeigen, dass er genauso stark war wie sein Bruder und seine Schwester, schleuderte Häherjunges die Maus hoch über Disteljunges' Kopf hinweg.
Als Löwenjunges' Pfoten an ihm vorbeitrommelten, der sie sich vor Disteljunges schnappen wollte, ertönte Eichhornschweifs Stimme von einer Seite der Kinderstube. »Ihr solltet eurer Beute mehr Respekt erweisen!« Ihre Mutter war damit beschäftigt, Blätter in die stacheligen Löcher an der Außenwand des Baus zu stopfen. Minka half ihr dabei. »Junge sind und bleiben eben Junge«, schnurrte die Kätzin besänftigend.
Häherjunges' Nasenflügel bebten, wenn ihm Minkas seltsamer Geruch entgegenwehte. Sie roch anders als die im Clan geborenen Katzen und einige Katzen sagten immer noch Hauskätzchen zu ihr, weil sie früher am Pferdeort gelebt und Zweibeinerfraß gegessen hatte. Minka war keine Kriegerin, denn sie hatte nicht vor, die Kinderstube zu verlassen, aber ihre Jungen Mauspfote, Haselpfote und Beerenpfote waren jetzt Schüler und Häherjunges konnte keinen Unterschied zwischen ihnen und seinen übrigen Clan-Gefährten erkennen.
»Sie werden nicht mehr lange Junge bleiben«, sagte Eichhornschweif zu Minka, während sie ihr mit ihrem langen Schwanz mehr Blätter hinschob. Das harsche Rascheln erinnerte Häherjunges an seinen Traum.
Häherjunges mochte die cremeweif3e Kätzin sehr. Minka war zwar nicht seine Mutter, hatte ihn aber zusammen mit Rauchfell gewärmt und gewaschen, wenn Eichhornschweif wegen ihrer Pflichten für den Clan von der Kinderstube ferngehalten wurde. Seine Mutter hatte sehr bald nach der Geburt
ihrer Jungen ihre Kriegerpflichten wieder aufgenommen. In der Kinderstube lag zwar noch ein Nest für sie bereit, aber sie benutzte es immer seltener und zog es vor, im Bau der Krieger zu übernachten, wo sie die Jungen und die säugenden Königinnen nicht störte, wenn sie früh aufstand, um auf Morgenpatrouille zu gehen.
»Zieht es jetzt immer noch, Rauchfell?<<, rief Eichhornschweif durch den Außenwall der Kinderstube.
»Nein<<, ertönte Rauchfells Stimme hinter dem Gewirr aus Ranken. »Wir haben es hier drinnen warm wie Fuchsjunge.<<
»Gut<<, miaute Eichhornschweif. »Würdest du hier aufräumen, Minka? Ich habe Brombeerkralle meine Hilfe angeboten, wenn er rund um den Felsenkessel nach losen Steinen Ausschau hält.<<
»Lose Steine?<<, fragte Minka entsetzt.
»Ein solider Schutzwall wie unserer ist sehr nützlich.<< Eichhornschweifs Stimme hallte, während sie den Blick über die kahlen Felswände schweifen lief?, die das Lager fast überall umgaben. »Aber bei diesem Frost könnten sich hier und da Steine gelockert haben und wir wollen verhindern, dass sie ins Lager fallen.<<
Häherjunges wurde abgelenkt, weil der bittere Gestank nach Mäusegalle vom Bau der Ältesten herüberwehte. Vermutlich befreite Blattsee Langschweif und Mausefell gerade von Zecken. Ein wesentlich angenehmerer Duft kündigte die Rückkehr von Mauspfote und Haselpfote an - Minkas Junge brachten Frischbeute von ihrer Jagdpatrouille mit. Aufgeregt kamen sie ins Lager gerannt, Mauspfote mit zwei Mäusen und Haselpfote mit einer riesigen Drossel zwischen den Zähnen. Sie ließen ihren Fang auf den Frischbeutehaufen fallen.
Übersetzung: Friederike Levin
© 2012 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
PROLOG
DIE SCHLAMMVERKRUSTETEN WURZELN eines Baumes stützten einen kleinen Durchgang. In den Schatten dahinter hielt ein Gewirr aus Tentakeln die Erde am Boden der Höhle zusammen, die Wind und Wasser über viele Monde ausgewaschen hatten.
Ein Kater kam den steilen Pfad hinaufgetappt und näherte sich dem Eingang. Sein flammenfarbener Pelz leuchtete im Mondschein. Seine Ohren zuckten und sein gesträubter Pelz lief? keinen Zweifel daran, wie unbehaglich er sich fühlte, als er sich vor der Höhle setzte und den Schwanz um die Pfoten legte. »Du hast mich gebeten zu kommen.«
Ein Augenpaar blinzelte ihm aus der Finsternis entgegen - Augen, die so blau waren wie ein See in der Sommersonne. Im Eingang wartete ein grauer Kater, vom Alter und von zahlreichen Kämpfen gezeichnet.
»Feuerstern.« Der Krieger trat vor und streifte die Wange des DonnerClan-Anführers mit seiner weif? gefleckten Schnauze. »Ich will dir danken.« Seine Greisenstimme klang rau. »Du hast den verlorenen Clan wieder aufgebaut. Keine Katze hätte das geschafft.« »Es besteht kein Grund für Dankbarkeit.« Feuerstern neigte den Kopf. »Ich habe nur getan, was ich tun musste.«
Der alte Krieger nickte nachdenklich. »Glaubst du, dass du dem DonnerClan ein guter Anführer gewesen bist?<<
Feuerstern zuckte zusammen. »Ich weif? es nicht<<, miaute er. »Es ist nicht leicht gewesen, aber ich habe immer versucht zu tun, was für meinen Clan richtig war.<<
»Keine Katze würde an deiner Treue zweifeln<<, krächzte der Alte. »Aber wie weit würde sie gehen?<<
Mit einem unsicheren Flackern in den Augen suchte Feuer-stern nach einer Antwort.
»Schwere Zeiten stehen bevor<<, fuhr der Krieger fort, bevor Feuerstern antworten konnte. »Und deine Treue wird auf die äuf?erste Probe gestellt werden. Manchmal ist die Bestimmung einer Katze nicht die Bestimmung des ganzen Clans.<<
Plötzlich erhob sich der Kater mit steifen Pfoten und lief? den Blick an Feuerstern vorbei in die Ferne schweifen. Er schien den Anführer des DonnerClans nicht mehr wahrzunehmen, weil er weit hinter ihm etwas sah, was für Feuerstern im Verborgenen blieb.
Dann sprach er weiter und seine raue Stimme wurde weich, als ob sich eine fremde Katze seiner Zunge bemächtigt hätte.
NDrei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten.K
»Ich verstehe nicht<<, miaute Feuerstern. »Blut von meinem Blut? Warum erzählst du mir das?<<
Der alte Krieger blinzelte, dann ruhten seine Augen wieder auf Feuerstern.
»Du musst mir mehr sagen!<<, protestierte Feuerstern. »Wie kann ich entscheiden, was ich tun soll, wenn du es mir nicht erklärst?<<
Der Greis holte tief Luft, sagte dann aber nur: »Leb wohl,
Feuerstern. Blattwechsel werden kommen, in denen du dich an mich erinnern wirst.«
Erschrocken wachte Feuerstern auf, die Angst saß wie ein fester Knoten in seinem Bauch. Er atmete erleichtert aus, als er die vertrauten Steinwände des Anführerbaus im Felsenkessel beim See erkannte. Durch den Eingangsspalt strömte die Morgensonne herein. Ihre Wärme auf seinem Pelz tröstete ihn.
Mühsam erhob er sich auf die Pfoten und schüttelte den Kopf, um den Traum zu verscheuchen. Aber das war kein gewöhnlicher Traum, denn er sah die Höhle so deutlich vor sich, als ob er erst vor einem Mond dort gewesen wäre und alles, was sich in den vielen, vielen Blattwechseln ereignet hatte, die seither vergangen waren, nicht geschehen wäre. Als der alte Krieger seine Prophezeiung verkündet hatte, waren Feuersterns Töchter noch nicht geboren und die vier Clans hatten noch in ihrem alten Wald gelebt. Die Prophezeiung war ihm auf der großen Reise durch die Berge gefolgt und hatte sich mit ihm in seinem neuen Zuhause am See niedergelassen. Jeden Vollmond kehrte die Erinnerung zurück und bemächtigte sich seiner Träume. Nicht einmal Sandsturm, die neben ihm schlief, wusste davon.
Er steckte den Kopf aus seinem Bau und spähte auf das erwachende Lager hinab. Sein Zweiter Anführer Brombeerkralle streckte sich auf der Lichtung. Eichhornschweif kam zu ihrem Gefährten getappt und begrüßte ihn schnurrend.
Ich will beten, dass ich mich geirrt habe, dachte Feuer-stern. Und doch fühlte er eine Leere in seinem Herzen, weil er fürchtete, dass sich die Prophezeiung jetzt erfüllen könnte.
Die drei waren gekommen ...
1. KAPITEL
BLÄTTER STREIFTEN HÄHERJUNGES' PELZ wie fallender Schnee. Laub raschelte unter seinen Pfoten, steif gefroren bedeckte es den Boden so hoch, dass er sich Pfotenschritt für Pfotenschritt vorwärts kämpfen musste. Ein eisiger Wind kroch ihm unter seinen kinderstubenweichen Pelz und er zitterte.
»Warte auf mich!«, maunzte er. Er hörte die Stimme seiner Mutter, die mit ihrem warmen Körper stets ein paar Pfotenschritte vor ihm unerreichbar blieb.
»Die kriegst du nie!«
Ein hohes Miauen riss ihn aus seinem Traum und Häherjunges schreckte auf. Mit gespitzten Ohren lauschte er auf die vertrauten Geräusche in der Brombeer-Kinderstube. Schwester und Bruder krabbelten verspielt herum. Rauchfell leckte ihre dösenden Jungen. Es gab hier keinen Schnee, er war im Lager, warm und sicher. Der Geruch seiner Mutter wehte aus ihrem Nest zu ihm herüber, immer noch frisch, obwohl sie es längst verlassen hatte.
»Autsch!«, rief er erschrocken, als seine Schwester Disteljunges mit einem Plumps auf ihm landete. »Pass doch auf!«
»Endlich bist du wach!« Sie ließ sich von ihm herunterrollen und stürzte sich auf etwas ganz in der Nähe.
Maus! Häherjunges konnte sie riechen. Sein Bruder und
seine Schwester hatten vermutlich Fangen gespielt, mit der Frischbeute, die gerade ins Lager gebracht worden war. Er sprang auf die Pfoten und streckte sich ausgiebig, bis sein kleiner Körper zitterte.
»Fang, Häherjunges!«, miaute Disteljunges. Pfeifend sauste die Maus an seinem Ohr vorbei.
»Lahme Schnecke!«, foppte sie ihn, als er sich zu spät umdrehte, um danach auszuholen.
»Ich hab sie!«, rief Löwenjunges. Pfoten plumpsten auf den festgetretenen Boden, als er mit der Frischbeute landete.
So einfach würde sich Häherjunges die Beute nicht von seinem Bruder wegschnappen lassen. Er war vielleicht der Kleinste im Wurf, aber er war schnell. Mit einem Satz in Löwenjunges' Richtung schubste er ihn aus dem Weg und streckte eine Vorderpfote nach der Maus aus.
Er rutschte aus und landete ungelenk am Boden, überschlug sich und zuckte vor Schreck zusammen, als er merkte, dass das kein Moos war, was er da unter sich spürte, sondern eins von Rauchfells winzigen Jungen. Rauchfell stief? ihn mit den Hinterläufen beiseite.
Häherjunges schnappte nach Luft. »Habe ich ihr wehgetan?«
»Natürlich nicht«, antwortete Rauchfell schroff. »Du bist so klein, dass du nicht einmal eine Fliege zerquetschen könntest!« Fuchsjunges und Eisjunges maunzten, ihre Mutter schob sie dichter an ihren Bauch. »Aber ihr drei werdet allmählich zu wild für die Kinderstube!«
»Entschuldige, Rauchfell«, miaute Disteljunges.
»Entschuldige,Rauchfell«,echoteHäherjungesverzagt,obwohl ihn Rauchfells Bemerkung über seine Gröf?e gekränkt
hatte. Doch der Ärger der Königin würde schnell verfliegen. Jungen, die sie selbst aufgezogen hatte, konnte sie nie lange böse sein - Rauchfell war es gewesen, die Häherjunges, Disteljunges und Löwenjunges in den Monden vor Fuchsjunges' und Eisjunges' Geburt gesäugt hatte, als bei Eichhornschweif der Milchfluss ausblieb.
»Es wird Zeit, dass euch Feuerstern zu Schülern ernennt, damit ihr in den Bau der Schüler umzieht<<, miaute Rauchfell. »Das wäre schön<<, seufzte Löwenjunges.
»Wird nicht mehr lange dauern<<, verkündete Disteljunges. »Wir sind schon fast sechs Monde alt.<<
Wie immer, wenn er an sein künftiges Schülerdasein dachte, begann Häherjunges' Bauch vor Aufregung zu rumoren. Er konnte es kaum erwarten, mit dem Training zu beginnen. Aber auch ohne Rauchfells Miene zu sehen, spürte er den leisen Zweifel, der sich unter dem Pelz der Königin regte, und wusste, dass sie ihn mitfühlend ansah. Sein Fell sträubte sich vor Enttäuschung - er war für seine Ernennung zum Schüler bereit, genau wie Disteljunges und Löwenjunges!
Ohne zu merken, dass Häherjunges ihr Zögern mitbekommen hatte, antwortete Rauchfell an Disteljunges gewandt: »Noch seid ihr keine sechs Monde alt! Und deshalb müsst ihr vorerst draußen weiterspielen!<<
»Wir gehen schon, Rauchfell<<, antwortete Löwenjunges kleinlaut.
»Komm, Häherjunges<<, rief Disteljunges. »Und nimm die Maus mit.<< Der raschelnde Brombeerstrauch sagte ihm, dass sie durch den Eingang der Kinderstube schlüpfte.
Häherjunges packte die Maus vorsichtig mit den Zähnen. Sie war frisch gefangen und noch weich, er wollte nicht, dass
sie zu bluten anfing - noch konnten sie hübsch mit ihr spielen. Gefolgt von Löwenjunges, kroch er hinter seiner Schwester her. Die Ranken vor dem Ausgangstunnel kratzten ihn im Pelz. Sie waren spitz genug, um sich in seinem Fell zu verhaken, aber nicht so scharf, dass sie ihm wehgetan hätten.
Drauf9en roch die Luft frisch und frostig. Feuerstern gab sich mit Sandsturm unter der Hochnase Zungen. Borkenpelz saf9 auch bei ihnen. »Wir sollten darüber nachdenken, wie wir den Bau der Krieger erweitern können<<, riet der Krieger mit dem dunklen Pelz seinem Anführer. »Er ist jetzt schon überfüllt und die Jungen von Minka und Ampferschweif werden nicht ewig Schüler bleiben.<<
Wir erst recht nicht!, dachte Häherjunges.
Lichtherz und Wolkenschweif putzten sich gegenseitig bei einem Sonnenbad auf der anderen Seite der Lichtung. Häherjunges hörte ihre Zungen stetig lecken. Sie hatten dicke Pelze wie alle DonnerClan-Katzen in der Blattleere, aber darunter waren die Muskeln wegen der spärlichen Beute und der anstrengenden Jagd sehnig geworden.
Auf9er Hunger hatte die Blattleere noch anderes Unheil mitgebracht. Maulwurfpfote, eines von Ampferschweifs Jungen, war an einem Husten gestorben, auf den Blattsees Kräuter nicht angesprochen hatten. Und Regenpelz war in einem Sturm von einem abgebrochenen Ast getötet worden.
Lichtherz hielt im Putzen inne. »Wie fühlst du dich heute, Häherjunges?<<
Häherjunges legte die Maus zwischen seinen Pfoten ab, wo sie vor Disteljunges sicher war. »Gut geht es mir, was sonst?<<, miaute er. Warum musste Lichtherz immer so viel Getue um ihn machen? Er hatte schlief9lich nur eine Nacht in der Kin-
derstube hinter sich und keine wilde Jagd! Ständig schien sie ihn mit ihrem einen gesunden Auge zu überwachen. Um zu zeigen, dass er genauso stark war wie sein Bruder und seine Schwester, schleuderte Häherjunges die Maus hoch über Disteljunges' Kopf hinweg.
Als Löwenjunges' Pfoten an ihm vorbeitrommelten, der sie sich vor Disteljunges schnappen wollte, ertönte Eichhornschweifs Stimme von einer Seite der Kinderstube. »Ihr solltet eurer Beute mehr Respekt erweisen!« Ihre Mutter war damit beschäftigt, Blätter in die stacheligen Löcher an der Außenwand des Baus zu stopfen. Minka half ihr dabei. »Junge sind und bleiben eben Junge«, schnurrte die Kätzin besänftigend.
Häherjunges' Nasenflügel bebten, wenn ihm Minkas seltsamer Geruch entgegenwehte. Sie roch anders als die im Clan geborenen Katzen und einige Katzen sagten immer noch Hauskätzchen zu ihr, weil sie früher am Pferdeort gelebt und Zweibeinerfraß gegessen hatte. Minka war keine Kriegerin, denn sie hatte nicht vor, die Kinderstube zu verlassen, aber ihre Jungen Mauspfote, Haselpfote und Beerenpfote waren jetzt Schüler und Häherjunges konnte keinen Unterschied zwischen ihnen und seinen übrigen Clan-Gefährten erkennen.
»Sie werden nicht mehr lange Junge bleiben«, sagte Eichhornschweif zu Minka, während sie ihr mit ihrem langen Schwanz mehr Blätter hinschob. Das harsche Rascheln erinnerte Häherjunges an seinen Traum.
Häherjunges mochte die cremeweif3e Kätzin sehr. Minka war zwar nicht seine Mutter, hatte ihn aber zusammen mit Rauchfell gewärmt und gewaschen, wenn Eichhornschweif wegen ihrer Pflichten für den Clan von der Kinderstube ferngehalten wurde. Seine Mutter hatte sehr bald nach der Geburt
ihrer Jungen ihre Kriegerpflichten wieder aufgenommen. In der Kinderstube lag zwar noch ein Nest für sie bereit, aber sie benutzte es immer seltener und zog es vor, im Bau der Krieger zu übernachten, wo sie die Jungen und die säugenden Königinnen nicht störte, wenn sie früh aufstand, um auf Morgenpatrouille zu gehen.
»Zieht es jetzt immer noch, Rauchfell?<<, rief Eichhornschweif durch den Außenwall der Kinderstube.
»Nein<<, ertönte Rauchfells Stimme hinter dem Gewirr aus Ranken. »Wir haben es hier drinnen warm wie Fuchsjunge.<<
»Gut<<, miaute Eichhornschweif. »Würdest du hier aufräumen, Minka? Ich habe Brombeerkralle meine Hilfe angeboten, wenn er rund um den Felsenkessel nach losen Steinen Ausschau hält.<<
»Lose Steine?<<, fragte Minka entsetzt.
»Ein solider Schutzwall wie unserer ist sehr nützlich.<< Eichhornschweifs Stimme hallte, während sie den Blick über die kahlen Felswände schweifen lief?, die das Lager fast überall umgaben. »Aber bei diesem Frost könnten sich hier und da Steine gelockert haben und wir wollen verhindern, dass sie ins Lager fallen.<<
Häherjunges wurde abgelenkt, weil der bittere Gestank nach Mäusegalle vom Bau der Ältesten herüberwehte. Vermutlich befreite Blattsee Langschweif und Mausefell gerade von Zecken. Ein wesentlich angenehmerer Duft kündigte die Rückkehr von Mauspfote und Haselpfote an - Minkas Junge brachten Frischbeute von ihrer Jagdpatrouille mit. Aufgeregt kamen sie ins Lager gerannt, Mauspfote mit zwei Mäusen und Haselpfote mit einer riesigen Drossel zwischen den Zähnen. Sie ließen ihren Fang auf den Frischbeutehaufen fallen.
Übersetzung: Friederike Levin
© 2012 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
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Autoren-Porträt von Erin Hunter
Hinter dem Namen Erin Hunter verbergen sich gleich drei Autorinnen. Während Victoria Holmes meistens die Ideen hat und das gesamte Geschehen im Auge behält, bringen Cherith Baldry und Kate Cary die Abenteuer auf Papier.Friederike Levin, geboren 1956, übersetzt aus dem Englischen, u. a. Erzählungen, eiskalte kanadische Krimis und auch einige Vampirromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erin Hunter
- Altersempfehlung: Ab 10 Jahre
- 2016, 4. Aufl., 377 Seiten, 3 Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit Abbildungen, Maße: 14,2 x 21,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Friederike Levin
- Verlag: Beltz
- ISBN-10: 3407811179
- ISBN-13: 9783407811172
- Erscheinungsdatum: 13.09.2012
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