Weihnachten mit Nora Roberts
"Nie mehr allein", "Zauber einer Winternacht", "Wünsche werden wahr" und "Das schönste Geschenk"
- Nie mehr allein: Nach zehn langen Jahren kehrt Jason zurück in die Heimat, zurück zu Leonie. Nie hat er verwunden, dass seine große Liebe einst einen anderen geheiratet hat. Und am Weihnachtsabend...
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Produktinformationen zu „Weihnachten mit Nora Roberts “
- Nie mehr allein: Nach zehn langen Jahren kehrt Jason zurück in die Heimat, zurück zu Leonie. Nie hat er verwunden, dass seine große Liebe einst einen anderen geheiratet hat. Und am Weihnachtsabend lüftet sich ein Geheimnis.
- Zauber einer Winternacht: Ein Schneesturm zwingt die hochschwangere Laura, bei dem zurückgezogenen Künstler Gabriel Unterschlupf zu suchen. Aber wird es ihr auch gelingen, Gabriels erkaltetes Herz zum Schmelzen zu bringen?
- Wünsche werden wahr: Eine neue Mom! Nichts wünschen sich die sechsjährigen Zwillinge Zeke und Zack sehnlicher zum Fest. Die blonde Nell wäre genau die Richtige für diesen Job. Doch was wird Vater Mac dazu sagen?
- Das schönste Geschenk: Für Sharon ist es Liebe auf den ersten Blick, als sie bei Umbauarbeiten am Haus ihrer Großmutter auf Victor trifft. Aber der attraktive Zimmermann ist nicht der, der er zu sein scheint.
Stephen King
Klappentext zu „Weihnachten mit Nora Roberts “
1. Nie mehr allein: Nach zehn langen Jahren kehrt Jason zurück in die Heimat, zurück zu Leonie. Nie hat er verwunden, dass seine große Liebe einst einen anderen geheiratet hat. Am Weihnachtsabend lüftet sich ein Geheimnis ... 2. Zauber einer Winternacht: Ein Schneesturm zwingt die hochschwangere Laura, bei dem zurückgezogenen Künstler Gabriel Unterschlupf zu suchen. Aber wird es ihr auch gelingen, Gabriels erkaltetes Herz zum Schmelzen zu bringen? 3. Wünsche werden wahr: Eine neue Mom! Nichts wünschen sich die sechsjährigen Zwillinge Zeke und Zack sehnlicher zum Fest. Die blonde Nell wäre genau die Richtige für diesen Job. Doch was wird Vater Mac dazu sagen? 4. Das schönste Geschenk: Für Sharon ist es Liebe auf den ersten Blick, als sie bei Umbauarbeiten am Haus ihrer Großmutter auf Victor trifft. Aber der attraktive Zimmermann ist nicht der, der er zu sein scheint ...
Lese-Probe zu „Weihnachten mit Nora Roberts “
Weihnachten mit Nora Roberts Roman 1: Nie mehr allein1. KAPITEL
In zehn Jahren kann sich viel verändern. Jason Langley war darauf vorbereitet.
Während des Fluges von London nach Boston und der anschließenden langen Fahrt
nach Quiet Valley, New Hampshire, hatte er Zeit gehabt, sich darauf einzustellen.
Selbst eine Kleinstadt in Neuengland mit 32000 Einwohnern - das war bei seinem
Weggang etwa die Einwohnerzahl gewesen - musste sich im Laufe eines Jahrzehnts
weiterentwickelt haben. Menschen würden gestorben und andere zur Welt
gekommen sein. Geschäfte und Wohnhäuser würden den Besitzer gewechselt
haben. Einige gab es vielleicht überhaupt nicht mehr.
Nicht zum ersten Mal seit seinem Entschluss, seine Heimatstadt zu besuchen,
kam sich Jason ziemlich töricht vor. Wahrscheinlich würde man ihn überhaupt nicht
erkennen. Als er fortging, war er ein schmales, trotziges Bürschchen von
... mehr
zweiundzwanzig Jahren in abgetragenen Jeans gewesen. Und nun kehrte er als
Mann zurück, der gelernt hatte, Trotz durch Arroganz zu ersetzen - und er hatte
damit Erfolg. Inzwischen trug er Anzüge, die in der Saville Row in London oder der
Seventh Avenue in New York angefertigt worden waren. Sie brachten seine
sportliche Figur unauffällig zur Geltung. In zehn Jahren war aus dem verzweifelten
Jungen, der entschlossen gewesen war, der Welt seinen Stempel aufzudrücken, ein
äußerlich gelassener Mann geworden, der sich auf seine Leistungen etwas zugute
halten konnte. Nicht verändert hatte sich sein nach innen gerichtetes Wesen. Er
suchte immer noch nach Wurzeln, nach einem Ort, wo er hingehörte. Deshalb fuhr erjetzt zurück nach Quiet Valley.
Die Straße wand und schlängelte sich noch genauso durch Wälder und über
Hügel wie damals, als er mit dem Greyhound-Bus in umgekehrter Richtung gefahren
war. Die dichte Schneedecke am Boden wölbte sich nur an den Stellen, wo sich
Felsbrocken darunter verbargen. Einzelne Kristalle an Zweigen glitzerten im
Sonnenlicht. Hatte er die Winter Neuenglands vermisst?
Einmal hatte er den Dezember in den Anden verbracht, wo ihm der Schnee
bis zu den Hüften reichte. Ein andermal war er nach Afrika geflogen. Die Jahre liefen
ineinander, aber seltsamerweise konnte sich Jason genau daran erinnern, wo er zu
Weihnachten jeweils gewesen war, obwohl er das Fest nicht feierte. Die Straße
verengte sich, machte einen weiten Bogen und gab den Blick auf die verschneite
Bergkette frei. Ja, das hatte ihm gefehlt.
Aus einem Impuls heraus hielt Jason an und stieg aus. Sein Atem wurde wie
Rauch vom Wind davongeweht. Die Kälte ließ seine Haut prickeln, aber er knöpfte
seine Jacke nicht zu. Auch die Handschuhe ließ er in der Tasche stecken. Er hatte
das Bedürfnis, die eisige Luft an sich heranzulassen. Wie schon als Kind hatte er das
Gefühl, Tausende kleiner spitzer Nadeln einzuatmen. Jason stieg ein Stück den Berg
hoch, bis er auf Quiet Valley hinuntersehen konnte. Hier war er geboren und
aufgewachsen. Hier hatte er Freude und Leid kennen gelernt - und hier hatte er auch
zum ersten Mal geliebt. Selbst aus dieser Entfernung konnte er ihr Haus sehen. Nein,
das Haus ihrer Eltern, verbesserte Jason sich selbst. Erstaunt stellte er fest, dass der
Zorn immer noch nicht verflogen war. Sie würde jetzt woanders wohnen mit ihremMann und ihren Kindern.
Unwillkürlich hatte er die Hände zu Fäusten geballt, nun zwang er sich dazu,
seine Muskeln zu entspannen. Seine Gefühle nicht preiszugeben, sich zu
beherrschen, das war eine Fähigkeit, die er im Laufe des vergangenen Jahrzehnts
zu vervollkommnen lernte. Die Arbeit war dabei sein Lehrmeister, wenn er über
Hungersnot, Krieg und menschliches Leiden berichten musste. Er hatte festgestellt,
dass ihm das alles im Privatleben half. Seine Gefühle für Leonie waren die
Sehnsüchte eines Jungen gewesen. Jetzt war er ein Mann, und sie war ebenso wie
Quiet Valley ein Teil seiner Kindheit. Er war über fünftausend Meilen gereist, um sich
genau das zu beweisen. Jason Langley drehte der Stadt den Rücken und kehrte zumAuto zurück.
Aus der Entfernung hatte Quiet Valley ausgesehen wie ein Bild von Grandma Moses.
Als Jason näher kam, wirkte es weniger idyllisch, und er war insgeheim erleichtert.
Hier und da blätterte die Farbe von einer Fassade ab. Zäune waren unter der Last
des Schnees umgeknickt. An Stellen, wo früher Felder gewesen waren, standen jetzt
Häuser. Veränderungen. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er nichts anderes erwartethatte.
Aus den Schornsteinen stieg Rauch auf. Kinder und Hunde rannten durch den
Schnee um die Wette. Jason schaute auf die Uhr. Halb vier. Die Schule war aus, und
er war jetzt seit fünfzehn Stunden unterwegs. Es wäre jetzt das Klügste,
festzustellen, ob es das Gasthaus noch gab und, wenn ja, sich dort ein Zimmer zu
nehmen. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, als er sich fragte, ob der alte Mr.
Beantree noch hinter der Theke stehen würde. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie
oft ihm dieser nachgerufen hatte, dass aus ihm nie etwas Rechtes werden würde.
Inzwischen konnte er das Gegenteil mit einem Pulitzerpreis und der Medaille des
internationalen Journalistenverbandes beweisen.
Die Häuser standen jetzt enger zusammen, und Jason erkannte sie wieder.
Dort wohnten die Bedfords und daneben Tim Hawkins. Das einstöckige Holzhaus der
Witwe Marchant war immer noch himmelblau gestrichen, und Jason freute sich, dass
wenigstens hier alles beim Alten geblieben war. Wie früher flatterten rote Bänder an
der Fichte im Vorgarten. Die Witwe Marchant war gut zu ihm gewesen. Jason hatte
nicht vergessen, wie sie ihm Kakao gekocht und stundenlang zugehört hatte, wenn
er ihr von den Reisen in ferne Länder erzählte, die er machen wollte. Als er fortging,
war sie bereits über siebzig gewesen, aber kerngesund. Vielleicht war sie auch jetzt
noch dort hinter den Fenstern und hörte ihre geliebten Rachmaninow-Platten.
Die Gehsteige waren vom Schnee gereinigt. Neuengländer waren praktisch
veranlagt und - nach Jasons Überzeugung - ebenso widerstandsfähig wie der Boden,
auf dem sie sich angesiedelt hatten. Die Stadt hatte sich nicht so verändert, wie er es
erwartet hatte. Das Eisenwarengeschäft der Railings befand sich immer noch an der
Ecke zur Churchstreet, und auch die Post war nach wie vor in einem Ziegelbau von
der Größe einer Garage untergebracht. Wie seit jeher in der Adventszeit hingen rote
Girlanden zwischen den Laternenpfosten entlang der Straße. Vor dem Grundstück
der Lintners bauten Kinder einen Schneemann.
Wessen Kinder es wohl sind? fragte sich Jason. Ihre Gesichter waren hinter
Schals und dicken Pudelmützen verborgen. Jedes von ihnen konnte Leonies Kind
sein. Wieder stieg ohnmächtige Wut in ihm auf, und er wandte sich ab.
Das Schild am Eingang des Valley-Inn war neu, aber ansonsten war auch hier
alles so wie früher. Auch hier hatte man den Schnee vor dem Eingang
weggeschaufelt. Aus beiden Schornsteinen quoll Rauch. Jason fuhr daran vorbei.
Zuerst musste er etwas anderes erledigen, etwas, von dem er gewusst hatte, dass
es unvermeidlich war. Er hätte an der nächsten Ecke abbiegen können, um zu dem
Haus zu kommen, wo er aufgewachsen war, aber er tat es nicht.
Am Ende der Hauptstraße würde ein gepflegtes weißes Haus stehen, größer
als die meisten anderen, mit zwei Erkerfenstern und einer Veranda. Dieses Haus
hatte Tom Monroe für sich und seine Braut gekauft. Ein Reporter von Jasons Kaliber
wusste, wie man sich solche Informationen beschafft. Vielleicht hatte Leonie die
Spitzenvorhänge aufgehängt, von denen sie als junges Mädchen schon geträumt
hatte. Bestimmt hatte Tom ihr auch das Teeservice aus zartem Porzellan gekauft,
das im Schaufenster des Haushaltswarengeschäfts ausgestellt gewesen war. Er
würde ihr alles das gegeben haben, was sie sich wünschte. Ein Leben mit Jason
dagegen hätte unzählige Motelzimmer an ständig wechselnden Orten bedeutet.Leonie hatte ihre Wahl getroffen.
Wieder stellte er fest, dass er sich auch nach zehn Jahren nicht damit
abgefunden hatte. Er zwang sich zur Ruhe, als er am Straßenrand anhielt. Leonie
und er waren einmal Freunde gewesen und - für ganz kurze Zeit - Liebende. Seitdem
hatte er andere Frauen gehabt, und sie war verheiratet. Trotzdem konnte er sich
noch genau daran erinnern, wie sie mit achtzehn gewesen war - lieb, sanft und
neugierig auf das Leben. Sie hatte mit ihm gehen wollen, aber er hatte es nicht
zugelassen. Sie hatte versprochen zu warten, doch ihr Versprechen nicht gehalten.Jason atmete tief ein und stieg aus.
Das Haus war sehr hübsch. Am Fenster zur Straße stand ein geschmückter
Christbaum. Jetzt bei Tageslicht sah er überwiegend grün aus. Nachts jedoch würde
er glitzern wie ein Zauberding. Dessen konnte er sicher sein, Leonie glaubte an
Zauberei, und ihr würde es gelingen, auch diesen Baum zu verzaubern.
Jason stand auf dem Fußweg und hatte Angst. Er war daran gewöhnt, von
Kriegsschauplätzen zu berichten und Interviews mit Terroristen zu machen. Doch
dabei hatte er nie solche Furcht verspürt wie jetzt. Ich brauche ja nicht
hineinzugehen, sagte er sich. Wenn ich will, kann ich umkehren und die Stadt
verlassen. Es war nicht erforderlich, dass er sie wiedersah. Sie gehörte nicht mehr zu
seinem Leben. Dann bemerkte er die Spitzenvorhänge, und wieder stieg der alte
Groll in ihm auf. Groll, der stärker war als seine Angst.
Als er auf das Haus zuging, kam plötzlich ein Mädchen um die Ecke gerannt,
auf der Flucht vor einem genau gezielten Schneeball. Sie warf sich zu Boden und
kam damit aus der Schusslinie. Im nächsten Augenblick war sie aber bereits wieder
auf den Beinen und ging zum Gegenangriff über.
“Volltreffer, Jimmy Harding!” Mit einem Triumphschrei wirbelte sie herum und
stieß mit Jason zusammen. “Entschuldigung.” Von Kopf bis Fuß schneebedeckt,
schaute sie auf und grinste ihn fröhlich an. Jason hatte das Gefühl, dass die Zeitrückwärts gegangen war.
Sie war das Ebenbild ihrer Mutter. Das dunkelbraune Haar war aus der Mütze
gerutscht und fiel ihr in wirren Locken auf die Schultern. Das kleine, zierliche Gesicht
wurde von großen blauen Augen beherrscht, die lustig funkelten. Doch was ihm ans
Herz ging, war das Lächeln, dieses unwiderstehliche Lächeln, das auch Leonie
gehabt hatte. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Das kleine Mädchen klopfte
sich den Schnee ab und betrachtete ihn interessiert.“Sie habe ich noch nie gesehen.”
Er schob die Hände in die Hosentaschen. Aber ich dich, dachte er. “Nein.Wohnst du hier?”
“Ja, aber der Eingang zum Laden ist auf der anderen Seite.” Ein Schneeball
landete mit einem Plumps vor ihren Füßen. Sie verdrehte die Augen. “Das ist
Jimmy”, erklärte sie im Tonfall einer Frau, die von einem lästigen Verehrer verfolgt
wird. “Er kann überhaupt nicht richtig zielen. Wie gesagt, zum Laden müssen Sie
andersrum.” Sie bückte sich und formte das nächste Geschoss. “Gehen Sie ruhighinein; die Tür ist offen.”
Mit einem Schneeball in jeder Hand rannte sie davon. Jason stellte fest, dass
er beinahe Mitleid mit Jimmy Harding empfand.
Leonies Tochter. Er hatte ganz vergessen, sie nach ihrem Namen zu fragen,
und um ein Haar rief er sie zurück. Dann aber verzichtete er darauf. Es ist nicht
wichtig, redete er sich ein. Er würde nur für einige Tage in der Stadt sein, ehe er zu
seiner nächsten Reportage aufbrach. Quiet Valley war nur eine Station auf derDurchreise.
Langsam ging Jason ums Haus herum. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte,
was für eine Art Laden Tom betrieb, hielt er es für besser, ihn zuerst aufzusuchen. Erfreute sich beinahe darauf.
Die kleine Werkstatt, die er erwartet hatte, entpuppte sich als Miniaturausgabe
eines viktorianischen Hauses. Auf dem Schlitten vor der Tür saßen zwei lebensgroße
Puppen in Zylinder, Rüschenhaube, Capes und Stiefeln. “Puppenhaus” stand auf
dem handgemalten Schild über dem Eingang. Als Jason die Klinke herunterdrückte,erklangen Glöckchen von drinnen.“Ich komme gleich!”
Als er ihre Stimme hörte, hatte er das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu
verlieren. Aber er würde damit fertig werden. Er würde das Wiedersehendurchstehen, weil er es musste.
Jason nahm die Sonnenbrille ab, schob sie in die Tasche und schaute sich
um. Der Raum war wie ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet, aber die Möbel
waren alle auf die Maße von Kindern zugeschnitten. Puppen in allen Größen und
Formen saßen auf Sesseln, Stühlen, Regalen und Schränken. Vor einem kleinen
Kamin hatte sich eine Puppengroßmutter mit Spitzenhaube und Schürze im
Schaukelstuhl niedergelassen. Die Puppe war so lebensecht, dass Jason
unwillkürlich darauf wartete, dass sie zu schaukeln anfing.
“Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten.” Mit einer Porzellanpuppe in der
einen und einem Brautschleier in der anderen Hand kam Leonie zur Tür herein. “Ichwar gerade damit beschäftigt ...”
Sie brach ab, und der Schleier glitt ihr aus der Hand. Wie schwerelos
schwebte er langsam zu Boden. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und im
Gegensatz dazu wirkten die dunkelblauen Augen beinahe schwarz. Wie zur
Verteidigung drückte sie die Puppe an die Brust. “Jason.”
Mann zurück, der gelernt hatte, Trotz durch Arroganz zu ersetzen - und er hatte
damit Erfolg. Inzwischen trug er Anzüge, die in der Saville Row in London oder der
Seventh Avenue in New York angefertigt worden waren. Sie brachten seine
sportliche Figur unauffällig zur Geltung. In zehn Jahren war aus dem verzweifelten
Jungen, der entschlossen gewesen war, der Welt seinen Stempel aufzudrücken, ein
äußerlich gelassener Mann geworden, der sich auf seine Leistungen etwas zugute
halten konnte. Nicht verändert hatte sich sein nach innen gerichtetes Wesen. Er
suchte immer noch nach Wurzeln, nach einem Ort, wo er hingehörte. Deshalb fuhr erjetzt zurück nach Quiet Valley.
Die Straße wand und schlängelte sich noch genauso durch Wälder und über
Hügel wie damals, als er mit dem Greyhound-Bus in umgekehrter Richtung gefahren
war. Die dichte Schneedecke am Boden wölbte sich nur an den Stellen, wo sich
Felsbrocken darunter verbargen. Einzelne Kristalle an Zweigen glitzerten im
Sonnenlicht. Hatte er die Winter Neuenglands vermisst?
Einmal hatte er den Dezember in den Anden verbracht, wo ihm der Schnee
bis zu den Hüften reichte. Ein andermal war er nach Afrika geflogen. Die Jahre liefen
ineinander, aber seltsamerweise konnte sich Jason genau daran erinnern, wo er zu
Weihnachten jeweils gewesen war, obwohl er das Fest nicht feierte. Die Straße
verengte sich, machte einen weiten Bogen und gab den Blick auf die verschneite
Bergkette frei. Ja, das hatte ihm gefehlt.
Aus einem Impuls heraus hielt Jason an und stieg aus. Sein Atem wurde wie
Rauch vom Wind davongeweht. Die Kälte ließ seine Haut prickeln, aber er knöpfte
seine Jacke nicht zu. Auch die Handschuhe ließ er in der Tasche stecken. Er hatte
das Bedürfnis, die eisige Luft an sich heranzulassen. Wie schon als Kind hatte er das
Gefühl, Tausende kleiner spitzer Nadeln einzuatmen. Jason stieg ein Stück den Berg
hoch, bis er auf Quiet Valley hinuntersehen konnte. Hier war er geboren und
aufgewachsen. Hier hatte er Freude und Leid kennen gelernt - und hier hatte er auch
zum ersten Mal geliebt. Selbst aus dieser Entfernung konnte er ihr Haus sehen. Nein,
das Haus ihrer Eltern, verbesserte Jason sich selbst. Erstaunt stellte er fest, dass der
Zorn immer noch nicht verflogen war. Sie würde jetzt woanders wohnen mit ihremMann und ihren Kindern.
Unwillkürlich hatte er die Hände zu Fäusten geballt, nun zwang er sich dazu,
seine Muskeln zu entspannen. Seine Gefühle nicht preiszugeben, sich zu
beherrschen, das war eine Fähigkeit, die er im Laufe des vergangenen Jahrzehnts
zu vervollkommnen lernte. Die Arbeit war dabei sein Lehrmeister, wenn er über
Hungersnot, Krieg und menschliches Leiden berichten musste. Er hatte festgestellt,
dass ihm das alles im Privatleben half. Seine Gefühle für Leonie waren die
Sehnsüchte eines Jungen gewesen. Jetzt war er ein Mann, und sie war ebenso wie
Quiet Valley ein Teil seiner Kindheit. Er war über fünftausend Meilen gereist, um sich
genau das zu beweisen. Jason Langley drehte der Stadt den Rücken und kehrte zumAuto zurück.
Aus der Entfernung hatte Quiet Valley ausgesehen wie ein Bild von Grandma Moses.
Als Jason näher kam, wirkte es weniger idyllisch, und er war insgeheim erleichtert.
Hier und da blätterte die Farbe von einer Fassade ab. Zäune waren unter der Last
des Schnees umgeknickt. An Stellen, wo früher Felder gewesen waren, standen jetzt
Häuser. Veränderungen. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er nichts anderes erwartethatte.
Aus den Schornsteinen stieg Rauch auf. Kinder und Hunde rannten durch den
Schnee um die Wette. Jason schaute auf die Uhr. Halb vier. Die Schule war aus, und
er war jetzt seit fünfzehn Stunden unterwegs. Es wäre jetzt das Klügste,
festzustellen, ob es das Gasthaus noch gab und, wenn ja, sich dort ein Zimmer zu
nehmen. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, als er sich fragte, ob der alte Mr.
Beantree noch hinter der Theke stehen würde. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie
oft ihm dieser nachgerufen hatte, dass aus ihm nie etwas Rechtes werden würde.
Inzwischen konnte er das Gegenteil mit einem Pulitzerpreis und der Medaille des
internationalen Journalistenverbandes beweisen.
Die Häuser standen jetzt enger zusammen, und Jason erkannte sie wieder.
Dort wohnten die Bedfords und daneben Tim Hawkins. Das einstöckige Holzhaus der
Witwe Marchant war immer noch himmelblau gestrichen, und Jason freute sich, dass
wenigstens hier alles beim Alten geblieben war. Wie früher flatterten rote Bänder an
der Fichte im Vorgarten. Die Witwe Marchant war gut zu ihm gewesen. Jason hatte
nicht vergessen, wie sie ihm Kakao gekocht und stundenlang zugehört hatte, wenn
er ihr von den Reisen in ferne Länder erzählte, die er machen wollte. Als er fortging,
war sie bereits über siebzig gewesen, aber kerngesund. Vielleicht war sie auch jetzt
noch dort hinter den Fenstern und hörte ihre geliebten Rachmaninow-Platten.
Die Gehsteige waren vom Schnee gereinigt. Neuengländer waren praktisch
veranlagt und - nach Jasons Überzeugung - ebenso widerstandsfähig wie der Boden,
auf dem sie sich angesiedelt hatten. Die Stadt hatte sich nicht so verändert, wie er es
erwartet hatte. Das Eisenwarengeschäft der Railings befand sich immer noch an der
Ecke zur Churchstreet, und auch die Post war nach wie vor in einem Ziegelbau von
der Größe einer Garage untergebracht. Wie seit jeher in der Adventszeit hingen rote
Girlanden zwischen den Laternenpfosten entlang der Straße. Vor dem Grundstück
der Lintners bauten Kinder einen Schneemann.
Wessen Kinder es wohl sind? fragte sich Jason. Ihre Gesichter waren hinter
Schals und dicken Pudelmützen verborgen. Jedes von ihnen konnte Leonies Kind
sein. Wieder stieg ohnmächtige Wut in ihm auf, und er wandte sich ab.
Das Schild am Eingang des Valley-Inn war neu, aber ansonsten war auch hier
alles so wie früher. Auch hier hatte man den Schnee vor dem Eingang
weggeschaufelt. Aus beiden Schornsteinen quoll Rauch. Jason fuhr daran vorbei.
Zuerst musste er etwas anderes erledigen, etwas, von dem er gewusst hatte, dass
es unvermeidlich war. Er hätte an der nächsten Ecke abbiegen können, um zu dem
Haus zu kommen, wo er aufgewachsen war, aber er tat es nicht.
Am Ende der Hauptstraße würde ein gepflegtes weißes Haus stehen, größer
als die meisten anderen, mit zwei Erkerfenstern und einer Veranda. Dieses Haus
hatte Tom Monroe für sich und seine Braut gekauft. Ein Reporter von Jasons Kaliber
wusste, wie man sich solche Informationen beschafft. Vielleicht hatte Leonie die
Spitzenvorhänge aufgehängt, von denen sie als junges Mädchen schon geträumt
hatte. Bestimmt hatte Tom ihr auch das Teeservice aus zartem Porzellan gekauft,
das im Schaufenster des Haushaltswarengeschäfts ausgestellt gewesen war. Er
würde ihr alles das gegeben haben, was sie sich wünschte. Ein Leben mit Jason
dagegen hätte unzählige Motelzimmer an ständig wechselnden Orten bedeutet.Leonie hatte ihre Wahl getroffen.
Wieder stellte er fest, dass er sich auch nach zehn Jahren nicht damit
abgefunden hatte. Er zwang sich zur Ruhe, als er am Straßenrand anhielt. Leonie
und er waren einmal Freunde gewesen und - für ganz kurze Zeit - Liebende. Seitdem
hatte er andere Frauen gehabt, und sie war verheiratet. Trotzdem konnte er sich
noch genau daran erinnern, wie sie mit achtzehn gewesen war - lieb, sanft und
neugierig auf das Leben. Sie hatte mit ihm gehen wollen, aber er hatte es nicht
zugelassen. Sie hatte versprochen zu warten, doch ihr Versprechen nicht gehalten.Jason atmete tief ein und stieg aus.
Das Haus war sehr hübsch. Am Fenster zur Straße stand ein geschmückter
Christbaum. Jetzt bei Tageslicht sah er überwiegend grün aus. Nachts jedoch würde
er glitzern wie ein Zauberding. Dessen konnte er sicher sein, Leonie glaubte an
Zauberei, und ihr würde es gelingen, auch diesen Baum zu verzaubern.
Jason stand auf dem Fußweg und hatte Angst. Er war daran gewöhnt, von
Kriegsschauplätzen zu berichten und Interviews mit Terroristen zu machen. Doch
dabei hatte er nie solche Furcht verspürt wie jetzt. Ich brauche ja nicht
hineinzugehen, sagte er sich. Wenn ich will, kann ich umkehren und die Stadt
verlassen. Es war nicht erforderlich, dass er sie wiedersah. Sie gehörte nicht mehr zu
seinem Leben. Dann bemerkte er die Spitzenvorhänge, und wieder stieg der alte
Groll in ihm auf. Groll, der stärker war als seine Angst.
Als er auf das Haus zuging, kam plötzlich ein Mädchen um die Ecke gerannt,
auf der Flucht vor einem genau gezielten Schneeball. Sie warf sich zu Boden und
kam damit aus der Schusslinie. Im nächsten Augenblick war sie aber bereits wieder
auf den Beinen und ging zum Gegenangriff über.
“Volltreffer, Jimmy Harding!” Mit einem Triumphschrei wirbelte sie herum und
stieß mit Jason zusammen. “Entschuldigung.” Von Kopf bis Fuß schneebedeckt,
schaute sie auf und grinste ihn fröhlich an. Jason hatte das Gefühl, dass die Zeitrückwärts gegangen war.
Sie war das Ebenbild ihrer Mutter. Das dunkelbraune Haar war aus der Mütze
gerutscht und fiel ihr in wirren Locken auf die Schultern. Das kleine, zierliche Gesicht
wurde von großen blauen Augen beherrscht, die lustig funkelten. Doch was ihm ans
Herz ging, war das Lächeln, dieses unwiderstehliche Lächeln, das auch Leonie
gehabt hatte. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Das kleine Mädchen klopfte
sich den Schnee ab und betrachtete ihn interessiert.“Sie habe ich noch nie gesehen.”
Er schob die Hände in die Hosentaschen. Aber ich dich, dachte er. “Nein.Wohnst du hier?”
“Ja, aber der Eingang zum Laden ist auf der anderen Seite.” Ein Schneeball
landete mit einem Plumps vor ihren Füßen. Sie verdrehte die Augen. “Das ist
Jimmy”, erklärte sie im Tonfall einer Frau, die von einem lästigen Verehrer verfolgt
wird. “Er kann überhaupt nicht richtig zielen. Wie gesagt, zum Laden müssen Sie
andersrum.” Sie bückte sich und formte das nächste Geschoss. “Gehen Sie ruhighinein; die Tür ist offen.”
Mit einem Schneeball in jeder Hand rannte sie davon. Jason stellte fest, dass
er beinahe Mitleid mit Jimmy Harding empfand.
Leonies Tochter. Er hatte ganz vergessen, sie nach ihrem Namen zu fragen,
und um ein Haar rief er sie zurück. Dann aber verzichtete er darauf. Es ist nicht
wichtig, redete er sich ein. Er würde nur für einige Tage in der Stadt sein, ehe er zu
seiner nächsten Reportage aufbrach. Quiet Valley war nur eine Station auf derDurchreise.
Langsam ging Jason ums Haus herum. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte,
was für eine Art Laden Tom betrieb, hielt er es für besser, ihn zuerst aufzusuchen. Erfreute sich beinahe darauf.
Die kleine Werkstatt, die er erwartet hatte, entpuppte sich als Miniaturausgabe
eines viktorianischen Hauses. Auf dem Schlitten vor der Tür saßen zwei lebensgroße
Puppen in Zylinder, Rüschenhaube, Capes und Stiefeln. “Puppenhaus” stand auf
dem handgemalten Schild über dem Eingang. Als Jason die Klinke herunterdrückte,erklangen Glöckchen von drinnen.“Ich komme gleich!”
Als er ihre Stimme hörte, hatte er das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu
verlieren. Aber er würde damit fertig werden. Er würde das Wiedersehendurchstehen, weil er es musste.
Jason nahm die Sonnenbrille ab, schob sie in die Tasche und schaute sich
um. Der Raum war wie ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet, aber die Möbel
waren alle auf die Maße von Kindern zugeschnitten. Puppen in allen Größen und
Formen saßen auf Sesseln, Stühlen, Regalen und Schränken. Vor einem kleinen
Kamin hatte sich eine Puppengroßmutter mit Spitzenhaube und Schürze im
Schaukelstuhl niedergelassen. Die Puppe war so lebensecht, dass Jason
unwillkürlich darauf wartete, dass sie zu schaukeln anfing.
“Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten.” Mit einer Porzellanpuppe in der
einen und einem Brautschleier in der anderen Hand kam Leonie zur Tür herein. “Ichwar gerade damit beschäftigt ...”
Sie brach ab, und der Schleier glitt ihr aus der Hand. Wie schwerelos
schwebte er langsam zu Boden. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und im
Gegensatz dazu wirkten die dunkelblauen Augen beinahe schwarz. Wie zur
Verteidigung drückte sie die Puppe an die Brust. “Jason.”
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Autoren-Porträt von Nora Roberts
Autoren-Porträt von Nora RobertsNora Roberts ist die derzeit wahrscheinlich erfolgreichste Liebesroman-Autorin – weltweit. Geboren wurde sie als jüngste von fünf Kindern in Silver Spring Maryland und besuchte zeitweise eine katholische Schule. Sie heiratete früh und arbeitete – nach eigenen Angaben eher erfolglos – einige Zeit als Sekretärin. Nach der Geburt ihrer zwei Söhne wurde sie Hausfrau. Der Legende nach brachte sie ein Schneesturm zum Schreiben: Sie war mit ihren Söhnen eingeschlossen, die Schokoladenvorräte gingen zu Ende und sie erfand, damit es nicht langweilig würde, kleine Geschichten, die sie später aufschrieb. Zwei Jahre später, 1981, erschien ihr erster Buch. Seitdem ging es steil bergauf. Roberts schrieb dutzende Liebesromane, die sich weltweit millionenfach verkaufen. Auf die Frage, weshalb sie gerade Beziehungsromane schreibe, sagt sie: „Für mich sind Beziehungen, Emotionen und der Sturm der Gefühle, wenn man sich verliebt, einfach faszinierend.“ Etwas pragmatischer meinte sie bei anderer Gelegenheit, dass sie immer Männer um sich herum hatte: die vier älteren Brüder, Ehemann, zwei Söhne. Sie hatte also nur die Wahl: versuchen, sie zu verstehen oder durchdrehen...
Inzwischen lebt Nora Roberts mit ihrem zweiten Mann auf einem malerischen Hügel im Westen von Maryland. Ihr Mann ist Tischler und sollte ursprünglich Bücherregale im Haus einbauen. „Er kam und ging einfach nicht mehr“, wie Nora Roberts es beschreibt. Er hat dafür gesorgt, dass das Haus nun auch ein drittes Geschoss und ein eigenes Schwimmbad hat.
Nora Roberts arbeitet 6-8 Stunden täglich an ihren Büchern, steht in E-Mail-Kontakt mit den vielen Fans und entspannt abends am liebsten mit einem guten Buch oder vor dem Fernseher. Manchmal bleibt ihr sogar etwas Zeit für den großen
... mehr
Garten. Hier hat sie, wie sie selbst sagt, „den vollkommenen Ort“ gefunden.
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2019, 524 Seiten, Maße: 14 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Aus d. Amerik. v. Eva von der Gönna, Patrick Hansen u. Heike Warth
- Übersetzer: Eva von der Gönna, Patrick Hansen, Heike Warth
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899416635
- ISBN-13: 9783899416633
Rezension zu „Weihnachten mit Nora Roberts “
"Die beste Romance-Autorin überhaupt ... Nora Roberts verblüfft mich immer wieder." Stephen King
Kommentare zu "Weihnachten mit Nora Roberts"
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